Entstehungsdaten:
USA-UK 2003
Regie:
Larry Charles
Darsteller:
Bob Dylan, John Goodman, Jessica Lange, Jeff Bridges, Penélope Cruz, Luke Wilson, Mickey Rourke, Richard Sarafian, Angela Bassett, Steven Bauer, Bruce Dern, Ed Harris, Val Kilmer, Cheech Marin, Christian Slater, Chris Penn, Giovanni Ribisi, Fred Ward, ...
Trailer
Als Sohn ukrainisch-jüdischer Immigranten am 24. Mai 1941 im amerikanischen Duluth (Minnesota) geboren, avancierte Robert Allen Zimmermann im Folgenden (als Maler, Dichter, vor allem aber als Musiker) zu einem der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts – das allerdings unter dem Pseudonym Bob Dylan, welches er sich in den 1950ern zulegte. Im Rahmen seiner von diversen Höhen und Tiefen, Auszeichnungen und persönlichen Einwirkungen geprägten Karriere gewann er 2001 schließlich sogar einen „Oscar“ – nämlich für den Song
Things have changed aus Curtis Hanson´s „Wonder Boys“. Inspiriert und beflügelt von diesem Preis, konzipierte er daraufhin (gemeinsam mit „Seinfeld“-Autor Larry Charles) das hier nun vorliegende Kinoprojekt „Masked and Anonymous“, bei welchem er u.a. die Hauptrolle sowie Charles den Posten des Regisseurs übernahm. Seiner Beteiligung ist es zu verdanken, dass sich für den schrägen Mix aus Drama, Satire, Farce und Musikfilm relativ leicht sowohl eine solide Finanzierung sichern als auch ein ziemlich beeindruckendes Star-Aufgebot gewinnen ließ. Bei seiner Premiere auf dem 2003er „Sundance“-Festival erwarb sich das Werk jedoch prompt den Ruf eines
vom eitlen Ego Dylans schwer gezeichneten Desasters – und das vollkommen zu Recht, wenn ich das einfach mal jetzt schon (an dieser frühen Stelle der Besprechung) so bestätigen darf…
Resultierend aus gravierenden Krisen und einem erbittert ausgefochtenen Bürgerkrieg, haben sich die USA (irgendwann und irgendwie) quasi auf den Stand einer „gängigen Bananen-Republik“ zurückentwickelt – inklusive chaotischer Zustände auf den Straßen, Angst und Schrecken verbreitender Banden, einer Not-leidenden Bevölkerung sowie konter-revolutionären Bewegung, deren Ziel es ist, den sich aktuell an der Macht befindlichen Diktator (Richard Sarafian) zu stürzen. Momentan liegt jener allerdings auf dem Sterbebett in seinen finalen Zügen – während die genauen Absichten seines voraussichtlichen Nachfolgers (Mickey Rourke) noch weitestgehend im Unklaren sind. Inmitten all dieser Unruhe ist der leicht abgehalfterte Musik-Promoter Uncle Sweetheart (John Goodman) gerade dabei, zusammen mit seiner Partnerin Nina (Jessica Lange) ein Benefizkonzert für die Regierung (u.a.
zu Ehren vertriebener Amerikaner) zu organisieren: Da große Namen wie Sting oder Springsteen aber keinerlei Interesse an einem Auftritt zeigen, setzt Sweetheart alles auf einen alten Bekannten namens Jack Fate (Dylan) – seines Zeichens eine ehemalige Folksänger-Größe, welcher die letzten Jahre hinter Gittern verbracht hat und obendrein der Sohn „El Presidentes“ ist. Zu diesem Zweck frisch aus dem Knast entlassen, bricht Fate umgehend zu der geplanten Veranstaltung hin auf: Entlang seiner Route kommt er mit mehreren Leuten ins Gespräch, die ihm von ihren Schicksalen berichten – und auch vor Ort werden auf diese Weise etliche „inhaltsschwere Geschichten“ zutage getragen, welche es zu registrieren und teils gar aufzuarbeiten gilt. Fate´s eigene will ihm indes ein aufdringlicher Journalist (Jeff Bridges) entlocken, der innerhalb eben jener eine bedeutsame Story wittert. Fortan wird jedenfalls eine Menge geprobt, gestritten, nachgedacht und philosophiert – parallel zur konstanten Zuspitzung der übrigen „umgebenden Ereignisse“, die sich am Tage des Konzerts dann regelrecht überschlagen…
Laut Credits stammt das Skript zu „Masked and Anonymous“ aus den Federn Sergei Petrovs und Rene Fontaines – wohinter sich allerdings ebenfalls Dylan und Charles verbergen, welche sich gemäß des Titels zu diesem Schritt Schrägstrich „Gag“ entschieden haben. Was das Duo da jedoch zu Papier gebracht hat, erinnert eher an das Ergebnis eines exzessiven Brainstormings als an ein vernünftig ausgearbeitetes Drehbuch: Reich an eigenwilligen Ideen, aber arm an Sinn und Substanz, schufen sie ein meist ziel- und planlos anmutendes, hoffnungslos überfrachtetes, pseudo-tiefgründiges Machwerk, das weit weniger clever ist als es selbst zu glauben scheint und den Zuschauer im Verlauf zudem regelmäßig zum ungläubigen Kopfschütteln animiert. Beginnen wir in dieser Angelegenheit einfach mal bei dem präsentierten politischen Szenario: Dieses vermengt verschiedene Versatzstücke realer Regime und Konflikte miteinander, wie sie etwa in Afrika oder Mittel- und Südamerika zu finden sind bzw. in der Vergangenheit mal auszumachen waren. Leider aber wird der Ursprung des vor einiger Zeit zustande gekommenen Macht-Systems nie thematisiert, sondern bestenfalls in Nebensätzen (in Form von Begriffen á la
Revolution) bloß angedeutet – genauso wie was außerhalb des zentralen Schauplatzes (einer ungenannten Großstadt) so alles vor sich geht. Darüber hinaus wird das mit dem Tode ringende Staatsoberhaupt (primär auf zig überall hängenden Plakaten) als ein „typischer Militär-Diktator“ portraitiert – komplett mit dunklem Schnurrbart sowie einer mit vielen Orden behängten weißen Offiziers-Uniform…
Geographische oder zeitliche Hinweise werden einem keine gegeben – also weder Städte- oder Ländernamen noch irgendwelche Jahresangaben, mit denen man die Story besser in einen konkreteren Kontext einordnen könnte. Stattdessen wird von Locations wie
the Mountains,
the South oder
My Village gesprochen. Ob es sich dabei nun um eine nicht allzu ferne Zukunftsvision der Vereinigten Staaten, ein „alternatives Amerika“ oder im Grunde um ein reines Phantasieland handelt, bleibt wohl der jeweiligen Auslegung überlassen. Rebellen asiatischer Herkunft, südländische Geldeintreiber sowie afroamerikanische Männer als Straßen und Gebäude sichernde Regierungssoldaten plus Führungspersönlichkeiten des streng überwachten Fernsehsenders: Der generelle Mangel an (ethnischen, ideologischen, historischen) Background-Infos verhindert ein kontinuierliches Anreichern des eingangs eventuell noch vorhandenen Interesses – weshalb das Publikum eben jenes recht bald schon verliert. Unweigerlich wird es einem (mehr oder minder zügig) schlichtweg egal, was diese ganze Farce (Satire, Parabel – was auch immer) eigentlich bedeuten soll bzw. aussagen möchte. Jede Chance, existente Ansätze auszubauen und zu vertiefen – etwa in Richtung einer Betrachtung der USA auf der Stufe eines Drittweltlands oder hinsichtlich der Gefahren eines staatlichen Machtmissbrauchs – wird konsequent vergeben: Alles wirkt halbherzig, oberflächlich, unrund, schwankt permanent (unvorteilhaft) zwischen augenzwinkernd und ernst…
Sporadisch wird man das Gefühl nicht los, Dylan und Charles hätten sich mit dem Projekt einen riesigen „Insider-Joke“ erlaubt, den nur sie allein verstehen – oder der tatsächlich (mit Absicht) keinen schlüssigen Sinn ergibt. Wer weiß? Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt: Dylan´s Songs und Gedichte sind des Öfteren ebenfalls uneben und verschroben – wie auch manchmal etwas naive, kryptisch und realitätsfremd. All seine „Lieblingsthemen“ (Liebe, Verrat, Enttäuschung, Einsicht, Politik, Religion etc.) sind in „Masked and Anonymous“ zu entdecken. Offenbar reflektiert das Werk genau das Bild, wie er sich und sein Schaffen im Ganzen so sieht. Es ist unverkennbar, dass er Jack Fate exakt nach seinen Vorstellungen kreiert hat – nämlich als einen wortkargen, weisen, lebenserfahrenen Mann, der überwiegend nur zuhört und beobachtet. Und wenn er dann doch mal spricht, sind das meist Aussagen wie
What does it mean not to know what the one you love is thinking? oder
All of us are in some way trying to kill time – but when all is said and done, time ends up killing us. Entsprechend verschwommen erweist sich die Grenze zwischen „tiefgründig“ und „platt“. An einer Stelle sagt eine Nebenfigur über Fate´s Kunst:
I love his songs, because they are not precise. They are completely open to interpretation. Dies trifft natürlich auch auf Dylan und den Film an sich zu. Es mag sein, dass seine treusten Fans eine Menge Freude daran haben, möglichst jedem Detail eine besondere Bedeutung zuzusprechen – aber leider gilt das im Prinzip nur für sie allein…
Fraglos ist das vor der Kamera versammelte Cast-Ensemble ein überaus hochwertiges – doch wirken einige der Auftritte (ohne einer klaren Führung seitens des Regisseurs und/oder einem brauchbaren Skript als Grundlage) relativ unstrukturiert in ihrer Art und Einbindung in den Verlauf, zumal viele Figuren auch nur kurz auftauchen und eher Monologe statt Gespräche führen, welche obendrein vereinzelt merklich improvisiert klingen. In Topform präsentiert sich jedenfalls Jessica Lange („Blue Sky“) als Organisatorin Nina, die von Anfang an Zweifel am Erfolg des Konzerts hat und unter ihrer abgebrühten Schale einen durchaus emotionalen Kern verborgen trägt. Mit vertrauter Spielfreude verkörpert John Goodman („Argo“) ihren Geschäftspartner Uncle Sweetheart, der angesichts hoher Schulden bei einigen unangenehmen Zeitgenossen gerade recht aktiv um seine Gesundheit fürchten muss und daher in Gestalt der (potentiell sehr lukrativen) Veranstaltung alles auf eine Karte gesetzt hat. Ebenso mit von der Partie ist sein „Big Lebowsky“-Co-Star Jeff Bridges („True Grit“), welcher den Enthüllungsreporter Tom Friend mimt: Obgleich per se nicht schlecht dargeboten, war mir seine Rolle jedoch zu schlicht und stereotyp gestrickt – halt arrogant, aufdringlich und eine vorgefertigte Meinung aufweisend, so wie Bob die Presse vermutlich wohl „wahrhaftig“ ansieht. Auch dass Jeff eingangs in seinem „the Dude“-Aufzug (eine graue Kapuzenjacke tagend) am Schreibtisch seines Chefs erscheint, empfand ich als keinen wirklich originell-ersprießlichen Einfall…
Eine rundum wunderbare Performance liefert unterdessen Penélope Cruz („Volver“) als Friend´s gleichermaßen aufgedrehte wie religiöse Freundin Pagan Lace ab, welche die Zahl „333“ auf ihrer Hand tätowiert trägt und sich regelmäßig in umgekehrter Abfolge bekreuzigt.
It´s tough to get to the top – there´s a long line at the elevator, meint Tom zu ihr in einer Szene, worauf sie einfach nur (sanft) erwidert:
So let´s take the stairs. Ein gelungener Moment. Lässig wie eh und je meistert Mickey Rourke („Sin City“) den Part eines Politikers, dessen Antrittsrede herausragend köstlich beizuwohnen ist, als Roadie Bobby Cupid, der wie eine jüngere, noch nicht so in sich gekehrte Version von Fate anmutet, agiert Luke Wilson („Vacancy“) wie so oft arg hölzern, ein herrlich heruntergekommener Val Kilmer („the Doors“) spielt einen die Natur wesentlich mehr als seine Mitmenschen schätzenden „Animal Wrangler“ – und als desillusionierter Soldat erzählt ein glaubhafter Giovanni Ribisi („Avatar“) Jack in einem Bus von seinen schlimmen Kriegserlebnissen. In Cameos sind darüber hinaus u.a. noch Bruce Dern („Wild Bill”), Chris Penn („Rush Hour“), Cheech Marin („Desperado“), Fred Ward („Tremors“), Christian Slater („Heathers“), Steven Bauer („Scarface“), Angela Bassett („Strange Days“), Filmemacher Richard Sarafian („Vanishing Point“) sowie der als Musiker-Geist „Blackface“-tragende Ed Harris („Pollock“) zu sehen. Wie bereits erwähnt: Eine tolle, letztendlich aber verschenkte Besetzung…
16 Jahre nach „Hearts of Fire“ ist Bob Dylan hier nun also erneut in einer Hauptrolle anzutreffen – doch leider lässt sich der Streifen innerhalb seiner Filmographie eher dem Flop „Renaldo and Clara“ (1978) als der Qualität Sam Peckinpah´s „Pat Garrett & Billy the Kid“ (1973) zuordnen. Echtes Talent in diesem Bereich vermochte er bislang ohnehin noch nie zu zeigen – und umringt von solch begabten Kollegen wie im Vorliegenden fällt dieser Mangel natürlich umso deutlicher ins Auge und Gewicht. Mit nur einem Gesichtsausdruck und einer zum Einschlafen animierenden Darbietungsweise wirkt er zwischen all den „fidelen Paradiesvögeln“ quasi wie eine „lethargisch-graue Spaßbremse“ – was nicht bloß enttäuscht, sondern dem Werk auch schwer schadet, da er ja nunmal unentwegt im Mittelpunkt aller Geschehnisse steht. Zudem ist die ganze Figur des Jack Fate (an sich) eine arg lahme und uninteressante. Was bleibt, ist die Musik – und zumindest die ist uneingeschränkt klasse: Obgleich nicht immer fließend in die Verlaufsentfaltung eingebunden, sind Dylan´s „Live-Auftritte“ (bei denen er von seiner eigenen Band begleitet wird) allesamt großartig. Müsste ich einen persönlichen Favoriten benennen, wäre das wohl der Song
I´ll remember you, mit welchem man eine melancholisch-stimmungsvolle Montage-Sequenz unterlegt hat. Zusätzlich sind noch diverse internationale Neuinterpretationen klassischer Dylan-Stücke zu hören, wie
My Back Pages auf Japanisch von den Magokoro Brothers oder
Like a Rolling Stone auf Italienisch von Articolo 31. Das wahre Highlight präsentiert uns allerdings die gerade einmal zehnjährige Tinashe Kachingwe, als sie das Lied
the Times, they are a-changin' vollkommen grandios zum Besten gibt…
Da ich seit jeher ein Faible für eigenwillige Indies und unkonventionelle Produktionen im Allgemeinen habe, konnten mich im Vorfeld des Sichtens gelesene negative Kritikerstimmen nicht wirklich abschrecken – vielmehr steigerten sie meine Neugier gar ein zusätzliches Stück weit. Unglücklicherweise muss ich den meisten ihrer Kernaussagen inzwischen allerdings beipflichten: Frei einer prägnanten Vision, Struktur und Storyline, markiert der Streifen nichts weiter als ein einziges Durcheinander – zwar schräg, unvorhersehbar und fernab der Norm zu verorten, kann er jedoch weder einen effektiven Reiz noch vernünftigen Unterhaltungsgrad erzeugen, was rasch in purer Langeweile resultiert. Gedreht in nur zwanzig Tagen in einigen der weniger schicken Gegenden von Los Angeles, entwickelt sich zwischen all den ebenso unfokussierten wie pseudo-tiefschürfenden Mono- und Dialogen, politischen Statements (á la dass der Vietnamkrieg in Wahrheit in den Freudenhäusern Saigons verloren wurde) sowie holprig aneinander gereihten Einzelszenen (die nicht einmal über eine nennenswerte „Bildersprache“ verfügen) schlichtweg nichts, was einen über die anfängliche Hoffnung hinaus noch bei Laune zu halten vermag. Ein starker Soundtrack und das konstante Auftauchen irgendwelcher bekannter Gesichter reichen da einfach nicht aus – und so erweckt „Masked and Anonymous“ unweigerlich den Eindruck eines wirren, uninspirierten Ego-Trips. Eigentlich waren alle notwendigen Zutaten vorhanden, um die Schaffenskunst Dylans cineastisch aufzuarbeiten – bloß ist Robert Allen Zimmermann und Regisseur Larry Charles („Borat“/„Brüno“) das insgesamt nur auf eine Art und Weise gelungen, die das Werk am Ende (unterm Strich) in eine „Schublade“ mit den schwächsten Projekten Bobs befördert, in der sich im Übrigen u.a. auch schon sein 1988er Album „Down in the Groove“ und das bereits erwähnte Drama „Renaldo and Clara“ befinden…