Entstehungsdaten:
USA 2013
Regie:
Gia Coppola
Darsteller:
Jack Kilmer
Emma Roberts
Nat Wolff
Zoe Levin
James Franco
Jacqui Getty
Val Kilmer
Trailer
James Franco ist schon ein ziemlich interessanter Zeitgenosse. Seines Zeichens ein talentierter wie momentan gerade sehr angesagter Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Drehbuchautor, Filmproduzent und Künstler, veröffentlichte er 2010 die in seiner kalifornischen Geburtsstadt angesiedelte Kurzgeschichten-Sammlung „Palo Alto Stories“, welche sowohl auf Erinnerungen aus seiner Jugend als auch auf verschiedenen zur Verfügung gestellten (artverwandten) Beträgen einiger Schüler der dortigen High School basiert. Allesamt miteinander verwoben, hat Gia Coppola – ihrerseits die 1987 zur Welt gekommene Enkelin Francis Fords sowie Nichte von Roman und Sofia – drei dieser inhaltlichen Stränge zu einer einzigen Skriptvorlage vereint und eben jene im nächsten Schritt dann in Gestalt ihrer ersten abendfüllenden Regiearbeit in Szene gesetzt. Entstanden ist dabei ein mit vergleichsweise bescheidenden finanziellen Ressourcen (einschließlich einiger Dollar einer zugehörigen „Crowdfunding“-Kampagne) realisierter dramatischer „Indie“ aus dem Jahre 2013, der im Folgenden hier nun seine kritische Begutachtung erfährt…
Teddy (Jack Kilmer) ist ein introvertierter Teenager, der sein Leben bislang noch nicht mit einem klaren Fokus versehen konnte und seine Freizeit daher des Öfteren „berauscht“ sowie mit sonstigem „destruktiven Getue“ verbringt – meist angestachelt seitens seines Kumpels Fred (Nat Wolff), einem launenhaften jungen Mann mit unverkennbaren familiären und anderweitigen Problemen. Ohne dass es ihnen jeweils gewahr ist, empfinden Teddy und die schüchterne, jungfräulich-nette April (Emma Roberts) indes Gefühle füreinander: Als sie auf einer Party endlich mal etwas inniger ins Gespräch kommen, übertreibt er es im Laufe des Abends allerdings in Sachen Alkoholkonsum – was darin mündet, dass er sich von einem emotional verunsicherten, sexuell jedoch überaktiven Mädel namens Emily (Zoe Levin) oral befriedigen lässt und auf der Heimfahrt zudem noch einen Unfall verursacht sowie Fahrerflucht begeht; unmittelbar darauf aber erwischt, verhaftet und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird. In dieser Phase wendet sich April von ihm ab und gerät zunehmend in den Einflusskreis ihres alleinerziehenden Fußball-Trainers Mr.B (Franco), zu welchem sie sich hingezogen fühlt und dessen Sohn sie regelmäßig babysittet. Als er sie eines Tages überraschend küsst und ihr seine Zuneigung offenbart, verkompliziert das ihren generellen Umgang miteinander und erzeugt bei ihr einen bedrückenden Zwiespalt. Derweil verführt Fred Emily, um mir ihr „unverbindlichen Spaß“ (sprich: Sex) zu haben, handelt er Teddy weitere Schwierigkeiten ein und erweckt sein leichtsinnig-bedenkliches Verhalten die steigende Befürchtung eines „drohenden Unglücks“...
„Palo Alto“ richtet sich an ein Nieschenpublikum abseits des Mainstreams und greift dabei bestimmte Themen auf, die in der Vergangenheit bereits mehrfach (zum Teil auf ähnliche Weise) cineastisch angegangen wurden. Nichtsdestotrotz bilden die auf Adoleszenten einwirkenden Hoffnungen, Träume, Sorgen, Ängste und Belastungen, ihre häufig noch nicht gefundenen oder gefestigten Identitäten, die mit dieser Phase des Erwachsenwerdens unweigerlich verknüpften Unsicherheiten, Dränge, Vorzüge, Erfahrungen und Emotionen seit jeher reizvolle Motive der Betrachtung – insbesondere für Leute, die an einem „Verstehen“ der betreffenden Generation interessiert sind. Man kann demnach von einer zeitlosen Materie sprechen, welche sich in diesem Fall in eben jener als „privilegiert“ geltenden Stadt im Santa Clara Tal abspielt – und das in der heutigen Gegenwart, in der die Kids zwar allesamt via Internet und Smartphones miteinander vernetzt sind, ihnen die verfügbare Technik im Rahmen „echter“ sozialer Interaktionen (z.B. beim persönlichen Kennenlernen oder dem Führen substanziellerer Unterhaltungen) aber auch nicht weiterhelfen kann. Nicht bloß anhand der zwischenmenschlichen Kontakte beleuchtet Coppola die unterschiedlichen Schwierigkeiten dieser Heranwachsenden, vernünftige Entscheidungen zu fällen und festere Verbindungen einzugehen. Im Zuge dessen entfalten sich die einzelnen verflochtenen Plotstränge beinahe so „schweifend“ anmutend wie die Tage und Nächte der nicht selten angetrunkenen und/oder bekifften Protagonisten – was u.a. in Kombination mit dem ruhigen Tempo mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack trifft...
Der Film bemüht sich nicht darum, etwaige soziale Ursachen Schrägstrich Missstände zu analysieren, sondern wahrt stets eine merkliche (gelegentlich unbefriedigende) Distanz zu den Geschehnissen – nimmt sozusagen eine reine „Beobachter-Position“ ein, welche weder das Ziel hat, zu hinterfragen noch zu werten. Dies macht es nicht unbedingt leichter, Sympathien für diese Teens zu entwickeln, die aus gutsituierten Familien stammen sowie die Langeweile und „Leere“ ihres Alltags gern mit Sex, Feiern und banalen Konversationen zu füllen bzw. zu vertreiben versuchen. Zwischendurch gibt es aber auch den einen oder anderen Augenblick zu verzeichnen, der einem bewusst werden lässt, dass man sich in jenem Alter vielleicht nicht gerade grundverschieden verhalten hat. Den „Ernst des Lebens“ haben sie im Prinzip ja erst noch vor sich: Zwar naht der Übergang aufs College – doch existieren sie viel lieber „im Jetzt“, ohne sich groß mit den Konsequenzen ihrer Taten zu beschäftigen sowie frei eines konkreten Plans für die Zukunft. April hat das Potential einer stattlichen Karriere, blüht zunehmend auf – ist zugleich jedoch zurückhaltend, unsicher und unschuldig; lässt sich von Emotionen leiten. Es verwirrt sie und setzt ihr zu, wie Mr.B ihr gegenüber auftritt: Sie ist hin- und hergerissen zwischen Neugier, Vernunft und einer Fülle anderweitiger Gefühle. Privat flirtet er mit ihr, spannt sie als Babysitterin ein – wohingegen er ihr beim Fußball-Training und in der Schule kaum noch Beachtung schenkt. Ein durchaus fordernder Part, welchen Julia´s Nichte und Eric´s Töchterchen Emma Roberts („Twelve“) mit Bravour sowie genau der richtigen Ausstrahlung meistert...
Teddy registriert nicht, dass April etwas für ihn empfindet – und traut sich im Gegenzug auch nicht, in der Hinsicht den ersten Schritt zu wagen. Dies resultiert darin, dass sie nicht wirklich wissen, wie sie miteinander umgehen sollen: Eine von überspielter Schüchternheit geprägte, nachvollziehbare Situation. Er selbst ist sensibel – lässt sich aber immer wieder von Fred mitreißen und sieht für sich ebenfalls noch keine erstrebenswürdige Perspektive. Erst im Laufe gerichtlich angeordneter Sozialstunden wird ihm so einiges klar – vor allem in Bezug auf seinen Kumpel. Gegen Ende hin drückt man ihm dann tatsächlich gar ein Stück weit die Daumen – was mit ein Verdienst der überzeugenden Darbietung Jack Kilmers ist. Seinerseits ein absoluter Newcomer sowie der Sohn „Iceman“ Vals – welcher in einer Nebenrolle übrigens April´s Stiefvater mimt – präsentiert er bei seinem Screen-Debüt u.a. eine natürliche Ausstrahlung, die sich sehen lassen kann. Fred unterdessen ist ein notorischer Unruhestifter: Konfrontativ, aggressiv und nihilistisch, stets am Provozieren sowie eindeutig Therapiebedarf aufweisend, rammt er gleich in seiner Einstiegs-Szene seinen Wagen spontan einfach mal gegen eine Mauer am Rande eines Supermarkt-Parkplatzes. Natürlich „nervt“ die Figur aufgrund ihrer Art wiederholt – bloß ist das ja ein zentraler Bestandteil des Ganzen und ist sie obendrein komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint. Man ahnt, dass es mit ihm (in irgendeiner Form) gewiss „nicht gut enden“ wird. Nat Wolff („the Fault in our Stars“) portraitiert ihn den Vorgaben entsprechend glaubwürdig – stößt zum Schluss hin allerdings doch ein wenig an seine darstellerischen Grenzen...
Und dann wäre da noch Emily – mit feinen Nuancen stark gespielt von Zoe Levin („Trust“) – einem hübschen, promiskuitiven und isolierten Mädel, das durch das Vergeben von Blowjobs und Sex (fälschlicherweise) sowohl Anerkennung als auch Liebe zu finden wünscht. Sie mag Teddy – doch der signalisiert kein echtes Interesse. Eines Tages widmet ihr ausgerechnet Fred ein reges Maß an Aufmerksamkeit – worauf sie sich mit ihm einlässt. Es ist fast schon tragisch mitzuverfolgen, wie sie sich gerade bei jemandem wie ihm derart bemüht – hoffnungsvoll, mit einer Tendenz zur Verzweiflung hin. Speziell bei ihren jungen Akteuren beweist Coppola einen Sinn dafür, ihnen wunderbar authentisch wirkende, bestens miteinander harmonierende Performances zu entlocken. Fraglos mangelt es diesen Kids an kompetenten Vorbildern: Die Erwachsenen hier sind entweder ahnungslos, unfähig, betäubt oder Trieb-gesteuert. April´s Botox-gezeichnete Mutter – verkörpert von Jacqui Getti („Goats“), Gia´s eigener Mom – sagt ihrer Tochter zwar immerzu, wieviel sie ihr bedeutet, doch kommen einem diese Momente auffallend oberflächlich vor. Als ihr offenbar kranker, ständig medizinisches Marihuana zu sich nehmender Lebensgefährte ist Val Kilmer („Twixt“) in Gestalt eines schrägen Cameos mit von der Partie, Chris Messina („Greenberg“) lässt als Fred´s unheimlicher, sich Teddy eines Abends „annähernder“ Vater erahnen, wo einige der Probleme seines Sohnes so verwurzelt liegen, und James Franco („127 Hours“) hat die Rolle des mit einzelnen seiner Schülerinnen anbändelnden Trainers inklusive seines gewohnten Charmes angelegt, was nur noch zusätzlich zu dem betreffenden „Beigeschmack“ beiträgt...
Coppola hat die losen Handlungsstränge der Kurzgeschichten ergiebig miteinander verwoben, setzt sporadisch unaufdringlich eingebundene Voiceover-Einspielungen ein, um Übergänge zu schaffen, und ist allen Aspekten der Materie mit dem nötigen Ernst begegnet. Die Sache ist bloß, dass einem vieles schlichtweg zu vertraut sowie nicht tief genug ausgelotet vorkommt – z.B. im Bereich der Ausübung sexueller Macht. Dem Film geht es nicht darum, ein Statement abzugeben, belehrend den moralischen Zeigefinger zu erheben, zu provozieren oder das Publikum gar irgendwie zu schockieren – sondern um das Gewähren eines Einblicks in das Leben dieser jungen Menschen in jener spezifischen Altersphase und Umgebung. Nicht alles ist hoffnungslos und düster – wobei allerdings zu erwähnen ist, dass einige kontroversere Kapitel des Buchs unadaptiert verblieben und manche Tat im Vorliegenden nicht mehr als nur angedeutet wird (wie dass Fred Emily dazu bringt, noch mit einer ganzen Reihe anderer Jungs zu schlafen). Wir haben es hier also mit einem Werk zutun, dass eher der Tradition von „the Virgin Suicides“ und „the Myth of the American Sleepover“ als der „vordergründiger“ Streifen á la „Kids“ oder „Havoc“ folgt. Begünstigt seitens ihres Fotografie-Studiums, weist Gia ein geschärftes Auge für ausdrucksvolle, oft mit ironischer Absicht arrangierte Details auf – wie eine sterbende Pflanze im Büro einer Zukunftsberaterin oder ein überaus mädchenhaftes Unterhöschen. Gemeinsam mit Cinematographer Autumn Durald („In Organic we trust”) ist ihr das Kreieren einer sanften, intimen, unprätentiösen Bildersprache gelungen, bei der mir die Verwendung punktueller Nahaufnahmen besonders prima gefiel...
„Palo Alto“ vermittelt eine melancholisch-triste Stimmung, zu der sowohl die Kameraarbeit als auch die erstklassige Musikuntermalung Robert Schwartzmans eine Menge beitragen. Die Titel-gebende nordkalifornische Stadt wird demgemäß ins rechte Licht gerückt – meist in Gestalt nur spärlich bevölkerter Straßen, ruhig und unspektakulär, nichtsdestotrotz angenehm. Eigentlich ein schöner Ort zum Leben – für diese Jugendlichen aber nunmal relativ unaufregend. Im übertragenen Sinne verhält es sich mit dem Film an sich letztlich nicht unbedingt allzu unähnlich: Unabhängig einiger typischer „Indie-Klischees“ (etwa die verträumt im Fahrtwind ausgeführte Wellenbewegung einer aus dem Wagenfenster gehaltenen Hand) stellt Coppola unverkennbares Potential und Talent zur Schau – bloß kennt man Storys wie diese bereits in allerlei Variationen und vermag ihr Beitrag zu diesem Sub-Genre (leider) mit keinerlei echten Innovationen oder neuen Erkenntnissen aufzuwarten. Ergänzt wird das um vereinzelte Szenen, die einen „zu forcierten“ Eindruck heraufbeschwören – wie als ein Lehrer Fred dazu ermahnt, seine „eingeschlagene Richtung“ doch besser zu überdenken, ehe es dafür irgendwann zu spät ist, und diese Aussage zum Schluss hin dann noch einmal (fern von subtil) aufgegriffen wird. Schon die Vorlage Francos zeichnet sich stärker durch ihren Stil als ihren konkreten Inhalt aus – was so (ja geradezu zwangsläufig) ex aequo auf Gia´s Adaption zutrifft, die ebenfalls über deutlich mehr Atmosphäre als Substanz verfügt. Demnach ist dieses entschleunigte, handwerklich hochwertige sowie gut gespielte „Coming-of-Age“-Drama in erster Linie all jenen zu empfehlen, die ein spezielles Faible für Veröffentlichungen dieser Art hegen...