Entstehungsdaten:
USA 1994
Regie:
Richard Rush
Darsteller:
Bruce Willis
Jane March
Rubén Blades
Lesley Ann Warren
Scott Bakula
Brad Dourif
Lance Henriksen
Kevin J. O'Connor
Trailer
„Color of Night“ ist ein Erotik-Thriller aus dem Jahr 1994, der sowohl über einen miesen Ruf als auch über eine „holprige“ (an sich nicht uninteressante) Entstehungsgeschichte verfügt. Regisseur Richard Rush gelang es bereits mit seinem 1960er Debütwerk „Too soon to love“ – einem kleinen Schwarzweiß-B-Movie mit Jack Nicholson in einer Nebenrolle – positiv auf sich Aufmerksam zu machen. Es folgten u.a. einige kostengünstige Biker-Flicks, die Roman-Adaption „Getting Straight“ (mit Elliott Gould und Candice Bergen) sowie die Action-Comedy „Freebie and the Bean“ (mit Alan Arkin und James Caan), bevor er in Gestalt der 1980er Verfilmung des Paul Brodeur Romans „the Stuntman“ einen weitläufig geschätzten „Kritiker-Liebling“ schuf, der mit Peter O´Toole, Steve Railsback und Barbara Hershey als Leads aufwartete, für drei „Oscars“ nominiert wurde sowie Rush in Hollywood umfangreiche Möglichkeiten eröffnete. Fortan scheiterte jedoch die Realisierung einer Reihe von Projekten, denen er sich jeweils zu widmen begonnen hatte: Beispielsweise wurde ihm nach einem Führungswechsel im Hause „MGM“ die Umsetzung seines „Air America“-Scripts entzogen – worauf man Roger Spottiswoode („Shoot to Kill“) und Schreiberling John Eskow damit beauftragte, das Ganze zu einem „Risiko-minimierten Studio-Vehikel“ für die letzten Endes gecasteten Stars Mel Gibson und Robert Downey Jr. „umzustricken“...
Irgendwann trat schließlich der einflussreiche Produzent Andrew Vanja („Terminator 2“) mit einem seitens der beiden „aufstrebenden“ Autoren Matthew Chapman („Runaway Jury“) und Billy Ray („the Hunger Games“) verfassten Drehbuch, der Aussicht auf ein Budget in der Größenordnung von zirka 40 Millionen Dollar sowie den Zusagen von Bruce Willis und der damals gerade (nach Jean-Jacques Annaud´s „L´amant“) „heiß begehrten“ britischen Jung-Aktrice Jane March an Rush heran: Ein verlockendes Angebot, das er sich nicht entgehen ließ – eigenen „Rewrites“ der Vorlage inklusive. Alles verlief glatt – bis es ans Editing ging: Vanja war mit Rush´s 139-minütigen Schnittfassung unzufrieden. George Pan Cosmatos („Tombstone“) wurde für „Reshoots“ mit Willis und Rubén Blades angeheuert, Vanja fertigte eine zweistündige Variante (mit gestrafften Szenen und weniger Sex) an, ein Testpublikum wurde hinzugezogen: Als das zu Rush´s Gunsten votierte, versuchte ihn Vanja prompt zu feuern – was wiederum die „Director´s Guild“ zum Einschreiten veranlasste sowie eine unschöne „PR-Schlammschlacht“ entfachte, im Rahmen derer Rush u.a. einen schweren Herzanfall erlitt. Nach seiner Genesung verständigten sich die Konfliktparteien auf den ungewöhnlichen Kompromiss, dass Vanja´s Version zwar in die US-Kinos kommen – darüber hinaus jedoch nirgends mehr gezeigt werden würde (also weder im Rest der Welt noch später je wieder in den Staaten)...
Obgleich der Streifen an der „Box Office“ floppte sowie die „Goldene Himbeere“ als „Worst Picture 1994“ erhielt, kam er „auf Video“ dagegen deutlich besser weg – dann ja in Form von Rush´s „Director´s Cut“-Variante, mit welcher jener aber dennoch nicht umfassend glücklich war, da er sie unter Zeitdruck erstellt hatte bzw. vorlegen musste. Etwas über 21 Jahre danach – rund 20 nach meiner Erstsichtung – lässt sich inzwischen sogar eine BluRay des Werks in meiner heimischen Sammlung finden – und das dank einer zusätzlich das 1997er Crime-Movie „Playing God“ (u.a. mit David Duchovny, Timothy Hutton und Angelina Jolie) aufweisenden „Double Feature“-Edition. Ist der Film nun aber wirklich „so richtig“ misslungen, handelt es sich bei ihm um einen, der dermaßen übel ist, dass er schon wieder Spaß macht, haben wir es wohlmöglich mit einem „Guilty Pleasure“ zutun, eventuell aufgrund der des Öfteren splitternackten Miss March – oder liegt „die Wahrheit“ irgendwo dazwischen? Beginnen wir bei unserer Betrachtung einfach mal direkt am Anfang, der einem auf Anhieb eine überzogen und nicht sonderlich gut von Kathleen Wilhoite („Angel Heart“) gespielte, unverkennbar „seelisch zerrüttete“ Dame präsentiert, die mit per Lippenstift wüst beschmiertem Gesicht Oralsex mit einem Revolver simuliert und eines anknüpfendes Tages Selbstmord begeht, indem sie sich aus dem Hochhaus-Fenster der Praxis ihres Therapeuten Bill Capa (Willis) stürzt...
Nach dem Aufschlag des Körpers und dem gescheiterten Bemühen von Willis, überzeugend Schock und Entsetzen zu mimen, blickt Capa zur Leiche hinab – worauf die Farbe des sich auf dem Asphalt ausbreitenden Blutes „vor seinen Augen“ mit einem Mal „zu Grau verblasst“ und er fortan keinerlei Rot mehr zu sehen vermag: Ein durch dieses traumatische Erlebnis verursachter psychologischer Verdrängungs- und Verweigerungs-Effekt. Recht offenkundig diente Rush beim Arrangieren bestimmter Einstellungen dieses Einstiegs Brian De Palma als „Inspirationsquelle“. Nunja, in den folgenden Wochen nimmt sich Capa jedenfalls erst einmal eine „Auszeit“ und reist im Zuge dessen zu seinem Studienkumpel und Berufskollegen Bob Moore nach Los Angeles, der mit einem lukrativen Selbsthilfe-Buch zu beneidenswertem Wohlstand gekommen ist und von Scott Bakula („Lord of Illusions“) der Rollenausrichtung gemäß prima portraitiert wird. Moore gesteht seinem Kumpel, seit kurzem einige ihn mit Nervosität und Besorgnis erfüllende Drohbriefe zu erhalten, sowie dass er davon ausgeht, dass einer aus seiner „ganz speziellen Montagsgruppe“ dafür verantwortlich sei: Eben jene fügt sich aus einer überschaubaren Runde Patienten mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher Neurosen, Zwänge, Belastungs- und Persönlichkeitsstörungen (etc. pp.) zusammen. In anderen Worten: Eine „bunte Ansammlung“ fast schon karikaturesker Stereotypen…
Nymphomanie und Kleptomanie, Narzissmus und Masochismus, Ordnungsdrang sowie andere „OCD“, Reizbarkeit, gewalttätige Tendenzen, unverarbeitete Trauer, Suizidgefährdung, konfliktträchtige Verhältnisse, soziale Phobien, Stottern, eine ungeklärte bzw. ungefestigte sexuelle Identität, früherer Missbrauch und Drogenkonsum: Die Liste ihrer Krankheiten, Probleme und Neigungen ist lang. Eine Zusammenstellung unsubtil gezeichneter Charaktere, die von Darstellern wie Lesley Ann Warren („the Limey“), Kevin J. O´Connor („No Escape“), Lance Henriksen („Harbinger Down“) und Brad Dourif („Curse of Chucky“) zumindest aber unterhaltsam zum Besten gegeben werden. Capa wohnt einer ihrer Sitzungen bei, bespricht sich mit Moore über den gehegten Verdacht – doch wird jener dann stracks mit zig Messerstichen brutal in seinem Büro getötet. Der für den Fall zuständige L.A.P.D.-Beamte – Rubén Blades („Safe House“) als Detective Martinez – drängt Capa daraufhin dazu, die betreffenden Sessions fortzuführend zu übernehmen, um so dem Täter möglichst rasch auf die Schliche zu kommen. Eingangs lehnt er ab – vorrangig vor dem Hintergrund des daheim in New York Geschehenen – allerdings ändert er seine Meinung nach einem erneuten Gespräch mit den Therapiebedürftigen. Wer von ihnen könnte wohl für die Tat verantwortlich sein? Eine klassische, u.a. an Agatha Christie erinnernde Konstellation (vgl. „the Mousetrap“)…
Im Stile eines gängigen „Whodunits“ geht Capa verschiedenen Vermutungen und aufgetanen Spuren nach – trifft sich mit den Mitgliedern der Gruppe auch mal einzeln, verschafft sich einen Gesamteindruck ebenso wie individuelle Background-Infos. In Moore´s Villa einquartiert, sieht er sich zudem schon bald selbst einer Reihe „Einschüchterungen“ ausgesetzt: Etwa eine Klapperschlange im Briefkasten oder per Gartenschlauch ins Hausinnere geleitetes Wasser, wodurch er flugs mal auf dem nassen Fliesenboden ausrutscht – eine echt „total fiese“ (dümmliche) Aktion. Ferner wird Capa in eine (eher unaufregende) Pkw-Verfolgungsjagd verwickelt – vielleicht ja da ein gewisses „cineastisches Vorbild“ (mit Michael Douglas und Sharon Stone) ebenfalls mit einer aufwartete oder man der „Bruce-Willis-Fan-Base“ wenigstens ein paar Action-Momente zugestehen wollte? Der nächste „Anschlag“ kommt indes zwar optisch nett ansehbar, simultan jedoch haarsträubend unlogisch daher: Während Capa seitlich an einem Parkhaus vorbei schreitet, steuert der Killer seinen Wagen (genau parallel zu ihm) entlang des Randbereichs des obersten Gebäudedecks – bevor er plötzlich ein anderes Fahrzeug rammt sowie über die „Dachkante“ hinaus direkt „nach unten“ auf sein potentielles Opfers hinab schiebt. Von seiner Position aus hätte er seine „Zielperson“ allerdings überhaupt nicht im Auge behalten können, sofern man mal auf den entsprechenden Winkel achtet…
Capa entkommt nur knapp mit seinem Leben, die Cops können ihm nicht weiterhelfen und seine eigenen Ermittlungen haben auch noch keinen konkreten Durchbruch erbracht. Zum Glück (für ihn) ist aber nicht alles schlecht, was ihm bei seinem Besuch an der Westküste so widerfährt: In der Zwischenzeit hat er nämlich ein Mädel namens Rose (Jane March) kennen gelernt und ist mit ihr eine stürmische Affäre eingegangen. Über sie (ihren Nachnamen, Job, ihre Telefonnummer, Adresse, Vergangenheit etc.) weiß er nahezu nichts – aber hey: Sie ist jung, hübsch, bezaubernd und der Sex ist fantastisch. Die besagten Szenen haben dem Streifen aufgrund ihrer Freizügigkeit ja die meiste Aufmerksamkeit beschert – u.a. da sich Willis' Penis flüchtig mal im Bild erspähen lässt – allerdings sind sie letztlich gar nicht allzu explizit ausgefallen, so dass selbst die ungekürzte Fassung in den USA ein gewöhnliches „R“-Rating erhielt. Sie entfalten sich an diversen Örtlichkeiten in Moore´s Villa – allen voran im Pool, Schlafzimmer, unter der Dusche und in der Badewanne – sind überwiegend durchaus „anregend“ zu beäugen und profitieren maßgeblich davon, dass Miss March („Clash of the Titans“) damals über einen absolut perfekten Körper verfügte. Hübsch, schauspielerisch aber nicht gerade gut sowie bisweilen erstaunlich „unvorteilhaft hergerichtet“ (Make-up und Perücken), hätte Jane lieber auf ein besseres erstes Angebot aus Hollywood warten sollen…
Unterlegt mit einem furchtbar „schwülstigen“ Score Dominic Frontieres, bewegt sich das Ganze „gemächlich“ (viel zu lang geraten) seiner Auflösung entgegen. Das Hauptproblem dabei: Es ist angrenzend unmöglich, den zentralen „Twist“ nicht schon nach einer halben Stunde durchschaut zu haben! Er ist derart offensichtlich (bzw. arg schlecht „kaschiert“ worden), dass man sich tatsächlich fragen muss, ob einen die Verantwortlichen damit nicht eventuell mutwillig „verarschen“ und/oder „für dumm verkaufen“ wollten. Dass weder die beiden Therapeuten noch übrigen Gruppenmitglieder diesen Sachverhalt erkennen, löst zusätzliches ungläubiges Kopfschütteln aus. Als herrlich empfand ich in diesem Kontext die Reaktion von Martinez, als er davon erfährt. Wären mehr Figuren ähnlich amüsant „over the Top“ angelegt worden wie diese von Blades mit sichtlichem Vergnügen dargebotene, hätten wir es unter Umständen mit „köstlichem Trash“ zutun haben können. Im Gegensatz dazu hat Bruce Willis („the Last Boy Scout“) seinen Part jedoch ungünstig ernst genommen: Nicht allein bloß deshalb entpuppt sich seine Performance als keine allzu überzeugende. Darüber hinaus gingen mir seine Kommentare bei einigen Auftritten Roses auf die Nerven und sind in Nebenrollen u.a. noch Andrew Lowery („My Boyfriend´s back“), Shirley Knight („As good as it gets“), Jeff Corey („True Grit“) und Eriq La Salle (TV´s „Emergency Room“) mit von der Partie…
Über weite Strecken hinweg haben Rush und sein Kameramann Dietrich Lohmann („Knight Moves“) zumindest „handwerklich solide Kost“ abgeliefert – während das von Rush umgeschriebene Drehbuch einfach nur missraten ist. Die Wahrnehmungsstörung Capas etwa wird zwar mehrfach in Form von Aufnahmen durch verzerrende Glasflächen oder einzelnen Folgen seiner Farbblindheit (unterschiedliche Socken, Blut als gräuliche Flüssigkeit) eingebunden – nie aber vernünftig „vertieft“. Überdies kann man sagen, dass es Rose und ihm (generell) jeweils an einer „individuellen Persönlichkeit“ mangelt. Die Sitzungen bieten ihm eine Chance, sich zu rehabilitieren – und am Ende vermag er sein Trauma dank eines beherzten Eingreifens in einer vergleichbaren Situation wie die zu Beginn sogar zu überwinden – doch auch auf diese Aspekte der Story hat man sich nicht intensiver als unbefriedigend oberflächlich konzentriert. Stattdessen widmete sich Rush stärker den (mauen) Krimi-Anteilen und bediente sich dabei allerhand Klischees: In diesem Sinne wurde (bspw.) der mit einem „ausgiebig erklärenden Baddie“ aufwartende Showdown inmitten eines nächtlichen Unwetters angesiedelt, welcher schließlich darin mündet, dass sich die zwei Leads (gemäß der verqueren Logik des Skripts) „in gefährlich-luftige Höhen“ begeben – was Rush wiederum die Möglichkeit bot, dieses finale Set-Piece in Gestalt einer Hommage an Alfred Hitchcock´s „Vertigo“ zu arrangieren...
Fazit: Gemeinsam mit Veröffentlichungen wie „Sliver“ und „Never talk to Strangers“ gehört „Color of Night“ zu einer Reihe von Erotik-Thrillern, die ihrerzeit im sprichwörtlichen „Fahrwasser“ von Paul Verhoeven´s „Basic Instinct“ produziert wurden – allerdings durch die Bank weg nicht an die hohe Qualität eben jenes 1992er Genre-Hits herankamen. Im vorliegenden Fall hat Richard Rush einen absurden, spannungs- und stimmungsarmen Streifen erschaffen, dem keineswegs zu Unrecht ein lausiger Ruf anhaftet – wobei ich aber dennoch (leicht beschämt) gestehen muss, ihn mir alle paar Jahre immer mal wieder anzuschauen…