Entstehungsdaten:
USA 2008
Regie:
Alan Pao
Darsteller:
Corey Large, Charity Shea, Susan Ward, Danny Trejo, Tom Sizemore, Bai Ling, Master P, Costas Mandylor, Dominique Swain, Lochlyn Munro, Cerina Vincent, Holt McCallany, Paul Johansson, Nick Chinlund, Steven Bauer, C. Thomas Howell, James Duval, Ron Jeremy, …
Trailer
Most people are haunted by their past.
Everyone else fears the future.
The only place to hide is in the present – where no one´s looking.
Um „Toxic“, eine von der „Weinstein Company“ präsentierte Independent-Produktion aus dem Jahre 2008, sollten Zuschauer mit Epilepsie oder Aufmerksamkeitsdefiziten aufgrund einer bewusst zerfahrenen Plot-Entfaltung sowie der aggressiven Verwendung moderner Stilmittel lieber einen weiten Bogen schlagen – wohingegen sich aber auch viele jener Leute, die sich (aus welchen Gründen auch immer) ganz allgemein an diesem massenunkompatiblen Werk versuchen, mit Sicherheit im Nachhinein wünschen werden, genau das von Anfang an getan zu haben. Obwohl einem die einzelnen (inhaltlichen wie inszenatorischen) Versatzstücke überwiegend bekannt vorkommen, lässt sich das, was das „kreative Gespann“ Kyle Kramer (Skript), Corey Large (Story/Hauptrolle) und Alan Pao (Drehbuch/Regie) hier realisiert bzw. vorgelegt hat, insgesamt nur schwer einer bestimmten Kategorie zuordnen: Zu oberflächlich für ein Drama, ohne ausreichend Suspense für einen Thriller, nicht abgründig genug für einen Mindfuck, zu wenig Krawall für einen Action-Streifen – und doch etwas von all dem, eingebettet in einem vertrackten Plot-Konstrukt, das in einer „Tony-Scott-Ästhetik“ aufbereitet daherkommt, von einem erstaunlich namhaften B-Movie-Ensemble dargebotenen wird sowie vom Aufbau her an gängige Tarantino-Flicks erinnert. Verwirrt? Dabei habe ich (hinsichtlich der zu erspähenden Einflüsse) bislang weder die klitzekleine Prise David Lynch noch ein bis zwei mit einer sichtlichen Dosis „J-Horror“ angereicherte Einzelsequenzen erwähnt – sowie dass die komplette Angelegenheit von einem psychologischen Twist abgeschlossen wird, nach dessen Preisgeben einem durchaus eventuell erst einmal der Kopf rauchen könnte. Hört sich nach einer kruden Mischung an? Oh ja, das ist sie…
Die erzählte Geschichte besteht aus zwei separaten sowie zeitlich voneinander getrennten Handlungssträngen, welche man in unregelmäßigen Abständen und Längen miteinander verwoben hat. Um die einzelnen Bruchstücke in einen sinnigen Kontext einordnen sowie den Film (auf diesem Wege dann) überhaupt umfassend verstehen zu können, ist es schon notwendig, die Geschehnisse achtsam zu verfolgen sowie (insbesondere) auf die verschiedenen Charaktere, ihre Absichten und Verhaltensweisen zu achten. Je zügiger man sich dem Ende nähert, desto deutlicher werden einem die Zusammenhänge – bis zur unausweichlichen Schnittstelle beider Ebenen, welche in Gestalt der großen finalen Offenbarung eine weitestgehende Klarheit bzw. Aufklärung offeriert, dabei aber eine zusätzliche Komponente mit ins Spiel bringt, die einigen unter Garantie völlig den Boden unter den Füßen wegziehen dürfte. Wer sich jedoch die Mühe macht, das zuvor Gesehene erneut zu rekapitulieren oder gar ein weiteres Sichten in Angriff zu nehmen, dem sollten (eigentlich) diverse beim ersten Mal gewiss nicht registrierte Hinweise auffallen. Der zentrale Kniff, welcher jenem einer einschlägigen Veröffentlichung aus dem Jahre 2003 nicht unähnlich ist, stützt sich auf ein zuvor etabliertes Fundament, das eine Menge mit einer speziell gewählten Perspektive zutun hat, seitens der Verantwortlichen recht clever arrangiert wurde und (fraglos) seinen angedachten Zweck erfüllt – allerdings beileibe nicht vollkommen unvorhersehbar ist...
Momentan befindet sich der relativ einflussreiche Unterweltler Van Sant (Tom Sizemore) gerade in ziemlicher Sorge um seine Gesundheit – doch nicht etwa, weil ihm ein gewaltbereiter Konkurrent (oder so) nach dem Leben trachtet: Nein – der Anlass dafür resultiert aus der kürzlich erfahrenen Gegebenheit, dass seine eigene Tochter Lucille (Charity Shea) einer psychiatrischen Anstalt entflohen ist, in der man sie nach dem mysteriösen Tod ihres Bruders im Kindesalter eingewiesen hatte. Genährt von den Ausführungen sowie gelegten Karten seiner Partnerin, der Hellseherin Lena (Bai Ling), ist er nämlich fest davon überzeugt, dass sie von einem Fluch befallen ist, welcher zur Folge hat, dass im Prinzip jede mit ihr in Kontakt geratende Person ins tiefe Unglück gestürzt wird und letztlich genau daran zugrunde geht. Um daher zu verhindern, dass sie plötzlich bei ihm auftaucht und sein Schicksal negativ besiegelt, beauftragt er Sid (Corey Large) und Antoine (Danny Trejo), seine „Jungs für alle Fälle“, kurzerhand damit, sie aufzuspüren und unter allen Umständen aus seiner Nähe fernzuhalten…
Was keiner weiß, ist dass sich Lucille bereits wenige Blocks anbei aufhält: Verwirrt, körperlich mitgenommen und nur ihr weißes Krankenhauskleidchen tragend, irrt sie durch die Straßen der Großstadt und bricht schließlich neben einem Müllcontainer in einer Seitengasse zusammen, wo sie daraufhin von Nadine (Dominique Swain) gefunden wird – einem Callgirl, das unbedingt aussteigen möchte, bevor sie der Job vollends über die Klippe ihrer Existenz treibt. Sogleich kommt jener eine (in genau diese Richtung tendierende) Idee in den Sinn, welche beiden wohlmöglich (auf die eine oder andere Weise) behilflich sein könnte: Umgehend stellt sie die hübsche und mittellose junge Frau daher ihrem „Pimp“ Angel (Master P) vor, der passabel zahlt und gute Sicherheit bietet, immer auf der Suche nach „lukrativen Schützlingen Schrägstrich Neuzugängen“ ist und Nadine zudem versprochen hat, sie ziehen zu lassen, sofern sie ihn mit einer „angemessenen Nachfolgerin“ versorgt bzw. entschädigt. Angetan von ihrer unschuldig-geheimnisvollen Ausstrahlung, nimmt er Lucille nun also bei sich auf und steht im Folgenden gar auch aktiv für sie (nicht uneigennützig) ein, etwa als er erfährt, wessen Tochter sie ist und wer sie so alles sucht und verfolgt – woraus resultierend eine bewaffnete Konfrontation der beteiligten Parteien irgendwann keinesfalls mehr abwendbar zu sein scheint…
Der andere Plot-Strang entfaltet sich ein Jahr später: Sid arbeitet inzwischen als Barkeeper in einem „Gentlemen´s Club“, in welchem die dort beschäftigten Mädchen für die zahlenden Gäste auf der Bühne strippen und nach ihren Auftritten außerdem im Dienste des Etablissement-Besitzers Steve (Costas Mandylor) anschaffen gehen und sich so noch einige Dollar hinzuverdienen können. Vieles hat sich unzweifelhaft ein ganzes Stück weit verändert: Sid verfügt offensichtlich über keinerlei in jene Phase zurückreichenden Erinnerungen mehr, in welcher er und (der aktuell auffällig abwesende) Antoine damals für Van Sant tätig waren – und ebenso unklar ist, wie die Geschichte mit Lucille eigentlich ausging, denn auch sie ist absolut nirgendwo zu erspähen. Verschiedene Dialoge geben derweil (bruchstückhaft) preis, dass Steve Sid seinen jetzigen Job verschafft hat, ihn in einem Zimmer im Obergeschoss wohnen lässt und ihn so (im Zuge dessen) helfen will, erneut „auf die Beine zu kommen“. Sein Verhalten ist deutlich ruhiger, verunsicherter – und überdies ist er gerade dabei, sich in seine Kollegin Michelle (Susan Ward) zu verlieben, welche schwer darunter leidet, dass ihr Ex-Mann (Holt McCallany) das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter einklagen will, weshalb sie sich widerwillig Steve´s „Service“ zur Verfügung stellt, um so das nötige Geld für einen fähigen Anwalt zu beschaffen. Allmählich dringt nun allerdings Sid´s Vergangenheit (in seinem Innern) wiederum an die Oberfläche: Er wird auf einmal von düsteren, immer stärker an Intensität gewinnenden Visionen einer Frau (Lucille) heimgesucht, die er nicht richtig einzuordnen weiß, von der er aber ausgeht, dass sie tot ist und irgendwie mit ihm und dieser Örtlichkeit in Verbindung steht. Die entscheidende Frage lautet, was damals wohl passiert ist bzw. sein muss, um das alles nun auszulösen – und genau darauf läuft das gesamte Werk letztlich hinaus…
„Toxic“ – so lautet der Name des Clubs, in dem Sid tätig ist, und so lässt sich ebenfalls Lucille´s Wirkung auf die Menschen um sie herum beschreiben. Viele Zuschauer werden ihre Empfindungen gewiss mit ähnlichen Worten illustrieren – und obgleich ich das teils problemlos nachvollziehen kann, halte ich einen erschöpfenden Verriss für absolut überzogen, zumal man es sich auf jenem Wege recht leicht machen könnte, sich aus der Affäre zu ziehen, zum Beispiel indem man den Twist pauschal als „Unsinn“ oder die Struktur als „überwiegend zusammenhangslos“ abstempelt, ohne genügend Überlegungen zu investieren, um so die Wesensart des Präsentierten unterm Strich (entwirrt) zu begreifen. Im Prinzip ist das auch gar nicht mal allzu schwer, sofern man die unterschiedlichen Ebenen erst einmal identifiziert hat – bloß halt nicht jedermanns Sache, nicht nur weil Master P´s Antlitz auf dem (US-)Cover normalerweise eine völlig andere Erwartungshaltung heraufbeschwört. Versteht mich bitte nicht falsch: Das von Large, Pao und Kramer erdachte sowie in einem eigenwilligen Stil umgesetzte Ergebnis ist unbestritten fern eines Geheimtipps oder gar cineastischen Highlights – weist jedoch einen ganz speziellen Reiz auf, der durchaus bei etlichen Leuten Anklang finden dürfte, welche sich beispielsweise (per se) an hyper-modern aufbereiteten und/oder abseits des Mainstreams zu verortenden Produktionen erfreuen können. Die Handlung an sich ist unspektakulär und weitestgehend unoriginell – um diese Tatsache zu kaschieren, griff man offenkundig auf Verfahren zurück, die schon bei Tarantino und Guy Ritchie, ihres Zeichens zwei der augenfälligsten Inspirationsquellen, fruchteten: So spalteten sie die Abläufe quasi auf und ordneten die betreffenden Sequenzen im nächsten Schritt dann fragmentiert an, etwa in Gestalt von eingebauten Zeitsprüngen (Flashbacks und Flashforwards), ergänzten sie daraufhin zusätzlich um einige Wendungen und verließen sich außerdem auf die allgemeine Anziehungskraft der eingeflochtenen mysteriösen Story-Beigaben – was ihnen im Grunde genommen gar nicht mal so schlecht gelungen ist. Leider schwanken die gebotenen Dialoge regelmäßig in ihrer Qualität (meist „noch annehmbar“, gelegentlich aber durchaus „schmerzhaft“) – schwerwiegender fällt allerdings die Feststellung ins Gewicht, dass sich die Charaktere allesamt als viel zu oberflächlich entpuppen, um eine effektive Verbindung zwischen ihnen und dem Publikum zu sichern: Besonders in der Hinsicht unterscheidet sich das finale Produkt von seinen unverkennbaren Vorbildern.
Die Besetzung setzt sich nahezu ausschließlich aus B-Movie-Akteuren mehr oder minder ausgeprägter Bekanntheit zusammen, welche ihre Screen-Time insgesamt jeweils einigermaßen solide über die Bühne bringen, gemäß ihres Rufes ausgewählt wurden (kein einziger Fall von „Stunt-Casting“ hier) und Freunden entsprechender „DTV-Ware“ allein dank ihrer zahlenmäßig geballten Anwesenheit bereits einen Grund dafür liefern, sich den Streifen mal genauer anzusehen. Zwar überzeugt Hauptdarsteller Corey Large („Chasing Ghosts“) als lässiger Handlanger seines Bosses – nur unglücklicherweise nicht, wenn es um die Vermittlung von Emotionen geht, was ihm die „1 Jahr später“-Hälfte aber eindeutig abverlangt. Danny Trejo („Desperado“) agiert amüsant und injiziert ein Quäntchen Humor ins ansonsten durchweg ernste Geschehen, während der permanent nuschelnde Master P („Hollywood Homicide“) indessen gewohnt hölzern in Erscheinung tritt und so den einzigen eindeutig herausragenden Schwachpunkt des Ensembles markiert. Charity Shea („Alpha Dog“) erhielt kaum Freiraum zur Entfaltung, Susan Ward („Wild Things 2“) hat mich positiv überrascht, als ihr unsympathischer Ex lässt sich Holt McCallany (TV´s „CSI: Miami“) flüchtig blicken und Dominique Swain („Face/Off“) gefiel mir vorliegend auch endlich mal wieder erheblich besser als zuletzt des Öfteren. Costas Mandylor („Saw 4“) spult seine vertraute Routine ab, Tom Sizemore („Black Hawk Down“) ist erneut „ganz er selbst“ (so wie wir ihn lieben) und Bai Ling vereinte offenbar ihre beiden „the Crow“- und „Southland Tales“-Figuren für die hier nun verkörperte Lady kurzerhand miteinander. Darüber hinaus sind (in Nebenrollen und Cameos) ebenfalls Nick Chinlund („Ultraviolet“), Lochlyn Munro („Freddy vs. Jason“), Paul Johansson (TV´s „One Tree Hill“) als geheimnisvoller Gast, Steven Bauer („Scarface“) als Killer, Cerina Vincent („Cabin Fever“) als Angel´s Freundin, C. Thomas Howell („the Hitcher“) als Obdachloser, James Duval („Donnie Darko“) als Freier, der männliche Porn-Star Ron Jeremy („13 Cum-Hungry Cocksuckers 7”) sowie diverse (meist halbnackte) attraktive Damen (unter ihnen Sandra McCoy, Bianca Chiminello und Nicole Marie Lenz) zu sehen – beileibe keine üble Auswahl, das muss man schon sagen!
Optisch kann man gleich auf den ersten Blick, von den gewählten Farbfiltern bis hin zu den hitzig eingesetzten Kamera- und Editing-Mätzchen, Tony Scott´s „Domino“ als zentralen Einfluss auf Regisseur Pao´s forciert modernen Look identifizieren: Wechselnde Abspielgeschwindigkeiten, ungewöhnliche Winkel und Perspektiven, extreme Schnittfolgen, verwackelte oder verzerrte Images, Close-Ups und Split-Screen-Shots – in Kombination mit starken Kontrasten, intensiven Kolorierungen sowie einigen vereinzelt ins Bild gekritzelten Informationen, etwa die Namen bestimmter Personen, verbinden sich diese Elemente (in einer sehr ausgeprägten Form der Videoclip-Ästhetik) zu einem unberechenbaren visuellen „Trip“, an den man sich recht schnell gewöhnt und der mich nur im Rahmen der ersten Schießerei ansatzweise störte. Obwohl die erzählte Geschichte so mehr als einmal in den Hintergrund gedrängt wird, harmoniert die „Verpackung“ (dennoch) hervorragend mit der ungestüm-sprunghaften Beschaffenheit des Inhalts – ein einleitendes, aus einer vorsätzlich arrangierten Perspektive heraus präsentiertes Gespräch in einem Auto, inklusive einer rückblickenden Szenen-Montage und dem Springen einer CD im Player, veranschaulicht diese Verzahnung perfekt. Der Plot-Strang um Lucille (bzw. der sich um die Suche nach ihr rankende) ist relativ rasant, Action-reich und dient geradezu als Aufmerksamkeitsköder – wohingegen jener mit Sid im Zentrum der Betrachtung wesentlich ruhiger daherkommt, ein eher ungemütlich-düsteres Feeling heraufbeschwört und den Hauptteil der vorhandenen Mystery-Komponente beisteuert, welche ihrerseits mit einigen an David Lynch erinnernden sowie um verschiedene „Horror-Images“ ergänzte Einstellungen aufwartet und so nicht unwesentlich zu dem umfassend merkwürdig-unebenen Eindruck beiträgt…
Alan Pao („Loaded“) werde ich künftig auf jeden Fall im Auge behalten – das ist gewiss. Klar hätte ich getrost auf manche seiner stilistischen Entscheidungen verzichten können, wie digitale Blut-Zusätze oder unnötig lange Aufnahmen in Zeitlupe tanzender Stipperinnen, doch beweist er nichtsdestotrotz sporadisch ein echt inspiriertes inszenatorischen Händchen – ein tragischer Selbstmord kommt mir da spontan in den Sinn. Darüber hinaus vermochte er „Toxic“ zumindest konsequent auf einem annehmbaren, knapp neben der (Ideal-)Spur zu verortenden Kurs zu halten, ohne dabei zu langweilen oder die ganze Sache mit voller Kraft gegen die Wand zu fahren, weshalb ich (abschließend) eine „gute 4“ auf der gängigen 10er-Bewertungsskala für durchaus angemessen erachte.