Für die Grindhousler unter euch, die Kritik in Oldschool auf der Hauptseite.
Das klickfaule Gesindel kann auch hier bleiben:
Grindhouse
Originaltitel: Grindhouse
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2007
Regie: Robert Rodriguez (Planet Terror), Quentin Tarantino (Death Proof), Eli Roth, Edgar Wright, Rob Zombie (Fake Trailer)
Darsteller: Naveen Andrews, Zoe Bell, Michael Biehn, Josh Brolin, Rosario Dawson, Jeff Fahey, Vanessa Ferlito, Rose McGowan, Michael Parks, Freddy Rodríguez, Tom Savini, Kurt Russell, Quentin Tarantino, Bruce Willis, Mary Elizabeth Winstead,
Eines Tages, so will es die Legende, schaute Robert Rodriguez bei seinem Kumpel Quentin Tarantino vorbei, um sich mit ihm über ein weiteres gemeinsames Projekt zu unterhalten. Dabei erspähte er in den Räumen des filmwütigen Tarantino ein Poster eines Grindhousedoublefeatures und ließ sich von Tarantino über diese Art Filme aufklären. Wenige Augenblicke später stand fest: Das neueste Projekt der beiden kreativen Köpfe wird ein Film, der den Regeln eines Grindhousedoublefeatures entsprechen sollte. Beide wollten einen knapp einstündigen Kurzfilm aufgeladen mit Sex und Gewalt (die Lieblingsthemen der trashigen Grindhousefilmvorlagen) drehen, die man dann mittels gefakten Trailern von befreundeten Regisseuren zu einer Einheit verbinden wollte: Dem ultimativen Grindhousefilm. Leider ging das Projekt vor allem finanziell nicht auf, weshalb man die beiden Kurzfilmbeiträge um diverse Filmminuten auffüllte und sie auf Spielfilmlänge streckte, so dass man sie in der alten Welt, die mit dem Begriff Grindhouse eh nichts anfangen konnte, als Einzelfilme der Regiederwische verkaufen konnte. Auch hier bisher leider nur mit eher geringem finanziellem Erfolg.

Dabei kamen wir in Deutschland zunächst in den Genuss des Tarantinostreifens
Death Proof. Hier erzählte uns Tarantino die Mär von Stuntman Bob, der mit seinem todsicheren Stuntauto am liebsten heiße kleine Sexmiezen um ihr ach so junges Leben brachte. Am liebsten mittels Frontalcrash. Und nicht ohne sie vorher mit seinem Charme und seinen herrlich kaputten Anmachsprüchen zu becircen. Viel mehr Story brauchte Tarantino für sein Road Movie nicht und es fällt dem Zuschauer auch nicht wirklich auf. Denn Tarantino nutzt seinen Beitrag für ein furioses Spiel mit dem Medium Film, das er bis ins kleinste Detail an die Filme anpasst, die er damals als Jungspund in den Trashkinos bewundert hat. Kratzer und Laufrolleneinschnitte laufen über das Bild, der Ton springt an diversen Klebestellen, manchmal fehlen auch gerne einige Filmsekunden. Ab und an liegt der Film auch schräg im Projektor. Die Illusion ist vor allem in der ersten Stunde absolut perfekt und so mancher Kinobesucher, der nur im neuesten Tarantino war, nicht aber im neuesten Grindhousemovie, steht wild gestikulierend an der Kasse und verlangt wegen der miesen Bildqualität sein Geld zurück. Doch Tarantino geht noch weiter. Kurz darauf hat der Projektor wohl einen Hack und präsentiert uns nur noch schwarz-weiße Bilder. Megaedel komponiert, nur kann da nicht mal einer was richten im Vorführraum? Und *zack* schon springen wir in den letzten Part und erleben eine auf Hochglanz getunte Verfolgungsjagd von zwei Musclecars, die für eine der beiden beteiligten Parteien ein unfeines Ende nehmen wird.

Mittendrin brennt Tarantino ein vor Zitationswut geradezu berstendes Feuerwerk ab, das den Film- und Tarantinofan mit feucht glänzenden Augen zurücklässt und einen Regisseur präsentiert, der inzwischen sogar sich selbst mit Verve und Ideenfreude abfeiert. Da bildet ein Kill Bill Klingelton nur die Spitze des Eisberges. Und Tarantino pusht und pusht seinen Streifen und lässt seine gewohnt brillanten Dialoge in einer Menge auf den Zuschauer niedergehen, dass Death Proof irgendwann weniger eine Rückbesinnung auf den Grindhousefilm ist, als vielmehr die Rückbesinnung auf Tarantinos ureigenste Wurzeln. Das hat einen Film zur Folge, der mit tollen Darstellern - allen voran der megageniale und saucoole Kurt Russell als Stuntman Bob -, einem gewohnt hervorragenden Soundtrack, einem, dem Konzept geschuldeten, sehr interessanten Stilmittelbombardement, dem heißesten Lapdance der Kinogeschichte und den geilsten Dialogen seit Jahrzehnten zu punkten versteht, der aber durch die Füllszenen - vor allem in den ersten 30-40 Minuten - enorme Tempoeinbußen zu verzeichnen hat, die Death Proof ein wenig unrund erscheinen lassen. Doch Death Proof kann genug Elemente aufbieten, um diese kleine "Unstimmigkeit" aufzuwiegen.

Da hat uns der Quentin was Feines angerichtet:
Von den Trailern, die in den USA zwischen den beiden Filmbeiträgen liefen, bekommen wir in Deutschland leider nicht viel mit. Ob man nicht die Traute hatte, die vor Sex und Gore berstenden kleinen Kurzfilmmeisterwerke zu präsentieren oder ob man meinte, die Trailer würden nicht mehr ins Konzept passen, in jedem Fall ist die Unterschlagung der Trailer ein echter Affront. Dieser schmerzt den Filmfan in Anbetracht des
Machete Trailers, der es vor den Rodriguez Beitrag geschafft hat, nur noch mehr, denn dieser rockt schon tierischst die Bude. In diesem Trailer sehen wir Rodriguez Buddy Danny Trejo als Auftragskiller Machete, der bei einem seiner Aufträge hintergangen wird und mit Hilfe einer auf seine Harley gebastelten Minigun und eines pumpgunschwingenden Priesters brutale Rache an seinen Auftraggebern nimmt. Das Ergebnis mutet an wie die Kurzfilmfassung eines dritten El Mariachi Teiles und macht einfach eine Heidengaudi, zumal Cheech Marin als Priester einen Knallerspruch nach dem anderen präsentiert und Danny Trejo einige hinreißend übercoole Auftritte hinlegen darf.
Nach diesem (ebenfalls von Robert Rodriguez inszenierten) Trailer ist in Deutschland dann endlich Robert Rodriguez eigentlicher Beitrag
Planet Terror an der Reihe. In diesem Streifen geht es um ... Zombies. Und diese ... ja ... sie jagen Menschen. Diese Menschen erwehren sich ihrer Haut und das war es. Wie sein Kollege Tarantino gibt Rodriguez keinen Pfifferling auf eine halbwegs plausible Geschichte. Und mehr noch, Rodriguez macht sich einen Jux daraus, sein Publikum hinters Licht zu führen. Freilich erlaubt durch die "Regeln" des Grindhousekinos, wo es nicht selten vorkam, dass einmal ganze Filmrollen irgendwo verschütt gegangen sind. Wen juckt schon, was der Film in diesen Minuten zu erzählen hatte? Und so reißt in Planet Terror der Film bei einer heißen Sexszene, die Kinoleitung entschuldigt sich mittels Texttafel für das Fehlen der eigentlich folgenden 20 Minuten und *schwupps* sitzen wir mitten in einem Zombiegemetzel, sehen vollkommen neue Figuren und Figurenkonstellationen und zwei Figuren bestätigen einander, dass man die jeweils gerade erfahrenen Hintergründe zu den Ereignissen und den Charakterbackgrounds nie wieder erwähnen werde. Das ist eine so dermaßen schlitzohrige und schräge Idee, dass man in einer Tour den Boden küssen möchte, auf dem Rodriguez, der in den letzten Jahren eher durch inspirationslose Arbeiten (jupp, auch Sin City) auffiel, umherwandelt.

Dass Planet Terror auch ohne große Erklärungen oder Hintergründe funktioniert, zeigt das Glücksgefühl, das man nach dieser Tour de Force durch das Splatterkino empfindet. Denn Planet Terror ist eine echte Glücksbombe! Dies resultiert weniger aus dem Spielen mit den Regeln des Grindhousekinos, als vielmehr aus der Ideenwut des Robert Rodriguez! Der Mann ersetzt ein abgefressenes Bein eines Charakters durch ein Maschinengewehr - wie die Figur diese Waffe abfeuert, ist ein herrliches Logikproblem, das einen aber wirklich zu keiner Sekunde juckt -, lässt seinen Hauptcharakter die Flucht mit dem genialsten Fluchtfahrzeug aller Zeiten antreten (von 0 auf 80 in 4 Sekunden!) und ist irgendwann der Meinung, Tarantino müssten endlich mal die Eier abfaulen. Here we Go! Das war sicher die Rache von Rodriguez für die insgesamt doch arg erbärmliche darstellerische Performance von Kumpel Quentin als Army GI. Doch Rodriguez macht auch sonst keine Gefangenen. Rose McGowan verliert ihr Bein, Bruce Willis mutiert zu einem Eiterhaufen, Michael Biehn versucht noch im Todeskampf seinem Bruder Jeff Fahey das Rezept für dessen Barbecuesoße zu entlocken, Kleinkinder schießen sich selber das Hirn raus und Fergy von den Black Eyed Peas bestätigt ihre größten Kritiker, indem sie als "brainless Bitch" in der Gegend liegt. Danke Robert, Danke!
Danke auch für den Splatterirrsinn, den du uns hier kredenzt. So wie in deinem Film saftete es noch in keinem anderen nach einem simplen Einschuss. Auch die Kopfzerplatzszenen rocken einfach die Bude. Und ich sehe es irgendwo genau wie du: Wenn man einen Hubschrauber hat, sollte man ihn auch zum Zombiekillen einsetzen. Überhaupt scheinen diese Einlagen in diesem Kinojahr zu einer Art Kult zu werden, nutzte doch schon 28 Wochen später einen Hubschrauber zum Zombiematsch produzieren ein und sogar Smartie Clive Owen ließ einen Kontrahenten eher geschnetzelt als gerührt in den Rotorblättern eines Hubschraubers zurück. Mehr davon.

Auch optisch geht Rodriguez in seinem Film back to the Roots ... also zu seinen eigenen. Dreckig und schmutzig kommt Planet Terror daher. Mit trashig anmutenden Einstellungen, die nur aus einer Art Budgetarmut herrühren können. Grobkörnig erscheint das Filmmaterial und sein Verbündeter ist die Dunkelheit, spielt sein Streifen doch in einer einzigen Nacht und kann man dies immer für nette Licht und Schattenspielereien ausnutzen. Dazu kommen dann die gewohnten Kratzer und Filmfehler, die dem Filmkonzept geschuldet sind, von Rodriguez aber mit weniger Verve bedient werden als von Tarantino. Dafür federn sie ab und zu trefflich das derbste Gemansche ab, da der Film zumeist in den krachledernsten Szenen "verrückt" spielen darf. Unter diesen Bildern pumpt ein Score, der über weite Strecken an die meisterlichen Soundteppiche eines John Carpenter erinnert. In den Splattereinlagen darf dann der von Rodriguez geliebte Schweinerock übernehmen und mehr als passend das Zombiegekille untermalen. Darstellerisch braucht man sich dann hier keinen falschen Illusionen hinzugeben, denn die Darsteller waren offensichtlich am Set, um ihren Spaß zu haben und das merkt man dem Film an. Hier wird mit One Linern um sich geschmissen, als würde in Zukunft eine Art Embargo für diese Art von Kommunikation eingeführt werden und viel Sinn steckt da nicht dahinter. ABER: es rockt! Und zwar gewaltig. Zwar ist das Auswendiglernpotential deutlich geringer als bei dem Tarantinobeitrag, aber egal.

Planet Terror will einfach nur 90 Minuten lang eine Heidengaudi machen und Planet Terror macht 90 Minuten lang eine Heidengaudi. Zwar merkt man auch Planet Terror in den Eingangsminuten an, dass die zusätzlichen Füllszenen etwas Verve und Tempo aus der schrägen Filmchose herausnehmen und irgendwie würde man nach einmal drüber schlafen schon gerne wissen, warum da nun eigentlich wer wem die Eier abgeschnitten hat ... doch geschenkt. Planet Terror präsentiert wie Death Proof einen Regisseur, der in seinen ureigensten Jagdrevieren plündert und einfach nur amüsant spaßige, vollkommen überzogene und vor schrägen Ideen überlaufende Unterhaltung der Güteklasse A präsentiert.
Im Großen und Ganzen kann man also das Projekt Grindhouse nur als vollkommen gelungenen Kniefall vor einer Art Kino bezeichnen, wie wir es heute gar nicht mehr kennen. Alleine diese Reaktivierung einer längst vergessenen Kinozeit und zwei Regisseure, die sich von ihrer allerbesten Seite zeigen, sind das Eintrittsgeld oder eben demnächst den DVD Preis hundertprozentig wert. Vielleicht kommen wir dann auch mal in den Genuss der Beiträge in ihren ursprünglichen Längen, um abschätzen zu können, ob die Filme in der Langfassung nun wirklich gewonnen oder verloren haben. Und man kann nur hoffen, dass der deutsche Verleih wenigstens auf den DVDs auch die anderen Faketrailer von unter anderem Eli Roth und Rob Zombie präsentieren wird, immerhin wollen wir doch alle einmal Nicolas Cage als Fu Manchu in Werewolf Women of the SS erleben ... oder etwa nicht?
In diesem Sinne:
freeman