Entstehungsdaten:
USA 2016
Regie:
Mike Flanagan
Darsteller:
Kate Siegel
John Gallagher Jr.
Michael Trucco
Samantha Sloyan
Emma Graves
Trailer
Nachdem Regisseur und Drehbuchautor Mike Flanagan mit seinen ersten beiden Horror-Spielfilmen „Absentia“ und „Oculus“ auf Anhieb positiv auf sich Aufmerksam machen konnte, verzichtete er bei seiner 2016er Veröffentlichung „Hush“ dagegen auf jegliche übernatürlichen Elemente und widmete sich stattdessen der möglichst wirkungsvollen Ausgestaltung eines nahezu „klassisch“ gearteten „Home Invasion“- Schrägstrich „Belagerungs-Thriller“-Plotkonstrukts. U.a. von Jason Blum („the Purge“) produziert, feierte der Streifen auf dem „SXSW“-Festival seine Premiere, bevor er nur ein paar Wochen später exklusiv ins globale „Netflix“-Content-Angebot mit aufgenommen wurde. In der Hauptrolle verkörpert Kate Siegel – übrigens Flanagan´s Gattin und Skript-Mitverfasserin – die seit einer schweren Meningitis-Erkrankung in ihrer Jugend taubstumme Schriftstellerin Maddie, welche allein in einem schönen Eigenheim im Wald wohnt und gerade an der Vollendung ihres neuen Romans arbeitet. Regelmäßig kommuniziert sie via Internet oder Smartphone mit ihrer Schwester Max (Emilia Graves) – und gelegentlich schaut auch mal ihre Nachbarin Sarah (Samantha Sloyan) vorbei. Es gibt sogar „einen Mann“ in Maddie´s Leben – Michael Trucco als John – doch läuft es bei ihnen momentan leider „nicht ganz so rund“. Just dann taucht eines Abends plötzlich ein maskierter Psychopath (John Gallagher Jr.) mit einer Armbrust vor ihrem Haus auf, der umgehend ein perfides, nach einer gewissen Zeit schließlich in ihrem Tod münden sollendes „Katz&Maus-Spiel“ mit ihr zu treiben beginnt. Unverkennbar bereitet es ihm Vergnügen, sie zu peinigen – allerdings erweist sie sich als wesentlich wehrhafter als eigentlich erwartet…
Binnen weniger Minuten gelingt es „Hush“, dem Publikum Maddie in einem ergiebigen Maße vorzustellen: Die knapp gehaltenen „Konversationen“ mit Max und Sarah geben einige wichtige Details preis – ebenso wie ihr Agieren beim Kochen eines Dinners plus der Arbeit an ihrem Buch, an dessen Finale sie sich aktuell „die Zähne ausbeißt“ (und zwar nicht, weil es ihr an Einfällen mangelt, sondern da sie sich nicht zwischen sieben verschiedenen Varianten entscheiden kann). Mit ihrer Behinderung und Situation hat sie sich gut zu arrangieren gelernt – ist bewusst aus der hektischen Großstadt raus aufs Land gezogen, nutzt verfügbare Vibrationsfunktionen und Lichtsignale (bspw. bei ihrem Mobiltelefon oder einem Rauchalarm) und beherrscht sowohl das Lesen von Lippen als auch Gebärdensprache. Eine selbständige Frau also, die „im Alltag“ weder Mitleid nötig hat noch sonst etwas in der Richtung erfahren muss. Obendrein wird der Zuschauer eingangs einige Augenblicke lang in ihre Lage hinein versetzt, indem die Umgebungsgeräusche in eben jenen komplett „ausgeblendet“ werden. Zweifellos macht es einen in Gefahr geratenden Protagonisten noch einmal ein Stück weit interessanter, wenn diejenige Person ein die betreffende Bredouille noch zusätzlich fordernder daherkommen lassendes „Handicap“ aufweist – zum Glück aber haben es Flanagan und Siegel vermieden, Maddie´s Unvermögen, sprechen und hören zu können, bloß als ein „aufgesetztes Gimmick“ zu verwenden bzw. einzusetzen. Überdies ist sie einem angenehm sympathisch und vermag zudem vereinzelt aus speziellem Vorwissen zu schöpfen, welches sie sich im Kontext ihrer Kriminal-Geschichten angeeignet hat…
Erfreulich zügig wird der (namenlose) Killer ins Geschehen eingeführt: Eiskalt tötet er Sarah, welche auf ihrer Flucht vor ihm noch versucht hatte, Maddie zu erreichen, um von dort aus Hilfe zu kontaktieren – letztlich jedoch keine fünf Meter von ihr entfernt (draußen auf der Veranda) „ihr Ende findet“, da jene ihr verzweifeltes Rufen und Klopfen nicht zu vernehmen vermochte. Als ihm Maddie´s Beeinträchtigung gewahr wird, animiert ihn diese Erkenntnis dazu, seine nachfolgenden Handlungen dieser „überraschenden Besonderheit“ (gemäß seiner „sadistischen Ader“) anzupassen: Obgleich die Fenster und Türen im Erdgeschoss mit verstärktem Glas gesichert wurden, wäre es für ihn (im Grunde) nicht allzu schwierig, sich Zugang zum Innern des Hauses zu verschaffen. Vorerst genügt es ihm allerdings, ihr einfach nur seine Anwesenheit zu offenbaren und sie auf dieser Basis Angst-einflößendem Psycho-Terror auszusetzen. Er sorgt dafür, dass sie sieht, was er mit Sarah getan hat, sowie dass sie keine Möglichkeit hat, mit der „Außenwelt“ in Verbindung zu treten. Auf ihren (mit Lippenstift auf eine Scheibe geschriebenen) Hinweis, dass ihr Freund gerade zu ihr unterwegs sei, sie sein Gesicht ja nicht gesehen habe und sie ihn daher auch weder beschreiben noch wiedererkennen können würde, reagiert er u.a. damit, dass er sich seiner creepy-schlichten weißen Maske kurzerhand entledigt und ihr dadurch unmissverständlich klar macht, dass er sie „nicht zu verschonen“ gedenkt. Über ihn (seine Identität, Motive, Vergangenheit etc.) erfährt man so gut wie nichts: Sein Gebaren und seine Taten „charakterisieren“ ihn, nicht irgendwelche ergänzende Infos – mit Ausnahme eines an einer Stelle zu registrierenden Details...
John Gallagher Jr. („10 Cloverfield Lane“) portraitiert den mit einem Jagdmesser und einer Armbrust bewaffneten Angreifer rundum ordentlich – verleiht ihm eine bedachte, bedrohlich-unheimliche, nichtsdestotrotz „menschliche“ (also keineswegs überdreht-geistesgestörte oder unbezwingbar anmutende) Ausstrahlung. Ähnliches gilt für Kate: Zwar entpuppt sich Maddie als eine resolut um ihr Überleben kämpfende Widersacherin des Killers – allerdings ohne dabei mit außergewöhnlichen Survival-Skills gesegnet zu sein, wie sie etwa Sharni Vinson´s Figur in Adam Wingard´s „You´re Next“ besaß. Die Umstände verorten Maddie in einer „verletzlichen Position“ – jedoch wird sie nie als ein „passiv-schwaches Opfer“ dargestellt: Vielmehr setzt sie sich (mit Geschicklichkeit und List) zur Wehr – sucht nach Mitteln und Wegen, um sich zu verteidigen sowie hinaus in die umliegenden Wälder fliehen zu können. Wie einst in Konfrontation mit ihrer Erkrankung, lässt sie sich nicht entmutigen – und so konzentriert sie sich im Laufe der Nacht zunehmend beherzter darauf, auch diese „gravierende Herausforderung“ (primär per Nutzen ihres Wissens, ihrer Cleverness sowie anderen Sinne) zu meistern. Nicht nur von den Gebärden und vermittelten Emotionen her überzeugt Kate Siegel („Ouija 2“) auf ganzer Linie: Sie erweckt Empathie, spielt die zugehörigen Facetten ihres Parts (u.a. Furcht, Entschlossenheit sowie alles mit ihrer Taubstummheit verknüpfte) glaubwürdig und empfiehlt sich mit ihrer Performance auf jeden Fall für zukünftige Projekte. Darüber hinaus sind in kleineren Rollen überdies noch Samantha Sloyan („Tape 407“), Michael Trucco (TV´s „Fairly Legal“) und Emilia Graves („Snitch“) mit von der Partie…
An einer einzigen Location angesiedelt, in 18 Tagen abgedreht sowie mit schätzungsweise 70 (von insgesamt knapp über 80) Minuten aufwartend, in denen kein Mensch auch nur ein Wort spricht, beweist Flanagan erneut sein ausgeprägtes Gespür für die „Mechanismen des Genres“ – schließlich sind inzwischen reichlich vergleichbare Werke erschienen, aus deren Reihen aber nur die wenigsten in einem solchen Umfang zufrieden zu stellen in der Lage sind wie das hier vorliegende. Inhaltlich wird sich nicht unnötig mit „Nebensächlichkeiten“ aufgehalten, es sind keine markanten „Logik-Patzer“ zu verzeichnen, das Tempo ist straff, die verschiedenen, trotz des räumlich begrenzten Schauplatzes beileibe nicht abwechslungsarmen Set-Pieces sind einträglich spannend beizuwohnen und mitunter werden dem Betrachter überraschend heftige „Gewalt-Spitzen“ präsentiert (hauptsächlich Schnitt- und Stichwunden, allen voran jedoch das „Zertreten“ einer Hand – was umso unangenehmer mit anzusehen ist, da Maddie ihre im Zuge dessen empfundenen Schmerzen ja nicht „herauszuschreien“ vermag). Die kreierte Atmosphäre ist unheilvoll-düster, Cinematographer James Kniest („Annabelle“) hat anständige Arbeit geleistet, der Score der „Newton Brothers“ („the Runner“) erfüllt seinen Zweck und die Einbindung einzelner elektronischer Geräte (á la Smartphone, Laptop, Rauchmelder) in bestimmte Bereiche der Story geschah auf unaufdringlich-ergiebige Weise. Zugegeben, in der zweiten Hälfte entwickelt und entfaltet sich das Gebotene (seitens so einiger vertrauter Plot-Elemente und Situationen) ein Stück weit konventioneller – allerdings ohne dass der umfassende Unterhaltungsgrad letzten Endes allzu gewichtig darunter leidet…
Kurzum: Effektiv und kompetent realisiert, handelt es sich bei Mike Flanagan´s „Hush“ um einen der besseren „Home Invasion“-Thriller der vergangenen Jahre…
starke