Entstehungsdaten:
USA 2016
Regie:
Tate Taylor
Darsteller:
Emily Blunt
Haley Bennett
Rebecca Ferguson
Justin Theroux
Luke Evans
Edgar Ramírez
Laura Prepon
Allison Janney
Trailer
Bei „the Girl on the Train“ handelt es sich um einen dramatischen Mystery-Thriller aus dem Jahr 2016, der auf dem gleichnamigen Roman von Paula Hawkins basiert, welcher wiederum mit rund 15 Millionen verkauften Exemplaren innerhalb der ersten sechs Monate nach seinem Erscheinen im Februar 2015 auf Anhieb zu einem geschätzten Weltbestseller avanciert war. Hauptprotagonistin beider Veröffentlichungen ist Rachel (Emily Blunt) – ihres Zeichens eine Alkoholikerin, die das Ende ihrer Ehe mit Tom (Justin Theroux) noch immer nicht verkraftet hat, seit längerer Zeit schon bei ihrer Freundin Cathy (Laura Prepon) in deren Gästezimmer untergekommen ist und inzwischen obendrein auch (aufgrund ihres Trinkproblems und damit verbundenen Verhaltens) ihren Job in NYC verloren hat. Unabhängig letzterer Gegebenheit pendelt sie dennoch an jedem Werktag mit dem Zug nach Manhattan rein – zum einen aus Scham davor, dass Cathy von ihrer Arbeitslosigkeit erfährt, zum anderen da die Strecke an genau dem schicken Vorort entlang führt, in dem sie und Tom früher gewohnt haben, und sie jedes Mal von den Gleisen aus einen Blick auf ihr ehemals gemeinsames Haus erhaschen kann, in welchem er nun mit seiner neuen Gemahlin Anna (Rebecca Ferguson) wohnt, die ihm sogar „Nachwuchs zu schenken“ vermochte, wozu sie damals einfach nicht in der Lage war. Darüber hinaus ist es mehrfach bereits geschehen, dass Rachel die kleine Familie unversehens aufgesucht oder (des Öfteren betrunken) in aufdringlicher Weise angerufen hat…
Aber es gibt da noch ein weiteres schönes Eigenheim in eben jener Nachbarschaft, das ihr im Rahmen ihrer Vorbeifahrten ins Auge gefallen ist: Lebhaft malt sie sich in ihrer (eine Kombination aus Beobachtungen, Fantasien und Sehnsüchte bildenden) Vorstellung aus, dass die Beziehung des betreffenden Besitzer-Ehepaars Megan (Haley Bennett) und Scott Hipwell (Luke Evans) sozusagen „beneidenswert-perfekt“ sei – bis sie Megan eines Morgens „in den Armen“ eines Mannes erspäht, der nicht ihr Gatte ist. Geschockt und wütend reagiert sie auf diese Untreue, deren Zeuge sie offenkundig wurde: Vermengt mit ihren eigenen beißenden Empfindungen und Erinnerungen, betrinkt sie sich heftig – bevor sie im Schein der nächsten aufgehenden Sonne erneut in ihrem Bett erwacht, nicht mehr weiß, was in den vorherigen Stunden vorgefallen ist, sowie bei sich u.a. eine Kopf-Verletzung plus auffällige Schmutz- und Blutspuren an ihrer Kleidung feststellen muss. Zuerst glaubt sie, mal wieder gestürzt zu sein – allerdings verbreitet sich dann auf einmal die Meldung in den Medien, dass Ms. Hipwell in der besagten Nacht „verschwunden“ sei. Da die Cops scheinbar nichts von ihrer Affäre wissen, entscheidet sich Rachel kurzerhand dazu, sich in bestimmter Weise in die Ermittlungen einzubringen – z.B. indem sie direkten Kontakt zu Scott aufnimmt. Zunehmend verstrickt sie sich dabei tiefer in die Sache – und beginnt außerdem zu befürchten, unter Umständen selbst etwas mit Megan´s Schicksal zutun zu haben…
Von einer markanten, jedoch keineswegs negativ einzustufenden Ausnahme abgesehen, hält sich „the Girl on the Train“ erfreulich eng an Hawkins' Buch-Vorlage: Während jene sich in und um London entfaltet, siedelte Skript-Autorin Erin Cressida Wilson („Secretary“) ihre Adaption dagegen im Großraum New York Citys an. Beibehalten hat sie unterdessen den „Kniff“, dass die Geschichte aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird – nämlich aus denen Rachels, Megans und Annas – dass immer wieder zwischen verschiedenen Locations und Zeitebenen hin und her gesprungen wird sowie dass die beschriebenen bzw. bildlich in Szene gesetzten Schilderungen eventuell nur bedingt der Wahrheit entsprechen. Durchaus möglich, dass sich einige Zuschauer beim Ansehen eingangs ein wenig „verwirrt“ vorkommen oder sie sich später über das Stilmittel des „Unreliable Narrators“ gar ein Stück weit ärgern – aber hey, so ist das nunmal: Absolut legitim und überdies den Reiz des ansonsten doch recht konventionellen Plots anhebend. Trotz der gesplitteten Struktur, welche die Sichtweisen der jeweils von dominanten Männern beeinflussten Frauen aufzeigt, steht Rachel klar im Zentrum des „doppelbödigen“ Werks, bei dem einen eine Reihe nachträglich dargereichter Flashbacks und Preisgaben nachvollziehen lassen, wie sie in die zu Beginn präsentierte Lage geraten ist: Eine einsame, verbitterte, eine Menge Frust und Wut (u.a. gegen sich selbst) in sich hegende, ihren Kummer „herunterspülende“ sowie in spezielle „Träumereien“ entfliehende Geschiedene…
Nach Megan´s Verschwinden bemüht sich Rachel darum, sich an die fraglichen Stunden zu erinnern sowie einzelne noch im Gedächtnis gebliebene Momente in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Bald schon ist sie sich sicher, tatsächlich dort gewesen zu sein, wo Megan zuletzt gesehen wurde – was ihr Angst bereitet und sie zugleich weiter anspornt, sich Klarheit über das Vorgefallene zu verschaffen. Sich als eine Freundin Megans ausgebend, erschleicht sie sich das Vertrauen Scotts – berichtet ihm von der Affäre seiner Frau und „liefert“ somit einen bis dato unbekannten potentiellen Verdächtigen, der im Folgenden identifiziert sowie seitens der Ermittler überprüft wird. Rasch gerät aber auch Rachel selbst in den Blick der zuständigen Beamtin – Allison Janney als Detective Riley – welche sie prompt u.a. mit ihren „ziellosen“ täglichen Zugfahrten und ihrem Verhalten Tom und Anna gegenüber konfrontiert: Die Belästigungen, das Stalking, ihr „instabiler“ Zustand – und das eine Mal, als sie in ihr Haus eindrang, sich das Kind nahm und mit diesem durch den Hof in Richtung Bahntrasse lief, bevor sie entdeckt wurde. Ferner war Megan bis kürzlich als Nanny bei ihnen tätig und ähnelt sie Anna äußerlich: Haben ihre aufgestauten Emotionen und der „enthemmende“ Alkohol dazu geführt, dass sie ihr etwas angetan hat? Beharrlich und geradezu obsessiv involviert sie sich fortan weiter – was selbst mit einschließt, dass sie ebenfalls Megan´s Psychotherapeuten Dr. Abdic (Édgar Ramírez) aufsucht Schrägstrich konsultiert…
Mit fahlem Teint, unreiner Haut und glasigen Augen überzeugt Emily Blunt („Sicario“) in der Hauptrolle einmal mehr mit einer kraftvollen Performance, welche neben einigen expressiv „nach außen gekehrten“ Gemütsregungen (primär im Rahmen einer Szene vor einem Spiegel) überdies auch einige glaubwürdig „internalisierte“ (Zweifel, Trauer, Besorgnis et al.) umfasst. Weder Megan noch Anna oder Rachel sind klassische Sympathieträger: Erstere ist jünger, leidet unter einem unverarbeiteten traumatischen Jugend-Erlebnis, fühlt sich als „Trophy Wife“ inzwischen „eingeengt“ und gelangweilt und erweckt mit ihrem Verhalten die Impression einer „durchtriebenen Femme fatale“. Sexy und attraktiv, verkörpert Haley Bennett („Kristy“) sie insgesamt zufrieden stellend – doch hat sie einige Dialogzeilen abbekommen, die in geschriebener Form zum Teil merklich besser „funktionieren“ als in der vorliegenden ausgesprochen (gerade im Bereich ihrer Voiceover). Als stets „unterkühlt“ anmutende, vorrangig auf ihre Familie fixierte sowie diese unbedingt schützen wollende Hausfrau Anna wird Rebecca Ferguson hier (ein Jahr nach ihrem „Durchbruch-Auftritt“ in „Mission: Impossible – Rogue Nation“) unterdessen nicht allzu stark gefordert – was nicht bloß in Anbetracht der eigentlichen Qualität des hochwertigen weiblichen Cast-Ensembles – zu welchem obendrein noch Allison Janney („Juno“), Laura Prepon („Lightning Bug“) und Lisa Kudrow (TV´s „Friends“) zählen – durchaus als „schade“ gewertet werden muss…
Obgleich sie an sich nicht schlecht agieren, mangelt es Justin Theroux („Mulholland Dr.“), Luke Evans („High-Rise“) und Édgar Ramírez („Point Break“) „auf männlicher Seite“ jeweils an einem ausgeprägteren Charisma, um ihre Charaktere „nachhaltiger“ zu gestalten und auf jenem Wege die unvorteilhafte Auffälligkeit zu kaschieren, dass ihnen das Skript bestenfalls „zweidimensionales Material“ geboten hat. Aufgrund der zentralen Mystery-Komponente (in Kombination mit dem verschachtelt-ambivalenten Aufbau) gibt es mehrere „falsche Fährten“ zu verzeichnen und verbleiben bestimmte Motive, Beziehungen und Wesenszüge lange Zeit verschleiert: Die „Whodunnit?“-Frage fand ich schon im Roman nicht übermäßig schwer zu durchschauen – doch zumindest weist auch der Film einige der reizvollen voyeuristischen, psycho-dramatischen und satirischen Elemente auf, welche bereits die Vorlage bereicherten. Ein gutes Exempel dafür markiert das blutige Finale – dessen „Biss“ (etwa auf den „American Dream“ bezogen) manch einem im Publikum aber vermutlich gar nicht gewahr werden dürfte. Jeder Mensch hat Geheimnisse, Träume, Sorgen, Begierden und Schwächen, verhält sich mal falsch und/oder hat mit irgendwelchen „inneren Dämonen“ zu kämpfen. Leider haben Wilson und Regisseur Tate Taylor („the Help“) gewisse manipulativ-feine Nuancen Hawkins' nicht mit „übertragen“ können – was u.a. darin resultierte, dass ihr Werk im Ganzen nun (diverser komplexer Inhalte zum Trotz) einen recht „oberflächlichen“ Eindruck hervorruft…
Gewichtige Themen wie Alkoholismus, Missbrauch, Selbstabscheu, elterliche Belastungen, eheliche Frigidität, Untreue, Scheidung, latente Gewaltbereitschaft, Leugnung, Verdrängung und „Erlösung“ (bzw. unterschiedliche Auswirkungen dieser) spielen allesamt eine Rolle in dieser vertrackten Geschichte – dienen in der Adaption allerdings quasi nur als „unvertieftes Mittel zum Zweck“: Sind sozusagen bloß einzelne „Puzzlestücke“ im Gesamtgefüge dieses dramatischen Thrillers, der aber dennoch mit einem soliden Maß an Suspense aufzuwarten vermag. Ein weiterer Faktor ist, dass man auch unabhängig einiger ungemütlicher und sexy-freizügiger Momente irgendwie nicht drum herum kommt, Taylor´s Inszenierung als „bieder“ zu umschreiben: Anders als bspw. David Fincher bei „Gone Girl“ hat er es nicht geschafft, die „Pulp-Facetten“ der Materie akzentuiert genug in die Verflechtung der unterschiedlichen Plot-Stränge, Gedanken und Perspektiven mit einzuweben. Lob gebührt indes der ansehnlichen, mehrfach auf „instabil-verwischte“ Einstellungen zurückgreifenden Kamera-Arbeit Charlotte Bruus Christensens („Far from the Madding Crowd“) sowie dem klangvoll-kreativen Score Danny Elfmans („Big Fish“), den man auf jeden Fall als seinen besten seit einigen Jahren bezeichnen kann. Alles in allem bleibt am Ende also festzuhalten, dass „the Girl on the Train“ zwar nett anzuschauen sowie brauchbar zu unterhalten in der Lage ist – die Verantwortlichen das umfangreiche Potential des Projekts allerdings fern von voll auszuschöpfen vermochten…
gute