Salaryman Kintaro
Originaltitel: Serarîman Kintarô
Produktionsland: Japan
Erscheinungsjahr: 1999
Regie: Takashi Miike
Darsteller: Kanako Enomoto, Michiko Hada, Naoki Hosaka, Toshiaki Megumi, Miki Mizuno, Yoko Saito, Katsunori Takahashi, Tsutomu Yamazaki
Man muss nicht unbedingt Japaner sein und auch die Kenntnis der Manga-Vorlage ist nicht zwangsläufig vonnöten, um zu erkennen, worin der Pop-Appeal um einen Büroangestellten liegt, der jede einzelne Situation unter Kontrolle hat, in die er gerät. Es reicht vollkommen aus, in einer industrialisierten und technisierten Welt zu leben. Idealerweise ist man selbst Büroangestellter. Eine solche Geschichte zu verkaufen ist in Japan so, wie Fische aus einem Einmachglas zu angeln. “Salaryman Kintaro” ist Mainstream pur und ein Quasi-Selbstläufer obendrein.
Was hat Takashi Miike hier zu suchen?
Der Fließbandfilmer, der dennoch die ungewöhnliche Gabe besitzt, keinen seiner Filme wie den anderen aussehen zu lassen, überrascht sogar dann, wenn er Überraschungsfreies produziert. Die Berechnung hinter diesem Produkt ist unter Einbezug von Miikes kontrastreicher Vita das Unberechenbare, das es schwer zu glauben macht, man würde hier tatsächlich “nur” eine Verfilmung des Mangas zu sehen bekommen. Aber Tatsache, so ist es. Der Maestro zeigt, dass er auch unkomplizierte Riffs zu spielen imstande ist.
Die üben sich auf einem verhältnismäßig realistisch gezeichneten Hintergrund. Überzeichnungen, wie sie im Bereich Mangaverfilmung nicht selten sind, sucht man vergebens, wobei es zur Beurteilung der Vorlagentreue sinnvoll wäre zu wissen, inwiefern der Manga mit Übertreibungen experimentierte. Wie dem auch sei: der Verzicht auf Übermenschliches drückt das Werk auf jeden Fall von der potenziellen Komödie ins tendenziell Dramatische, das sich durch typische Thriller- Action- und Krimi-Elemente komplementiert.
Die Andockung am Realismus hilft bei der wichtigen Identifikation mit dem Salaryman. Zuschauer und Hauptfigur werden gewissermaßen gleichgeschaltet und was der Figur Kintaro passiert, passiert auch demjenigen, der sich mit ihr identifiziert. Das wäre ein Ding der Unmöglichkeit, würde die Handlung bis ins Unkenntliche abstrahiert werden. Der Angestellte ist kein Superman (was durch einen zwinkernden Verweis auf die US-Comicfigur in einer Szene veranschaulicht wird); er soll jenen, die sich ihm in den Weg stellen, lediglich mit menschenmöglicher Kraft in den Arsch treten. Und zwar, dass es kracht. Miike macht hier einen guten Job, indem er sich bewusst zurücknimmt.
Was seinen Film letztendlich zu einer halbgaren Angelegenheit macht, sind die empfindlichen Punkteverluste auf den Nebenkriegsplätzen.
Für einen Business-Thriller bleiben die geschäftlichen Arrangements zu trocken und unspektakulär. Es gibt zwar einen natürlich bedingten Spannungshöhepunkt bei der Auktion der Teilhabe an einem Firmenprojekt, doch hätten spannendere Personenkonstellationen, saftiger präsentierte Widersacher und greifbarere Bösewichte der Handlung nur gut getan. Auch mancher Subplot um die Firmenlage, den spielsüchtigen Boss und seine Beziehung zu seinem Arbeitnehmer erscheint unnötig oder wird zu träge vorgetragen.
Für einen Krimi bedient sich Miike zu konventioneller Techniken. Bei der Erzeugung von Suspense wird klassisch auf das ebenso verlässliche wie vorhersehbare Parallelschnitt-Verfahren zurückgegriffen, was bei mehrfacher Wiederholung das Höhepunkt-Prinzip überreizt und somit ermüdet. Zu alledem wirkt das für die Story so wichtige “Jetzt wird zurückgeschlagen”-Gefühl nur gedämpft, obwohl zu diesem Zweck ein sehr gelungener, äußerst rockiger Soundtrack einheizt, wenn sich Kintaro aufmacht, jemanden aufzumischen - egal ob es sich dabei um ein paar Straßenkiddies handelt oder den verhassten Geschäftsopponenten, der für seine dreckigen Geschäfte nicht einmal vor dem Tod von Menschen haltmacht.
Die Actionanteile zuguterletzt sind spärlich, und wenn sie mal zum Einsatz kommen, schwach verarbeitet. Eine unspektakuläre Straßenschlägerei findet man, eine billig geschnittene Explosion, bei der man nur kurz ein wackelndes Bild zum “Bumm” serviert bekommt, ein Feuerball und dann gleich das zerstörte Resultat; und nachdem schließlich die alte Motorradgang reaktiviert wird, freut man sich auf ein gigantisches Finale, das aber so nie einsetzen wird. Ein Truck kracht durch eine Absperrung und damit hat es sich.
“Salaryman Kintano” ist sicher nicht verkehrt und sogar recht sympathisch; ich bin gar geneigt zu sagen, Manga-Hasser und generelle Verabscheuer asiatischen Overactings werden sich von dieser Mangaverfilmung noch am meisten angezogen fühlen. Schwächen bietet er aber leider dennoch zu viele auf, als dass man ihn wirklich liebgewinnen könnte. Als leicht zugängliche Kuriosität in der Filmographie Takashi Miikes aber sicher einen Blick wert, den man auch nicht unbedingt bereuen wird.