Entstehungsdaten:
USA-Chile 2015
Regie:
Eli Roth
Darsteller:
Keanu Reeves
Lorenza Izzo
Ana de Armas
Aaron Burns
Ignacia Allamand
Trailer
Knock, knock.
Who's there?
Cheating Evan.
Cheating Evan who?
Cheating Evan-tually gets you killed...
Mit seinem 2015er „Home Invasion“-Thriller „Knock Knock“ hat Regisseur und Drehbuch-Co-Autor Eli Roth nicht nur ein überlegenes Remake des schrägen kleinen B-Movies „Death Game“ aus dem Jahre 1977 erschaffen, sondern simultan auch sein bislang unblutigstes Werk vorgelegt. Seinem eigenwilligen Sinn für Humor ist er dabei allerdings treu geblieben – was manch einem Zuschauer mit Sicherheit nicht ganz so gut munden dürfte, an sich jedoch prima mit der grundlegenden (markant bitterböse-satirisch ausgerichteten) Materie harmoniert. Allein schon der zweideutige, bewusst auf die entsprechenden Witze anspielende Titel sollte einem klar zu erkennen geben, das Gebotene auf keinen Fall allzu ernst zu nehmen – und so eröffnet der Film stracks inmitten eines gesegneten sowie in Sonnenschein getauchten Familienidylls: Im Schlafzimmer eines schicken Eigenheims in den Hollywood Hills befinden sich der Architekt Evan (Keanu Reeves) und seine Gattin Karen (Ignacia Allamand) gerade unmittelbar davor, miteinander intim zu werden, als plötzlich die Tür aufgeht, ihre beiden Kinder (Dan und Megan Baily) hereinstürmen und diese ihm (samt eines gebackenen Kuchens) herzlichst zum Vatertag gratulieren. Er ist ein talentierter Architekt und ehemaliger DJ, sie eine erfolgreiche Künstlerin: Ein attraktives Paar, deren Ehe weitestgehend harmonisch verläuft – komplett mit Nachwuchs wie aus dem sprichwörtlichen „Bilderbuch“...
Große Familienfotos mit glücklichen Menschen an den Wänden, die stilvolle Inneneinrichtung (mit diversen Malereien, Skulpturen und eleganten Möbeln) sowie das Verhalten der beteiligten Personen: Nicht nur auf den ersten Blick ein erstrebenswertes Leben, das uns Herr Roth da präsentiert – welches er jedoch ein kleines Stück weit potenziert ins rechte Licht gerückt hat, so dass man sich ein leichtes Schmunzeln kaum verkneifen kann. Während Karen und die Kids nun zu einem Wochenend-Trip an die Küste aufbrechen, bleibt Evan derweil (in Gesellschaft des Familien-Hündchens) daheim zurück, um ungestört einen seiner Entwürfe fertigzustellen. Am Abend bricht draußen die Dunkelheit an, es beginnt heftig zu regnen. Drinnen arbeitet er fleißig am Rechner – gönnt sich zwischendurch aber auch mal etwas Wein, einen Joint sowie das Abspielen einiger seiner Schallplatten-Raritäten. Plötzlich klopft es – und nach dem Öffnen der Vordertür stehen ihm die völlig durchnässten Mädels Genesis (Lorenza Izzo) und Bel (Ana de Armas) gegenüber: Offenbar hat sie ein Taxifahrer auf dem Weg zu einer Party an einer zwar ähnlich klingenden, nichtsdestotrotz falschen Adresse abgesetzt, wonach sie vom Niederschlag überrascht wurden, ihr einziges mitgeführtes Handy aufgrund der Feuchtigkeit den Geist aufgab und sie seitdem orientierungslos in der Gegend herumgeirrt waren – bis sie bei ihm noch brennendes Licht erspäht hatten...
Von Natur aus freundlich und hilfsbereit, bittet Evan das Duo herein, reicht ihnen Handtücher und kümmert sich um ihren Wunsch nach Abholung: Als Wartedauer gibt der kontaktierte „Uber“-Service 45 Minuten an. In der zu überbrückenden Zeit versorgt er sie u.a. mit heißen Getränken und Bademänteln, legt ihre Wäsche in den Trockner und unterhält sich mit ihnen ausgelassen im Wohnzimmer. Nach und nach werden die Gesprächsthemen und Komplimente jedoch immer freimütiger – u.a. fallen Sätze wie
„Sex with boundaries isn't really sex. If our bodies are capable of doing it, then we are meant to...“ Evan erhält Schmeicheleien, die nicht ohne Wirkung verbleiben – versucht dabei die Ruhe zu bewahren und die Situation zu kontrollieren. Es macht Spaß, den Dreien bei ihren Interaktionen beizuwohnen: Ihr direktes, verführerisches Auftreten auf der einen Seite und sein Bemühen sowohl um Standhaftigkeit als auch darum, trotz allem ein charmanter Gastgeber zu sein, wurde von Roth ebenso inspiriert wie amüsant arrangiert. Er serviert uns diese klassische Männerphantasie in einer Art und Weise, die unabhängig ihrer Schlüpfrigkeit und Absurdität dennoch ihre Glaubhaftigkeit nicht verliert und überdies mit vereinzelten durchaus cleveren Details und Subtexten aufwartet. Evan genießt das Interesse, das ihm zuteilwird – ist sich aber stets der Grenzen bewusst, welche er mit beherztem Engagement einzuhalten versucht...
Die zentrale (provokante) Frage lautet: Ist es überhaupt irgendeinem Mann möglich, in einer solchen Lage
nicht schwach zu werden – erst recht nach einigen Ehejahren, wenn er sich in seinen Vierzig- oder Fünfzigern befindet und die hübschen, ihm zuneigende Aufmerksamkeit schenkenden Damen in etwa bloß halb so alt sind wie er? Schwer zu sagen. Spätestens als sich ihm beide splitternackt im Bad offenbaren und ihn prompt an allerlei Körperpartien zu berühren und zu küssen anfangen, vermag auch er ihnen nicht mehr zu widerstehen: Der gerufene Wagen trifft ein und fährt nach ausbleibender Reaktion schließlich wieder davon – während sich im Innern des Hauses eine stürmische, ansprechend (u.a. durch beschlagene Glasscheiben hindurch) gefilmte sowie an sich überraschend zurückhaltend dargereichte Ménage-à-trois entfaltet. Am nächsten Morgen erwacht Evan dann allein im Ehebett – doch sind die Mädels keineswegs verschwunden, sondern haben sich stattdessen (ohne dabei auf jegliche Ordnung zu achten) in der Küche Frühstück gemacht. Sie sind aufgedreht, weigern sich zu gehen und drohen ihm sogar mit einer Strafanzeige auf der Basis „sexueller Handlungen mit Personen im Schutzalter“ – also
Statutory Rape. Evan ist wütend, zugleich perplex und steckt in einer regelrechten Zwickmühle: Juristisch, sofern sie nicht bluffen – definitiv aber moralisch auf Karen und seine Familie bezogen…
Nach einigem Hin und Her gelingt es ihm, die angeblichen Stewardessen zur Tür hinaus zu befördern – allerdings hält der Frieden nur bis nach dem nächsten Sonnenuntergang an, als sie sich erneut (dieses Mal heimlich) Zugang zu dem Gebäude verschaffen, ihn bewusstlos schlagen und an einem Stuhl festzurren. Es folgt eine eskalierende Aneinanderreihung von Demütigungen und erhitzten Disputen (über Untreue, das generelle männliche Gebaren Frauen gegenüber etc.), die zunehmende Verwüstung der teuren Inneneinrichtung – im Rahmen derer sie sich u.a. Evan´s Platten-Sammlung vorknöpfen, die Wände mit gehässigen Sprüchen beschmieren sowie Karen´s Kunstwerke zerstören – ergänzt um diverse „Spielchen“, die sie mit ihrem entgeisterten Opfer treiben, wie z.B. ein mit einer drohenden Schädigung seines Gehörs verknüpftes Quiz. Im Gegensatz zu seinen vorherigen Veröffentlichungen verzichtet Roth hier jedoch auf explizite Gewaltdarstellungen zugunsten einer eher psychologisch orientierten Ausrichtung eben jener Momente: Von „Torture Porn“ vermag man im Vorliegenden wohl kaum zu sprechen. Anders als viele artverwandte Streifen erfreut der Film zudem mit einer charakteristisch-leichtlebigen „Energie“, die Laune bereitet und simultan das kontinuierliche „Augenzwinkern“ der Materie zusätzlich ersprießlich steigert: Als Zuschauer soll man in erster Linie unterhalten, und nicht unbedingt nachhaltig schockiert werden…
In „Cabin Fever“, seinen zwei „Hostel“-Flicks sowie auch „the Green Inferno“ hat Roth seine Protagonisten bislang immerzu aus ihren gewohnten, ihnen Sicherheit bietenden Umgebungen „herausgenommen“ und sie an Orte geführt, an denen sie dann irgendein unschönes Verhängnis ereilte. Dieses Konzept hat er nun quasi umgekehrt: Aus löblichen Motiven werden Fremde ins traute Heim hereingeladen und begeben sich fortan daran, das genau dort aufgebaute bzw. beheimatete Glück anzugreifen Schrägstrich niederzureißen. Im Kern der Sache geht es (wie so oft in diesem Genre) um Macht – welche von Männern und Frauen zumeist in unterschiedlicher Weise aufgefasst, empfunden und ausgeübt wird. Die traditionellen Geschlechterrollen wurden vertauscht, der „Spieß“ sozusagen umgedreht – allerdings ohne aus Bel und Genesis im Zuge dessen rein generische (in diesem Fall nun halt weibliche) Täter zu machen. Sie nutzen sexuelle Manipulationen dazu, die von ihnen auserkorenen Personen in der besagten Hinsicht zu testen – und sollten jene nicht standhaft bleiben, werden sie daraufhin flugs zum Ziel ihrer ganz individuellen Form der Bestrafung. Im Prinzip
wollen sie zurückgewiesen werden – also auf einen treffen, der sich der „fleischlichen Lust“ zugunsten der Liebe zwischen ihm und seinen Nahestehenden widersetzt – was so bislang jedoch noch nie geschehen ist, weshalb mit jeder entsprechenden „Enttäuschung“ ihre Abscheu und Wut nur noch weiter anwächst...
Ana de Armas („Blind Alley“) und Roth´s Gattin Lorenza Izzo („the Stranger“) verkörpern die Mädels prächtig: Ihre Balance zwischen sexy-verführerisch und psychopathisch-irre stimmt ebenso wie ihre „Chemie“ miteinander – und das sowohl im Bereich ihrer Handlungen als auch Dialoge. Speziell de Amras beherrscht die verschiedenen Facetten ihrer Figur sehr gut – einschließlich eines klangvollen Akzents sowie zeitweise die Schuluniform von Evan´s Tochter (plus aufgemalte Sommersprossen) tragend. Sie dominieren das Geschehen und haben sichtlich Spaß dabei. Eingangs überzeugt Keanu Reeves („John Wick“) im Umgang mit seiner Angetrauten (Ignacia Allamand aus „Downhill“) und den Kindern – bevor Evan Genesis und Bel gegenüber (später) relativ zügig die Kontrolle über die Lage entgleitet: Überfordert und machtlos, erlangt er in keiner Sekunde mehr die Oberhand zurück – was vergnüglich beizuwohnen ist, zumal Reeves jetzt nicht unbedingt der weltbeste Mime ist und dem Werk dadurch gar einen zusätzlichen Zacken „Campiness“ beschert. Köstlich schon unmittelbar zu Beginn die zu vernehmende Betonung seiner Reaktion auf den überreichten Kuchen seiner Kids:
„Chocolate – with sprinkles!“ Darüber hinaus treten in kleineren Nebenparts u.a. noch Aaron Burns („Fuerzas Especiales“) und Colleen Camp („Palo Alto“) in Erscheinung – wobei letztere in dem '77er Original (neben Sondra Locke) ja eine der beiden überdrehten Damen spielte...
Irgendwann im Verlauf, als Bel und Genesis Evan eröffnen, dass sie ihn für seine Verfehlung zu töten gedenken, gibt jener (aufgebracht, entgeistert, gefesselt, mit einer zugefügten Gabel-Stichverletzung sowie aufgesetzten Kopfhörern) einen grandiosen Monolog zum Besten, der in seiner Art und Vortragsweise absolut Kultstatus-würdig daherkommt:
„Death? Death?!? You're gonna kill me? You're gonna fucking kill me?!? Why? Why?!? Because I fucked you? You fucked me! You fucked me!!! You came to my house! You came to me! I got you a car, I brought you your clothes, you two took a fuckin' bubble bath! You wanted it! You wanted it!!! You came on to me! What was I supposed to do?!? You sucked my cock – you both fucking sucked my cock! It was free pizza! Free fuckin' pizza!!! It just shows up at my fuckin' door! What am I supposed to do?!? "We're flight attendants: Come on, fuck us! No one will know. Come on: Fuck us!" Oh, twosomes, threesomes: It doesn't matter! Starfish! Husbands! You don't give a fuck! You'll just fuck anything, you'll just fuck anything!!! Well, you lied to me! I tried to help you! I let you in: I was a good guy, I'm a good father!!! And you just fucking fucked me! What? And now you're gonna kill me?!? You're gonna kill me? Why??? Why??? 'Cause you fucked me?!? What the fuck-fuck-fuck?!? This is fucking insane!!!“ Einfach herrlich – und geradezu „ein Fest“ für so manchen User auf Seiten wie „YouTube“…
Komplett in Chile gedreht, liefert das moderne, geschmackvoll-edle Haus Evans und Karens den von Cinematographer Antonio Quercia („Sexo con amor“) ordentlich bebilderten Ereignissen eine ansprechende Kulisse – während innerhalb des Skripts aus der Feder des „Aftershock“-Trios Guillermo Amoedo, Nicolás López sowie Roth himself klassische Elemente von Filmen á la „Fatal Attraction“ und „Funny Games“ um zeitgemäße Beigaben wie „FaceTime“ oder die sozialen Medien ergänzt wurden. Fachgerecht wird Spannung und die ins Auge gefasste Atmosphäre erzeugt sowie die launig-reizvolle Beschaffenheit der Situation dargelegt, bevor so einige typische „Home Invasion“-Genre-Versatzstücke (z.B. das unerwartete Auftauchen von Besuchern) „abgearbeitet“ werden, sich alles zunehmend weiter zuspitzt, vereinzelte psychologische Komponenten (insbesondere auf Seiten Bels) zutage treten und Evan´s Schicksal immer ungewisser wird – bis hin zu dem mit dem klangvollen Song
„Where is my mind?“ (der Pixies) untermalten Finale, welches mir prima zu gefallen wusste. Insgesamt bleibt an dieser Stelle nun also festzuhalten, dass Eli Roth mit „Knock Knock“ eine unterhaltsame, mit seinem üblichen Zynismus durchsetzte bitterböse-schwarzhumorige „Cautionary Tale“-Thriller-Satire realisiert hat, beim Ansehen derer ich im Grunde unentwegt unweigerlich grinsen musste…
knappe