Re-Cycle (2006)
2-Disc Special Edition
OT: Re-Cycle / Gui cheng
Technische Daten
Vertrieb: Splendid Film
Regionalcode: 2
Laufzeit: 104 Min.
Regie: Danny Pang, Oxide Pang Chun
Darsteller: Angelica Lee Sin Je, Rain Li, Lawrence Chou, Lau Siu Ming, Ekin Cheng
Bildformat: 2,35:1 (anamorph / 16:9)
Sprachen: DD 5.1 Deutsch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch
Freigabe: FSK 16
Film
“Recycling” kann man es wahrlich nennen, was die Pang Brothers 2006 auf die Leinwand brachten. Der Surrealismus ist ein nur zu gerne gepflegter Vorwand, intelligente Geschichten zu erzählen, die dann oft nach vollständiger Entschlüsselung so beeindruckend gar nicht mehr sind. Vielmehr endeten sämtliche Ausflüge einer weiblichen Protagonistin aus der problembehafteten Realität in eine Fantasiewelt mit der gleichen moralischen Essenz: Die Probleme des wirklichen Lebens sind nicht wirklich das Ende der Welt, denn die Welt dreht sich immer weiter. Es kommen neue Probleme, die alten werden bewältigt. Und so steht am Ende eine geläuterte Hauptfigur, die ihr Leben wieder genießen kann, weil sie alles relaxter sieht. Das ist nun mindestens seit Disneys “Alice im Wunderland” immer wieder der Fall - zuletzt 2005 in Großbritannien mit “MirrorMask”. Was “Re-Cycle” nun variiert, ist lediglich die klar pessimistischere Auflösung, deren Twist am Ende jedoch auch nichts neues erzählt.
Doch zum Glück ist der neue Film der “The Eye”-Macher ein visuelles Kunstwerk der Extraklasse geworden, und so wird folgendes geschehen: Die Zuschauer spalten sich in zwei Lager. Eines, das die narrativen Unzulänglichkeiten kritisiert, und eines, das sich von der Originalität der Bilder gänzlich gefangen nehmen lässt.
Dass die erste halbe Stunde irritierenderweise noch puristisch mit dem bisher starren Mechanismus des Asiahorrors der letzten sieben, acht Jahre spielt, ist ein bemerkenswertes Detail am Rande. Denn mit der amerikanischen Verfilmung des japanischen Videospiels “Silent Hill” deutet sich langsam eine Wachablösung der kleinen Mädchen mit den schwarzen Haaren an hin zum abstrakten, deformierten Psychohorror, der zwar schon vorher existierte, aber erst jetzt langsam den Mainstream erobert. “Re-Cycle” bietet einen nahtlosen Übergang, baut noch den Geistermädchen-Stereotyp ein, verzichtet aber beispielsweise schon auf die stierenden Augen, um dem bösen Geist stattdessen eine gesichtslose Masse zu verpassen, eine Cronenbergsche Fleischwulst. Der Horror verliert von seiner materiellen Manifestation und wird geisterhaft. Den Übergang markiert daher eine Reminiszenz an “Dark Water”, und ein Mädchen mit schwarzen Haaren steht im Aufzug und versinkt im Boden, verliert seine Materialität. Und dann ist man auch schon in der Parallelwelt. Vorbei die schemenhaften Umrisse einer fremden Person in der eigenen, leeren Wohnung, keine verräterischen Haare mehr in der gestochen scharfen und minimalistisch eingerichteten Küche - nun gestalten Hieronymus Bosch und Salvador Dalí gemeinsam ein alptraumhaftes Treppengewinde, das aus den Seitengassen Tokios abgeleitet zu sein scheint, mit seinen im Nichts endenden, brüchigen Stufen eine architektonische Absurdität darstellt.
Die ambitionierte Hauptdarstellerin Angelica Lee wird nun als verzweifelte, von Unruhe und möglicherweise Schuldgefühlen geplagte Autorin durch diese fremde Welt gejagt. Zum einen von passiven Angreifern, wofür die Pangs vor allem das klassische Zombietum in Anspruch nehmen. Tote Menschen mit verfaulten Gesichtern, die in Massen gedankenlos durch eine sich ständig verändernde Umgebung wandeln, eine bizarre Umkehr zur Realität, in der die Menschen lebendig sind und die Welt um sie herum auf den ersten Blick tot erscheint, um lediglich auf äußere Einflüsse zu reagieren, wie der Baum im Sommer seine Blätter füllt und sie im Herbst verliert. Tsui Ting-Yin (Angelica Lee) zwängt sich zwischen den kafkaesken Gestalten hindurch, um ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Im Wald hängen Menschen am Strick, schweben geisterhaft auf den Eindringling zu mit ihren in die Länge gezogenen Hälsen und schreien ihr mit totem Gesichtsausdruck ins Ohr, unnatürlich schlaksig und verbogen, eindeutig inspiriert durch “Silent Hill 4".
Auf der anderen Seite zwei zielgerichtetere bösartige Verfolger, die Tsui nicht instinktiv, sondern intentional verfolgen, darunter die Abstraktion des Mädchens mit den schwarzen, langen Haaren, aber begleitet von einer fleischlichen Mutation mit leeren Augenhöhlen. Sie zeigen mit Fingern auf die Frau und gleiten ihr nach. Zwei Klassen der Bedrohung, eine aktive und eine passive.
Neu ist es nicht, aber effektiv und vor allem optisch innovativ, oder zumindest nicht stagnierend. Ebenso obligatorisch sind die freundlichen Helfer, die in der Fremde als Stützen und Wegweiser fungieren. Es hat storytechnisch alles seinen Sinn, daran besteht kein Zweifel. Aber dennoch würde man sich wünschen, einmal von diesem Stereotyp, das nahezu bereits ein Klischee ist, befreit zu werden.
Nur dann sieht man die detaillierte, postapokalyptisch veränderte Wohngasse mit ihrem riesigen Jahrmarktsrad am Ende, über einem leuchtend gelben Himmel, und man ist geneigt, den vorhersehbaren Begegnungen nicht weiter Beachtung zu schenken. Insgesamt zwölf stilistisch vollkommen unterschiedliche Ebenen werden aufgeboten, jede mit eigener Farbgebung, Artdesign, Beleuchtung und Architektur. Wenngleich manche Übergänge etwas bemüht erscheinen, so entwickelt sich die Reise durch die Geisterwelt doch als faszinierender Tunnel mit Stationen wie Welten, die sich mit ihrer Ausdrucksstärke allesamt gegenseitig ausstechen.
Wie schon in Christophe Gans’ “Silent Hill” leidet darunter ein wenig der Horror-Faktor, der gegen das Staunen über die Kulissen von Art Director SirLaosson Dara und die Effekte von Ng Yuen Fai ankämpfen muss und hier einfach nicht gewinnen kann. Gerade die eigentlich im Ansatz klaustrophobische Kulisse der Brückenüberquerung ruft verhältnismäßig wenig Spannung hervor, allerdings ist das ein Opfer, das man bei dieser Form des Surrealismus wohl zwangsläufig in Kauf nehmen muss - vermutlich nehmen sich der Grusel- und der Sensationseffekt rezeptiv gegenseitig die Wirkung. Insofern stellt es einen gelungenen Kontrast dar, dass zumindest die erste halbe Stunde dezenten, aber intensiven Horror aufzubauen imstande ist, wenn auch für sich alleine betrachtet zu unoriginell gegenüber den vielen Vorläufern, die Ähnliches und noch mehr bereits gezeigt haben.
Doch darauf kommt es nicht im Geringsten an. “Re-Cycle” ist in jedem Fall ein visuelles Meisterstück, dem jedoch leider keine entsprechend faszinierende Story zugrunde liegt. Der doppelte Plottwist - einer davon bereits mehrfach in der Geisterwelt angedeutet und damit vorhersehbar - ist ganz nett, entlarvt die opulent aufgetürmte Symbolik letztlich aber doch wieder nur als persönliches Problem der Hauptfigur, die mit sich selbst zu kämpfen hat. Alles wie gehabt. Das enttäuscht schon deswegen, weil es durchaus Momente gibt, in denen man glaubt, “Re-Cycle” breche endlich die Grundfesten der alten “Alice im Wunderland”-Geschichte auf und biete mit dem Schlussakt eine augenöffnende Erkenntnis. Dies geschieht dann leider doch nicht und so bringt auch das etwas düstere Ende nicht mehr den gewünschten Quantensprung, er verdunkelt lediglich ein wenig den Abspann. Dennoch für Optik-Gourmets eine herbe Erfahrung, die sich für sehr lange Zeit ins Gehirn einbrennen wird.
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Bild
Der größte Mangel des Bildes ist ein schwacher Schwarzwert. Die vielen dunklen Passagen sind deutlich zu helltönig, was sich ganz einfach anhand der viel dunkleren Balken auf dem 4:3-Fernseher feststellen lässt. Ansonsten kann man weitgehend zufrieden sein, da zumindest Verschmutzungen kaum auffallen, ebenso wenig wie Rauschen. Kategorien wie Farben, Bildschärfe etc. sind schwer zu bewerten, da sie mit den stilistischen Verfremdungen der Geisterwelt korrellieren. Wenigstens die erste halbe Stunde zeigt ein scharfes Bild, danach dominieren Weichfilter, verwaschene Details und Farbfilter.
Ton
Wenn es drauf ankommt, ist der Subwoofer immer voll da. Ein behändes Wabern und Rauschen in der Schlussviertelstunde während des audiovisuellen Höhepunktes markiert den Klimax. Zuvor gibt es immer wieder angenehm eingeflochtene Hintergrundeffekte, unterstützt von klar verständlichen Stimmen. Noch ein klein wenig mehr Effekte im gesamten und es wäre optimal gewesen.
Menüs und Verpackung
Digipak, einmal aufgeklappt
Coverartwork der beiden Booklets
Wahnsinn.Splendid goes HK-Fassung und bietet eine (auf 5.000 Stück limitierte) 2-Disc Special Edition, die man aufgrund der Aufmachung auch mal wirklich als Sammlerstück ansehen darf. Es handelt sich um ein zwar schuberloses, aber rund 3,5 cm dickes Digipak aus ausgesprochen hochwertigem Buchmaterial. Das Coverbild ist ein gutes Drittel breit im oberen Teil als Glanzdruck aufgebracht. Der Rest der Front ist komplett schwarz, abgesehen von dem Titel-Schriftzug ebenfalls hochglänzend und leicht hervorgehoben in hellgrüner Schrift.
In dieses Digi sind dann nochmals zwei einzelne Digis fest eingeklebt, eines für die Haupt- und eines für die Bonusdisc. Weiterhin gibt es auf jeder Seite
jeweils ein Booklet von je 20 Seiten. Beide enthalten Artworks zu den einzelnen Abschnitten der Fantasiewelt. Kurzum, eine wahnsinnig tolle Umsetzung, und endlich mal wieder etwas anderes als ein Steelbook. Sehr löblich.
Die Menüs von Disc 1 sind leider nicht animiert, aber ansprechend und simpel gestaltet und mit einem atmosphärischen (wenn auch sich schnell wiederholenden) Hintergrundbrummen aufgepeppt. Disc 2 zeigt das gleiche Menübild, wird aber von der durch den Embryotunnel fallenden Tsui eingeleitet.
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Extras
Als Extras gibt es auf Disc 1 acht Trailer (City of Violence, The Tooth Fairy, Demon Hunter, Shadowless Sword, Running on Karma, Room 6, Princess Aurora, Fragile).
Disc 2 beginnt mit einem Making Of (in Anbetracht der Länge eher eine Sammlung von Featurettes), das in die Unterpunkte “Green Screens” (2 Min.), “Geisterwelt” (2 Min.), “Verschiedene Sets” (2 Min.), “Computer Grafik” (3 Min.) und “Visuelle Effekte” (6 Min.) aufgeteilt ist und sich dementsprechend primär mit der Kreation der Welt von “Re-Cycle” befasst.
“Alternative Scenes” (7 Min.) zeigt zusätzliches Material vor allem aus der Wohnung der Schriftstellerin, in eher schlechter Bildqualität.
“Behind the Scenes”(5 Min.) führt im Grunde die Making Of-Featurettes fort und zeigt (unkommentierte) On-Screen-Aufnahmen mit den abgedeckten Green Screen-Bereichen und einer Visualisierung, wie der Bereich dann später per Computer mit Leben gefüllt wurde.
Weiterhin gibt es ein Interview mit den Pang Brothers am Tag der Weltpremiere von “Re-Cycle” mit eingeblendeten Textfragen (13 Min.), den Punkt “Präsentation” mit Eindrücken von der Premiere (9 Min.) sowie ein “Red Carpet Reel” vom roten Teppich (16 Min.).
Fazit
Zuschauer, die sich in erster Linie von optischen Eindrücken leiten lassen und beispielsweise mit “Silent Hill” schon was anfangen konnten, sollten bei “Re-Cycle” ihre helle Freude haben. Wer auf die Story fokussiert ist, wird leider nur ein unzureichend variiertes “Alice im Wunderland”-Konzept wiederfinden, das manchmal verspricht, aufzubrechen, es letzten Endes aber nie tut. So wird dieser Film vermutlich noch für zwiespältige Eindrücke sorgen. Die DVD jedoch nicht: Gerade von der Aufmachung her ein richtiges Prachtstück, wird der Film recht ordentlich präsentiert mit der Ausnahme, dass das Bild mit einem misslungenen Schwarzwert zu kämpfen hat. Eine zweite DVD bietet ein paar Eindrücke von der Premiere und Erläuterungen zu den Special Effects und dem Kulissenbau. Wer noch die Special Edition haben will, sollte sich beeilen, denn langsam verschwindet sie ob des fairen Preises von 19,99€ aus den Regalen. 2 Disc-Versionen in der Amaray wurden auch schon gesichtet. Ich behaupte: Wenn ihr das Digi seht, schlagt zu. Es lohnt sich!
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Testequipment
TV-Gerät: Tevion 4:3
DVD-Player: Pioneer XV-DV313 5.1 Komplettsystem