Sympathy for Mr. Venegeance
Herkunft: Südkorea / 2002
Regie: Park Chan-Wook
Darsteller:
Song Kang-ho
Shin Ha-kyun
Bae Du-na
Lim Ji-Eun
Han Bo-bae
... [/align]
[align=justify]Hat sich Südkorea in den letzen Jahren bei uns als dritte Macht auf dem asiatischen Kinomarkt etabliert, sind uns von dem Berufsstand , der für den Erfolg verantworlich ist, den Regisseuren, doch nur wenige geläufig. Neben Kim Ki-Duk ist Park Chan-Wook sicher der bekannteste von ihnen. Seine „Rachetrilogie“ hat in westlichen Gefilden sicher den Grundstein für seine Popularität gelegt. Bekam sein Film „Joint Security Area“ zwar auch ausserhalb Asiens viel Zuspruch, erregte er aber erst mit „Oldboy“ das Aufsehen der Menge. Diese Menge ist zwar immer noch sehr speziell, aber immerhin hat „Oldboy“ mich zum Fan gemacht. Im Zuge des Erfolgs ist dann nach „Oldboy“ auch sein Vorgänger „Sympathy for Mr. Venegeance“ hierzulande veröffentlicht worden und soll hiermit eine entsprechende Würdigung meinerseits bekommen.
Der taubstumme Ryu (Ha-Kyun Shin) hat ein Problem. Er hat kein kein Geld. Das braucht er nämlich, um seiner schwerkranken Schwester eine Nierentransplantation zu ermöglichen. Die benötigten 10 Mio. Won hat er nämlich zusammen mit seiner eigenen Niere einer kriminellen Bande von Organhändlern gegeben, die ihm dafür eine Niere für seine Schwester beschaffen wollten. Der Deal ging schief. Geld weg, Niere weg und kein Spenderorgan in Sicht. Als er dann auch noch seinen Job in einer Fabrik verliert, beschliesst er zusammen mit seiner Freundin einen ebenso verzweifelten, wie fatalen Schritt. Die beiden wollen ein Kind entführen. Ziel soll die kleine Yu-Sun (Han Bo-Bae), Tochter des Geschätsmannes Park Dong-jin (Kang-ho Song), sein. Gesagt, getan. Doch auch dieses Unterfangen scheitert. Seine Schwester nimmt sich im Bad das Leben. Beim Begrägnis, das er auf ihren Wunsch hin an einem kleinen See selbst vornimmt, schließt sich sein Kreis des Unglücks. Yu-Sun fällt ins Wasser und ertrinkt. Dong-jin sinnt auf Rache...
"Die größte Offenbarung ist die Stille."
Dieses Zitat des chinesischen Philosophen Laotse scheint sich der Regisseur, Park Chan-Wook, zu Herzen genommen zu haben. „Sympathy for Mr. Venegeance“ ist kein Film der vielen Worte. Die Dialogzeilen für alle Charaktere zusammen haben wahrscheinlich auf ein A4-Blatt gepasst. Vielmehr lässt Chan-Wook Bilder sprechen. Das ist ein Handwerk, dass er wahrlich versteht. Die verschiedenen Schauplätze sind allesamt äusserst stimmungsvoll in Szene gesetzt So kann man beispielsweise allein schon auf Grund der Darstellung der Fabrikhalle, in der Ryu arbeitet die Tristesse der tägliche Maloche erahnen. Durch das Zeigen der dort verrichteten Arbeit wird diese Vorahnung bestätigt. Monotone Tätigkeiten, die Pausen direkt am Arbeitsplatz, die Erschöpfung zum Feierabend. Ryu arbeitet nicht gern hier und das spürt man. Die quälende Krankheit seiner Schwester vor Augen nimmt er die Bürde trotzdem auf sich, was auf subtile Art und Weise seine Liebe zu ihr präsentiert. Diese konsequente Inszenierung zieht sich durch alle wichtigen Orte, die man während des Films zu sehen bekommt. Der geistig verwirrte Mann in der ohnehin schon surreal wirkenden Seenlandschaft, der kalte Betonrohbau als Wirkungsstätte der Organhändler, der kahle Lagerraum als deren „Büro“. Die Bilder sprechen eine Sprache, die jeder versteht und die schon viel erzählt, bevor auch nur eines der spärlichen Worte gesprochen wird. Die Darstellung dieser Bilder erfolgt aber nicht in langen Kamerafahrten oder einer mit SFX-überladenen Inszenierung. Eher werden viele kurze Szenen bruchstückhaft aneinander gereiht, was dem ganzen einen Comichaften Charakter verleiht. Oft ist nicht mal eine komplette Aktion zu sehen, sondern wird auf mehrere Schnipsel verteilt. Das mag ein eigenwilliger Stil sein, verfehlt seine Wirkung hier aber nicht.
Genremäßig könnte man den Film in zwei Teile spalten. In Teil 1 wird dem Zuschauer ein waschechtes Drama präsentiert. Park Chan-Wook zeigt uns die schier ausweglose Situation Ryu´s. Wir sehen seine hilflosen Versuche, Herr der Lage zu werden und wir sehen, wie er immer wieder scheitert. Dies alles lässt einen die Hauptfigur ans Herz wachsen. Man hat Mitleid mit seinem Schicksal: ein taubstummer Mann mit einer kranken Schwester, der Verbrechern zum Opfer fällt und letztendlich auch noch arbeitslos wird. Wieviel Leid kann ein Mann ertragen. Doch mit der Entführung der kleinen Yu-Sun beginnt die sorgsam erarbeitete Opferfassade zu bröckeln. Sie bröckelt, aber sie hält stand. Sie hält stand, bis zu dem Augenblick als der Vater das tote Mädchen in den Händen hält, bei ihrer Obduktion an ihrer Seite steht und von Albträumen geplagt wird.
Hier beginnt dann auch Teil 2, den ich dem Genre Thriller zuordnen würde. Mit dem Thriller-Part ist dem Regisseur ein ganz besonderer Coup gelungen. Man beginnt sich nämlich zu fragen: “Wer ist hier eigentlich Mr. Venegeance?“ Ist es Ryu, der alles für das Leben seiner Schwester getan hat und dann doch mit ihrem Tod leben muss? Oder ist es doch eher Dong-jin, der mit seiner Tochter sein ein und alles verloren hat? Die Antwort: Beide sind es. Sowohl Ryu als auch Dong-jin sind Mr. Venegeance. Beide haben ihre Beweggründe und beide kann man in gewisser Weise verstehen. Von jetzt an fährt Mr. Chan-Wook mit den Gefühlen des Zuschauers Achterbahn. Man trauert mit, wenn Ryu im Aufzug die Hand seiner toten Freundin ergreift und verabscheut sein Vorgehen, wenn er die Organmafia mit dem Baseballschläger zu Tode prügelt. Man leidet mit, wenn Dong-jin in Gedanken seine tote Tochter in den Arm nimmt und verabscheut ihn, wenn er ein paar Szenen später eine Frau mit Elektroschocks zu Tode foltert. Auch hier spielen die Bilder eine grosse Rolle. Die gezeigten Taten wirken „...wie ein Faustschlag in den Magen“, um mal die Worte des Backcovers zu verwenden. Nichts für zartbesaitete Gemüter.
Dass am Ende keiner von Beiden mit seinen Taten davonkommt erspart einem das moralische Dilemma, einen Mörder oder Sadisten als Helden der Geschichte auszumachen.
Die Schauspielerriege liefert durchweg eine überzeugende Leistung ab, ohne dass sich einer von ihnen besonders hervortut.
Musikalisch wird einem bei dem Werk nicht viel geboten. Zwar gibt es einen orchestralen Soundtrack, der hält sich aber dezent im Hintergrund und wird ähnlich sparsam eingesetzt, wie die Dialoge. Hauptsächlich wird das Geschehen von Umgebungsgeräuschen untermalt. Mal ist es das penetrante Zirpen der Zykaden, mal das Zwitschern von Vögeln, was einem zu Ohren kommt. Auch hier muss man sagen, dass diese Form der akustischen Begleitung sehr wirkungsvoll und passend eigesetzt wurde. Wenn dann doch mal Musik in der Luft liegt, sind es oft schräge Trompetentöne.
Als Kritikpunkt kann ich hier nur die Suche Dong-jin´s nach den Mördern seiner Tochter aufführen. Es wirkt oft sehr konstruiert, wie er sich aus Indizien und Hinweisen, die keine sind, Fakten zusammenreimt. Das nimmt der Geschichte ein wenig von ihrer Glaubwürdigkeit.
Auf die eventuelle Frage hin, ob „Sympathy for Mr. Venegeance“ nun besser oder schlechter ist, als sein Nachfolger „Oldboy“, kann ich weder das Eine, noch das Andere behaupten. Ich würde qualitativ beide direkt nebeneinander stellen. „Oldboy“ ist sicher für die breite Masse unterhaltsamer, doch auf Grund seiner niederschmetternden Wirkung weiss auch „Sympathy...“ sehr zu gefallen.
Um an einem grauen Herbsttag in Depressionen zu zerfliessen, ist der Film genau das richtige. Ein echter Stimmungskiller und dennoch eine klare Empfehlung.
MfG Ronin