Entstehungsdaten:
Irland 2012
Regie:
Jason Figgis
Darsteller:
Catherine Wrigglesworth
Emily Forster
Adam Tyrrell
Ellen Mullen
Shannon Murphy
Laoise Barrett
Sinead O'Riordan
Darren Travers
Trailer
Bei „Railway Children“ (2012) handelt es sich um eine mit sehr begrenzten finanziellen Ressourcen realisierte Dystopie aus irischen Landen, welche nach dem gleichnamigen Roman Edith Nesbits aus dem Jahre 1905 benannt wurde – ohne aber konkret auf diesem zu basieren – sowie im Zuge ihrer amerikanischen DVD-Veröffentlichung kurzerhand den neuen, ein Stück weit „kommerzieller“ klingenden Titel „Children of a Darker Dawn“ verliehen erhielt: Eine Entscheidung, die zwar nicht von Regisseur und Drehbuchautor Jason Figgis („Once upon a Time in Dublin“) ausging – mit welcher er allerdings „durchaus leben kann“, wie er mir im Sommer 2013 am Set seines Nachfolgewerks „the Ecstasy of Isabel Mann“ berichtete. Den Ausgangspunkt dieses trostlos-düsteren sowie mit einigen klassischen Elementen des Horror-Genres angereicherten Dramas bildet der Ausbruch einer fatalen, sich rasch über die gesamte Weltkugel hinweg ausbreitenden Pandemie in Europa, an der ausschließlich Erwachsene erkranken bzw. von dem einen auf den nächsten Moment zu leiden beginnen – u.a. mit Gedächtnisverlust und verschiedenen Psychosen als unausweichlich zum Tode hin führende Kennzeichen – und das frei eines Erfolgs der medizinischen Wissenschaft, dieser Entwicklung auch nur im Geringsten etwas entgegenzusetzen…
Neun Monate später bevölkern nur noch Kinder und Jugendliche die Erde und sind die vormaligen Strukturen unserer Gesellschaft im Grunde gänzlich zusammengebrochen. Innerhalb dieses Kontexts lernt der Zuschauer die Teenagerin Eve (Catherine Wrigglesworth) und ihre jüngere Schwester Fran (Emily Forster) kennen, die bereits seit einer Weile (auf sich allein gestellt) umherstreifen und sich in einigen verwüsteten Häusern gerade einmal mehr auf der inzwischen alltäglichen Suche nach Nahrung und anderen irgendwie noch nutzbaren Dingen (á la Kleidung) befinden. Traumatisiert von den schmerzhaften Erinnerungen an die „letzten Tage“ ihrer Eltern, meiden sie jegliche (oft gewalttätige) „Schicksalsgenossen“ soweit möglich und lesen einander immer wieder aus dem erwähnten Buch Nesbits vor – was sie sowohl beruhigt als auch an bessere (vergangene) Zeiten denken lässt. Eines Abends werden sie dann jedoch Zeuge, wie ein Mädel namens Alice (Justine Rodgers) von einigen Kids bedrängt und angegriffen wird: Spontan nehmen sie sich der verschreckten Rothaarigen hilfsbereit an – allerdings sieht sich das Trio am kommenden Morgen postwendend mit der Rückkehr eben jener Gruppierung konfrontiert, welche (wie es sich herausstellt) von Alice´s selbstherrlicher Schwester Kate (Shannon Murphy) und ihrer besten Freundin Ella (Emma O´Callaghan) angeführt wird…
Die daran anknüpfenden Stunden verbringen sie miteinander: Tauschen sich aus und lesen (der Reihe nach) ein wenig. In der folgenden Nacht stehlen sie Fran und Eve jedoch ihre Vorräte, verschwinden und lassen die offenbar nicht sonderlich beliebte Alice einfach bei ihnen zurück – deren Kenntnis ihres aktuellen Unterschlupforts den Schwestern jedoch die Gelegenheit bietet, ihnen nachzugehen und die Herausgabe ihres Besitzes einzufordern. In jenem Gebäude stoßen sie auf weitere Mitglieder dieses nur bedingt gefestigten „Bündnisses“ junger Leute, die allein bloß in der gegenseitigen Unterstützung eine halbwegs realistische Aussicht auf ein längerfristiges Überleben wähnen – unter ihnen der gewissenhafte Helman (Adam Tyrrell) und seine psychisch instabile Partnerin Grace (Laoise Barrett). In Gestalt der „Neulinge“ sieht jener prompt eine schon lang ersehnte Chance auf Veränderung – weshalb er sich sogleich für sie einsetzt und simultan den Plan schmiedet, sich ihnen anzuschließen. Seine Bitte, dass sich der ohnehin in sie verliebte Simon (Dylan Jennings) fortan um Grace kümmert, erzeugt allerdings nur zusätzliche Spannungen – ebenso wie das unerwartete Auftauchen von Cass (Ellen Mullen), welche sich vor einigen Wochen im Rahmen markanter Uneinigkeiten hinsichtlich spezifischer „moralischer Grenzen“ zusammen mit einer Handvoll anderer von Katie und ihrer kleinen Gemeinschaft abgespalten hatte…
„Railway Children“ eröffnet mit einer Sequenz, in der ein Mann in einem Hinterhof stehend anscheinend gerade „den Verstand verliert“, während seine leise weinend Geschirr abwaschende Tochter ihm dabei machtlos vom Küchenfenster aus zusieht. Was mit Grippe-ähnlichen körperlichen Symptomen seinen Anfang nimmt, führt relativ schnell zu Anflügen bzw. Ausprägungen von Paranoia, Demenz sowie handgreiflich-aufbrausenden Reaktionen – bevor es zu einsetzenden Blutungen kommt, die unweigerlich in dem (durch nichts und niemanden zu verhindernden) Ableben der betreffenden Person resultieren. In unter einem Jahr fällt jeder Erwachsene dieser Erkrankung zum Opfer: Übrig bleiben nur die Kinder und Jugendlichen – jeweils mehr oder minder schwer verstört seitens der über sie hereingebrochenen Ereignisse. Geplagt von entsprechenden Gedankeninhalten sowie frei intakter Strukturen (wie einer funktionierenden Wirtschaft oder aufrecht erhaltenen Gesetzesordnung) sich selbst überlassen, obliegt es nun ihnen, ihre Gegenwart und Zukunft eigenständig zu formen. Fokussiert konzentriert sich der Film auf die „humanen Aspekte“ dieses Katastrophenszenarios – sozusagen beispielhaft anhand des jetzigen Alltags Frans und Eves, welcher in erster Linie daraus besteht, dass sie sich von einer verlassenen Behausung zur nächsten bewegen, kontinuierlich auf der Suche nach irgendwelchen Lebensmitteln plus einem sicheren Platz zum Rasten und Schlafen…
Das abwechselnde Vorlesen von Nesbit´s Roman hilft ihnen, die Isolation und Trostlosigkeit der Situation um sich herum zumindest immerzu kurzzeitig ausblenden zu können – und doch schleichen sich selbst in jene Augenblicke wiederkehrend belastende Erinnerungen ein: Etwa an ihre „infizierte“ Mutter, welche ihren verängstigten Töchtern „bis zuletzt“ (mit unruhigen Worten und eben solchen Gebaren) Passagen aus dem Buch vorgetragen hatte. Zügig vermag sich das Publikum einen einträglichen Eindruck ihrer Lage zu bilden – einschließlich zahlreicher damit verbundener Herausforderungen, Schwierigkeiten und Bedrohungen. Da ihnen bewusst ist, was Verzweiflung, gegebenenfalls erlittene mentale Schädigungen sowie das Wegfallen aller forcierten Regeln bei einem Menschen bewirken kann, verhalten sie sich anderen gegenüber stets achtsam und skeptisch. Angesichts der Umstände haben sich viele zu kleineren Grüppchen (mit unterschiedlichen Absichten und Anschauungen) zusammengeschlossen. Die Begegnung der beiden mit den Angehörigen einer dieser markiert den „zentralen Kern“ des Werks: Demgemäß sind es ihre Ansichten, Schicksale, Interaktionen und individuellen Verbindungen mit- bzw. untereinander, die im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Wer also eher auf Action, vordergründige Gewalt oder aufwändigere Set-Pieces aus ist, der ist hier definitiv an der falschen Stelle…
Größtenteils ließ mich das Gebotene an ein Theaterstück denken: Diverse Konversationen und Streitereien entfalten sich innerhalb verschiedener karger Räumlichkeiten – wobei Emotionen wie Trauer, Furcht, Eifersucht, Missgunst, verletzter Stolz und Wut zum Vorschein treten sowie die unheilvoll-bedrückende Atmosphäre im Zuge dessen noch einmal kräftig anreichern. Parallel dazu erlangt man auch eine bessere Vertrautheit mit den einzelnen Protagonisten – u.a. dank ihrer Ausführungen sowie der Gegebenheit, dass einem sporadisch eingebundene Flashbacks ausgewählte Exempel der schlimmen, unverarbeiteten Erlebnisse aufzeigen, welche sie bis heute „im Kopf verfolgen“. Die traumatischen Auswirkungen auf einen Heranwachsenden, ohnmächtig Zeuge dabei geworden zu sein, wie die eigenen Eltern physisch wie geistig zunehmend weiter abbauen, mitunter sogar handgreiflich gegen einen werden und schließlich einen „unschönen Tod“ sterben, sind leicht nachzuvollziehen. Jeden betrifft es anders, jeder geht damit auf seine ganz persönliche Weise um. Darüber hinaus erschwert bzw. verhindert es dieser Sachverhalt, jemanden von ihnen pauschal irgendwie als „böse“ abzustempeln. Was den Charakteren durchaus zugute kommt, bringt die Story an sich (in diesem Handlungsabschnitt) allerdings nur sehr schleppend voran – gezielte Straffungen im Bereich bestimmter (tendenziell repetitiver) Diskussionen und verbaler Auseinandersetzungen wären da gewiss von klarem Vorteil gewesen…
Fran´s und Eve´s Anwesenheit bringt eine spürbare Unruhe in das von Anfang an ohnehin nicht gerade „stabile“ Gefüge – doch ist es Helman, der mit seinen Entscheidungen erst so einige „eskalierende Entwicklungen“ in Bewegung setzt: Er sorgt u.a. für die Herausgabe des zuvor gestohlenen Essens, gesteht (auf ihr stichelndes Drängen hin) Grace gegenüber, dass er Eve tatsächlich keinesfalls unattraktiv findet, und beschließt zudem, statt weiterhin in dieser Umgebung und Konstellation auszuharren, einen „neuen Weg“ zu beschreiten und einfach mit ihnen mitzugehen. Rivalitäten, Hoffnungen, Ängste und verborgene Motive werden deutlich, beeinflussen die Geschehnisse und führen zu einer Reihe an Konsequenzen: Seelisch schon länger angeschlagen, fühlt sich Grace (z.B.) nun sowohl vor den Kopf gestoßen als auch im Stich gelassen – worauf sie Simon flugs gegen Helman aufwiegelt und dieser seine angestauten Aggressionen kurzerhand (erwartungsgemäß) an ihm entlädt. Und dann wäre da noch das Wiederauftauchen von Cass und ihrer kleinen Gefolgschaft – was selbst die sonst so überheblich-beherzte Kate mit Nervosität erfüllt, welche sie „nach außen hin“ jedoch zu überspielen versucht: Ein Resultat des Wissens, dass sich jene Personen aufgrund der schwindenden Vorräte bzw. Nahrungsquellen dem Kannibalismus als (inzwischen praktizierte) „Alternative“ zugewandt haben. Allein die Vorstellung widert Kate an – und zugleich fürchtet sie sich davor, dass die anwachsende Verzweiflung sie und die anderen ebenfalls irgendwann auf jene „unmoralischen Bahnen“ führen könnte…
Liebend gern hätte ich mehr über Cass erfahren, welche übrigens das Mädel vom Einstieg am Küchenfenster ist – leider aber verfügt sie nur über eingeschränkte Screen-Time: Extrem schade, denn ihre Szenen (allen voran eine Rückblende, die sie mit ihren erkrankten Eltern am Frühstückstisch zeigt) empfand ich als die stärksten und reizvollsten des gesamten Films. Newcomerin Ellen Mullen meistert den Part mit Bravour: Geradezu „inhuman“ anmutend unter ihrem hübschen Äußeren, transportiert sie die frühere Verletzlichkeit und gegenwärtige Kälte der Figur schlichtweg perfekt. Es ist problemlos nachzuvollziehen, warum ihr Figgis im Anschluss prompt die Hauptrolle seines nächsten Projekts („the Ecstasy of Isabel Mann“) zugestanden hat. Emily Forster und Catherine Wrigglesworth portraitieren die beiden Leads indes glaubwürdig – was ein ergiebiges Hineinversetzen in ihre Lage dienlich unterstützt – während auf Seiten der Erwachsenen u.a. Sinead O´Riordan und Darren Travers prima zu überzeugen wissen. In diesem Rahmen ist allerdings zu erwähnen, dass die überwiegend junge und weibliche Besetzung vornehmlich aus Debütanten und noch weitestgehend unerfahrenen Akteuren besteht, die zum Teil mit evidenten Schwächen behaftete Performances erbringen – was so ja auch bei vergleichbaren Produktionen leider des Öfteren der Fall ist…
Jason Figgis hat bei dem Streifen nicht nur das Drehbuch verfasst und Regie geführt, sondern fungierte obendrein auch noch als Produzent, Editor und Cinematographer. In und um Dublin angesiedelt und realisiert, ist es ihm gelungen, mit einfachen Mitteln einen stimmungsvollen „post-apokalyptischen Kontext“ zu kreieren: Ungemütliches Wetter, verwucherte Gärten, verlassene, verwüstete sowie häufig von Feuchtigkeit und Schimmel befallene Häuser, in denen beinahe keine Möbel mehr zugegen sind, da diese jüngst vorrangig als „Feuerholz“ Verwendung fanden – ein minimalistisch geartetes, nichtsdestotrotz (im beabsichtigten Sinne) absolut ersprießlich arrangiertes Setting. Nach einigen frühen Aufnahmen von Fran und Eve bei einem Marsch durch eine der weiten freien Landschaften Irlands verlagert sich das Präsentierte rasch (und fast ausschließlich) ins Innere einiger Gebäude – was den betreffenden Ereignissen einen durchaus „klaustrophobisch-intimen Vibe“ verleiht. Kameraarbeit und Schnitt gehen jeweils in Ordnung, bei der Ausleuchtung der Sets wurden so gut wie keine zusätzlichen Lichtquellen genutzt und der erfahrene britische Komponist Michael Richard Plowman („A lonely Place to die“) hat das Werk zudem mit einem kompetenten, so manche Momente herausragend klangvoll unterstreichenden Score versehen...
Wer es denn möchte, der könnte diese Veröffentlichung ohne weiteres als eine von Romanen wie William Golding´s „Lord of the Flies“ und Cormac McCarthy´s „the Road” inspirierte Schöpfung charakterisieren. Die vorhandenen Grausamkeiten werden meist nur angedeutet und regen dabei (in gewissen Belangen) die Gedanken und Empfindungen des Zuschauers an: Besonders eine Sequenz, in der eine Gruppe Kinder schweigsam rohes Menschenfleisch verspeist, ist aus gleich mehreren Gründen „wahrhaft unbehaglich“ beizuwohnen. Die geringen finanziellen Ressourcen fielen mir indes einzig beim Anblick der „fehlenden physischen Folgen“ einer Schusswunde in einer nennenswert negativen Hinsicht auf – ansonsten gibt es da keinerlei notwendigen Anlass zur Klage. Generell muss ich (insgesamt) allerdings sagen, dass es mir erheblich lieber gewesen wäre, wenn man den Mittelteil etwas gestrafft und dem letzten Drittel dagegen mehr „Raum“ zugestattet hätte – im Vorliegenden entfaltet sich das Finale nämlich überraschend abrupt und hätte der sich um Cass rankende Plot-Strang gern zusätzlich ausgebaut bzw. vertieft werden dürfen. Dennoch offenbart Figgis in Gestalt des Gebotenen sowohl Potential als auch nicht zu verkennendes (existentes) Talent – man darf also gespannt darauf sein, wie sich sein Schaffen in Zukunft noch so entwickeln wird...
Fazit: Bei „Railway Children“ (aka „Children of a Darker Dawn”) haben wir es mit einer dialogreichen wie ruhigen, im Zuge dessen aber leider auch ein Stück weit „träge“ anmutenden irischen Micro-Budget-Dystopie zutun, deren melancholisch-düster-trostlose Atmosphäre nicht zu verachten ist und die sich (anstelle von Action, Style oder der Darbietung garstiger Details) primär auf seine jungen Protagonisten konzentriert – alles in allem jedoch (ebenfalls) u.a. einen recht „unebenen“ Eindruck hinterlässt, was in erster Linie einigen unvorteilhaften „inhaltlichen Gewichtungen“ im fortschreitenden Verlauf zugerechnet werden muss...