Reconstruction (2003)
OT: Reconstruction
Technische Daten
Vertrieb: EuroVideo
Regionalcode: 2
Herstellungsland: Dänemark
Laufzeit: 87:30 Min.
Regie: Christoffer Boe
Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Maria Bonnevie, Krister Henriksson, Nicolas Bro, Helle Fagralid, Peter Steen, Malene Schwartz, Ida Dwinger, Jens Blegaa, David Dencik, Isabella Miehe-Renard, Klaus Mulbjerg
Bildformat: 2,35:1 (anamorph / 16:9)
Sprachen: DD 2.0 Deutsch, Dänisch & Schwedisch; DD 5.1 Dänisch & Schwedisch
Untertitel: Deutsch, Französisch
Freigabe: FSK 6
Film
Alles ist Film. Alles ist konstruiert. Und dennoch tut es weh, begrüßt der Erzähler sein Publikum.
Weil es aber nicht wehtun soll, hat der Liebesfilm im Mainstream eine groteske Form angenommen. Da werden Herzen gebrochen, Menschen enttäuscht, und doch weiß man bereits im Vorspann, dass am Ende, und nur darauf kommt es an, alle Beteiligten glücklich sein werden. Wie der Hase läuft, ist inzwischen reine Intuition. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Genres will der romantische Liebesfilm überhaupt keine Spannung, kein alternatives Ende, keine unvorhergesehenen Umleitungen. Es soll gut ausgehen, damit sich der Zuschauer gut fühlt, da sein eigenes Leben beileibe nicht so glimpflich verläuft wie in diesen ewig gleichen Märchen - ja gar nicht verlaufen kann (die perfekte Matrix hat der Mensch ja bekanntlich nicht angenommen...).
Nun hauen uns die Dänen mal wieder ein herrlich alternatives Stück über die Liebe vor den Latz. “Reconstruction” geht in die Analyse. Analyse bedeutet bekanntlich, dass nichts Neues hinzugefügt wird, sondern das Bestehende lediglich einer Tiefenkontrolle unterzogen wird. Und das ist die ganze Stärke und Schwäche dieser metaphysischen Betrachtung des Genres Liebesfilm, der sich zu Recht auch selbst mit dieser Genrebezeichnung schmückt. Wer also schon bei “In the Mood for Love” über Sterilität und Gefühlskälte verärgert war, wird seine Bedürfnisse wohl auch bei Christoffer Boe nicht stillen können. Die Rekonstruktion der Anatomie einer Liebeskonstellation ist eiskalt. Im Gegenzug bekommt man allerdings einige Wahrheiten über das Wesen der Liebe und seine Beschaffenheit (die je nach Liebespaar variiert) serviert. Und vor allem: Obwohl “Reconstruction” ein knallernstes Drama ohne Ironie ist, wird ein ironischer Blick auf die Filmmechanismen und auf erfundene Roman- bzw. Drehbuchcharaktere mitgetragen. Film und Leben, Fiktion und Realität vermischen sich.
Produkt dessen ist Nikolaj Lie Kaas’ Figur Alex, der mit einem einzigen Fragezeichen durch das wunderschön fotografierte, blaukalte Kopenhagen läuft und allenfalls mal hin und wieder einen Schwung Hoffnung erntet, dass sich seine Welt doch noch wie im Märchen auflösen wird. Hoffnung ist aber das Letzte, was durch die Bildsprache kolportiert wird, zumal der Prolog einen Mann zeigt, der eben nicht allein ist - umgekehrt proportional zum gängigen Liebesfilm, der mit einem einsamen Menschen beginnt, der am Ende seinen Traumpartner findet. Und so bricht Stück für Stück eine konstruierte Welt auseinander - erst ist die Tür zur Wohnung verschwunden, dann erkennt ihn niemand mehr - die Vermieterin, der beste Freund, die eigene Freundin, und als schließlich selbst der Vater glaubt, von einem verrückten Fremden bedrängt zu werden, zittert und wackelt die Kamera wie verrückt. Die Welt steht vor dem Kollaps.
In Episoden bewegt sich die Geschichte voran. Kontinuität scheint keine Bedingung zu sein, hundertprozentige Objektivität auch nicht; so treffen sich die beiden Hauptfiguren als Fremde anfangs in einer Bar, aber als später die gleiche Szene wiederholt wird, ist alles ein bisschen anders; der Satzbau, die Mimik, der Sprachfluss. Wie die reale Variante einer Erinnerung. Es ist wie eine gefühlte Mischung des neckischen Rollenspiels zwischen George Clooney und Jennifer Lopez in “Out of Sight” und der endlosen Schleife aus “Groundhog Day”. Gezeigt wird freilich der erste Schritt zwischen zwei Menschen, von denen wir wissen, dass sie sich später verlieben werden - analysiert wird das Warum. Aus welchem Grund, wenn man es komplett auseinanderdröselt, verlieben sich diese Menschen ineinander? Der Ehemann der besagten Frau hat eine Antwort parat: Frauen suchen sich gezielt aus, in wen sie sich verlieben, während Männer sich lieber davon überraschen lassen. Intention gegen Unterbewusstsein - so behauptet es zumindest der Romanautor und entlarvt damit die Liebe als eine Kausalität, die vom Geschlecht abhängig ist und auch jeweils anders empfunden wird.
Eigentlich stimmt alles; Die Regie ist kunstvoll, ohne zu sehr nach gewollter Kunst auszusehen, die Bildkompositionen sind malerisch und die kühlen Farben untermauern die Aussage, während die Darsteller um Nikolaj Lie Kaas und Maria Bonnevie kaum besser spielen könnten. Problematisch ist nur eines: Das Werk kann die eigens postulierte Emotionalität selbst nicht transportieren, um an ihrem Beispiel zu zeigen, was der Schmerz bedeutet. Die episodische Struktur, das stetige Wechselbad der Gefühle zwischen Glück und Enttäuschung verweigert es, wirkliche Gefühle zuzulassen, zumal die Herzen vieler Menschen gebrochen werden und sich dabei alle jeweils gegenseitig im Weg stehen. Wird der Autor betrogen, ist Alex dafür der Grund; fühlt sich die Frau des Autoren vernachlässigt, liegt das wiederum an der ominösen Bekannten, die stets aus der Lobby des Hotels anruft und den Autoren zu sich bittet. Man hat gewissermaßen Mitleid mit allen beteiligten Figuren und kann das Mitgefühl nicht auf eine Figur bündeln, muss es an alle Beteiligten gleichmäßig verteilen. Und dann konzentriert man seine ganze Verzweiflung gegen das Konstrukt Liebe, das in diesem Universum scheinbar nur dafür geeignet ist, Schmerz zu bringen.
Das ändert alles nichts daran, dass die Dänen mal wieder gezeigt haben, wie man sich einem Genre auf innovative Weise nähert. Natürlich sind Vorbilder auszumachen, doch trotzdem schafft es Christoffer Boe, dass der Zuschauer nochmals genau darüber nachdenkt, was er eigentlich unter der Bezeichnung “Liebesfilm” zu verstehen hat. Dieses Wort wird im Laufe der eineinhalb Stunden eine semantische Erweiterung erleben, die es in sich hat, das ist sicher. Und mehr will “Reconstruction” sowieso nicht.
Bild
Auffällig ist starkes Rauschen, von dem aber nicht einmal genau zu sagen ist, ob es nicht vielleicht beabsichtigtes Stilmittel sein könnte, denn es fügt sich optimal in die kühle Optik ein. Die Farben sind verwaschen und deutlich blaustichig, der Kontrast ist teilweise schwach, aber auch hier passend. Eine gut gemeinte Gesamtwertung von
,5
Ton
Der Erzähler ertönt laut brummend und bassig aus den Lautsprechern. Danach wird es etwas ruhiger, aber selbstverständlich dem Ton des Films angemessen.
Menüs
Nach der Auswahl der Menüsprache gelangt man in das vollbildanimierte Hauptmenü, das unter leichtem Klavierspiel viele Close Ups aus Szenen des Films zeigt. Sehr originell ist die Kapitelaufteilung; hier gibt es keine Bilder mit Screens, sondern die Logos derjenigen Orte dienen als Kapitelanzeige, die im jeweiligen Filmabschnitt Handlungsort sind.
,5
Extras
An Extras gibt es leider nur den üblichen Standard, wie man ihn bei EuroVideo-Backkatalogtiteln kennt: Kinotrailer in Deutsch und Dänisch und Interviews mit Regisseur und Darstellern bei einer Gesamtlaufzeit von etwa einer halben Stunde.
Fazit
Unkonventioneller, innovativer Liebesfilm aus Dänemark, der auch oder gerade Abstinenzlern des Genres gefallen sollte. Die DVD-Umsetzung ist nicht allzu berauschend, aber akzeptabel, weil dieser Filmtyp beileibe nicht auf überragende Technik angewiesen ist.
,5
Testequipment
TV-Gerät: Tevion 4:3
DVD-Player: Pioneer XV-DV313 5.1 Komplettsystem[/quote]