Dr. Uwe Boll – ein Mann geht seinen Weg. Man muss ihn einfach mögen, diesen deutschen Filmemacher, den scheinbar so ziemlich jeder liebt zu hassen, denn seine unbeirrbar ausgerichtete Vorgehensweise im Business erfordert schon ein gesundes Maß an Anerkennung: Er zieht sein Ding durch – komme was da wolle. Welcher Regisseur dreht schon freiwillig eine kostengünstige „Direct-to-Video“-Fortsetzung der viele Millionen Dollar schweren eigenen Kino-Veröffentlichung, die im Zuge einer überwältigenden Kritiker-Schelte auf der großen Leinwand so richtig übel floppte? Spontan will mir in dieser Hinsicht keiner einfallen – aber nun hat sich unser Doc einem solchen Projekt angenommen: Da sich die DVDs des Vorgängers ganz passabel verkaufen, trat man irgendwann von offizieller Seite aus an ihn heran und erkundigte sich danach, ob er sich eventuell vorstellen könnte, „Bloodrayne 2“ innerhalb kürzester Zeit umzusetzen – Uwe sagte zu, ein Skript wurde zurechtgebastelt, das ihm zugleich die Gelegenheit bot, sich mal an dem Western-Genre zu versuchen, eine nahezu komplett neue Besetzung kurzfristig zusammengetrommelt sowie der Dreh in einem begrenzten zur Verfügung stehenden Zeitfenster zwischen zwei anderen (größeren) Produktionen durchgezogen. Heraus kam dabei ein Werk, welches wie genau das anmutet, was es ist – nämlich ein uneben konzipierter cineastischer Schnellschuss…
Chicago Chronicle Reporter Newton Piles (Chris Coppola) ist in das Pionierstädtchen Deliverance (Montana) gereist, um den Lesern davon zu berichten, wie „wild” der Westen tatsächlich ist – in der kleinen Siedlung ist es allerdings noch ziemlich ruhig und ereignislos, zumindest bis in Kürze die Bahnanbindung zum Rest des Landes fertig gestellt sein wird. Da dies in nur wenigen Tagen geschehen soll, quartiert er sich erst einmal in Ruhe ein, lässt sich von den Anwohnern Geschichten erzählen und hofft, dass die Züge mitsamt der Reisenden schon bald etwas Schwung und Leben ins Kaff injizieren – statt letzterer Umschreibung hält allerdings erst einmal der Tod Einzug, denn kurzerhand erscheint der legendäre Billy the Kid (Zack Ward) in Begleitung seiner Posse auf der Bildfläche und beschert Piles Unmengen an Material für seine Story, sollte er diese irgendwann tatsächlich noch erzählen bzw publizieren können. Bei dem Revolverhelden handelt es sich zu allem Überfluss in Wahrheit um einen aus (Ost-) Europa stammenden, mehrere hundert Jahre alten Vampir, der mit Hilfe seiner aus Artgenossen bestehenden Bande eine „neue Welt“ nach eigenen Vorstellungen erschaffen möchte: Sein Plan ist es, Neuankömmlinge und Durchreisende künftig in seinesgleichen zu verwandeln sowie den Vampirismus auf diese Weise rasch und weitreichend in den gesamten Vereinigten Staaten zu verbreiten. Um sich die Unterwürfigkeit der Einwohner zu sichern, entführt er, natürlich in Addition zu einer veranschaulichenden Demonstration seiner Macht, die ansässigen Kinder, von denen er sich simultan auch nährt, bis regelmäßiger „Nachschub“ gewährleistet ist. Was Billy nicht weiß, ist dass sich unter den Verschleppten auch verwandtschaftliches Blut der Vampirjägerin Rayne (Natassia Malthe) befindet – als jene schließlich die Leichen der Eltern entdeckt, setzt sie alles daran, ihren neuen Nemesis zur Strecke zu bringen. Leider stellt sich das als schwieriger heraus, als sie es sich ursprünglich ausgemalt hat, weshalb sie notgedrungen auf Unterstützung zurückgreifen muss: Von Pat Gerrett (Michael Paré) vor dem sicheren (endgültigen) Tod gerettet, rekrutiert das Duo noch den Gunslinger Franson (Michael Teigen) sowie einen (u.a.) wegen Betrugs gesuchten Prediger (Michael Eklund), wodurch sie gemeinsam eine neue schlagkräftige kleine Truppe der „Brimstone Society“ bilden und schließlich um Punkt Mitternacht auf der Hauptstraße von Deliverance zum entscheidenden Gefecht gegen die schießfreudigen Blutsauger antreten…
„Bloodrayne 2“ weist eine (einzige) absolut großartige Einstellung auf, welche während der Opening Credits zu bewundern ist, die ihrerseits vor dem Hintergrund etlicher Fotos aus der damaligen Zeit ablaufen: Ausgerechnet bei einer von einem Boot mit Immigranten aus für die Nachwelt festgehaltenen Aufnahme der Freiheitsstatur wird, unter dem leise eingespielten Freudenjubel der Einwanderer, die Einblendung „An Uwe Boll Film“ ins Bild gerückt. Ja, auch er nahm vor einigen Jahren den Weg über den großen Teich auf sich – seither hat er sich einige seiner Träume erfüllt sowie von dort aus international einen (zugegeben, zweifelhaften) Namen erworben. Im Gegensatz zu einigen seiner deutschen Kollegen (á la Petersen oder Emmerich) biederte er sich dem Publikum jedoch nie in Gestalt über-patriotischer Projekte an, sondern griff stattdessen eher kontroverse Themen wie Highschool-Schießereien, den Terrorismus und gar Vietnam-Krieg auf – kein leicht zu begehender Pfad, den er sich da ausgesucht hat, natürlich streng unabhängig aller anderen Umstände betrachtet (wie sein Grad an Talent oder die Art der Präsentation). Vorliegend nahm er sich einem der ur-amerikanischsten Genres überhaupt an – dem Western, welchen er postwendend mit Vampir-Elementen anreicherte, zwecks Einbindung in diese auf ein Videospiel basierende Franchise. Ähnliche Konzepte gab es bereits früher (zum Beispiel „Billy the Kid vs. Dracula“, 1966), und in den richtigen Händen bietet die Idee tatsächlich eine ganze Reihe ausbaufähiger Ansätze – unglücklicherweise floss nicht gerade viel kreative Energie in diese Produktion, independent der fern von optimalen Entstehungsbedingungen. Drei Autoren (Neil Every, Christopher Donaldson, Masaji Takei) beschäftigten sich im Vorfeld damit, die ursprünglich gewiss selbständig erdachte Geschichte dem neuen Rahmen anzupassen. Ich kann mir vorstellen, dass jene schon aus einem arg schwachen inhaltlichen Konstrukt bestand – bloß verschlimmerte die Hinzugabe der neuen zu berücksichtigenden Faktoren die Sache nur noch weiter: Herausgekommen ist eine grob gestrickte Ansammlung von Klischees, Stereotypen und Urbilder, die keiner der beiden Ausrichtungen (Western/Horror) qualitativ gerecht wird – ein bestenfalls leidlich ausgefülltes Story-Grundgerüst, völlig ohne Finesse und/oder Seele. Nicht nur einzelne Impressionen erinnern einen mehr als nur leicht an andere Werke bzw große Vorbilder – ebenso ganze Sequenzen, Set-Pieces und inszenatorische Entscheidungen, die uns als Hommage verkauft werden, welche aber aufgrund ihrer uninspirierten Integration recht bald zu einem platten Ärgernis verkommen.
Eingefasst in einem vage gehaltenen narrativen Überbau, den der ähnlich geartete Genre-Mix „From Dusk till Dawn 3“ (2000) bereits nutzte, nämlich die Einbindung der Perspektive eines Schriftstellers, sowie mal wieder in einer Stadt angesiedelt, die einen sinnbildlichen Namen trägt, entfalten sich die weder kreativen noch originellen Geschehnisse beinahe ohne erkennbarer Charakterentwicklung oder irgendwelchen gelieferten Backgroundinformationen. Abgesehen davon, dass nirgends eine Erklärung dafür gegeben wird, wie Billy zu einem Vampir wurde oder wo Pat Gerrett´s Motive eigentlich liegen, beleuchtet man nicht einmal die Titelfigur genauer: Wie eine leere Hülle bewegt sie sich durch die Szenerie – was zwischen dem Ende des letzten und dem Anfang dieses Films geschah, findet keinerlei Erwähnung. Zuschauer, die den Vorläufer nicht kennen, dürften angrenzend verloren sein und mit Begriffen wie „Dhampir“ oder „Brimstone Society“ rein gar nichts anfangen können. Einen weiteren offensichtlichen Kritikpunkt markiert die Tatsache, dass Rayne als eine unglaublich schwache Heroine dargestellt wird: Posen kann sie gut, keine Frage, nur wenn es um echte Heldentaten oder effektive Aktionen im Eifer des Gefechts geht, sieht die Angelegenheit merkwürdig düster aus – etwa gelingt es den Baddies erstaunlich schnell, sie zu überwältigen und einzusperren, nach ihrer Befreiung wählt sie umgehend die Flucht gegenüber einer direkten Konfrontation, muss im Anschluss dann erst einmal von Gerrett wieder aufgepäppelt werden, benötigt erfahrene Verbündete, um überhaupt eine Chance gegen die betreffende Handvoll Gegner zu haben, und wird zum Finale hin (eingangs) ziemlich böse von Billy in Bedrängnis gebracht, bis ihr Pat wiederum zu Hilfe eilt und sich nur so das Blatt für sie wendet…
Angesichts dieser Umstände fällt es umso gravierender ins Gewicht, dass die vormalige Hauptdarstellerin Kristanna Loken wegen anderweitigen Verpflichtungen (TV´s „Painkiller Jane“) nicht zur Verfügung stand und daher von B-Movie-Beauty Natassia Malthe („Elektra“/„DOA“/„Skinwalkers“) ersetzt wurde, die im Rahmen der 2005er „Sci-Fi-Channel“-Produktion „Bloodsuckers“ (im Sinne der Part-Beschaffenheit) bereits ähnliche Erfahrungen zu sammeln vermochte, dennoch null Ausstrahlung mitbringt sowie darüber hinaus unglaublich hölzern anmutet – nicht nur beim Hantieren mit ihren zwei Kampf-Klingen, was bei ihr außerordentlich ungelenk ausschaut. Loken hatte die Rolle damals würdig verkörpert, Malthe hingegen besitzt weder Bildschirmpräsenz noch eine spürbare Chemie mit einem der anderen Beteiligten – und schlimmer noch: Sie wirkt schwach, verloren, kann die ihr in den Mund gelegten Dialoge kaum glaubhaft rüberbringen und erzeugt unfreiwillige Komik im Zuge des Versuchs, einen besonders toughen Eindruck hinterlassen zu wollen – von der furchtbaren Einführungssequenz sowie dem gelegentlichen Herumkauen auf einem im Mundwinkel platzierten Streichholz ganz zu schweigen. Ihr Widersacher wird von Zack Ward („Freddy vs. Jason“/„Transformers“) gespielt: Stets gut gekleidet sowie mit einem nervigen (Eastern-) Eurotrash-Akzent versehen, schwankt Ward´s Interpretation der unnötigerweise zu einem Vampir umkonzipierten Figur stets zwischen Overacting und einer belanglosen Performance schwankend – zumindest schlafwandelt er nicht unmotiviert durch seine Screen-Time wie Ben Kingsley im ersten Teil. Boll-Regular Michael Paré („Sanctimony“/„Moon 44“), der hier übrigens eine andere Person als im „Original“ mimt, agiert okay als erfahrener Haudegen und hilfreicher Verbündeter, Chris Coppola´s („Postal“/„Forbidden Warrior“) Beteiligung hätte in meinen Augen nicht wirklich sein müssen, Michael Eklund´s („Seed“/„88 Minutes“) kontrolliert-überdreht gestalteter Auftritt als vom rechten Weg abgekommener Prediger verleiht dem lahmenden und gänzlich humorlosen Verlauf immerhin punktuell etwas Triebkraft. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass man innerhalb der übrigen Besetzung Brendan Fletcher („Ginger Snaps 2&3“) und die junge Jodelle Ferland („Silent Hill“/„Tideland“) entdecken kann sowie dass Uwe´s Dauer-Weggefährte Will Sanderson dieses Mal nicht mit von der Partie ist…
„Bloodrayne 2: Deliverance“ hat mich enttäuscht – und das trotz einer angepasst niedrigen Erwartungshaltung, hauptsächlich aus zweierlei Gründen: Auf der einen Seite stellte sich das fertige Ergebnis als unerwartet langweilig heraus, auf der anderen kam nie das Feeling eines echten „Boll-Werks“ auf, ließ diesen gewissen unterhaltsamen Trash-Faktor vermissen, der bislang jedes Mal irgendwo zu finden war (selbst im bierernsten „Heart of America“, dort in Gestalt der misslungenen Visualisierungsversuche eines Drogenrauschs). Sind die ersten paar Minuten noch einigermaßen vielversprechend, geschieht im Mittelstück einfach zu wenig, um das Interesse halten zu können – stattdessen ziehen sich diverse Szenen unnötig lange hin, die zudem voll von belanglosen Dialogen schwacher Qualität sind. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert ein frühes Zusammentreffen Raynes mit einem der gesuchten Vampire im örtlichen Saloon: Als sie einander gewahr werden, entbrennt nicht etwa sogleich ein erbarmungsloser Fight – nein, sie setzen sich zu einer Partie Poker hin, gehen nach dem Ende dieser gemeinsam vor die Tür und liefern sich dort ein klassisches Duell. Da sich Angehörige der Nosferatu-Spezies natürlich nicht mit regulären Projektilen töten lassen, nutzt Rayne in Knoblauch gelagerte, per Weihwasser gesegnete Silberkugeln – dies führt dazu, dass die überwiegende Action aus traditionellen Schießereien besteht, Klingen oder andere Waffen kommen bestenfalls am Rande zum Einsatz. Zu allem Überfluss entschied sich Boll jedoch, jene von sich aus schon ziemlich einfallslos und unaufregend arrangierten Einstellungen allesamt in Zeitlupe zu präsentieren, was vielleicht als eine (gescheiterte) Verbeugung vor Peckinpah gedacht war, auf Dauer allerdings eher in einer gefühlten Ermüdung seitens des Zuschauers resultiert. Apropos: Diverse Zitate sind in regelmäßigen Abständen auszumachen, von John Ford und Sergio Leone bis hin alten „Hammer Studio“-Veröffentlichungen – auf visueller Ebene fallen besonders die Großaufnahmen von Augen und Münder auf (leider nicht gerade positiv), auf klanglicher der wie eine drittklassige „Ennio Morricone“-Interpretation schallende Score.
Cinematographer Mathias Neumann („In the Name of the King“/„the Conclave“) fing einige wunderbare Landschaftsansichten ein, die Establishing Shots sind durch die Bank weg gelungen – bloß griff man für die restlichen zumeist auf eine ungebundene, unschön wackelnde Handkameraführung zurück, die das Sehvergnügen in den betreffenden Momenten zusätzlich mindert. Klar könnte ich jetzt noch weiter ins Detail gehen, wenn es um Schwachstellen geht, etwa im Bereich manch einer ungünstigen Entscheidung (die ständig eingespielten animalischen Geräusche der Blutsauger) oder Logikschwäche (Vampire nur nachts angreifen, der von einer Bardame abgefeuerte tödliche Treffer aus einem Gewehr, welches allerdings nicht mit Spezialmunition geladen war etc) – aber ich denke, jeder kann sich inzwischen einen aussagekräftigen Eindruck der Lage bilden. Unterm Strich hat Uwe (erneut) keine echte Katastrophe abgeliefert – angesichts der widrigen Ausgangsbedingungen (wie das winterliche Wetter in Kanada, die kurze Produktionszeit oder das nur rund ein Drittel des Vorgängerfilms betragende Budget) hätte es gar leicht ein ganzes Stück weit schlimmer kommen können. Positiv fallen die stimmigen Sets und Kostüme, eine angenehm böse Galgen-Falle kurz vorm Showdown sowie Boll´s sporadisch zum Vorschein tretende tendenzielle Kompromisslosigkeit auf (er hat offenkundig kein Problem damit, Kinder sterben zu lassen) – wenn nur nicht das Tempo so ungemein dröge wäre und der langatmige Streifen zumindest mehr von dem zu bieten hätte, was die erste Verfilmung (mehr oder minder) auszeichnete: Exploitation-Elemente. Vorliegend hingegen wird dem Publikum keine nackte Haut sowie kaum Spaß, Action, Gewalt und Gore geboten – dafür jedoch immerhin eine sehr amüsante abschließende Dialogzeile direkt vor den Endcredits:
„
Life is like a Penis: When it´s hard, you get screwed, when it´s soft, you can´t beat it“ …