Entstehungsdaten:
Irland-GB-USA 2012
Regie:
Neil Jordan
Darsteller:
Saoirse Ronan
Gemma Arterton
Caleb Landry Jones
Sam Riley
Johnny Lee Miller
Daniel Mays
Tom Hollander
Trailer
Anfang Juni 2013 hatte ich sowohl die Gelegenheit als auch das Vergnügen, mir Neil Jordan´s düster-stimmungsvolle Vampir-Mär „Byzantium“ im stylisch-schicken „Light House Cinema“ in Dublin anzuschauen – also nur recht unweit einiger der Orte, an denen diese irisch-britisch-amerikanische Co-Produktion im Jahr zuvor realisiert worden war. Auf einem Theaterstück Moira Buffinis sowie ihrer eigenen Drehbuch-Adaption basierend, wird die Geschichte von Clara (Gemma Arterton) und Eleanor (Saoirse Ronan) erzählt – ihres Zeichens Mutter und Tochter, welche sich jedoch als Schwestern ausgeben, seit sie aufgrund ihrer „vollzogenen Verwandlung“ (zwei Säkula zuvor) nicht mehr altern und sich zudem auf der Flucht vor einer mysteriösen „Bruderschaft“ befinden, die beharrlich ihrer „hinterlassenen Fährte“ folgt. Als einer jener Männer (Thure Lindhart) die derzeitig als Stripperin arbeitende Clara tatsächlich „von Angesicht zu Angesicht“ aufzuspüren vermag, entbrennt eine brutale Auseinandersetzung, an dessen Ende sie und Eleanor sich (unweigerlich) dazu gezwungen sehen, ihre momentane Bleibe (in einem heruntergekommenen Apartment-Gebäude) wiederum aufzugeben und weiter durchs Land zu ziehen, was vor allem letzterer merklich missfällt – nicht nur da sie genau weiß, dass ihre Mutter „so einiges an Wissen“ (u.a. bezogen auf spezielle Hintergründe dieses gesamten „zwingenden Vorgehens“) bis heute strikt vor ihr verborgen hält…
Ihr Weg verschlägt sie schließlich in ein trostloses Küstenstädtchen, dessen „beste Tage“ (offenkundig) schon lange der Vergangenheit angehören und in welchem Clara sogleich damit beginnt, zwecks Verdienen des für den Alltag notwendigen Geldes „anschaffen“ zu gehen. In diesem Rahmen lernt sie kurz darauf den niedergeschlagen-einsamen Noel (Daniel Mays) kennen, der jüngst erst seine Mutter verloren hat und die beiden fortan (aus Anteilnahme an ihrer Lage sowie einer „kräftigen Portion Bezirzung“ heraus) bei sich daheim in einem „in die Jahre gekommenen“ Hotel (aus dem Nachlass der Verstorbenen) aufnimmt – welches Clara wenig später allerdings prompt zu einem Bordell „umfunktioniert“, da sie sich in jenem „lukrativen Milieu“ nunmal gut auskennt und sich die Räumlichkeiten dafür sehr dienlich eignen. U.a. dank einiger „von der Straße weg rekrutierter“ Mädchen läuft das Geschäft relativ rasch zufrieden stellend an – bloß ist Eleanor diese isolierte und „zur Verschwiegenheit verdammte“ Lebensart inzwischen leid, weshalb sie sich für einige Kurse einer örtlichen Bildungseinrichtung anmeldet und überdies einen immer innigeren Kontakt zu ihrem an Leukämie erkrankten Mitschüler Frank (Caleb Landry Jones) zulässt. Aus einer Verkettung unterschiedlicher Ereignisse resultierend – wie ihr Schreiben eines Essays, in welchem sie offen über ihren „bisherigen Werdegang“ berichtet, sowie das Auffinden eines von Clara getöteten Zuhälters – geschieht es dann jedoch, dass es zweien ihrer Verfolger (Sam Riley und Uri Gavriel) ein erneutes Mal gelingt, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen…
In „Byzantium“ werden diverse Elemente der klassischen Vampir-Mythologie (jeweils mehr oder minder stark) „abgewandelt“ präsentiert – man betrachte nur mal die Gegebenheiten, dass sich jene Geschöpfe im Vorliegenden auch bei Tageslicht uneingeschränkt „draußen im Freien“ aufzuhalten vermögen, dass ihnen weder Knoblauch noch Kreuze etwas anzuhaben können und sie zwar über Spiegelbilder, dafür aber nicht über irgendwelche „übermenschlichen Kräfte“ verfügen. Ferner können sie ihre „physische Gestalt“ in keinerlei ausgeprägten Form (etwa hin zu Fledermäusen) verändern und weisen sie hier nicht einmal „Fangzähne“ auf – welche normalerweise ja als eines der markantesten Merkmale ihrer „Gattung“ gelten. Stattdessen fügen sie ihren Opfern (meist) mit einem spitzen, nach Belieben anwachsenden Daumennagel gezielte Wunden (z.B. im Bereich der Halsschlagader) zu, bevor sie das auf diesem Wege austretende (auch weiterhin zum Überleben benötigte) Blut dann „zu sich nehmen“ bzw. trinken. Die Metamorphose von einem „alternden Sterblichen“ hin zu einem Vampir kann sich in dieser „Version des Herangehens“ übrigens nur in einer besonderen, an dem Steilhang einer kargen, verlassenen Insel gelegenen „Steinhütte“ vollziehen, in der die betreffende Person zuerst „ihr Ende findet“ sowie schließlich (quasi) „eine Wiedergeburt“ erfährt – inklusive des Entstehens eines imposanten Wasserfalls aus Blut (in unmittelbarer Nähe). Es ist ein unverkennbar „folkloristischer“ Ansatz: Mysteriös, atmosphärisch, reich an Dramatik und echt klasse anzuschauen – im Kontext aber leider mit recht wenig „Substanz“ versehen, was durchaus ein Stück weit schade ist und gemeinsam mit den anderen genannten Punkten bei einigen im Publikum sicherlich einen „gewissen Unmut“ hervorrufen dürfte...
Rund zweihundert Jahre alt, allerdings „auf ewig“ den Körper einer Teenagerin beibehaltend, fühlt sich Eleanor „unverstanden“ und belastet sie u.a. die Einsamkeit ihrer Existenz sowie das Nichtbestehen der Möglichkeit, ihre Geschichte mit anderen teilen zu „können“ bzw. zu „dürfen“ – und so bringt sie ihre gehaltvollen (vorwiegend schmerzhaft-traurigen) Erinnerungen in bestimmten Momenten zumindest (wiederkehrend) „für sich allein“ zu Papier, nur um jene geschriebenen Seiten anschließend „stets von neuem“ zu vernichten. Verhaltensweisen und Ereignisse wie diese nähren das markante „melancholische Gefühl“ des Streifens – manche Szenen und Inhalte entbehren keineswegs einer Art „elegischen Poesie“. Oft nachdenklich, in sich gekehrt und introspektiv, weigert sich Eleanor zudem, Menschen gegen ihren Willen zu töten: Demnach „erlöst“ sie nur solche, die sich genau das (von ihr) erwünschen oder sich ohnehin schon „an der Schwelle zum Jenseits“ befinden – unter ihnen (bspw.) Sterbenskranke. Obgleich ihr durch Leukämie geschwächter Mitschüler Frank ebenfalls in diese „Kategorie“ fällt, entdeckt sie in ihm einen „potentiellen Gefährten“. Von dem Augenblick an, in welchem er ihr das erste Mal begegnet – nämlich als sie eines Abends spontan mal (gedankenversunken) an einem Klavier in einer Lobby zu spielen beginnt – fühlt er sich unweigerlich zu ihr hingezogen. Die daraus erkeimende, u.a. von Wissbegier und beidseitigen Unsicherheiten gezeichnete Beziehung ist reizvoll mitzuverfolgen und wird seitens der „feinen Chemie“ zwischen dem Akteuren-Paar zusätzlich angereichert. Caleb Landry Jones („Antiviral“) verkörpert ihn ohne Anlass zur Klage – wobei die Präsentation „des Parts an sich“ durchaus merklich von der generell ja ziemlich „eigenwilligen Ausstrahlung“ des blasshäutigen Texaners profitiert...
Nicht bloß mit großem Talent und passendem Äußeren (siehe nur mal diese Augen) gesegnet, war es im Prinzip von Anfang an klar, dass Saoirse Ronan („the Host“) – selbst ja Tochter irischer Eltern sowie in eben jenem Lande aufgewachsen – eine Rolle mit den Charakteristika Eleanors absolut vorzüglich meistern würde. Ihr und Gemma Arterton („the Disappearance of Alice Creed”) gelingt es bestens, die ungleichen Persönlichkeiten glaubhaft darzubieten, so dass man sich als Zuschauer für sie und ihre Schicksale (nahezu auf Anhieb) interessiert und sie einem innerhalb des Verlaufs (aller Taten und Erkenntnisse zum Trotz) auch niemals „egal“ werden. Für Clara steht ihr und Eleanor´s Überleben an primärer Stelle – demzufolge tötet sie vor allem Individuen, von denen eine entsprechende Bedrohung ausgeht und/oder welche es (ihrem Verständnis nach) schlichtweg „verdient“ haben, ihr zum Opfer zu fallen. Im Mädchenalter seitens eines Soldaten in die Prostitution gezwungen, und das bereits Jahre vor ihrer „Verwandlung“, bewegte sich Clara fortan (bis heute) weiterhin hauptsächlich in jenem Milieu – u.a. da sie das Aussehen, die Erfahrung sowie die „innere Einstellung“ aufweist, um in jener Branche „relativ leicht“ an Geld zu kommen. Generell setzt sie ihre Sexualität überaus „aktiv und direkt“ ein und hat offenbar auch nie wirklich (mit Nachdruck) versucht, aus diesem Umfeld „auszubrechen“ – während Eleanor dagegen (auf ihr „gesamtes Dasein“ bezogen) eindeutig auf der Suche nach „mehr“ ist. Die verschiedenartigen Emotionen (von Verzweiflung über Entschlossenheit und Schutzbestreben bis hin zu „mütterlichen Empfindungen“) transportiert Arterton durchweg überzeugend – liefert eine kraftvolle Performance ab, die simultan auch dazu beiträgt, dass man Clara bzw. ihr Handeln in keinerlei (für den Film und das eigene Sehvergnügen) unvorteilhaften Weise „verurteilt“...
Gejagt werden Mutter und Tochter von einigen Herrschaften, die sich selbst „the Pointed Nails of Justice“ betiteln: Ihres Zeichens ebenfalls Vampire, markiert „die Auslöschung der Verfolgten“ ihr entschiedenes Bestreben – was darauf zurückzuführen ist, dass die „bloße Existenz“ der beiden einem obersten Kodex der betreffenden „Bruderschaft“ widerspricht. Die dazugehörigen Hintergründe erfährt der Betrachter im Rahmen ausgiebiger Flashbacks ins 19. Jahrhundert, welche u.a. aufzeigen, wie die junge Clara eines Tages an die beiden (übrigens nach Figuren aus Lord Byron´s „A Fragment“ und John Polidori´s „the Vampyre“ benannten) Offiziere Darvell und Ruthven gerät sowie von letzterem in ein Bordell „mitgenommen“ wird – zwar (mehr oder minder) „freiwillig“, allerdings ohne dass ihr zu jenem Zeitpunkt die gravierenden Konsequenzen dieser Entscheidung gewahr sind. Johnny Lee Miller (TV´s „Elementary“) portraitiert diesen brutalen, hinterlistigen sowie später obendrein noch „von der Syphilis gezeichneten“ Widerling zum Teil zwar geringfügig zu „over the Top“ – nichtsdestotrotz aber gleichermaßen solide wie (im beabsichtigten Sinne) „effektiv“. Rundum anständig mimt Sam Riley („On the Road“) unterdessen seinen wesentlich ehrbareren Kameraden, der (seinerzeit) mit der erlangten Kenntnis der Möglichkeit, mit Hilfe des speziellen „Rituals“ auf der menschenleeren Insel „den Tod zu überlisten“, eine die Schicksale aller genannten Personen „nachhaltig abwandelnde“ Ereigniskette in Gang gesetzt hat – sei es nun zum Besseren oder Schlechteren, je nach individueller Perspektive. Lange verbleiben seine genauen „Motive“ bezüglich der Hatz auf Clara und Eleanor im Dunkeln – erst zum Finale hin erfahren sie eine Konkretisierung. In weiteren Rollen treten überdies noch kompetente Akteure á la Uri Gavriel („Miral“), Thure Lindhart („Nordkraft“), Daniel Mays („Vera Drake“) sowie Ronan´s „Hanna“-Co-Star Tom Hollander in Erscheinung...
Das Skript aus der Feder Moira Buffinis, welche jüngst ja erst die famose 2011er „Jane Eyre“-Adaption verfasst hat, kommt frei jeglicher Zugabe von Humor daher und wartet mit so einigen reizvollen inhaltlichen Ansätzen und Aspekten auf, die (zumindest meiner Meinung nach) ohne weiteres als eine „willkommene Variation“ der klassischen Vampir-Mythologie gewertet werden können. Natürlich hängt es stets vom persönlichen Geschmack ab, ob einem die vorgenommenen „Abweichungen vom etabliert-gängigen Schema“ (wie in diesem Fall die Sache mit dem Tageslicht oder der präsentierten Form des „Nährens“) zusagen oder nicht – doch mutet das Geschaffene im Vorliegenden derart „in sich stimmig“ an, dass man in der Hinsicht eigentlich „keinerlei Probleme“ damit haben sollte. Mir selbst gefiel es, dass nicht alles aufgezeigt bzw. „bis ins kleinste Detail“ erläutert wird – etwa werden die „Ursprünge“ dieser „Schöpfungen“, einschließlich ihrer Riten sowie der Strukturen ihrer „verborgenen Gemeinschaft“, entweder nur sehr vage belassen oder gar nicht erst irgendwie thematisiert. Die Geschichte weist einen evidenten „feministischen Subtext“ auf, beschäftigt sich mit gewissen Gefühlen, Sehnsüchten sowie der Einsamkeit einzelner Protagonisten, der Übernahme von Verantwortung (u.a. dem eigenen Kind gegenüber) sowie einigen der häufig damit verbundenen schweren Abwägungen und „zu bringenden Opfern“. Unabhängig einer Reihe Stärken, zu denen man ebenfalls noch das Generieren von Interesse an den überwiegend ja recht unglückseligen Charakteren sowie die Vermeidung des einen oder anderen Genre-Klischees zählen kann, sind zugleich allerdings auch einige „zu offen gehaltene“ Fragen (z.B. warum Darvell angrenzend 200 Jahre benötigt, um die Frauen „endlich“ aufzuspüren), minimal zu melodramatische Momente und so manch inferiore Dialogzeile anzuführen – ebenso wie dass die Story (an sich) weder übermäßig origineller noch reichhaltiger Natur ist…
An Jordan´s 1994er Veröffentlichung „Interview with the Vampire“ erinnern nur ganz wenige Elemente – unter ihnen leichte Ähnlichkeiten zwischen dem Part von Eleanor und jenem, der damals von Kristen Dunst verkörpert wurde – worüber hinaus erstere sich im Besitz eines rotes Kapuzen-Oberteils befindet, das einen prompt an „the Company of Wolves“ (1984) denken lässt. Der gesamte Film verfügt über einen markanten „ungemütlich-kühlen britischen Vibe“, der vornehmlich auf das triste Wetter sowie die „unglamourösen“ und „verwohnten“ Sets und Kulissen (á la das altmodische, Titel-gebende Hotel, eine graue Sozialsiedlung oder die Ruine einer Pier-Anlage) zurückzuführen ist – ergänzt um eine „kennzeichnende“ ruhige Kamera- und Editing-Arbeit, frei etwaiger „visueller Sperenzchen“ und „moderner Schnittfolgen“. Untermalt seitens eines achtbaren Scores Javier Navarretes („Cracks“), hat Cinematographer Sean Bobbitt („Shame“) diverse „stylische Impressionen“ arrangiert bzw. eingefangen – ohne dabei einen „aufdringlich-vordergründigen“ Eindruck zu erzeugen. An der Leistung des Regisseurs gibt es nichts Bedeutendes zu bemängeln – bloß hätte ich mir (punktuell) schon ein etwas strafferes Tempo und mehr „Energie“ gewünscht. Zudem wirken die zahlreichen Rückblenden (obgleich essenziell für die Plot-Entfaltung) nicht immer „optimal reibungslos“ in den Verlaufsfluss eingebunden – was u.a. daher stammt, dass sie einen regelmäßig aus der jeweiligen Zeitebene „herausreißen“. Am Ende verknüpfen sich alle Handlungsstränge dann (wie im Prinzip ja gewohnt) in Gestalt eines passablen, letztlich aber (leider) doch enttäuschend „konventionell“ geratenen Showdowns. Abschließend sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass das Werk dem Zuschauer (von einzelnen „Spitzen“ mal abgesehen) kaum Action, Gewalt und/oder Suspense offeriert – demnach ist es empfehlenswert, die eigene Erwartungshaltung (von Anfang an) entsprechend anzupassen...
Fazit: Mit „Byzantium“ (2012) hat Neil Jordan eine ungewöhnliche Vampir-Geschichte in Szene gesetzt, welche zwar nicht frei von Schwächen (etwa im Bereich der Story-Qualität) daherkommt, dafür aber u.a. mit einer überzeugenden Besetzung und einer düster-dichten Atmosphäre auftrumpft sowie dem „erwachsenen Publikum abseits des Mainstreams“ (im Zuge dessen) einen durchaus „anregenden Zeitvertreib“ offeriert…
knappe