Entstehungsdaten:
USA 2015
Regie:
Jorge Michel Grau
Darsteller:
Bella Thorne
Kyra Sedgwick
Frank Grillo
Aaron Tveit
François Arnaud
Trailer
Die sonnig-staubigen Weiten der Wüste New Mexicos: Ein in einer Kurve am Rande eines abgeschiedenen, sich zwischen einigen kleineren Bergen hindurchschlängelnden Straßenabschnitts stehender Van, neben dem eine leblose, offensichtlich verstorbene Person am Boden liegt. Während sich im Innern gedämpfte Laute vernehmen lassen, bewegt sich die Kamera langsam an die Hecktüren des Fahrzeugs heran – von denen sich eine wenig später öffnet und eine blutige Hand zaghaft nach draußen greift, welche unmittelbar darauf allerdings abrupt erneut hineingezogen wird, bevor in großen weißen Buchstaben auf schwarzem Untergrund der Titel des mit genau diesen Impressionen eröffnenden Films erscheint: „Big Sky“. Bei dem Werk handelt es sich um einen unabhängig produzierten, von Jorge Michel Grau („Somos lo que hay“) in Szene gesetzten dramatischen Thriller aus dem Jahr 2015, der u.a. mit einigen kompetenten Akteuren und einer ungemein reizvollen, vielversprechenden Story aufzuwarten vermag...
Seit dem Unfalltod ihrer Schwester Grace leidet die Teenagerin Hazel (Bella Thorne) unter Agoraphobie – einer aus eben jenem belastenden Ereignis hervorgegangenen psychischen Störung, die bei ihr eine immense Angst vor freien Flächen ausgelöst hat. Nur selten setzt sie daher überhaupt mal einen Fuß aus ihrem Zimmer, in welchem sie sich weitestgehend sicher fühlt und die meiste Zeit mit Lernen, Origami, Kartenkunde oder am PC verbringt. Jüngst ist es ihrer sich allein um sie kümmernden Mutter Dee (Kyra Sedgwick) jedoch gelungen, sie zu der Teilnahme an einer speziellen Therapie zu bewegen, die in einer Einrichtung fernab der City angeboten wird. Um ihr die Anreise bestmöglich zu erleichtern, hat man ihr im Ladebereich des sie abholenden Transporters extra eine Art „Kiste“ eingebaut, in der sie die mehrstündige Fahrt überdauern kann. Zudem entscheidet sich Dee spontan dazu, sie zu begleiten – um Hazel zusätzlich zu beruhigen und da der sie chauffierende Klinik-Mitarbeiter (Michael Sheets) einem Flirt nicht gerade abgeneigt anmutet...
Drei weitere Patienten sind ebenfalls mit an Bord: Ein gestresster Banker (Terry Dale Parks), ein junger Profi-Sportler im „Karriereknick“ (Ricky Tollman) sowie die ungefähr gleichaltrige Kleptomanin Vicky (Jodi Lynn Thomas). Rund 45 Meilen von ihrem Ziel entfernt – mitten im Ödland – werden sie plötzlich jedoch von zwei maskierten Gestalten mit Waffengewalt zum Anhalten gezwungen: Die Gebrüder Jesse (Frank Grillo) und Pru (Aaron Tveit) haben es auf Vicky angesehen, deren Vater überaus vermögend ist. Als Pru dann aber aus Nervosität einige Schüsse auf die vorne sitzenden Personen abfeuert, eskaliert die Lage: Sie verschleppen das Mädel und töten die verbliebenen Männer – übersehen Hazel allerdings in ihrem metallischen „Versteck“. Als sich jene dort schließlich herauswagt, stellt sie fest, dass ihre Mutter (schwer verletzt) tatsächlich noch am Leben ist. Ohne Funk- oder Handy-Empfang liegt ihre vermutlich einzige Chance auf eine rechtzeitige Rettung darin, dass sie ihre Phobie überwindet und sich zu Fuß auf den Weg ins nächstgelegene Städtchen begibt...
„Big Sky“ hätte das Zeug zu einem packenden „85-Minüter“ gehabt – wenn Regisseur Grau und Drehbuchautor Evan M. Wiener („Monogamy“) es nicht beide dermaßen vermasselt hätten. Eine Geschichte wie diese, welche sich um eine verängstige, traumatisierte Jugendliche rankt, die in eine Extremsituation gerät und sich auf einmal dazu veranlasst sieht, ihrer schlimmsten Furcht aktiv entgegenzutreten, schreit geradezu nach der „keep it simple“-Herangehensweise – aber nein, stattdessen reicherte sie Wiener mit verschiedenen Subplots an, aus deren Reihen die meisten augenfällig „unterentwickelt“ daherkommen sowie einige schlichtweg überflüssig sind. Die Einführung von Hazel und Dee, im Rahmen derer man einen bündig-ergiebigen Einblick in ihre miteinander verzahnten Alltagsumstände geboten erhält, weiß dabei noch zu überzeugen: Erstere ist verschlossen, nimmt Medikamente ein, sucht ihren Körper regelmäßig (zwanghaft) nach Läsionen ab und wird seitens ihrer sich für sie aufopfernden Mom versorgt, welche sich von so einigen ihrer Mitmenschen enttäuscht bzw. im Stich gelassen fühlt…
Nach mehreren Ärzten, die Hazel nicht wirklich helfen konnten, und mit einem Ex-Mann, der sich inzwischen lieber seiner momentanen Partnerin widmet, als sich um seine „vormalige Familie“ (u.a. in finanziellen Belangen) zu kümmern, blieb Dee im Grunde kaum eine andere Wahl, als ihre Tochter zu einer weiteren Therapie zu bewegen – vorhandener Skepsis hinsichtlich der Erfolgsaussichten zum Trotz. Die Idee mit der auf ihre Krankheit abgestimmten „Transport-Box“ gefiel mir auf Anhieb: Bis dato alles prima. Im Folgenden flirtet der von Michael Sheets („Good Kill“) gespielte Fahrer ein wenig mit Dee, die übrigen, mit Ricky Tollman (TV´s „the Strain“), Jodi Lynn Thomas („Solitary“) und Terry Dale Parks („the Last Stand“) besetzten Passagiere steigen hinzu und der Van lässt die Stadtgrenze hinter sich – worauf der (meiner Meinung nach etwas suboptimal präsentierte) Überfall auf den Kleinbus nicht lange danach in drei Leichen, einer Gekidnappten, der im Bauchbereich angeschossenen Dee sowie dem gewichtig-gravierenden Dilemma resultiert, welchem sich Hazel fortan stellen muss…
Angesichts ihrer abgelegenen Position auf einer unbefestigt-einsamen (mir persönlich als Teilstück ihrer Route nicht sonderlich glaubwürdig erscheinenden) Nebenstraße sowie der kritischen Verfassung ihrer Mutter entschließt sich Hazel relativ zügig dazu, den Fußmarsch bis in die fünf oder sechs Meilen entfernte nächste Siedlung zu wagen – wobei ihr „innerer Antrieb“ aus der Sorge erwächst, ihren letzten Nahestehenden verlieren zu können, wenn sie nicht rasch genug Hilfe holt. Beklommen (aber gewillt) bricht sie auf – nimmt ihre Pillen ein, visiert Zwischenziele an und bemüht sich (per Fokussieren und Selbstberuhigen) darum, ihre aufkeimenden Ängste zu unterdrücken. Samt verschwommener bzw. unscharf gehaltener Bildränder visualisiert der Film ihren Zustand u.a. in Form diverser „Point-of-View“-Shots sowie Nahaufnahmen ihres Antlitzes – und obgleich die karge Wüste mit dem riesigen Himmelspanorama darüber auf das Publikum nie so bedrohlich wie auf Hazel wirkt, wird einem dennoch ein durchaus nachempfindbarer Eindruck ihrer „Seelenlage“ vermittelt…
Irgendwann verlässt Hazel die Piste zugunsten einer direkteren Route, auf der ihr schon bald ihre Schwester Grace (Chiara Aurelia aus „Dead Celebrity“) begegnet: Eine Manifestation ihrer Zweifel, Befürchtungen und Eigenvorwürfen ebenso wie eine zusätzliche „Tatkraft-Quelle“, da sie sie damals ja nicht zu retten vermochte und aktuell wieder eine ganz ähnliche Konstellation durchlebt. Neben Gefahren wie Verletzungen, Schlangen oder sich zu verirren könnte sich überdies ein von François Arnaud (TV´s „the Borgias“) gemimter junger Herr als eine weitere solche entpuppen: Auf ihn trifft sie nach einiger Zeit – doch redet er eine Menge wirres Zeug (zitiert u.a. mit Vorliebe Aldous Huxley) und kommt einem sowohl stoned als auch nur bedingt vertrauenswürdig vor. Als Lead schlägt sich der einstige Kinder-Star Bella Thorne („the DUFF“) indes rundum wacker: Sie ist ein hübsches Mädel mit einem klangvollen Namen, das hoffentlich noch eine ersprießliche Karriere vor sich hat. Im Vorliegenden wäre es einfach zu wünschen gewesen, das Skript hätte ihr reichhaltigeres Material offeriert…
Während Hazel´s Abwesenheit kämpft Dee gegen die Schmerzen der Wunde sowie darum an, bei Bewusstsein zu bleiben und nicht zu verbluten. In der Tasche ihrer Tochter entdeckt sie dabei einige Aufzeichnungen, in denen jene ihre Beziehung zueinander thematisiert hat. Man kann sie verstehen – ihre Belastungen, Emotionen, getroffenen Entscheidungen – und Kyra Sedgwick („Reach Me“) macht ihre Sache ordentlich. Aber Wiener hat sich nicht bloß auf die Schicksale der zwei Frauen konzentriert – sondern obendrein u.a. noch die Verschleppung Vickys prominent in die Handlung mit eingeflochten. Unglücklicherweise wurde dieser Plot-Strang derart schlicht gestrickt, dass er im Prinzip arg unvorteilhaft nebensächlich anmutet – zumal weder sie noch das Verbrechen an sich (einschließlich der Frage nach der Identität des Auftraggebers) im Zentrum dieses Story-Abschnitts steht: Vielmehr erfährt die Verbindung bzw. die sich innerhalb des eindringlichen Kontexts entwickelnde „Dynamik“ zwischen den für die Tat verantwortlichen Brüdern eine wesentlich intensivere Beleuchtung…
Jesse, der ältere von ihnen, versucht die Situation tatkräftig unter Kontrolle zu bewahren – was sich als schwierig gestaltet, da Pru unberechenbar agiert und im Grunde stets im Blick behalten werden muss: So war jener es, der ohne Notwendigkeit das Feuer auf den Van eröffnete und (später) nur knapp daran gehindert werden kann, sich an der gefesselten Vicky (vermutlich in sexueller Absicht) zu vergreifen. Früher ein ungewolltes, oft bestraftes, geistig leicht zurückgebliebenes Kind, dem sich Jesse im Laufe der Jahre zunehmend angenommen hatte, ist Pru ebenfalls eine „mental instabile“, auf Medikamente angewiesene Person: Eine evidente Parallele zu Hazel und Dee. Obwohl sie keine „stereotypen Kriminellen“ sind, ihre Charaktere passabel gezeichnet wurden und Frank Grillo („Demonic“) sowie Aaron Tveit („Les Misérables“) jeweils solide Performances erbringen, gelingt es der konkreten Beschaffenheit ihrer Parts trotzdem nicht, den Zuschauer in einem allzu anständigen Maße zufrieden zu stellen…
Eine weitere unnötige wie „unausgeschöpfte“ Facette der Geschichte, die man getrost hätte weglassen können, markiert die Gegebenheit, dass Jesse eigentlich ein Cop ist – denn bis auf eine Vergrößerung seiner Bredouille, als ihm allmählich klar wird, dass sie jemanden im Wagen übersehen haben, der sie eventuell zu identifizieren vermag, wird daraus nichts von Bedeutung generiert. Es wird sogar eine banal-sinnlose Traumsequenz mit eingeflochten, im Zuge derer sich Dee eine Rückkehr Jesses und Prus „ausmalt“ – kurz bevor jene tatsächlich eintreffen und sich den „losen Enden“ ihrer Aktion widmen: Ersterer nimmt die Verfolgung Hazels auf, Pru wartet am Fahrzeug. Als er daraufhin bemerkt, dass Dee noch immer unter den Lebenden verweilt, ist es ihr jedoch (dank einer schnellen Reaktion) möglich, ihn mit einer im Handschuhfach gefundenen Pistole im Schach zu halten – und das gefühlt mehrere Stunden lang, bis nach Anbruch der Dunkelheit: Unglaubwürdig und unaufregend. Generell offenbart Grau unverkennbare Defizite im Bereich der Suspense-Erzeugung...
Alles in allem hat mich „Big Sky“ genauso enttäuscht wie Grau´s in der Einleitung erwähntes Spielfilm-Debüt, dessen englischer Titel ja „We are what we are“ lautet – aber bitte nicht mit dem (besseren) 2013er US-Remake Jim Mickles verwechselt werden sollte. Es mangelt dieser Kombination aus Drama, Crime- und Survival-Thriller u.a. an Spannung, Atmosphäre, einem strafferen Tempo sowie inhaltlicher „Tiefe“ – was dem uneben-überfrachteten Drehbuch und der uninspiriert-ineffektiven Regie-Arbeit zuzurechnen ist. An der Ausgangsidee, Besetzung oder dem limitierten Budget hat´s jedenfalls nicht gelegen. Bezeichnend ist da auch der finale Akt, in welchem plötzlich noch drei neue Figuren eingeführt werden – nämlich ein weiterer Angestellter der Therapie-Einrichtung sowie ein örtlich ansässiges, gut bewaffnetes Ehepaar – wonach das Ganze letztlich in einem konventionellen „Mexican Standoff“ bzw. belanglos-lahmen Shootout mündet, anstatt einen originelleren Pfad einzuschlagen und einen interessanteren, packenderen, nachhaltigeren Ausklang zu finden. Echt schade.