Saw IV
Originaltitel: Saw IV
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Darren Lynn Bousman
Darsteller: Tobin Bell, Costas Mandylor, Betsy Russell, Lyriq Bent, Scott Patterson, Donnie Wahlberg u.a.
Jigsaw ist tot, es lebe Jigsaw ... oder wie?
Wir erinnern uns: In Teil III des Sawfranchises hat unser aller Lieblingsmisanthrop das Zeitliche gesegnet. Doch kluger Mann baut vor und so gibt es auch nach Jigsaws Tod noch viel zu tun für die Menschen, die mit ihrem Leben allzu verschwenderisch umgehen und den Sinn des Lebens nicht hoch genug schätzen. Diesmal erwischt es die Ermittler hinter dem Mordfall an der Polizistin Kerry, die in Teil III in den ersten 30 Minuten gemeuchelt wurde. Und hier insbesondere den Cop Rigg, der endlich lernen soll, loszulassen! Dementsprechend wird Rigg von einem (welch Überraschung) bisher unbekannten Helfershelfer Jigsaws entführt und zum Teil eines 90 Minuten währendes Spieles ...
Ich möchte ein Spiel spielen ...
Und ich habe langsam die Nase voll. Meines Erachtens war die Ursprungstrilogie als Begründer der aktuellen Folter Porno Manie immer einer der storytechnisch intelligentesten Vertreter des Horrorgenres, die zudem mit Jigsaw auf einen sehr charismatischen und in seinen Beweggründen sehr interessanten Schlüsselcharakter zurückgreifen konnte. Um die Reihe am Leben zu erhalten, musste man zwangsläufig den Charakter des Jigsaw immer mehr aufbrechen, um sein Handeln, das von Teil zu Teil rüder wurde, halbwegs zu rechtfertigen. In dem aktuell vorliegenden Teil treibt man diese Entzauberung des Charakters weiter voran und legt darauf ein ordentliches Pfund an Aufmerksamkeit. Viel zu viel im Übrigen, denn Saw IV hat als erster Teil der Reihe mit echten Tempoproblemen zu kämpfen. Viel von den Hintergründen wird einfach viel zu breit ausgewalzt. Gerade so, als habe man auf einmal Lust auf eine genauere psychologische Zeichnung. Leider löst dies beim geneigten Sawfan eher Langeweile und Befremdung aus. Zumal einige Enthüllungen - wie die Tatsache, dass Jigsaw neben Amanda noch mehr Helfer hatte - nur zu genervtem Augenrollen führen, muten einige dieser "Wendungen" doch wie ziemlich verzweifelte Rettungsanker an, um das Franchise immer weiter zu strecken.
Auch das Involvementpotential geht diesmal doch deutlich nach unten. Insbesondere Rigg ist nämlich alles andere als ein Typ, mit dem man mitfiebern möchte. Dies liegt nicht einmal an der schwach gezeichneten Figur als vielmehr an dem unendlich blassen Darsteller Lyriq Bent, der vor allem im Vergleich zu den bisherigen Hauptcharakteren des Franchises einfach nur als Totalausfall gewertet werden kann. Die Einbindung von aus den Vorgängerfilmen bekannten Figuren wie Eric Matthews oder Polizistin Kerry ist ein hübsches Leckerlie für den Zusammenhang der Reihe, wirkt aber auch extrem bemüht und aufgesetzt, und befremdet eher, als dass es den Zuschauer in den Film und seine dünne Handlung hineinlässt.
Doch nicht nur die Figuren wollen den Zuschauer diesmal nicht fesseln, auch die immer wieder nervenzerrenden Fallen Jigsaws haben jeglichen Biss verloren. Zum einen ist es zwar ganz nett, dass Regisseur Darren Lynn Bousman die in Teil III überdrehte Ekelschraube nicht noch weiter anzieht, dass er darum aber gleich gar nichts mehr zeigt, außer einer Metzgereiszene Deluxe zu Beginn des Filmes, ist dann der Spannung doch arg abträglich. Im Vergleich zum Vorgänger ist Saw IV nicht viel mehr als ein Thriller mit ein, zwei Goreelementen. Echten Splatter hat es hier nirgends und im Grunde ist nur eine einzige Falle ganz witzig und das ist jene mit der Messerspielerei. Aber ansonsten ist der Lack irgendwie ab ...

Beziehungsweise, er ist mittlerweile meterdick drauf! Denn irgendwie wirkt Saw IV optisch wie ein x-beliebiges Genrefilmchen von der Stange. Der grobkörnige Look ist vollkommen verschwunden. Schmutzig und dreckig wirkt hier nichts mehr und selbst die mit einem Rotfilter gefilmten Abschnitte verfehlen komplett ihre Wirkung. Saw IV wirkt wie auf Hochglanz poliert und gerät nur deshalb nicht zu einem kompletten Totalausfall, weil Regisseur Darren Lynn Bousman gewohnt hochenergetisch inszeniert und mit unendlich vielen Schnitten, nervös zuckenden Kameraeinstellungen und hektischen Schwenks viel Adrenalin in die Inszenierung pumpt. Ein besonderes Schmankerl bilden zwei genial nahtlose Überblendungen, die nachhaltig in Erinnerung bleiben und technisch hervorragend umgesetzt wurden. Solche Spielereien sind es dann auch, die hoffen lassen, dass sich Bousman bald von dem Sawfranchise lösen kann, um sich einmal anderen Filmen fernab des Folter Horrors zuzuwenden und sein Können in den Dienst anderer Streifen zu stellen. Und da wir gerade bei den technischen Aspekten sind, muss ich dringend anmerken, dass auch Soundtracklieferant Charlie Clouser durch den Weichspülergang gedreht wurde. Seine omnipräsente Musik wirkt unglaublich fad und langweilig. Er versucht zwar die allseits bekannten Themen deutlich zu variieren, allerdings nicht zu deren Vorteil. Am wohlsten fühlt man sich nach wie vor, wenn das bekannte Saw Thema einsetzt ...
Und dieses geschieht diesmal recht selten. Auch ein Anzeichen dafür, dass im Franchise etwas nicht mehr so recht stimmt. So fällt die eigentliche Wendung des Streifens im Vergleich zu allen Vorgängern deutlichst ab und wird im Kinosaal für nicht viel mehr als ein Schulterzucken sorgen. Interessanter im Hinblick auf die Geschichte ist die formale Umsetzung, denn Saw IV spielt ein wenig mit der Erzählzeit und verblüfft gegen Ende mit Szenen, die erklären, warum es in Saw IV eben beispielsweise nicht darum gehen kann, dass Jeff, die Hauptfigur aus Teil III, nach seiner entführten Tochter sucht. Einzig in diesem Showdown, der den eigentlichen Clou hinter Saw IV darstellt und eben das Zeitgebilde hinter Saw IV entschlüsselt, funktioniert Saw IV, wie man es von ihm erwartet hat. Auch das Schicksal von Riggs steht absolut in der Tradition der Reihe und ist vielleicht sogar noch einen Zacken konsequenter als das von Eric Matthews in der II. Aber im Großen und Ganzen schmeckt das hier dargereichte Mahl einfach nur schal und abgestanden.

Die interessanteste Storyentwicklung ist die Etablierung der Frau von Jigsaw, die dem Zuschauer ausreichend Gelegenheit gibt, in dem interessanten Gesicht und dem gelungenen Spiel von Darstellerin Betsy Russell zu versinken. Wenn man sie noch ein wenig sauberer in die Reihe eingebunden bekommt, könnte das jetzt munter vor sich hindarbende Sawfranchise noch einmal ordentlich Fahrt aufnehmen. Wobei man sich eben schon fragen muss, wie man das Mitwirken der bereits toten Hauptfigur immer und immer wieder erklären will, denn Saw ohne den charismatischen und erneut stark aufspielenden Tobin Bell ist einfach kein Saw!
Saw IV ist ein krampfiger Wiedergänger der zuletzt so grandios abgeschlossenen Ursprungstrilogie. Alles wirkt zu gewollt, die eigentlichen Hauptcharaktere sind luschig, die Darsteller schwach. Das Sawfeeling will sich dank fehlender perfider Fallen, ungewohnt gelackter Inszenierung und Null Involvement seitens des Zuschauers niemals einstellen. Wäre da nicht der witzige Kniff mit der Erzählzeit des Streifens und der gewohnt solide Tobin Bell, die Luft wäre komplett raus. So ist das Franchise zumindest noch am Keuchen ...
In diesem Sinne:
freeman