Entstehungsdaten:
USA-GB 2013
Regie:
Zal Batmanglij
Darsteller:
Brit Marling
Alexander Skarsgård
Ellen Page
Toby Kebbell
Shiloh Fernandez
Patricia Clarkson
Jason Ritter
Julia Ormond
Jamey Sheridan
Trailer
Im Jahre 2009 schlossen sich die beiden Georgetown University Absolventen Zal Batmanglij und Brit Marling einen Sommer lang einigen „Freeganern“ an, um sich einen persönlichen Eindruck eben jenes alternativ-kollektiven Lebensstils zu verschaffen – wobei sie u.a. als Backpacker und Anhalter umherreisten, teils unter freiem Himmel nächtigten und sich zudem auch per Ausüben des sogenannten „Containerns“ (als „Konsum-Verweigerungs-Statement“ sowie zum Zwecke eines „Boykotts der modernen Wegwerf-Gesellschaft“) ernährten. Seitens dieser Erfahrungen inspiriert, verfassten sie die Drehbuch-Vorlage des hier nun zur Besprechung vorliegenden dramatischen Öko-Thrillers „the East“ (2013), der bestimmte Gemeinsamkeiten mit ihrem geschätzten 2011er Vorgänger-Werk „Sound of my Voice“ aufweist – und zwar von spezifischen inhaltlichen Motiven über ihre Aufgabenverteilung im Rahmen der Umsetzung bis hin zu der Gegebenheit, dass beide Veröffentlichungen ihre Premiere auf dem renommierten „Sundance“-Filmfestival feierten – alles in allem jedoch mit einem deutlich höheren Budget sowie verschiedenen „bekannten Gesichtern“ in zentralen Rollen aufzuwarten vermag. Trotz letzterer Faktoren sowie der Beteiligung von Produzenten á la Ridley&Tony Scott muss man sich über eine Sache (glücklicherweise) allerdings keinerlei „Sorgen“ machen: Mit nur „leichten Abstrichen“ sind Marling und Batmanglij ihrem „Independent Spirit“ weiterhin (erfreulich-wohltuend) treu geblieben…
Ihres Zeichens eine ehemalige FBI-Agentin, ist Jane Owen (Marling) seit einiger Zeit nun für die private Sicherheits-Firma „Hiller Brood“ tätig, welche darin spezialisiert ist, ihre Klienten (in erster Linie Großkonzerne und andere einflussreiche Unternehmen) davor zu bewahren, dass diese zu Opfern von Wirtschaftsspionage, Sabotageakten, misslichen Enthüllungen oder sonstigen Skandalen werden. Als eine neue, sich „the East“ nennende, die Verantwortlichen für schwerwiegende Umweltverschmutzungen „ins Visier nehmende“ Aktivisten-Gruppe auf sich Aufmerksam macht, indem sie eine (an den Rechtssatz „Auge um Auge“ angelehnte) Protest- bzw. „Bestrafungsaktion“ am Wohnsitz der Familie des Vorstandsvorsitzenden einer mächtigen Öl-Gesellschaft durchführt und anschließend dann medienwirksam ins Internet stellt, wird Jane von ihrer Chefin (Patricia Clarkson) kurzerhand entsandt, um diese Leute aufzusuchen, sie zu infiltrieren sowie alle relevanten Infos sowohl zu sammeln als auch (zum Zwecke der Abwägung und Veranlassung weiterer Schritte) zu übermitteln. Ihrem Freund Tim (Jason Ritter) erzählt sie, dass sie der Job für einige Monate nach Dubai führen würde – doch in Wahrheit verbleibt sie ganz in der Nähe (an der amerikanischen Ostküste) und geht fortan allen ihr bekannten und aufgetanen Spuren nach...
Mit gefärbten Haaren, einer neuen Identität – Sarah Moss – und nur wenigen Habseligkeiten ausgestattet, treibt sie sich einige Wochen lang in unterschiedlichen „Aussteiger-Kreisen“ umher – bis sie eines Tages (im Zuge eines Trips per „Train Hopping“) den „Emo-Bohème“ Luca (Shiloh Fernandez) kennenlernt, dem sie bei einer Konfrontation mit einem aggressiven Bahn-Polizisten hilfreich zur Seite steht und der offenbar (wie sich etwas später herausstellt) tatsächlich einer der Gesuchten ist. Um diesen Kontakt aufrecht zu erhalten, fügt sie sich spontan eine Schnitt-Verletzung zu – worauf Luca sie sogleich (mit verbundenen Augen) zu Doc (Tony Kebbell) bringt, einem mit den anderen in einem abgelegenen, durch einen Brand weitestgehend zerstörten Haus im Wald lebenden Arzt. Geschickt gelingt es ihr, sich zu integrieren – was von Izzy (Ellen Page) eher mit Skepsis betrachtet wird, während ihr der charismatischer Anführer Benji (Alexander Skarsgård) dagegen von Anfang an „eine faire Chance“ einräumt. Je ausgeprägtere Einblicke sie in ihre Denkweisen und Planungen erhält, desto schwerer fällt es ihr, sie als „Terroristen“ anzusehen und ihre Taten in einem umfassenden Maße zu verurteilen: Unabhängig diverser pflichtgemäß übersandter Berichte gerät sie zunehmend in einen gravierenden Gewissens- und Willenskonflikt...
„the East“ ist ein brisanter, vorzüglich in die heutige (politische wie ideologische) Gegenwart passender Film, der einen nicht nur anständig zu unterhalten weiß, sondern simultan auch zum Nachdenken anregt – und zwar indem er spezielle Fragen aufwirft, damit verzahnte Ansätze darlegt sowie gezielt unweigerlich mit der Materie verknüpfte Emotionen heraufbeschwört. Unmittelbar zu Beginn werden (beispielsweise) Original-Aufnahmen einer Öl-Katastrophe gezeigt – samt der fatalen Auswirkungen auf die betreffenden Küsten und die dort beheimateten Tiere: Reale, einen mit Traurigkeit und Wut erfüllende Bilder, an die man sich (leider) nur allzu gut erinnern kann. Wir wissen, dass die „großen Bosse“ nahezu nie persönlich für solche (oft durch rücksichtsarme Entscheidungen zugunsten möglichst hoher Gewinne mitverschuldete) Unglücke zur Rechenschaft gezogen werden – weshalb einem beim Mitverfolgen der ersten Aktion der Aktivisten, welche nachts bei einem dieser Herrschaften zuhause einbrechen sowie eimerweise Rohöl über Möbel, Wände und Böden verteilen, ohne Weiteres der Gedanke „Geschieht ihm recht!“ in den Sinn kommen kann. Individuelle Empfindungen und Ansichten (inklusive einzelner Vorurteile) werden angeregt und angesprochen – wobei sie seitens der Illegalität eben jener Handlungen obendrein auch (je nach vertretener Position) entweder eine Bekräftigung oder Kontrastierung erfahren. Diese angespannte Ausgangslage bildet einen zentralen Bereich des „Fundaments“, auf dem sich die nun einsetzende Geschichte entfaltet...
Jane ist Christin, wurde vom FBI ausgebildet und strebt nun (ambitioniert wie engagiert) eine einträgliche Karriere bei „Hiller Brood“ an. Als sie den Fall zugesprochen erhält, lässt sie ihren Lebensgefährten über die Umstände des Jobs im Unklaren – belügt ihn in jener Hinsicht und begibt sich daraufhin undercover in entsprechende, u.a. aus „Ökos“, „Freigeister“ und/oder politisch links zu verortende „Weltverbesserer“ bestehende Kreise. Stets auf Hinweise achtend, die sie bei ihren Nachforschungen voranbringen, führt sie eine Verkettung von Ereignissen schließlich zu der kleinen Gruppierung, welche auf den ersten Blick durchaus wie eine Art „Kult“ anmutet – gerade im Angesicht einiger leicht sonderbarer „Bräuche“ plus ihres (von seinem Bart und den langen Haaren her) Jesus beileibe nicht unähnlich sehenden Anführers. Obgleich Benji über Autorität verfügt, sind die Strukturen in erster Linie jedoch demokratischer Beschaffenheit: Vorschläge werden im Kollektiv erörtert, Beschlüsse gemeinsam gefällt. Sie hausen in einem teilweise zerstörten Gebäude auf einem abgelegenen Forstgelände, ernähren sich vorrangig von weggeworfenen Lebensmitteln, die sie den Tonnen hinter Supermärkten entnehmen, verwenden Kerzen und anderweitige „natürliche Ressourcen“ – besitzen aber auch eine moderne Computer-Anlage im Keller, um ihre Bild-Aufnahmen zu bearbeiten sowie das Internet (zur Recherche und Kommunikation) zu nutzen: Ein keineswegs unrealistisches Szenario…
Das erste „Ritual“, welchem Jane/Sarah Zeuge wird, ist ein Abendessen, bei dem alle Speisenden Zwangsjacken tragen – also ihre Hände nicht benutzen können: Eine für sie (ebenso wie für den Zuschauer) anfangs ziemlich irritierend-eigenwillige Situation, die jedoch mit einem überaus gelungenen „Hintergrund“ aufwartet. An anderer Stelle setzen sie sich eines Abends zu einem Kreis zusammen und spielen Flaschendrehen – bitten einander dabei um Küsse oder innige Umarmungen. In diesem Rahmen lernt man sie (samt ihres Sozialverhaltens) besser kennen und integriert sich Sarah (dank ihrer Partizipation) zunehmend in ihrer Mitte: Gegenseitige Sympathien erkeimen – gepaart mit sich festigendem Vertrauen. Ohne in die genauen Details eingeweiht zu werden, wird Sarah (auf ihren Wunsch hin, da das ja ein zentraler Punkt ihres Auftrags ist) mit in die Umsetzung bzw. Ausführung der hervorragend durchgeplanten „Jams“ involviert: Auf einer edlen Party der Geschäftsführung eines Pharma-Konzerns servieren sie den Anwesenden Champagner, welchen sie im Vorhinein mit dem neusten, teils gravierende Nebenwirkungen aufweisenden Produkt eben jenes Unternehmens vermengt hatten. Die Grenze zwischen „Aktionismus“ und „Terrorismus“ verschwimmt, denn eine derart hohe Dosis kann in schweren gesundheitlichen Schäden resultieren – was bei einer der Betroffenen (Julia Ormond) kurz danach dann auch geschieht. Heiligt der Zweck tatsächlich die Mittel – selbst wenn diese Personen mit dafür verantwortlich waren, dass das Produkt in jener Form auf den Markt gebracht wurde…?
Ist es „gerechtfertigt“, jemanden ernsthaft und nachhaltig zu verletzen, um dadurch andere vor potentiellen (künftigen) „schädlichen Auswirkungen“ zu bewahren? Der Film versucht nicht, einen mit Nachdruck von einer bestimmten Position zu überzeugen, sondern liefert Denkanstöße: Wie steht man selbst zu solchen Themen bzw. Gegebenheiten á la den Umweltschutz, zu den sich oft darüber hinweg setzenden Machenschaften Profit-orientierter Firmen oder zu den Taten von Zusammenschlüssen wie „the East“? Grübelt, redet und urteilt man nur – oder handelt man letzten Endes auch demgemäß? Haben wir es hier eher mit „Vorkämpfern“ oder Kriminellen zutun? Spezifische Schicksale nehmen darauf einen gewissen Einfluss: Bei einer Hilfsmission in Afrika wurden Doc und seiner Schwester etwa das erwähnte Medikament verabreicht – woran sie infolge dessen verstarb und was bei ihm darin mündete, dass sein Nervensystem derart angegriffen wurde, dass er seither unter Anfällen (Zittern, motorische Einschränkungen etc.) leidet und seine Profession von daher kaum mehr richtig ausüben kann. Ein weiterer „Jam“ sieht vor, zwei Vorstandsangehörige zu einem Bad in einem See zu zwingen, in welchen sie jede Nacht hochgiftige Kraftwerks-Abwässer pumpen lassen: Einer dieser ist kein Geringerer als Izzy´s Vater (Jamey Sheridan), von dem sie sich schon lange distanziert hat – und so kommt es zu einer emotionalen Diskussion direkt am Ufer jenes Gewässers, die aber leider einen Zacken zu „überladen“ wirkt. Registrierbar herbeigeführt – nichtsdestotrotz effektiv – tendiert man hin zu einer Verbundenheit mit den betreffenden Charakteren…
Der Nachteil des gewählten (sehr klassisch gestalteten) dramaturgischen Aufbaus ist die nicht gerade unvorhersehbare Verlaufsentwicklung: Sarah´s „innere Zerrissenheit“ (aufgrund ihrer Erkenntnis, dass sie viele Ansichten mit der Gruppe teilt, ihre Methoden jedoch als „falsch“ ansieht), einzelne Konflikte untereinander sowie stetig erkeimende Gefühle Benji gegenüber (nicht nur da ihre punktuellen Treffen mit Tim relativ deutlich offenbaren, dass sie einfach nicht wirklich zueinander passen) waren jeweils „über kurz oder lang“ zu erwarten – und obgleich die inhaltliche Qualität des Gebotenen selbst in diesen Bereichen nie in einem ernsthaft markanten Maße enttäuscht oder gar verärgert, hätte ich mir von Marling und Batmanglij doch die eine oder andere „alternative Route“ gewünscht. Zum Glück sind die Verhaltensweisen der Figuren allesamt nachvollziehbar sowie die gecasteten Akteure hochklassig: Ellen Page („Inception“) portraitiert die misstrauische, aber anerkennende Izzy ebenso rebellisch wie tough, mit einer mehrschichtigen Performance beweist Tony Kebbell („War Horse“) erneut sein beachtliches Talent und Alexander Skarsgård (TV´s „True Blood“) tritt charismatisch wie eh und je auf, wodurch man ihm den Part des Rädelsführers (egal ob nun mit zottelig-wallenden oder modisch getrimmten Haaren) ohne weiteres (sprich: rundum anständig) abnimmt. Frei eines Anlasses zur Klage sind in Nebenrollen überdies u.a. noch Shiloh Fernandez („Evil Dead“), Aldis Hodge (TV´s „Leverage“), Jason Ritter (TV´s „the Event“), Julia Ormond („First Knight”) und Jamey Sheridan (TV´s „Homeland“) mit von der Partie…
Jane´s Intelligenz, Ausbildung, Ehrgeiz und konservativ-christliche Gesinnung positioniert sie in den Augen ihrer strikt zielgerichteten, von Patricia Clarkson („Pieces of April“) fein gemimten Vorgesetzten auf Anhieb als eine ideale Kandidatin für den brisanten Einsatz – der für sie allerdings schnell zu einer politischen, beruflichen, ethischen wie persönlichen „Bewährungsprobe“ wird. Aufgenommen in einer innigen Gemeinschaft, die keinesfalls zu verleugnende Ungerechtigkeiten anprangert, vollzieht sie eine Wandlung – im Zuge derer sie jedoch nicht jede der präsentierten Anschauungen und Taktiken akzeptiert und/oder ausführt. Die entsprechende Leistung Brit Marlings („Another Earth“) – nuanciert und ausdrucksstark – weiß auf ganzer Linie zu gefallen. Sie und Batmanglij haben dafür gesorgt, dass das Publikum auf intelligente Weise unterhalten wird – bloß erzeugen auch im Vorliegenden (ähnlich wie schon bei „Sound of my Voice“) einzelne Momente einen durchaus ein wenig „grob gestrickten“ Eindruck, unter ihnen zwei von Sarah vorgenommene Eingriffe (zuerst an einem Tier, später an einem Menschen), einer rituellen „Wäsche“ Schrägstrich „Taufe“ sowie einer arg vordergründigen finalen „verbalen Konfrontation“ zwischen Jane und ihrer Chefin. Erfreulich ist jedoch, dass sich wesentlich mehr subtiler eingebundene Motive verzeichnen lassen. Von Kameramann Roman Vasyanov („End of Watch“) anständig bebildert, hat Batmanglij die Geschehnisse unverkennbar kompetent arrangiert: Als Regisseur ist er definitiv ein neuerliches Stück weit „gewachsen“ – mal sehen, wohin ihn seine Karriere künftig noch so führen wird…
Fazit: „the East“ ist ein smarter, düster-atmosphärischer, zum Nachdenken anregender, ebenso ansprechend besetzter wie gespielter dramatischer Öko-Thriller, der sein brisantes Thema zufrieden stellend (ausgewogen und ergiebig konzipiert) darreicht und auf jeden Fall als „sehenswert“ einzustufen ist – unabhängig dessen, dass die Story in ihrer zweiten Hälfte etwas zu „konventionelle Bahnen“ einschlägt…