Cloverfield
Originaltitel: Cloverfield
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: USA
Regie: Matt Reeves
Darsteller: Lizzy Caplan, Jessica Lucas, T.J. Miller, Michael Stahl-David, Mike Vogel, Odette Yustman, Anjul Nigam, Margot Farley u.a.
Eine Twentysomething Party in New York. Man hat sich eingefunden, um den Abschied eines Freundes zu feiern, der die Tage gen Japan ziehen wird, um da seinen beruflichen Weg erfolgreich weiter zu gehen. Doch die Party entpuppt sich neben einem Overload an Alkohol und Dünnbrettgelaber auch als ein Hort an zwischenmenschlichen Altlasten. Denn die Japanreise von Rob ist auch und vor allem der Versuch, einen klaren Cut unter eine ehemals so schöne Beziehung zu seiner großen Liebe Beth zu ziehen. Die Party endet für die Beiden im vorhersehbaren Streit und Beth verlässt die Party. Doch genau jetzt beginnt für alle Beteiligten der "Spaß" eigentlich erst so richtig. Denn eine Erschütterung lässt die Partygäste zusammenfahren. Man steigt auf das Dach des Partyhauses und lässt den Blick gen Stadtzentrum streifen. Da erleuchtet eine gigantische Explosion den Abendhimmel und seltsame Geräusche durchschneiden die Luft. Man rennt auf die Straße, um so eventuell Klarheit über die Vorgänge zu erhalten. Doch kaum unten angekommen, fliegt dem Partyvolk der abgetrennte Kopf der Freiheitsstatue vor die Füße. Blankes Entsetzen zeichnet sich in den Augen der Partygäste ab, was noch verstärkt wird, als ein riesiger Wolkenkratzer vor ihren Augen in sich zusammensackt und die Party zum überlebensgroßen Überlebenskampf mutiert ...

Mittlerweile sind 20 Minuten von Cloverfield vergangen, in denen man nicht so recht wusste, was man von der ganzen Chose halten soll. Man wurde Zeuge einer blasierten und arg gestelzt wirkenden Party, die vor bemühtem Witz und derb dämlichen, pseudoklugen Dialogen nur so überlief und seltsam steril wirkende, perfekt geschminkte und aufgemachte Modeltypen bei peinlichstem GZSZ Acting präsentierte. Sollten diese Minuten dazu dienen, eine Bindung zu den Figuren aufzubauen, kann man dem Film hier nur ein grandioses Scheitern bescheinigen. Doch dann kommt die Explosion, fliegt der Kopf der Freiheitsstatue durch die Gegend und sackt das Hochhaus in sich zusammen. Platter geht ja nicht mehr, werden jetzt einige schreien, denn immerhin wird hier doch der Horror von 9/11 relativ plakativ übernommen. Doch so wirklich kommt einem der Gedanke des Plakativen gar nicht, denn Cloverfield präsentiert seine Geschichte aus der ICH-Perspektive, was uns unversehens zum Teil des Geschehens macht. Immerhin steht der kameratragende und alles filmende Charakter HUD (LOL, was ne Idee) stellvertretend für uns mitten drin im Geschehen. Riesige Staubwolken walzen auf uns zu, Menschen rennen an uns vorbei, Panik und Entsetzen beherrscht die Szenerie und ähnlich wie die Charaktere im Film kommt man gar nicht großartig zum Denken. Weg! Nur weg!
Und hier hat einen Cloverfield dann. Ab diesem Zeitpunkt sind wir mittendrin statt nur dabei. Sind uns die blassen Charaktere um uns herum genauso egal wie das Gelaber der Hohlbirnen. Mit Hud stolpern wir durch die Szenerie. Sehen, was er sieht, hetzen, wie er hetzt und versuchen zu begreifen, was er zu begreifen versucht. Plötzlich explodieren neben uns Bomben und Ziellenkraketen, durchschneiden hektisch gebellte Befehle die panische Stimmung und erschüttern F-18 Fliegergeschosse den Erdboden. Krieg! Und wir, mittendrin. Keine Ruhepause, nur rennen. Und dann steht es auf einmal vor uns: Gigantisch, riesengroß, unbeschreiblich und keiner Art zuordenbar. Das Monster! Und was für eines.
Und genau in diese Phase lanciert Cloverfield dann seine Handlung. Diese kann man sich nur über einen Spruch wie "Liebe ist halt so" schönreden. Wirklich nachvollziehbar ist sie nicht. Denn freilich ist Beth mitten im Chaos irgendwo gefangen und eingeschlossen und Rob will sie unbedingt retten. Auch wenn das Viech natürlich in genau diese Richtung wankt. Logik und Nachvollziehbarkeit treten in den Pausenmodus, aber Cloverfield selber denkt gar nicht an ein Päuschen und drückt ohne Gnade weiter aufs Gas. Wir streifen durch Kriegsschauplätze, treffen auf herrlich fiese und schnelle Kreaturen, die das Riesenmonster mit sich brachte, und werden Beteiligter bei einer atemlos spannenden Bethrettungsaktion. Das Adrenalin pumpt, die Basswellen des grandiosen Sounddesigns treiben das letzte Staubkorn aus der hochgradig belasteten Soundanlage und unser Sehzentrum läuft Amok ...

Denn der First Person View im Blair Witch Project Stil verlangt einen hochstabilen Magen und erfordert vom Zuschauer das Vermögen, einem Film auch folgen zu können, wenn seine Augen keine wirklichen Fixpunkte auf der Leinwand zum Orientieren haben. Die Kamera schwankt, wackelt, fällt zu Boden, fliegt durch die Luft, schlägt Salti und lässt bei Erschütterungen in der Bildqualität nach. Obendrein stoppt sie auch ab und zu mal und gibt einen Blick auf das frei, was sich zuvor auf dem Videoband befand. Klitzekleine Momente der Ruhe und der zarten Liebe zwischen Beth und Rob ... und *rumms* sind wir wieder mittendrin. Kamera rollt und Action! Das Ergebnis ist - wenn man sich auf diese filmischen Mittel einstellen kann! - filmisches Adrenalin. Ein Terrorangriff auf unsere Augen und - ich gebe es gerne zu - ein sehr anstrengendes Erlebnis. Doch im Gegensatz zu Blair Witch macht hier dieses Stilmittel des wackelnden First Views absolut Sinn und überträgt sich die Panik und die Angst wirklich unisono auf den Zuschauer!
Im Vergleich zu Blair Witch stimmt hier dann eben auch das Drumherum! Es läuft kein Rotz in Richtung Kamera, es wird nicht am Zelt gerüttelt und panisch geheult. Man nervt auch nicht und das Unhappy End knallt hier noch viel mehr. Obendrein bekommt man in Cloverfield eben auch etwas fürs Auge! Denn der Aufwand hinter dem optisch so simpel erscheinenden Streifen mutet herkulisch an und lässt einen ob des niedrigen Budgets relativ verwunderten Zuschauer zurück. Denn die apokalyptischen Bilder des zerstörten New Yorks funktionieren auf den Punkt und rufen ordentlich Beklemmung hervor. Die Effekte - freilich teils sehr verhuscht präsentiert, was dem Effektteam sicher entgegen kam - sind toll und auch das Monster rockt ohne Ende, designtechnisch als auch optisch. Zwar kann es seine CGI Herkunft nicht wirklich verleugnen, aber es wirkt nie wie ein Fremdkörper im Film oder wird in seiner Wirkung irgendwie abgeschwächt. Klar, irgendwann nervt einen, dass Hud keine echte Ahnung von spannenden Momenten zu haben scheint, immerhin nutzt er die Kamera kaum, um mal das Monster so richtig einzufangen und hört man manch gigantische Effektszene auch nur, weil er gerade seine Füße filmt. Doch gleichzeitig muss man den Filmemachern hier eine gehörige Portion Schlitzohrigkeit attestieren, konnte man so freilich ordentlich an Aufwand/Geld sparen. Schön wären allerdings dennoch ein paar andere Kameraansichten gewesen, denn was die reißen könnten, zeigen ein paar eindrucksvolle, abgefilmte Nachrichtensendungen.
Musiktechnisch nutzte man vor allem die ersten 20 Minuten, um eine große Breitseite an Rock-, Indie- und Alternativebands ein paar Songs abfeuern zu lassen. Dementsprechend will die Liste an Songs im Abspann auch gar nicht mehr enden. Wirklich in Erinnerung bleibt dabei aber keines. Im eigentlichen Film hat die Musik dann verständlicherweise Pause. Wo soll die denn bei dem Filmansatz auch herkommen? Hier übernimmt dann das gigantischste und wuchtigste Sounddesign aller Zeiten und treibt ... nein, falsches Wort ... peitscht den Film unaufhörlich voran. In dem Film hat man dann dementsprechend mehrmals dieses Überdruckgefühl auf den Ohren, das man sonst nur beim Flugzeugstart und der Landung empfindet. Gigantisch und oscarwürdig! Wie die Kamera allerdings dieses Sperrfeuer an direktionalen Effekten aufnehmen konnte, ist freilich ein kleiner logischer Fauxpas (Falls nicht, brauch ich die Cam dringend 😉 ). Und im Abspann läuft dann Michael Giacchino, der Stammkomponist des Cloverfieldproduzenten und aktuellen König Midas Hollywoods: J.J.Abrams, musikalischen Amok! Er präsentiert mit seiner Ouvertüre "Roar" ein so gigantisch geniales Stück wuchtiger Filmmusikgeschichte, dass bei dem Zuschauer sofort wieder das Kopfkino startet und man meint, einen weiteren gigantischen Monsterkatastrophenactioner zu begutachten. Dabei läuft nur der Abspann. Schlicht und ergreifend ein absoluter Killertrack, der alleine schon den Gang ins Kino rechtfertigt!

Aber natürlich ist auch Cloverfield nicht perfekt. Mitnichten. Dabei wurden die wesentlichsten Probleme aber bereits von mir in meinem Lobhudelungspart angedeutet. Die ersten 20 Minuten sind eine Katastrophe. Die Geschichte ist halt der typische Katastrophenfilmklischeeeinheitsbrei. Die Darsteller sind glatt, unglaublich blass und egal. Die Involvierung des Zuschauers in Bezug auf die Figuren tendiert infolgedessen gegen Null. Logik und Nachvollziehbarkeit gibt es nicht wirklich in Cloverfield. Auch das Ende - so konsequent es auch anmuten mag - lässt einige Fragen offen und hinterlässt im Grunde genommen in Bezug auf das Monster einen vollkommen offenen Film. Dessen Schicksal wird nämlich ebenso wenig geklärt wie seine Herkunft, seine Eigenschaften usw.! Kurzum, sobald Sehzentrum und Hirn des Zuschauers eine echte Ruhepause bekommen, wird es für Cloverfield echt problematisch! Allerdings ist da der Film bereits vorbei!
Im Großen und Ganzen wird dieses kleine Horrorflick dem unglaublichen Internethype meines Erachtens aber wirklich gerecht! Obendrein würde Cloverfield auch ohne die Kenntnis der Internetattacken der Filmemacher großartig funktionieren, ganz im Gegenteil zum großen Vorbild Blair Witch Project, bei dem abseits des Internethypes wirklich NICHTS zurückblieb außer Leere und Langeweile. Cloverfield dagegen packt nach den ersten 20 Minuten zu und lässt den Zuschauer nicht mehr los. Selbst die ruhigen Momente lassen aufgrund des großen Sounddesigns niemals vergessen, dass sich die Figuren und damit wir in größter Gefahr befinden. Was bleibt ist filmisches Adrenalin ... mit leichter Katerwirkung im Anschluss ...
In diesem Sinne:
freeman