Originaltitel: The International
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Tom Tykwer
Darsteller: Clive Owen
Naomi Watts
Armin Mueller-Stahl
James Rebhorn
Ulrich Thomsen
Axel Milberg
Jack McGee
Brian F. O'Byrne
Remy Auberjonois
Patrick Baladi
Victor Slezak
Ty Jones
Weitwinkel- und Panoramaaufnahmen bäumen sich auf, von Meisterwerken der Architektur wird Tom Tykwers US-Debüt, das vor seiner Premiere Werbung mit der aktuellen Finanzkrise schaltete, im positiven Sinne geradezu erdrückt. Dass die Realität den Film überholt habe, ist dabei ganz fantastische PR. Allerdings muss man dann auch den Schritt gehen und “The International” an seiner Authentizität messen, seinen Einblicksmöglichkeiten in die Kreisläufe der gewaltigen Wirtschaftsapparate. Wenn sich der Thriller schließlich aber als solcher aus der Subunterteilung “Agenten” entpuppt und mit seinen nicht enden wollenden Impressionen von glänzenden Fassaden mehr an den neuen Bond erinnert als an die Ermittlungen der “Unbestechlichen” aus dem Jahr 1976, muss sich diesbezüglich leise Enttäuschung einstellen.
Mit Clive Owen kämpft sich ein einzelner Mann, dicht gefolgt von Komparsin Naomi Watts, gegen die, so scheint es, größten Mächte der Erde zur Wahrheit hindurch. So seriös der Deckmantel der Thematik, so sehr schimmert doch hindurch, dass der Hauptdarsteller mit Bourne und Bond verglichen werden muss; zynische Naturen würden sagen, ein solcher Vergleich reichte nicht aus, und man müsse schon in Bruce-Willis-Weltenretter-Gefilde eindringen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Ist “The International” bloß eine als Realismus getarnte Metapher für gewöhnliche Actionthrillerschemata, so wie sich gewöhnliche Actionthriller metaphorisch auf adrenalinfördernde Aspekte des realen Lebens beziehen? Im schlimmsten Fall: ja.

Das Skript bemüht sich, von dem Konstrukt abzuweichen. Es nimmt sowohl Owen als auch Watts manchmal über größere Strecken aus dem Spiel, um zu zeigen, dass sich nicht etliche Geschehnisse wie ein Netz um die vermeintlichen Protagonisten wickeln. Ferner werden spannende Sequenzen nicht dramaturgisch hergeleitet, sondern brechen unvermittelt nach einer längeren Phase von trockenen Dialogen mit theoretischen Inhalten ein. Hierher nimmt die zentrale Actionsequenz im Guggenheim-Museum, dessen spiralförmige Architektur dem Komplettwerk posthum sein Gesicht verleiht, auch ihre unverhoffte Wucht. Sie wird mitten ins Nichts geworfen, und gerade diese Unvermitteltheit lässt tatsächlich an die legendäre Straßenschießerei aus “Heat” denken und wird ebenso wie sie in Erinnerung bleiben, wenngleich ihre Choreografie gewaltig an Daniel Craigs Kirchen-Schusswechsel erinnert und noch lange nicht das einzige Element ist, das eine Verbindung zu “Quantum of Solace” herstellt.
Dann aber kommen sie wieder, die klassischen Elemente: Detektivische Aufklärungsarbeit, Pathologen, die sich über feste Regeln hinwegsetzen, spektakuläre Kollateralschäden, undurchsichtige Anwälte, die mit ihrem ausweichenden Verhalten nichts anderes tun als das wahre Gesicht der Auftraggeber zu verbergen und sogar eine Auto-gegen-Fußweg-Verfolgungsjagd. Ganz zu schweigen von einer humorvollen Handyklingelton-Sequenz. Realismus ist eine Linie, die Tykwer merklich einzuschlagen versucht, aber nicht immer einzuhalten vermag.

“The International” pendelt inkonsequent zwischen Aufklärungs- und Unterhaltungskino, weil er die von den Banken errichtete Fassade - wenngleich sie im filmischen Kontext bloß eine Kreation der Filmschaffenden ist und damit mühelos aufzubrechen gewesen wäre - nicht zu durchschlagen imstande ist. Es wurde eine Entscheidung getroffen, und die fiel für den ästhetischen Glanz, gegen das wuselnde Innere. Es handelt sich um den am besten aussehenden Politthriller der letzten Jahre, gegen den selbst andere an Originalschauplätzen gedrehte Vertreter wie “Die Dolmetscherin” kein Land sehen. Das Verhältnis von Mensch und Institution, immerhin, wird eindrucksvoll in Szene gesetzt: eine auseinander berstende Menschenmenge nach einem Attentat, aus der Vogelperspektive eingefangen bloß eine Masse von schwarzen Punkten, die sich zerstreut, oder kleine schwarze Striche, die eine Treppe steigen, welche in der Breite 80-mal mehr Masse aufweisen als der Strich, überdimensionale Foyers und Logen, in deren Zentrum die Portiers sich fühlen müssen wie in der Schaltzentrale eines UFOs, solche Bilder generiert Tykwer mit Bravour und anonymisiert die Schaltfiguren hinter den riesigen, unangreifbaren Bauwerken. Besonders zum Ende hin beweist er außerdem, dass er die Mechanismen des Spannungskinos ebenfalls verinnerlicht hat. Was alleine fehlt, ist der eine Blick hinter die Fassade, oder man könnte auch sagen: die Aussage des Films, seine persönliche Signatur.