Entstehungsdaten:
USA-Kanada 2013
Regie:
Alexandre Aja
Darsteller:
Daniel Radcliffe
Juno Temple
Joe Anderson
Max Minghella
Kelli Garner
James Remar
Kathleen Quinlan
Heather Graham
David Morse
Trailer
No one is born evil. But sometimes, when you go through hell, the only way out is to walk deeper into the fire...
Bei dem von Alexandre Aja in Szene gesetzten eigenwillig-schrägen 2013er Genre-Mix „Horns“ haben wir es mit einer durchaus über weite Strecken hinweg recht werkgetreuen und geglückten Film-Adaption des gleichnamigen, hierzulande unter dem Titel „Teufelszeug“ veröffentlichten Romans aus der Feder Joe Hills zutun – bei welchem es sich ja um keinen Geringeren als Stephen King´s 1972 geborenen Sohn Joseph handelt. Basierend auf einer Skriptvorlage Keith Bunins (TV´s „In Treatment“), markiert dieser düstere, allerdings sowohl mit markanten romantischen als auch schwarzhumorigen Elementen angereicherte übernatürliche Horror-Thriller die bislang herausforderndste Regie-Arbeit des für Streifen á la „High Tension“, „the Hills have Eyes“ und „Piranha 3D“ bekannten Franzosen. Der erhoffte Kino-Erfolg blieb letzten Endes jedoch aus: Trotz des wunderbar passenden Start-Termins am 31. Oktober 2014 – sprich: Halloween – floppte er böse an der US-Boxoffice. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass er bereits vier Wochen zuvor in das Angebot bzw. Programm mehrerer „On-Demand“-Anbieter aufgenommen wurde – was mir im Rahmen meines Herbst-Urlaubs somit die willkommene Gelegenheit bescherte, ihn mir ganz gemütlich (via „DirecTV“) vom Bett meines Hotelzimmers in San Francisco aus anzusehen…
Ignatius Perrish (Daniel Radcliffe) wird beschuldigt, seine Freundin Merrin (Juno Temple) brutal getötet zu haben. Obgleich die Behörden kaum mehr als Indizien vorlegen können, scheint niemand außer sein Bruder Terry (Joe Anderson) und Jugendkumpel Lee (Max Minghella) seinen Unschuldsbeteuerungen zu glauben – selbst seine eigenen Eltern (Kathleen Quinlan und James Remar) hegen da so ihre Zweifel. Ausgegrenzt, angefeindet sowie des Öfteren von Reportern verfolgt, greift Ig eines Abends ein erneutes Mal zu einer Flasche hochprozentigem Alkohol und entsagt im daraus resultierenden Rauschzustand kurzerhand Gott. Als er am nächsten Morgen dann im Beisein seiner alten Schulfreundin Glenna (Kelli Garner) wieder zu sich kommt, entdeckt er plötzlich zwei spitze Verknöcherungen, die aus seinem Schädel heraus durch die Haut sprießen und mit der Zeit immer weiter zu wahrhaftigen Hörnern heranwachsen. Parallel dazu ist es fortan so, dass seine Mitmenschen ihm in seiner Gegenwart nun andauernd ihre „finstersten Geheimnisse“ verraten: Sie sind auf einmal unverhohlen ehrlich, geben sich ihren normalerweise unterdrückten Gelüsten, Wünschen und Gebaren hin und lassen sich obendrein von Ig beeinflussen und manipulieren – Fähigkeiten, die ihm eine Chance bieten, Merrin´s Mörder auf die Spur zu gelangen. Doch zu welchem Preis?
„Horns“ eröffnet in Gestalt der beiden Liebenden, wie diese auf einer Decke im helllichten Wald turtelnd Zeit miteinander verbringen – bevor sich der Blick von oben herab auf den Boden zuzubewegen beginnt, ins Erdreich eindringt und schließlich innerhalb einer dunklen Wohnung erneut zutage kehrt. Aus einem „himmlischen“ Moment ist ein „höllischer“, leider jedoch realer Albtraum geworden: Seit einer Weile nun schon ist die bezaubernde, im Grunde von allen gemochte Merrin tot – von ihrem Mörder mit einem Stein erschlagen – und dank einer Reihe offenbarter Umstände hat sich Ig zum Hauptverdächtigten entwickelt. Presse und Bevölkerung sehen ihn als den Schuldigen an – u.a. resultierend aus einzelnen Aussagen sowie der generellen Verwunderung darüber, was ein so nettes Mädel wie sie jemals an einem Kerl wie ihm finden konnte – bloß mangelt es an konkreten Beweisen, weshalb er weiterhin „auf freiem Fuß“ verbleiben darf. Das Städtchen hat sozusagen seine „Laura Palmer“ verloren – was unter den Bürgern eine unruhige Kombination aus Trauer und Wut erzeugt. Auch in anderer Hinsicht kommt einem sporadisch mal „Twin Peaks“ in den Sinn – etwa angesichts Heather Graham als Kellnerin, der nordwest-amerikanischen Gegend sowie stimmungsvollen Kameraarbeit des David Lynch „Kollaborateurs“ Frederick Elmes („Blue Velvet“)…
Ig´s Hörner fangen zu wachsen an, nachdem er zuvor (betrunken) Gott verflucht sowie einige am Tatort aufgestellte religiöse Symbole (wie Kerzen und eine Marienfigur) umgetreten hatte. Glenna ist die erste, bei der ihm ein seltsames Verhalten in seiner Nähe auffällt: Zwar registriert sie die „verhärteten Auswüchse“ an seiner Stirn – scheint stattdessen aber gerade viel stärker mit dem Verlagen zu ringen, trotz ihres sie eigentlich hemmenden bzw. daran hindernden „schlechten Gewissens“ eine ganze Schachtel Donuts verspeisen zu wollen. Da die knöcherigen Gebilde im Folgenden kontinuierlich weiter an Größe gewinnen, sucht Ig relativ zügig einen Arzt auf – doch bereits im Wartezimmer wird ihm klar, dass ihm die Leute jetzt stets ihre unverfälschten Ansichten und Begehren (ohne jede Zurückhaltung) preisgeben: So äußert die zugegene Empfangskraft beispielsweise unverblümt ihre Meinung zu einem schwer nervenden Kind – wohingegen der Doc prompt sein Faible für Oxycodon und seine scharfe Assistentin gesteht. Unmittelbar danach können sich die Betroffenen an das Ausgesprochene übrigens nicht mehr erinnern. Ebenso wenig sind sie sich immerzu länger als nur für ein paar Sekunden der Hörner gewahr. Auf diesem Pfade wird Ig nun jedenfalls regelmäßig mit irgendwelchen Geständnissen konfrontiert, die er im Prinzip überhaupt nicht hören will…
Die verschiedenen Szenen, im Zuge derer Ig den Menschen ihre aufrichtigsten Standpunkte entlockt und/oder sie getreu ihrer charakterlich-individuellen Triebe, Gelüste und Neigungen „frei heraus“ handeln lässt, tragen aufgrund ihrer Art und Präsentation ein merkliches Stück weit zu einer unverkennbaren „Unebenheit“ des Films bei: Einige von ihnen sind amüsant beizuwohnen, werden geradezu „genüsslich“ dargereicht – wie als er eine Meute karrieregeile Reporter (prima unterlegt mit Marilyn Manson´s „Personal Jesus“-Coverversion) dazu animiert, sich untereinander um die Aussicht auf ein Exklusiv-Interview zu prügeln – während sich die seine Familie betreffenden als hochgradig tragisch entpuppen, speziell als seine Eltern in den „Wahrheits-fördernden Wirkungskreis“ der Hörner geraten. Arg misslungen ist allerdings die, in der zwei Cops (unter eben jenem Einfluss) ihre bis dato verborgene Homosexualität ausleben – u.a. weil sich genau das weder zum Zwecke des Generierens von Belustigung noch als eine Form von Strafe (da sie ihn zuvor mehrfach schikaniert hatten) ernsthaft eignet sowie die Situation dadurch ärgerlich platt (ja fast schon homophob) anmutet. Nachdem Ig dann also gelernt hat, diese „Gabe“ zu seinem Gunsten zu nutzen, setzt er sie vor allem dazu ein, mit ihrer Hilfe Merrin´s Mörder aufzuspüren...
Schrittweise liefern wiederkehrend eingebundene, sich bis in die Kindheit der Protagonisten zurück erstreckende Flashbacks Hintergrundinfos und zeigen dabei markante Geschehnisse im Vorfeld der Tat auf – ebenso wie was sich in jener verregneten Nacht tatsächlich dort draußen im Wald ereignet hat. In klassischer „Stand by Me“-Manier erhält man aufgezeigt, wie die Freunde gemeinsam aufgewachsen sind – inklusive einer vorzüglich arrangierten „Nahe-Tod-Erfahrung“ an einem See. In unchronologischen Einschüben wird dies um Einblicke in die sich unvermeidlich „ihrem Schicksal entgegen“ entwickelnde Liebesbeziehung zwischen Merrin und Ig ergänzt, bei der Bunin und Aja in Sachen Romantik, Sex, eindringliche Emotionen und Kitsch nicht gerade zaghaft zu Werke gingen. Die verschachtelte Struktur ist anregend und anständig konzipiert worden, die „übernatürlichen Ermittlungen“ weisen einen keineswegs zu leugnenden Reiz auf – allerdings ist es (unglücklicherweise) fern von unmöglich, die Identität des Killers zu erraten, sobald dieser erstmals die Bildfläche betritt. Und obgleich die Laufdauer von knapp unter 120 Minuten nie einen unvorteilhaft ruhigen oder gar langweiligen Eindruck heraufbeschwört, hätte man den einen oder anderen Story-Abschnitt meiner Meinung nach durchaus ein wenig (hier und da) straffen können...
Hill´s Vorlage gefiel mir persönlich ziemlich gut: Eine sowohl gewalttätig-finster-dramatische als auch gefühlsintensiv-schwarzhumorig-wüste Geschichte voller variierender Stimmungen und schräger Ideen. Keine leichte Aufgabe für eine Adaption, das alles (in Spielfilmlänge) vernünftig „unter einen Hut“ zu bringen – zumal der „Antiheld mit Hörnern“ auf keinen Fall irgendwie unfreiwillig komisch wirken durfte. In dieser Hinsicht hat Bunin ein an sich recht achtbares Skript verfasst – allerdings werden Fans des Buches so einige vorgenommene Freiheiten und Simplifizierungen zur Kenntnis bzw. in Kauf nehmen müssen, primär im Bereich einzelner Figurenzeichnungen. Als schade empfand ich es etwa, dass man den ursprünglich echt interessanten Part Glennas derart „minimiert“ hat – worüber hinaus eine Kellnerin, die Ig mit einer Falschaussage belastet, im Vorliegenden bloß nur noch überaus stereotyp portraitiert wird und einem selbst zentrale Beteiligte á la Lee oder sogar Merrin nicht genügend „in die Tiefe gehend“ nähergebracht werden. Eventuell wäre es effektiver gewesen, ein bis zwei vorhandene Subplots einfach komplett wegzulassen und sich stattdessen inniger aufs Wesentliche zu konzentrieren – dem Streifen also einen klareren Fokus zu verleihen, mit dem Roman quasi als „reichhaltige Erweiterung“ des Ganzen...
Mit der Rolle des Ignatius Perrish entfernt sich Daniel Radcliffe („Kill your Darlings“) erneut sehr deutlich von seinem einstigen „Harry Potter“-Image: Sichtlich engagiert sowie frei seines britischen Akzents wartet er mit einer ordentlichen Performance auf – im Rahmen derer er manche „expressive Ausbrüche“ allerdings einen Tick zu überzogen zum Besten gibt. Als Merrin tritt Juno Temple („Kaboom“) gewohnt wunderbar (und freizügig) in Erscheinung – wird darstellerisch jedoch nie in einem nennenswerten Maße gefordert. Ihren wütenden, von Trauer und Schmerz erfüllten Vater verkörpert David Morse („16 Blocks“) ohne jeden Anlass zur Klage: Zwar ist seine Screen-Time begrenzt sowie seitens einiger Klischees gezeichnet – wohl aber bedeutsam und von ergiebiger Qualität. Als die Familienangehörigen Igs haben James Remar (TV´s „Dexter“), Kathleen Quinlan („Breakdown“) und Joe Anderson („Ruins“) jeweils mindestens eine herausragend starke Szene zugesprochen erhalten – wohingegen Max Minghella („Agora“) als sein langjähriger Kumpel (und derzeitiger Anwalt) Lee beinahe durchweg blass verbleibt. Wie schon erwähnt, hat man Kelli Garner („Piggy Banks“) als Glenna leider weitestgehend verschenkt – während Heather Graham („Boogie Nights“) als nach Ruhm gierende Kleinstädterin mit unübersehbarem Elan mit von der Partie ist...
Mit einer Reihe altbekannter Songs (wie David Bowie´s „Heroes“ oder „Where is my Mind“ der Pixies) sowie einem kompetenten Score Robin Couderts („Grand Central“) unterlegt, an landschaftlich malerischen Locations in British Columbia von Cinematographer Elmes ansprechend bebildert sowie mit diversen Anspielungen (wie auf Bibelverse verweisende Kennzeichen oder Ig´s Verwendung einer dreizackigen Mistgabel) ausgestattet, schwankt der Verlauf kontinuierlich zwischen unterschiedlichen (mal ernsten, mal amüsanten, mal garstigen, mal traurigen etc.) „Tonlagen“ und wird dabei zunehmend düsterer – bis er in seinem finalen Drittel schließlich vollends in eben jenes Genre „eintaucht“, in welchem der Regisseur seit jeher ja eigentlich „zuhause“ ist. Der letzte Akt kommt prall gefüllt mit Brutalitäten, einer Ansammlung von Schlangen, die Ig inzwischen zu befehligen vermag, großartiger Make-up-Arbeit der „KNB EFX Group“ sowie einigen nicht wirklich umfassend überzeugenden CGIs daher: Etwas zu „over the Top“, das in dieser Phase Gebotene – nichtsdestotrotz weiterhin unterhaltsam sowie durchaus (bis auf den Schauplatz des Showdowns) relativ eng an Hill´s Version der Ereignisse gehalten. Ach, und am Ende wird dann auch noch einmal die (zuvor ja bereits beschriebene) Anfangs-Einstellung wiederholt, in der Merrin den neben sich auf einer Decke im Wald liegenden Iggy u.a. mit kecker Stimme
„Are you horny?“ fragt…
Fazit: Alexandre Aja´s „Horns“ ist ein abgründiger, inhaltlich, stilistisch wie atmosphärisch recht unebener, nichtsdestotrotz sehenswerter Genre-Mix – ein reizvolles, aber eigenwilliges Werk, das (dementsprechend) mit Sicherheit nicht jedem gefallen dürfte…