Speed Racer
Go Speed Racer Go! Mit der beeindruckend detailgetreuen Adaptierung einer Animeserie für die große Leinwand präsentieren die Wachowski Brothers die Optikbombe des Kinojahres und kennen optisch in keinerlei Hinsicht irgendwelche Grenzen. Kein Film braucht die große Leinwand derart zum Atmen wie dieser Bilderrausch ...
Originaltitel: Speed Racer
Herstellungsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2008
Regie: Andy Wachowski / Larry Wachowski aka The Wachowski Brothers
Darsteller: Emile Hirsch, Nicholas Elia, Susan Sarandon, Scott Porter, Christian Oliver, John Goodman, Christina Ricci, Matthew Fox, Roger Allam u.a.
Trailer sind eine echte Crux für die Filmindustrie. Zum einen sind sie eines der effektivsten und augenwischendsten Werbemittel überhaupt, die, wenn von Meisterhand gemacht, schon als kleine Kunstwerke durchgehen können. Andererseits sind Trailer inzwischen so effektiv geworden, dass viele Rezipienten eine Entscheidung für oder wider einen Kinobesuch wirklich ausschließlich an der Qualität eines Trailers festmachen, bzw. sich aufgrund des Trailers eine recht unverrückbare Meinung zum ganzen Film zurechtschustern. Dabei machen Trailer ja eigentlich nur, was jede gute Werbung macht: Sie stellen ausschließlich die Vorzüge des Filmes in den Mittelpunkt. Eindeutig zu erkennen, an dem typischen „Der Trailer war viel besser als der ganze Film“ Gelaber nach einem Kinobesuch. Tja ja. Schöne neue Werbewelt 😉. Dementsprechend sollte man Trailern gegenüber eigentlich immer sehr vorsichtig sein ... Mittlerweile auch und vor allem dann, wenn ein Trailer einen Film verspricht, der anscheinend so gar nichts taugen kann!
Dies trifft vor allem auf den Speed Racer Trailer zu. Ein Fanal des Infantilen, des Bunten, des Kindlichen. Ein Trailer, der ein Spy Kids 4 versprach - mit vier mal weniger Story und vier mal mehr bunten Bildern. Auch ich war nach Ansicht des Trailers zu Speed Racer geschockt! Hielt ihn zunächst gar für einen Trailer zu einem Playstation Spiel! Und dann leuchteten da die Buchstaben auf: „Von den Matrix Machern!“ Der Schock war perfekt. Obendrein tauchten dann Pressekonferenzmeldungen auf, in denen Joel Silver damit prahlte, wie innovativ der neue Film der Wachowskis geworden sei. Doch Moment. Ein im Backlotverfahren gedrehter Streifen (Schauspieler agieren vor einer Green Screen, die Filmwelten werden nachträglich am Rechner eingefügt) ist doch seit Sky Captain and the World of Tomorrow nicht mehr innovativ? Schon gar nicht dank der Existenz von 300 oder Sin City ... Speed Racer war vielmehr vom Start weg einer von vielen. Wovon sprach der gute Joel dann also?
Definitiv nicht von der Geschichte. Doch für den Zuschauer, der den Trailer zu Speed Racer kennt, erfolgt hier die erste Überraschung. Mutete Speed Racer dank der Trailer lange Zeit wie der typische „Outsider fährt sich gegen allen möglichen Unbill nach oben“ 08/15 Storyquatsch an, wird dieser Storypart in den ersten 15 Minuten mit viel Schmackes abgearbeitet, um dann einen ganz anderen Weg einzuschlagen. Es geht viel mehr um die dunklen Machenschaften großer Industriekonglomerate, deren Aktienkurse vom Ausgang der Rennen abhängen und die dementsprechend den Ausgang der Rennen gerne schon vor Start in trockenen Tüchern haben wollen. Unser Held Speed Racer, der binnen kürzester Zeit zum großen Hot Shot der Szene aufgestiegen ist, soll nun für einen dieser Industriemagnaten fahren. Als er sich aber verweigert, bekommt er alle Macht dieses Industriellen namens Royalton zu spüren. Irgendwann wird es Speed Racer zu bunt und als eine Behörde unter der Leitung von Inspector Detector an ihn herantritt und ihn bittet, ihnen bei der Aufdeckung der Machenschaften hinter den Autorennen zu helfen, erklärt er sich umgehend bereit - unter Anleitung des mysteriösen Racer X - ein reinigendes Gewitter in die verkrusteten Machtstrukturen fahren zu lassen.
Dieses Storykonstrukt klingt dann doch deutlich besser, als man es im Vorfeld erwarten konnte und es trägt den Film auch mühelos über seine Laufzeit. Obendrein spielen die Wachowskis immer wieder mit den Erwartungen der Zuschauer und lassen manchen, sich scheinbar ewig ankündigenden und ach so offensichtlichen Storytwist mit Schmackes an der Erwartungshaltung des Zuschauers zerschellen. Es sind halt immer noch irgendwo die Wachowskis, die hinter dem Film stehen und die haben, wie wir alle wissen, Spaß daran, den Zuschauer an der Nase herumzuführen. So gestaltet sich der eigentliche Storypart von Speed Racer deutlich komplexer (wenn auch nicht komplex!!!) als es der Trailer androhte. Abgesehen von dieser Tatsache geben die Wachwoskis keinen Pfifferling auf ihre Figuren oder eine glaubwürdige Charakterzeichnung. Von Anfang an steht fest, wer böse und wer gut ist und aus diesen Vorgaben wird nur ganz selten (Ausnahme Racer X) ausgebrochen. Doch das sollte man nun auch nicht per se verurteilen, denn immerhin basiert Speed Racer auf ... ja ... auf was eigentlich?
Ok, ich verrate es euch 😉. Speed Racer basiert auf der Mangareihe "Mach Go Go Go", die in den 60ern von dem Zeichner Tatsuo Yoshida aus seiner Reihe Pilot Ace abgewandelt wurde und von Go Mifune berichtet, der mit seinem Rennauto Mach 5 an den halsbrecherischsten Rennen teilnimmt. Immer an seiner Seite: sein kleiner Bruder Kurio Mifune, der sich gerne mit seinem Affen in Gos Auto versteckt, Mechaniker Sabu, sein Vater Daisuke, seine Mutter Aya und seine Freundin Michi Shimura, die ihm bei seinen Rennen Schützenhilfe (Orientierung usw.) aus einem Helikopter heraus leistet. Auch eine rätselhafte Figur namens Fukumen Racer kreuzt häufiger Gos Weg. Aus dieser Heftreihe und diesen Storyingredienzien bastelte Yoshida in dem von ihm mitgegründeten Studio Tatsunoko Production eine 52-teilige Zeichentrickserie – welche sich vor allem in den USA zu einer Art Kulturphänomen mauserte!
Dazu musste man zwar einige Elemente der Reihe komplett verändern (der Titelsong wurde neu aufgenommen, die Figuren allesamt umbenannt), aber die Serie wurde zu einem riesigen Erfolg im Rahmen der Samstag Morgen Cartoons im amerikanischen Fernsehen. Unlängst outeten sich die Wachowskis als riesige Fans dieser Kinderserie und schlugen Joel Silver eine Real-Verfilmung vor. Dieser gab danach freimütig zu Protokoll, weder verstanden zu haben, was die Beiden von ihm wollten, noch wie sie dieses irre Projekt umsetzen wollten. Er gab "seinen" Jungs einfach grünes Licht. Und diese schöpften aus den Vollen ... und hier wird es dann eben irgendwo doch innovativ, denn eine Animeserie möglichst eins zu eins auf die Leinwand zu wuchten, mit einer derart unglaublichen Liebe zum Detail, das hat bisher noch keiner gewagt. Zumindest nicht so, wie sich jetzt Speed Racer darstellt.
Denn die Wachowskis gingen bei Speed Racer optisch wieder komplett eigene Wege. Dabei mag die verwendete Technik bekannt sein, die damit geschaffenen Bilderwelten sind es nicht. Diese sind genauso knallbunt, extravagant und schrill wie der zugrundeliegende Anime und haben vor allem im Trailer einen ungemein trashigen Anstrich. Doch dann sitzt man im Kino und wird Zeuge einer knapp 15minütigen Sequenz, in der die ganze Hintergrundgeschichte des Streifens während einiger Flashbacks im Verlaufe eines Highspeed Rennens aufgearbeitet wird und knallig bunte Animebilderwelten genial montiert an Speed Racers und unserem Auge vorbeiziehen. Hier wird vor allem das Schicksal von Speed Racers Bruder Rex aufgedröselt und die Antriebe für Speed Racers Wagemut aufgeschlüsselt. Am Ende rast Speed Racer hinter einem Erinnerungsflashback seines verstorbenen Bruders her und liefert sich quasi mit der Vergangenheit ein Wettrennen. In diesen ernsten und auch beeindruckenden Momenten schlägt sich dann auch immer wieder der letztlich doch erstaunlich geerdete Ansatz des ganzen Storykonstruktes Bahn und man merkt, dies soll eine echte Hommage sein, keine trashige Parodie. Und dennoch erlauben sich die Wachowskis sogar in dieser unglaublich genialen Szenenfolge den Einbau einer herrlich schräg animierten Zeichentricksequenz und geben damit für den weiteren Verlauf die Pace vor.
Denn auch den teils herrlich infantilen Humor des Vorbildes und so manch anderer Animereihe feiert man ab. Dieser ist dabei gar nicht mal sonderlich kindlich, er ist einfach nur extrem dämlich. Kein anderer Film dürfte sich derartige Humoreinlagen erlauben! Schon gar nicht, wenn sie wie hier der eigentlichen Handlung größtenteils eher kontraproduktiv im Wege stehen. Aber spätestens wenn der kleine Bruder von Speed Racer mit seinem Schimpansen einen Anime nachspielt - inklusive Animebewegungstreifen, als beide aufeinander zufliegen - merkt man, dass hier eben echte Liebhaber einer ganzen Seriengattung am Werke waren und eben „ihrer“ Kindheitserinnerung in ALLEN Belangen huldigen wollen. Da ist es dann irgendwie nur verständlich, dass kurz vorm finalen Filmkuss eine Warnung ergeht, dass es gleich voll eklig wird. Dieser Humor ist einfach viel zu kaputt, um ihn dem Film anzukreiden und er ist eben vollkommen im Ton der Vorlage gehalten und hat schon alleine darum seine Existenzberechtigung. Dennoch werden viele Filmfans vor allem mit genau diesen Einlagen ihre größten Probleme haben.
Das Highlight, neben den knallbunten Bildern der Fantasiewelt, in der Speed Racer spielt, bilden dann aber natürlich die Autorennen. Diese haben mit einem Tage des Donners oder ähnlichen Rennfahrerstreifen absolut gar nichts gemein. Das macht schon das erste Rennen klar, das bereits in der zweiten Kurve jegliche Form von Logik oder realer Fahrphysik aushebelt. Was die Wachowskis hier auffahren, hat man so wirklich noch nie gesehen (vielleicht bezog sich der gute Joel ja ausschließlich hierauf?). In diesem Film wird nicht einfach Auto gefahren. Nein. In diesem Film überholt man mit lupenreinen Three Sixtys! Sei es am Gegner vorbei, über ihn hinweg oder eine Tunnelwand hoch. Alles was an "Strecke" da ist, wird genutzt. Dabei gibt es sogar Szenen, die man sonst nur aus Fliegerfilmen kennt, wenn Flugzeuge die Position tauschen und über den Nachbar mit einer Rolle hinwegfliegen, so dass sich beide Piloten gegenseitig in die Pilotenkanzel blicken können. Derartiges gibt es in Speed Racer auch ... in Bullett Time ... auf einer engen Straße. Wenn man dann noch erwähnt, dass hier Bolliden schon einmal zu fahrenden Morgensternen mutieren, die Rennstrecken aus Loopings noch und nöcher bestehen, mit Schlangen geschossen wird, Kreissägeblätter ausgefahren werden können und man schon mal die Leitplanke durchbricht, um auf einer Serpentine 15 Meter tiefer VOR dem Gegner zu landen und ihn so zu düpieren, dürfte klar sein, was einen hier erwartet.
Ein filmgewordenes PC Game mit einer entsprechend farbenfrohen und rasant geschnittenen Optik jenseits jeglicher Form von Realität. Ein einziger, gigantischer, vollkommen unglaublicher Adrenalinrausch. Auf Film gebannter Größenwahn ohne jegliche Form der Mäßigung. Nicht umsonst nennen die Wachowskis selbst diese Actioneinlagen Car Fu. Denn es wird hier wirklich mehr gekämpft und zerstört als gefahren. Auch einige coole Actionszenen abseits der Rennszenen haben die Wachowskis eingebaut. So eine brillant geschnittene, mit wilden Zooms um sich schmeißende Kampfsportsequenz, die vorgibt eine Plansequenz zu sein, allerdings durch diverse Kameraspielereien diesen Anspruch wieder verliert. Doch das ist ziemlich egal, denn auch hier stimmen die Schauwerte. Eine richtig coole Ballereinlage von Racer X im Kampf gegen eine Mafiabande gerät dann zum fulminanten Bullet Time Höhepunkt, mit brillant inszeniertem Chaos. Und dann kommt der Showdown. Das letzte Rennen. Dieses mutiert unversehens zum 2001 auf einer riesigen Dosis LSD. Ein Rausch der Farben, untermalt von gänsehauterregender Musik und ein orgiastischer Bilderrausch sondergleichen, der einfach mal alles wegflasht, was man zuletzt auf der großen Leinwand sehen durfte. Das einzige Problem bei der Action ist eigentlich, dass der eigentliche Höhepunkt - die Rallye über drei Kontinente - schon in der Mitte des Filmes abgefeiert wird. Die Rasanz und das Ideenbombardement dieser Sequenz können die Wachowskis leider nicht noch einmal wiederholen.
Dass bei diesem Trip für die Augen die Darsteller nicht mehr viel zu melden haben, dürfte klar sein. Dabei machen eigentlich die Meisten einen grundsoliden Job. Insbesondere John Goodman und Susan Sarandon geben dem Film einen gewissen seriösen Anstrich als herzliche und liebevolle Eltern von Speed Racer. Emile Hirsch gefällt mir persönlich gar nicht. Ich empfinde ihn als extrem blassen und vor allem unsympathischen Darsteller, der hier in einigen Szenen vor der Green Screen auch sichtlich überfordert wirkt. Roger Allam dagegen darf als Royalton und damit als Oberbäddie von Speed Racer so richtig vom Leder ziehen und macht dies mit viel Verve. Für die Lostfans sollte die Besetzung von Racer X mit Matthew Fox interessant sein. Dieser muss eher mit physischer Präsenz punkten und darf in einem feinen Fight ordentliche Kampfsportfähigkeiten beweisen. Abgesehen davon hat er nicht viel zu leisten. Ziemlich peinlich fallen die deutschen Gaststars a la Cosma Shiva Hagen, Moritz Bleibtreu oder Benno Führmann auf, die nicht nur hemmungslos chargieren, sondern sich obendrein allesamt recht dämlich selbst synchronisierten. Und Christina Ricci? Sie ist im Grunde der einzige Punkt, an dem die Wachowskis - wohl wegen der Altersfreigabe - ein wenig vom Animeansatz weggingen. Denn die Ricci schaut schon aus wie ein japanisches Girlie, aber verdammt noch mal, wieso blitzt da nicht im zehn Minuten Takt die Unterwäsche unter den engen Kleidchen hervor? Dammich 😉.
Das Ergebnis ist ein filmgewordener Anime. Ein gigantischer Farbenrausch. Ein Bildersturm. Eine filmische Extravaganz. Nie gesehenes Eye Candy, auf das man sich - entgegen den Erwartungen, die durch den Trailer geschürt wurden - innerhalb kürzester Zeit einstellt und das einen nicht mehr los lässt. Selbst kleine Storydurchhänger werden durch unglaubliches Augenfutter und detailverliebte Bildertableaus kaschiert. Zudem kommt die Story deutlich besser und vor allem erwachsener daher, als erhofft, auch wenn sie letztendlich niemanden interessiert. Denn sie soll die Autorennen miteinander verbinden und spätestens wenn diese beginnen, hat der Bereich im Hirn, der sich aufspulen möchte und der uns versucht zu sagen: "Mensch, das ist ein Film der Wachowskis, die müssen einfach mehr auf die Leinwand stemmen als einen Rausch für die Sinne!!!", massiv Pause. Und selbst beim Abspann, der ebenfalls in allen Farben des Farbspektrums munter vor sich hin blinkt, will sich einfach kein echter Misston ergeben, denn man wurde soeben über zwei Stunden hinweg hervorragend unterhalten und wurde Zeuge, wie zwei ECHTE Fans und Nerds einem Seriengenre huldigten und dabei eine Versessenheit an den Tag legten, die einfach nur Staunen macht. Joel Silver und seine Jungs beglücken uns mit einer in allen Farben leuchtenden Seifenblase! Style over Substance at its Best ... Epilepsieerregend bunt ... voll infantilem Humor ... ohne echte Charaktere ... ohne jedwedes Maß für Beschränkung oder Vernunft hinsichtlich der eingesetzten stilistischen Mittel ... Einfach ein gigantischer filmgewordener Trip ... Und somit kann meine Empfehlung nur lauten: Traut um Himmels Willen nicht dem üblen Trailer!!!
In diesem Sinne:
freeman, geflashed ...