Entstehungsdaten:
USA 2016
Regie:
Aaron Kaufman
Darsteller:
Justin Chatwin
Pierce Brosnan
Danny Masterson
Ashley Greene
Nick Thune
Alexis Knapp
Chris Geere
Bar Paly
Trailer
Indulge. Enjoy. Repeat.
Im Zentrum von Aaron Kaufman´s 2016er Regie-Debüt „Urge“ steht ein Wochenendausflug, den der arrogante Multimillionär und Geschäftsmann Neil (Danny Masterson) für sich und einige seiner Bekannten aus dem College organisiert hat: In Anbetracht ihres „oberflächlichen Gebarens“ wäre der Begriff „Freunde“ nicht wirklich das treffende Wort, um die Runde zu charakterisieren, zu der noch Joey (Alexis Knapp), Danny (Nick Thune), Vick (Chris Geere), Denise (Bar Paly) sowie Neil´s sich relativ zickig (plus auf den Trip bezogen: arg wenig motiviert) gebende Assistentin Schrägstrich Freundin Theresa (Ashley Greene) gehören. Per Privat-Helikopter fliegen sie von New York City aus nach Eastman Island: Einer exklusiven kleinen Landmasse mit vielen prächtigen Anwesen, auf welcher sie Neil in seine geräumig-moderne Villa führt, in der sich auch schon ihr Kumpel Jason (Justin Chatwin) einquartiert hat: Seines Zeichens ein „ungebundener“, seitens einzelner aus ihren Reihen nicht sonderlich geschätzter, sich nur selten Gedanken um etwaige Konsequenzen seines Handelns machender Künstler und „Freigeist“…
Nach Abendanbruch besuchen die Party-Willigen einen angesagten Club, in dem sich die meisten Zugegenen (offenbar sehr gern sowie mit begehrlichem Ergebnis) an einer neuen, überaus wirkungsstarken Droge namens „Urge“ berauschen. Jason übernimmt es, ihnen das in kleinen Ampullen verbreitete (kobaltblau leuchtende) Inhalat zu beschaffen: Zu dem Zweck wird er in einen anderen Gebäudeteil begleitet und einem mysteriösen Herrn (Pierce Brosnan) vorstellt, der ihm u.a. erklärt, dass die Einnahme „eine pure Version des eigenen Ichs“ (frei jeder sonst existierenden Zurückhaltung) zutage kehren würde, ebenso wie dass der Konsum eine strikt einmalige Sache bleiben müsse. Reich an gespannter Erwartung, lässt sich das Septett darauf ein: Das Angepriesene erfüllt sich – sie durchleben eine ekstatische Nacht, ungleich keiner zuvor. Nur bei Jason tritt keinerlei Wirkung auf. Angesichts der am nächsten Tag noch vorherrschenden Begeisterung über das Zurückliegende, entschließen sie sich kurzerhand zu einem Ignorieren der genannten „Regel“ – doch während das erste Mal höchst anregend und vergnüglich war, erfahren beim zweiten (und jedem weiteren) nun solche Empfindungen wie Paranoia, Abscheu und Wut eine enorme Potenzierung…
Generell gefallen mir ja Filme, die „individuell“, stylish, abgründig und/oder sexy daherkommen – weshalb dieses Werk hier auch rasch mein Interesse geweckt hatte, da der Trailer eine genau diese Eigenschaften aufweisende Veröffentlichung zu versprechen schien. Zugegeben, das Endresultat kann man definitiv mit eben jenen Adjektiven beschreiben und entwickelt sich innerhalb seiner Verlaufsentfaltung zudem in eine im Vorfeld (primär in dem gebotenen Ausmaß) so kaum gewähnte, an späterer Stelle von mir noch etwas konkretisierte Richtung – und trotzdem vermochte mich das Ganze (unabhängig punktueller gelungener Einzelmomente) alles in allem nicht wirklich zu überzeugen, was verschiedenen unverkennbaren inhaltlichen wie inszenatorischen Defiziten zuzurechnen ist. Ein gewichtiges Problem markiert bspw. die Gegebenheit, dass die Charaktere durch die Bank weg eher unsympathische, egozentrische Zeitgenossen sind, welche früher mal (Theresa ausgenommen) eine „Clique“ bildeten, sich gegenseitig in Wahrheit aber nur bedingt leiden können: Ihre Ressentiments lassen sich nur schwer verbergen und führen wiederholt u.a. zu jeweils mehr oder minder bissig und direkt formulierten „verbalen Spitzen“…
Rücksichtslos sowie per Einsatz seiner Macht ist Neil (im Geschäfts- und Privatleben) daran gewöhnt, immerzu das zu erreichen, was er sich in den Sinn setzt. Seinen Gästen spendiert er alles – gibt sich ihnen gegenüber generös und genießt es, ihnen „die Möglichkeiten seines Wohlstands“ darzubieten, schlichtweg weil er sich dadurch „erhabener“ fühlt. Joey liebt das Feiern und wird von gewissen Selbstunsicherheiten geplagt, Vick war einst „dicklich“ und ist inzwischen zu einem „Fitness-Junkie“ geworden, Danny erinnert einen an einen „Mitläufer-Typ“, Denise ist ein „aufreizendes Blondchen“ und Theresa eine Art „Kontroll-Freak“ – was ihr seitens der anderen den Spitznamen „the Droid“ eingebracht hat. Und dann wäre da noch Jason – welcher sich aktuell „auf Neil´s Kosten“ die Zeit vertreibt, jenem jüngst erst auf einer dessen Wände ein „Kunstwerk“ malen ließ (es jedoch als sein eigenes ausgibt) sowie in den vergangenen Tagen einfach mal eine extrem rare und alte Flasche Scotch ausgetrunken hat, die sein „Bewirter“ zuvor für rund $100.000 ersteigert hatte (mit Cola gemischt sowie ohne sich weiter darum zu scheren, wohlgemerkt). Überraschenderweise ist er es, der sich als eigentlicher Hauptprotagonist des Streifens entpuppt…
Um Einlass in den Club „Volcano“ gewährt zu erhalten, müssen sie „von einem Augenpaar“ als „würdig“ erachtet werden, welches übergroß an die Seite des Gebäudes projiziert wird. Im Innern – umgeben von attraktiven, sich amüsierenden, teils Masken und „Fetish-Gear“ tragenden Leuten – nimmt sie sogleich der „Red Bastard“ (Eric Davis) in Empfang: Eine weiß geschminkte, in einem roten, unförmig voluminös ausgestopften Kostüm gekleidete Gestalt, die quasi als „Floor Manager“ fungiert, während sich u.a. eine Dame (Kea Ho) im Rahmen einer Show-Einlage lasziv auf der Bühne räkelt. Es ist bereits in dieser frühen Phase des Geschehens, dass einem auffällt, wie gern der Film doch „eigenwillig“ und „edgy“ wäre – es ihm allerdings partout nicht gelingen mag, eine vernünftig ausgeprägte zugehörige Atmosphäre zu generieren (in der vorliegenden Situation etwa eine „erotisch aufgeladene“). Jason wird als „Kontaktperson“ auserkoren und zu „the Man“ geführt: Süffisant, E-Zigarette paffend, gelegentlich manisch laut lachend, bewandert Delmore Schwartz und Norman Mailer zitierend sowie von Pierce Brosnan („Nomads“) per „vergnügtem Overacting“ portraitiert, ist jener der „Strippenzieher“ mit der begehrten Droge in seinem Besitz…
„Urge“ löst bei den Einnehmenden ein Verschwinden der alltäglichen „hemmenden Grenzen“ aus – was in einer „ungenierten Freiheit“ im Bereich des Gebarens und Verhaltens resultiert. Das empfundene Gefühl von Unbeschwertheit und akzentuiertem Spaß (öffentlicher Sex, keine Sorgen, Gewissensbisse oder Bedenken) animiert sie schließlich dazu, dieses so außergewöhnliche „High“ noch einmal erleben zu wollen – trotz der klaren Aussage bzw. Warnung, es nicht zu tun. Fortan ist „die Büchse der Pandora“ geöffnet: Emotionen, Dränge und Triebe werden nicht mehr unterdrückt – harsche, offene Worte und zügellose Taten sind die Folgen. Joey etwa verputzt nahezu eine komplette Torte und greift im Bad zwei Frauen an, Vick belastet seinen Body beim Training zunehmend intensiver, Neil und Theresa kehren ihre „Machtverhältnisse“ um, Denise wünscht, beim Geschlechtsverkehr gewürgt zu werden, und Danny veranstaltet im Garten der Villa Fights, bei denen das Töten des Gegners angestrebt wird. Nur Jason verbleibt völlig unbeeinflusst von der Wirkung. Warum? Na, weil er grundsätzlich eh „aus dem Bauch heraus“ handelt, ohne sich um Vorgaben oder Regeln zu scheren. Daher wurde er auserwählt – und nun muss er mit ansehen, wie alles um ihn herum „im Chaos versinkt“…
Entsetzt wird Jason gewahr, dass schon bald jeder auf der kleinen Insel in diesen „Strudel“ hineingezogen wird – sei es als Opfer oder Leidbringer. Es kommt zu den verschiedensten Gewalttätigkeiten: Zu Folterungen und Morden – inklusive solcher Akte wie Steinigungen und Enthauptungen. Ein Überlebenskampf entbrennt – der aber wenig packender oder spannender Natur ist. Zudem fällt einem das „Mitfiebern“ mit den Mitgliedern der im Fokus stehenden Gruppe recht schwer – was in erster Linie an ihren „schlicht“ und nicht gerade sympathisch verfassten Rollen liegt, welche Danny Masterson („Spin“), Ashley Greene („the Apparition“), Justin Chatwin (TV´s „Shameless“), Alexis Knapp („Project X“), Nick Thune („the Breakup Girl“), Chris Geere („After Earth“) und Bar Paly („Pain & Gain“) jeweils nicht besser als mäßig verkörpern. Verwundert hat mich indes die vergleichsweise hohe Zahl an Cameos – u.a. von Jeff Fahey („Machete“), James DeBello („Cabin Fever“), Kevin Corrigan („the Departed“), Alison Lohman („Drag me to Hell“) und Albino-Male-Model Stephen Thompson („Exposed“). Nunja, am Ende ist es jedenfalls ein Duo, das die letzte Fähre gen Festland zu erreichen versucht – welche übrigens den Namen „Megiddo“ trägt…
Auch wenn so manch einer im Publikum eine frühe Bemerkung Theresas gewiss noch nicht konkret einzuordnen weiß, dürfte jedem zunehmend bewusster werden, wer „the Man“ nun eigentlich ist, der wiederholt über den „freien Willen“ und die „Verfehlungen der Menschen“ philosophiert, während sich überall um ihn herum auf der Insel eine „ausschweifende Orgie“ aus Verdorbenheit und Gewalt entfaltet: Die Gesellschaftsstrukturen lösen sich auf – die Leute „zerfleischen“ sich gegenseitig. Obgleich der Streifen in der Hinsicht „weiter“ geht, als ich es eingangs erwartet hatte, bleibt er dennoch relativ vorhersehbar sowie Arm an Stimmung und Suspense. Der gedeihenden Sittenlosigkeit und abgründig-blutigen Anarchie mangelt es an „Energie“, sündhafter Freizügigkeit und einer inspirierteren Ausarbeitung. Handwerklich solide – im Ganzen aber unmarkant – kann weder die Inszenierung Kaufmans, die moderne, farbkräftige Bebilderung Lyle Vincents („Cooties“) noch der Score der Newton Brothers („Hush“) kaschieren, dass das Skript Jerry Stahls („Bad Boys 2“) einfach nicht sehr gut geraten ist. Speziell bei einer Materie wie dieser hatte ich mir vom Verfasser des autobiographischen Sucht-Dramas „Permanent Midnight“ zumindest etwas mehr erhofft…
Fazit: „Urge“ ist ein „seelenloser“, oberflächlicher Film, in dessen Verlauf sich ein „sexy-stylisher Drogen-Rausch“ hin zu einem „apokalyptisch-brutalen Horror-Trip“ entwickelt – ohne dabei jedoch je wahrhaft „aufregend“ zu werden. Potentiell provokante, sich u.a. auf Eitelkeit, Selbstverachtung, Verunsicherung sowie verborgene Gelüste und Triebe beziehende Thesen und Inhalte werden nie zufrieden stellend vertieft – worüber hinaus diese eigenwillige Kombination aus „Cautionary Tale“, religiöser Allegorie und strikt Entertainment-orientierter B-Movie-Kost nicht einmal so richtig in „Guilty Pleasure Gefilde“ vorzudringen vermag. Ach, und bloß nicht den „haarsträubenden“ Epilog nach Ende des Abspanns verpassen…