Zum besseren Verständnis
hier mal meine Reviews zu Teil I - III.
In den Zeiten, in denen Sylvester Stallone noch als absoluter Superstar und Topverdiener des zeitgenössischen Kinos galt, brauchte er beständig nur zu zwei Filmreihen zurückzukehren, wenn er erfolgstechnisch Oberwasser suchte oder sein Starstatus zu sinken drohte. Dabei erschuf er mit Rambo und Rocky zwei Filmikonen, die mit dem modernen Hollywoodkino untrennbar verbunden sind und eigentlich jedem Filmfan und auch jedem Nichtfilmfan zumindest dem Namen nach bekannt sein sollten. Vergangenes Jahr brachte nun Sylvester Stallone sein persönlicheres Franchise zu einem wunderschönen Ende und beeindruckte nachhaltig mit einem vor Altersweisheit und Menschlichkeit geradezu berstenden Rocky Balboa. Dabei war eigentlich zunächst geplant, einen neuen Rambo Streifen in die Spur zu schicken. Doch ein 60jähriger Einzelkämpfer? Wollte das wirklich jemand sehen? Die Geldgeber befanden zunächst "Nein", sahen nach dem Erfolg von Rocky Balboa aber doch den sprichwörtlichen Silberstreif am Horizont. Ein weiterer Rambo könnte durchaus Potential haben ... Und endlich ist er da ...
John Rambo
Originaltitel: Rambo
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: USA
Regie: Sylvester Stallone
Darsteller: Sylvester Stallone, Julie Benz, Matthew Marsden, Graham McTavish, Reynaldo Gallegos, Jake La Botz, Tim Kang, Paul Schulze u.a.
Rambo lebt nach den Ereignissen in Afghanistan zurückgezogen in Bangkok, Thailand. Hier hält er sich mit dem Fangen von Giftschlangen über Wasser und bietet sich ab und an diversen "Touristen" als Fremdenführer auf den Gewässern Thailands an. Eines Tages steht eine Abordnung Missionare vor ihm. Nach Birma wollen sie. Mitten ins Kriegsgebiet eines seit Jahren tobenden Bürgerkrieges. Doch John Rambo ist müde. Er will sich in keine Konflikte mehr einmischen. Egal wie hehr das Anliegen der Missionare auch sein mag, das Krisengebiet mit Medikamenten und ihren medizinischen Fähigkeiten zu versorgen. Als die einzige Frau im Team an die Wertvorstellungen Rambos appelliert, lässt er sich breit schlagen. Er bringt die Missionare wohlbehalten in Birma an, trennt sich danach aber umgehend wieder von ihnen. Tage später wird er vom Chef der Missionare besucht. Die Missionarsgruppe sei verschwunden und er habe eine Gruppe an Söldnern engagiert, um die Missionare, so sie noch leben, zu befreien. Umgehend bricht Rambo mit den Söldnern auf, um die Vermissten zu suchen. Zunächst nur als vermeintlicher Bootsführer der Söldner, dann zunehmend als treibende Kraft hinter der Befreiungsaktion ...
"Wenn du gezwungen wirst, ist Töten so einfach wie Atmen!"
Wer ist dieser John Rambo?
Alt ist er geworden. Und kriegsmüde. Träume von vergangenen Schlachten lassen ihn des Nachts hochfahren. "Seinem" Land hat er längst den Rücken gekehrt. Nichts bindet ihn mehr an die USA. Und wie der große Fluss, auf dem er als Skipper seine Dienste anbietet, mäandert sein Leben vor sich hin. Doch wehe der schlafende Riese wird geweckt. Dann ertönt obiges Zitat und die Kampfmaschine beginnt zu neuem Leben zu erwachen. Zu fatal todbringendem Leben. Noch professioneller und härter als jemals zuvor. Doch diese Maschine kämpft keine Kriege mehr für ein Land oder irgendwelche fremden Ziele, die er gar nicht versteht. Diese Kampfmaschine rodet den burmesischen Regenwald im Namen seines eigenen Wertesystems, das ihm sagt, was richtig und was falsch ist.

Und damit präsentiert Sly in der Figur des Rambo im Ansatz eine Art Rückbesinnung auf den ersten Teil und damit eine Abkehr von Rambo als Comicfigur. Doch diese Rückbesinnung, die laut ersten Planungen eigentlich den ganzen Film ereilen sollte, schlägt sich einzig und allein in der Figur des Rambo selbst nieder. Der Rest des Filmes und vor allem die Story orientiert sich doch überdeutlich an den beiden brutalen Actionkrachern, die Rambo - First Blood folgten. Doch Stop! Gerade fiel der Begriff Story. Also lasset uns kurz inne halten. Rambo? Story? Muhar har har. Also lassen wir die Kommentare zu der Geschichte von John Rambo und vergleichen lieber ein wenig mit dem Franchise. So ist die eigentliche, so gut wie gar nicht vorhandene Grundstory fast ein eins zu eins Wiedergänger von Rambo III. Ein sich zierender Rambo greift in einen ihm fremden Konflikt ein, weil Menschen, die ihm etwas bedeuten, gefangengehalten werden. Der entsprechende Landstrich wird befriedet, heldenhafte Mucke ertönt. Ende. Genau das bekommt man nun in John Rambo, allerdings im Setting von Rambo II. Denn optisch und rein vom Actionaufwand her ist John Rambo ein Wiedergänger des zweiten Teiles. Sprich, wir finden hier das allseits beliebte Dschungelsetting, ein Gefangenenlager, einen Fluss mit Piraten und Kanonenbooten und dennoch keine überbordende Materialschlacht wie in Rambo III. Mano a Mano heißt die eigentliche Devise. Kurzum, letztendlich bedient sich John Rambo ausgiebig bei seinem eigenen Franchise und klammert dabei Rambo First Blood - abgesehen von zwei netten Referenzen und der Grundidee hinter der Hauptfigur selber - komplett aus.
Was man daraufhin letztendlich erhält, ist eine Art Prototyp des 80er Jahre Actionkinos, technisch allerdings ins neue Millennium transferiert. Sprich: Hier ist gut noch richtig gut und böse abgrundtief böse. Schattierungen gibt es höchstens in den Gesichtern bei ungünstigem Lichteinfall. Allerdings gereicht dies nur für jene zum Nachteil, die mit den comichaften Fortsetzungen des hochgelobten Erstlings nichts anzufangen wussten. Der Rest wird mit dem bedient, was man sich schlicht und ergreifend von dem Franchise erwartet. Action. Ohne Ende. Hochtourig und so brachial brutal, dass es fast schon weh tut.
Eingeleitet wird diese Action Tour de Force von einer grenzgenialen Szene, in der John Rambo die Pace für die folgenden Actioneruptionen vorgibt. In jener treiben ein paar Militärs einige vermeintliche burmesische Rebellen durch ein Minenfeld, immer in der Hoffnung, einer der "Rebellen" möge zu ihrer Belustigung auf eine Mine treten. Da wird ein Körper eines Militärs von einem Pfeil durchschlagen. Ein zweiter Pfeil nagelt einen anderen Soldaten an einen LKW, ein weiterer Pfeil durchschlägt seinen Hinterkopf und tritt am Kinn des Mannes wieder aus. Rambo bricht aus einem schützenden Busch, legt erneut an und ein harter Körpertreffer besiegelt das Ende eines dritten Soldaten. Für den Vierten lässt sich Rambo etwas mehr Zeit. Ein Pfeil durchschlägt ein Bein des Soldaten, er stolpert, strauchelt. Da durchschlägt ein weiterer Pfeil seinen Kopf quer, tritt am linken Ohr ein und an der rechten Wange aus. Der Soldat fällt in das Minenfeld und eine Mine zerreißt seinen Körper.

Nach dieser Szene war im ganzen Kino angekommen, das John Rambo zurück ist. Gejohle brach sich Bahn, es gab Szenenapplaus und man spürte förmlich, dass hier noch ganz Großes auf den Zuschauer zukommen würde. Und wie es das macht! John Rambo kennt nun fortfolgend kein Halten und die Brutalität schlägt auch in der gekürzten deutschen Fassung munter Kapriolen. Dabei weicht die comichafte Überzeichnung der brutalen Einlagen immer wieder einer unangenehm realistisch angehauchten Gewaltdarstellung moderner Kriegsfilme, in denen ja schon Steven Spielberg und Co. scheinbar keine Grenzen zu kennen schienen. John Rambo treibt dies nun auf die Spitze. Unterlegt mit teils sehr pathetischer, teils wuchtig brachialer Musik gerät das Zerfleischen der Gegnerhorden und das doch ziemlich detaillierte Zerlegen der burmesischen Zivilbevölkerung - inklusive lang und breit ausgespielter Gewalt gegen Kinder und Vergewaltigungen - äußerst grenzwertig. Zumal John Rambo eben kein echter Kriegsfilm ist, sondern irgendwann den Konflikt in Birma zu reinen Entertainmentzwecken missbraucht. Allerdings sollte man als echter Fan des Franchises in dieser Hinsicht bereits mehr als abgehärtet sein, gerieten doch schon in Teil II und III zwei recht brisante Krisenherde zu reinen Entertainmentlieferanten - hier und da mit einigen kritischen Untertönen, keine Frage ... aber im Vordergrund stand und steht die Action. Und so ergeht es auch John Rambo.
Und so dürfen wir bis zum Showdown einem Rambo auf Speed zuschauen. John Rambo ist definitiv der treibendste und schnellste Film des Franchises. Die Dialoge - wenn man das so nennen will - beschränken sich auf die ersten 20 Minuten und dann brennt die Luft. Und walzt ein Einmannrollkommando alles platt, was sich ihm in den Weg stellt. Dies mündet in einen die niedersten Instinkte befriedigenden Showdown, in dem die Körperteile nur so durch die Gegend fliegen, menschlicher Schaschlik zubereitet wird und sich Rambo schon mal ein Großkaliber-MG-Feuergefecht mit einem Kanonenboot liefert und nebenbei so manchen Soldaten einfach zerplatzen lässt. Feinsinnig ist freilich etwas ganz anderes, aber das simple Weltbild und die wuchtige Präsenz des wie blindwütig tobenden Rambos fegt beim Actionfan jegliche Form von Bedenken hinweg. Man will gar nicht denken. Will nicht hinterfragen, was da abgeht. Einfach weil es keinen Sinn machen würde. John Rambo gibt niemals wirklich vor, intelligent sein zu wollen. John Rambo will die Fans bedienen. Will der neuen Generation an Actionhelden aufzeigen, wie Action heutzutage auszusehen hat. Und wenn eines gelingt, dann das!
Lebe für nichts oder stirb für etwas. Du entscheidest!
Was man John Rambo bei aller "geistiger Schlichtheit" zu Gute halten muss, ist, dass er, obwohl er den burmesischen Krieg zu reinen Entertainmentzwecken missbraucht, einen Konflikt in Erinnerung ruft, der in unserem Kollektivbewusstsein keine große Rolle spielt. Genauer geht es dabei um die Situation in Birma (gerne auch Burma bzw. von den militärischen Machthabern Myanmar genannt). Gegründet im 11. Jahrhundert wurde dieses ehemalige Königreich im 19. Jahrhundert von GB besetzt. Im Laufe des zweiten Weltkrieges wurde es von Japan erobert und kurz darauf - im Jahre 1948 - in die Unabhängigkeit entlassen. Seit dieser Zeit wird das Land unentwegt von bewaffneten Unruhen erschüttert, da diverse ethnische Minderheiten gewaltsam für mehr Autonomie oder Unabhängigkeit kämpfen. Dies mündete 1962 in einen Militärputsch und eine diktatorische Regierungsform, gegen die auch und vor allem die Volksgruppe der Karen beständig ankämpft und die nun eben von John Rambo tatkräftige Unterstützung erhält, ohne dass die Karen für den Film auch nur annähernd eine Rolle spielen würden. Schon John Boormans "Rangoon" versuchte vor einigen Jahren auf die Umstände in Birma hinzuweisen, ging aber sowohl erfolgstechnisch als auch künstlerisch sang- und klanglos unter. Ausgerechnet das in John Rambo praktizierte simple Herunterbrechen der Tragödien in diesem Land - inklusive sehr geschmäcklerischer Schwarz /Weiß Malerei - und der Hype um John Rambo könnten nun weitaus erfolgreicher dafür sorgen, dass die Vorgänge in Birma wieder etwas aus dem Schatten des Vergessens herausgedrängt werden. Leider bleiben dabei kritische Untertöne in Richtung des Restes der Welt und dessen Desinteresse am beständigen Genozid in diesem Land vollkommen aus. Und das, wo in der Ramboreihe ansonsten immer ein wenig Kritik mitschwang.

Offensichtlich sollte das Weltbild in John Rambo so simpel sein wie irgend möglich. Und das ist es letztendlich auch. Dieses simple Weltbild wird dafür technisch absolut perfekt transportiert und Sly beweist als Regisseur nach seinem großartigen und stilistisch perfekten Rocky Balboa erneut, dass er weiß, wie ein moderner Actionfilm auszusehen hat. Er arbeitet viel mit Farbfiltern, treibendem Schnitt, netten Perspektiven, tollen Naturpanoramen und sehr agiler, niemals zu hektischer Kamera. Er ist immer mitten im Geschehen und peitscht den Film unaufhörlich voran. Einen großen Beitrag zum ständigen Voranpreschen des Streifens leistet auch Scorelieferant Brian Tyler, der zum einen das altbekannte Rambothema aufgreift und variiert, aber auch ausreichend eigene Duftmarken setzen kann, die das asiatische Flair des Schauplatzes gezielt einbeziehen und in den Actioninfernos auch schwere E-Gitarren ins Spiel bringen. Das Ergebnis ist ein Actionscore nach Maß.
Schauspielerisch wird sich hier hoffentlich niemand irgendetwas erwarten. Es wird eigentlich nur unterschieden nach Helden und menschlichem Fallobst, dem sich die Helden widmen müssen. Dementsprechend bleiben die Gegnerscharen absolut gesichtslos und sind ein widerwärtiger Haufen aus geistig degenerierten Folterern, Schlächtern und Teufeln in Menschengestalt. Interessant ist eigentlich nur der Leiter des Gefangenenlagers, der nach eher zurückhaltendem Start gegen Ende so richtig Gift und Galle spucken darf und so im Handumdrehen zu einem Typ mutiert, der einfach verdient hat, was er dann abkriegt 😉. Sly selber fährt seine Ramboroutine. Rambo liegt ihm im Blut. Er kennt die Figur in- und auswendig und verleiht ihr ein gigantisches Pfund an Sympathie. Slys gewinnendes Auftreten besorgt dann den Rest. Dabei sondert er Oneliner ab, die alle 300 Spartaner blass um die Nase werden lassen. Obendrein präsentiert er sich in außergewöhnlicher körperlicher Form! So richtig offensichtlich wird sein Hineinschlüpfen in die Rolle des John Rambos aber erst, wenn man John Rambo direkt mit Rocky Balboa vergleicht. Und damit einen vor Lebenslust nur so sprühenden, ewig vor sich hinbrabbelnden Selfmademan mit einer maulfaulen, recht misanthropischen Kampfmaschine. Wie mühelos er beide Rollen ausfüllt, zeigt, was er wirklich auf dem Kasten hat. Allerdings muss man dazu endlich auch mal das bescheuerte Bild vom dummen Bodybuilder ablegen können. Von den Begleitern Rambos bleibt eigentlich niemand weiter in Erinnerung. Einzig Julie Benz Figur bleibt irgendwie hängen, ohne dass man dafür einen Grund nennen könnte. Im Großen und Ganzen ist dies einfach Slys Show!

Ihr seht, meine Begeisterung kennt trotz aller Fehler kein wirkliches Halten. Und das, wo mir alle Probleme mehr als bewusst und auch einsichtig erscheinen. Klar, John Rambo ist hohl, er verherrlicht Gewalt, er gibt einen Scheiß auf politische Korrektheit, er hat Elemente an Bord, die es nicht gebraucht hätte (Vergewaltigungen, ...), die Story passt auf einen Bierdeckel, manche Wandlung und Charakterentwicklung ist einfach nur ärgerlich (Highlight: die peinliche und tausendfach gesehene Wandlung des Gewaltgegners zum mit einem Stein!!! killenden Berserker), die CGI Explosion zur Mitte des Filmes ist nicht hundertprozentig gelungen und so manche Massakerszene und ihre etwas arg pathetische Umsetzung ist schon extrem grenzwertig ausgefallen, ABER dieser John Rambo rockt einfach mal den Urwald weg! Derbst!
Am Ende schließt sich der Kreis ... Rambo läuft auf die Ranch seines Vaters zu. Dabei trägt er genau die Kleidung und die Frisur, die er in Rambo First Blood trug! Rambo ist wieder daheim. Niemand denkt daran, ihn zu jagen oder zu vertreiben. Ein gutes Gefühl. Und während der Feuilleton vor Empörung ob der bis hierhin vergangenen 80 Minuten an Hardcoreaction und menschenverachtender Gewalt aufschreit, verdrückt der Fan eine Träne der Rührung. John Rambo ist ein Film, wie er heute gar nicht mehr gemacht wird. Die ultimative Rückbesinnung auf den brechend brutalen 80er Jahre Film und in seiner unglaublich überzogenen Gewaltdarstellung und Aneinanderreihung von Actionerdbeben ebenso wenig ernst zu nehmen wie seine Vorgänger. John Rambo ist ein würdiger Teil (und eventueller Abschluss) der Reihe und ein Lehrstück in Sachen Action! Gäbe es den Begriff Action nicht, man hätte ihn für diesen Film erfinden müssen. Danke Sly!
In diesem Sinne:
freeman