Entstehungsdaten:
USA 2008
Regie:
Bruce Dickson
Darsteller:
Henry Thomas
Kelli Garner
Forrest J. Ackerman
Natalia Baron
Eric Jungmann
Lateef Crowder
Trailer
Bei „Red Velvet“ handelt es sich um eine bitterböse Low-Budget-Horror-Thriller-Slasher-Comedy-Groteske, mit welcher der „hauptberufliche“ Cinematographer Bruce Dickson („Stitch“) im Jahre 2008 sein Regiedebüt ablieferte: Ein ebenso pechschwarzer wie schräger Streifen, der seinem unter einigen Genre-Fans vorherrschenden, oftmals ja durchaus mit Vorsicht zu genießenden Ruf eines „kleinen Geheimtipps“ im Großen und Ganzen erfreulich passabel gerecht wird...
Aufgrund der dünnen Wände seines Appartements wird der Schriftsteller Aaron (Henry Thomas) regelmäßig Zeuge der meist recht heftigen (teils auch physischen) Auseinandersetzungen zwischen seiner Nachbarin Linda (Kelli Garner) und ihrem Boyfriend Kyle (Jordan Hagan) – was ihn nervt und aufregt, da er unter diesen ablenkenden Umständen nicht vernünftig zu arbeiten vermag. Als er eines Morgens mitbekommt, wie sie mit einem Korb voller Wäsche unterm Arm in ihren Wagen steigt, fährt er ihr kurzerhand bis zu einem nahe gelegenen Waschsalon nach, in welchem er (bewusst) einige Münzen zu Boden fallen lässt – worauf sie ihm freundlicherweise (wie beabsichtigt) einen entsprechenden Hinweis gibt und es ihm auf jenem Wege möglich ist, sie in ein Gespräch zu verwickeln, ohne es selbst eröffnen zu müssen. Umgehend beginnt er damit, all seinen aufgestauten Frust an ihr auszulassen: Frei heraus äußert er seine Meinung über sie, ihre Beziehung und das von ihm Gehörte, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen – und zwar in einem ziemlich aggressiven, beleidigenden Tonfall. Obgleich erst einmal ein wenig baff, schlägt Linda jedoch rasch einen direkten Konfrontationskurs ein – was prompt in einem bissig geführten verbalen Schlagabtausch mündet...
Unweigerlich stacheln sie seine Provokationen dazu an, auf eben jene einzugehen. Aus der Empörung und Verärgerung heraus entwickelt sich aber ebenfalls eine zunehmende Neugier, was dieser Typ wohl damit bezwecken will – weshalb sie sich wenig später auch darauf einlässt, gemeinsam eine Kleinigkeit essen zu gehen, während ihre Klamotten noch in den Maschinen rotieren. Trotz weiterhin vorherrschender Anspannung „verbessert“ sich ihre Konversation dabei gedeihlich: U.a. gesteht sie ihm, generell gerade schlecht gelaunt zu sein, da sie eigentlich mit einigen Freunden (in einer abgelegenen „Cabin in the Woods“) eine Party feiern wollte – was ihr Kyle jedoch zugunsten einer Sport-TV-Übertragung verwehrte. Im Gegenzug verrät er ihr seine Profession – und als sie daran tatsächlich ein gewisses Maß an Interesse zeigt, erzählt er ihr spontan zwei kurze Geschichten, welche sie aber relativ schnell als „lahm“ abstempelt. Der dritte Versuch, für welchen er ihren angedachten Trip als Ausgangslage verwendet – samt eines irren Killers, der die betreffenden Leute einer nach dem anderen abschlachtet – kommt dagegen wesentlich positiver an: Bald schon steuert Linda selbst immer mehr zur Gestaltung der Story bei, wobei die Grenze zwischen Realität und Fiktion zunehmend verschwimmt...
Da „Red Velvet“ kein Problem damit hat, an ausgewählten Stellen im Verlauf einfach mal die bis dato eingeschlagene Richtung zu wechseln, wird das Publikum konstant bei Laune und Aufmerksamkeit gehalten – und das auch unabhängig darüber hinaus zur Schau gestellter Attribute wie Kreativität und einem anständigen Unterhaltungsgrad. Bereits in der Anfangsphase, als man gerade dabei ist, sich in den Film hineinzufinden, sich also erste Vermutungen und Vorstellungen hinsichtlich der prinzipiellen Entfaltungsweise zu konkretisieren beginnen, erwischen einen Aaron´s unverhohlene Beschimpfungen unerwartet auf dem falschen Fuß, nachdem man im Vorfeld quasi auf eine „abweichende Fährte“ gelenkt wurde: Er folgt Linda, deren Beziehungsprobleme er ja kennt, und arrangiert eine Begegnung, in der sie ihn anspricht bzw. förmlich ansprechen muss – wodurch man eher annimmt, dass er wohl schüchtern ist, heimlich etwas für sie empfindet und von daher auf diese Weise den Kontakt zu ihr sucht. Tja, nicht so wirklich. Die Beschaffenheit ihres sehr unverblümt geführten, von gegenseitigen Sticheleien, Angriffen und Verteidigungen geprägten Gesprächs ist ebenso eigenwillig und angrenzend surreal wie überraschend und vergnüglich beizuwohnen – was wunderbar mit dem gesamten „Stil&Ton“ des Films an sich harmoniert…
Geschickt konzipiert sowie mit spitzzüngigen Dialogen ausgestattet, bilden diese Szenen sozusagen „das Rückrad“ des Werks und stellen zudem zügig heraus, dass es sich bei den Protagonisten um starke (wenn auch nicht umfassend gefestigte) Persönlichkeiten handelt. Je mehr sie reden, desto besser lernen wir sie kennen – und desto umfangreicher erschließt sich einem die eigentliche Tiefe der Materie. Aaron ist nicht bloß einer, dem das Niedermachen Lindas reine Genugtuung beschert, sondern simultan ein cleverer Manipulator und achtsamer Beobachter, der ihre Situation und Wesensart treffend einzuschätzen weiß und obendrein über einen gewissen Charme sowie ein reizvolles Talent verfügt, über welches sie sich einander schließlich ja auch annähern. Dank seines Gebarens wird er einem zwar nie unbedingt geheuer oder sympathisch – doch trägt der überzeugend auftretende Henry Thomas („11:14“) mit seiner Performance dienlich dazu bei, dass einem der Part nie zu unausstehlich wird. Trotz vereinzelter Momente, in der sie „etwas hölzern“ anmutet, wird Kelli Garner („Horns“) der Rolle Lindas dennoch gut gerecht: Eingangs perplex, peinlich berührt, schmerzhaft ertappt und angegriffen, dann erbost und darum bemüht, ihm Paroli zu bieten (getreu ihres Charakters, parallel dazu aber genauso als Präsentation ihrer Selbststärke, welche jedoch nur eingeschränkt über eine „schützende Fassade“ hinausreicht), gelangt sie irgendwann zu der Erkenntnis, dass er sie tatsächlich erstaunlich klar durchschaut hat – was zum Teil befreiend wirkt und sie ferner dazu animiert, sehen zu wollen, wohin die ganze Sache denn wohl führen mag...
Als Aaron Linda mit seinen ersten Kurzgeschichten (in denen es u.a. um einen Ninja und eine merkwürdige Familie mit tyrannischer Mutter geht) nicht gerade beeindrucken kann, nutzt er ihre ursprünglichen Wochenendpläne als Grundlage seines dritten Versuchs – was bei ihr einen deutlich positiveren Anklang findet. Die meisten Inhalte seiner Erzählungen werden dem Betrachter dabei in Form entsprechender Sequenzen aufgezeigt: Mit einem merklichen „Augenzwinkern“ versehen sowie regelmäßig unterbrochen – etwa wenn Linda ihn auf Unstimmigkeiten oder zu gravierende Abweichungen von der Realität hinweist, ihm zusätzliche Infos zu den einzelnen Figuren liefert, welche ja allesamt nach ihren Bekannten gestaltet wurden, sowie überdies diverse Anmerkungen und Vorschläge (zum Zwecke der Story-Optimierung) äußert. Kontinuierlich arbeitet er ihre Anregungen und Korrekturen in seine geschilderte Version der Ereignisse ein – variiert regelmäßig Fahrzeug-Typen und Klamotten, spricht den Leuten andere Verhaltensweisen zu oder erhöht (auf Wunsch) auch schonmal den generellen Härte-Grad. Ein maßgeblicher Anteil des vermittelten Spaßfaktors der Verlaufsentfaltung generiert sich aus exakt diesem lockeren Umgang mit der Materie: Ein Ansatz, der mit Absicht an klassische Spuk-Geschichten erinnert, die vornehmlich von Jugendlichen an nächtlichen Lagerfeuern erzählt werden, und der einem zugleich (u.a. aufgrund der schrägen Kombination aus einem beißenden Humor, ernsteren Momenten sowie sporadisch auftretenden Ausbrüchen Comic-hafter Gewalt) geschätzte Anthology-Formate á la „Tales from the Darkside“ (auf angenehme Art) ins Gedächtnis zurückruft...
Es ist heutzutage wahrhaft schwierig, einen echt coolen sowie länger im Gedächtnis haftenden Killer zu erschaffen: Ein Kunststück, das nur alle Jahre wieder mal einer Genre-Produktion gelingt – siehe bspw. Robert Hall´s schweigsamen Schlitzer „Chromeskull“ in „Laid to Rest“ (plus Fortsetzung). Würde es eine solche Liste geben, hätten sich die Macher hier nun ihren Eintrag gesichert, denn der Psychopath ihres Werks, welcher übrigens im Rahmen eines köstlichen Brainstormings von Linda und Aaron „kreiert“ wird, geht gar weit über die ihm zuordbaren Eigenschaften „originell“ und „ziemlich durchgeknallt“ hinaus: Gekleidet in einem weißen Overall, der die „Spuren seiner Taten“ sowohl bewahrt als auch akzentuiert, trägt er einige seiner „Weapons of Choice“ in einem rosafarbenen Werkzeuggürtel bei sich und hält sein Gesicht hinter einer Maskierung verborgen, welche mit kleinen LED-Leuchten ausgestattet ist und an der er zudem (wie Ohren angeordnet) einen Lautsprecher und eine Polaroid-Sofortbild-Kamera befestigt hat – um so die aufgenommenen Schreie der vorherigen Opfer in Gegenwart der künftigen (zur Steigerung ihrer Angst) abzuspielen sowie kurz vor ihrer Tötung überdies noch ein Foto von ihnen zu schießen, so dass „ihr letzter Blick auf Erden“ nicht nur auf ihren Mörder, sondern auch auf ihren eigenen entsetzten Gesichtsausdruck fällt: Überzogen, makaber, klasse! Lateef Crowder („Tekken“) verkörpert ihn mit „angepassten“ Gesten und Bewegungen – und so beginnt man jedes Mal unweigerlich zu grinsen, wenn der „Maniac“ (wie er in den Credits genannt wird) auftaucht bzw. ins Geschehen eingreift…
Während seiner „Pseudo-Slasher-Phase“ spielt der Streifen auf amüsante Weise mit vielen der seit jeher quasi fest mit dazugehörenden Klischees, deren Wurzeln ja bis in die 1970er zurückreichen und welche vor allem in den '80ern gedeihlichen Nährboden fanden – und so steht in jenen Szenen (statt der Suspense-Erzeugung) vorrangig die Erheiterung des (primär mit Kontexten dieser „cineastischen Gattung“ vertrauten) Zuschauers im Vordergrund. Neben dem obligatorischen „T&A“-Anteil, welcher sich in Gestalt eines recht freizügigen und nicht gerade kurzen Geschlechtsakts inmitten der freien Natur manifestiert, bereiten in erster Linie die tendenziell „over the Top“ arrangierten Kills die meiste bzw. größte Laune: U.a. gibt es „unschöne Dinge“ wie fiese Messerwunden, Blutfontänen, einen mit einem Hammer zertrümmerten Schädel, einen durchs Bild fliegenden Kopf, grotesk aneinander geklebte Leichen oder ein unglückseliges Opfer, das mit einer Baumsäge einmal komplett in der Mitte (vertikal) durchtrennt wird, zu betrachten. Meine „liebste Tötung“, die mich überaus herzlich lachen ließ, markiert jedoch zweifellos folgende: Ein Pärchen stürzt in ein ausgehobenes Loch im Waldboden, worauf ihnen ein Seil hinuntergeworfen wird und sie (natürlich) sofort daran zu ziehen anfangen, da sie glauben, es würde ihnen jemand helfen wollen – nur wurde ans andere Ende ein Krokodil (!) angebunden, welches sie nun mit jedem Zug ein Stückchen näher an die Kante heranschleifen…
Optisch wartet der Film mit ebenso kräftigen wie anregend anzusehenden (roten, gelben, orangen, bläulich-lilanen) Farbtönen auf, die einen unweigerlich an die von Dario Argento früher gern zur Schau gestellten visuellen Kompositionen denken lassen und gemeinsam mit den inspiriert gewählten Kamera-Perspektiven sowie der atmosphärischen Nutzung von Licht, Schatten und künstlichem Nebel der gesamten Angelegenheit einen interessanten Look verleihen. Regie-technisch hat Dickson das Projekt stimmig sowie „mit festem Griff“ realisiert: Seine Inszenierung ist kreativ, die Wechsel zwischen den einzelnen Erzählebenen wurden prima getimed und treiben die Story (trotz der langen Dialog-Passagen) stets zügig voran. Etliche Details (wie z.B. sporadisch eingefügte kurze Cartoon-eske Bildmontagen mit dem Killer im Mittelpunkt) sind derart klasse, dass man leicht über „kleinere Macken“ hinwegsehen kann – wie ein Part mit einer asiatischen Kellnerin, der bei mir einfach keinen Anklang zu finden wusste. Was dem Werk letztlich allerdings (unterm Strich) die Wertung „herausragend“ verwehrt, ist dass einige Hinweise auf den Ausgang zu früh eingestreut wurden, wodurch manche Entwicklungen vorausgesehen werden können und es dem Finale an einer erhofften „substanziellen Überraschung“ mangelt – was an dem generellen Unterhaltungswert allerdings nicht wirklich viel ändert. Summa summarum kann man es wie folgt umschreiben: „Scream“ trifft „Hatchet“ trifft „Tales from the Crypt“. Wer diese Charakterisierung als reizvoll erachtet, sollte getrost mal einen Blick riskieren…
Fazit: „Red Velvet“ ist eine eigenwillige Kombination aus einer schrägen Beziehungsgeschichte und einem „Eighties-Slasher-Flick“ – ergänzt um einen Hauch „Creepshow“: Eine kreative, unabhängig produzierte, ungehobelt-ansprechende Horror-Thriller-Comedy-Groteske, die gekonnt mit diversen Stereotypen und Konventionen des Genres spielt – sehr zur Freude des geneigten Publikums…
gute