Entstehungsdaten:
USA-Kanada 2016
Regie:
Oz Perkins
Darsteller:
Ruth Wilson
Paula Prentiss
Lucy Boynton
Bob Balaban
Brad Milne
Erin Boyes
Trailer
„I have heard myself say, that a house with a death in it can never again be bought or sold by the living. It can only be borrowed from the ghosts that have stayed behind…“
Mit diesen Worten eröffnet der 2016er Grusel-Film „I Am the Pretty Thing That Lives in the House“. Erdacht und in Szene gesetzt von Osgood Perkins – seines Zeichens der 1974 geborene Sohn Anthonys, der nach mehreren Auftritten als Schauspieler (u.a. als junger Norman Bates in „Psycho 2“) sowie co-verfassten Drehbüchern (unter ihnen „the Girl in the Photographs“) mit „February“ (aka „the Blackcoat´s Daughter“) nur ein Jahr zuvor sein hochgelobtes Regiedebüt vorgelegt hatte – wird unmittelbar zu Beginn bereits die Stimmung etabliert, welche das gesamte Werk beherrscht: Langsam bewegt sich eine „verschwommen-verwischte“ weibliche Gestalt in ansonsten pechschwarzer Dunkelheit durchs Bild, gefolgt seitens der Titel-Einblendung und einiger nächtlicher, bloß spärlich ausgeleuchteter (wie im kreislichen Schein einer schwachen Taschenlampe arrangierter) Aufnahmen aus dem Innern eines Hauses – während einem ein „poetisch“ klingendes Voiceover Informationen zu spezifischen „Wahrnehmungen und Beweggründen von Geistern“ preisgibt. Es wird erläutert, dass eben jene sich durchaus von dem Ort ihres Ablebens entfernen können – doch manche wollen das nicht und bemühen sich stattdessen darum, auf das Vergangene zurück zu blicken. Gerade ihren Tod können sie allerdings nie konkret erfassen, denn
„…the memories of their own deaths are faces on the wrong side of wet windows; smeared by rain – impossible to properly see.“ Dass ihnen das verwehrt bleibt, besiegelt sozusagen ihr Schicksal:
„For those who have stayed, their prison is their never seeing – and left all alone, this is how they rot…“
Die zu vernehmende Stimme gehört einer adretten, von Ruth Wilson portraitierten Frau, deren neue Stelle sie nach Massachusetts zu der einstigen Autorin Iris Blum (Paula Prentiss) führt, um die alte Dame auf ihrem „finalen Weg“ zu begleiten. Das erste Mal, dass wir sie zu sehen erhalten, tritt sie gemeinsam mit dem sie in die Gegebenheiten einweisenden, den betreffenden Nachlass verwaltenden Bevollmächtigten Mr. Waxcap (Bob Balaban) in Blum´s von der Sonne erhellten ländlichen Wohnsitz ein – während einem „aus dem Off heraus“ mitgeteilt wird:
„From where I am now, I can be sure of only a very few things. The pretty thing, you are looking at, is me. Of this I am sure. My name is Lily Saylor. I am a hospice nurse. Three days ago I turned 28 years old. I will never be 29 years old.“ Mit dieser Offenbarung bzw. ganzen Art des Einstiegs untermauert Perkins schon früh seine Prioritäten: Statt um die Einbindung Genre-typischer „Erschrecker“ und Überraschungen ging es ihm viel stärker um die Erzeugung einer unheimlichen, durch die präsentierten Worte, Bilder, Klänge, Performances und inszenatorischen Einfälle heraufbeschworene Atmosphäre. Unverkennbar unterscheidet sich sein Werk von moderner, gern Effekte und/oder „Jump Scares“ aufbietender Horror-Kost á la „Insidious“ oder „the Conjuring“: Perkins' Inspiration liegt eher bei Leuten wie Roman Polanski und David Lynch verwurzelt. Als Lily letztere Sätze spricht, schaut sie dabei übrigens direkt in die Kamera: Ein Lächeln formt sich, es wird Augenkontakt mit dem Betrachter geschlossen sowie (für einen einzigen Moment) „die vierte Wand durchbrochen“…
Wann genau die Geschehnisse angesiedelt daherkommen, wird zwar nicht verraten – doch deuten verschiedene Einrichtungsgegenstände (wie ein TV-Gerät mit „Rabbit Ear“-Antenne, VHS-Player, Audio-Kassetten sowie ein markantes Wandtelefon mit Wählscheibe und langer Ringelschnur) auf die Achtziger hin. Iris ist dement, körperlich schwach, redet nur selten und hält sich ausschließlich (entweder im Bett liegend oder auf einem Stuhl sitzend) im Obergeschoss des rustikalen, 1812 errichteten Hauses auf, das sich noch immer in einem ordentlichen Zustand befindet und per se keineswegs „creepy“ anmutet. Es ist nun aber so, dass Lily generell eine relativ ängstliche, nicht umfassend gefestigte Person ist.
„Oh, grow up, you old scaredy-cat!“, sagt sie sich an einem Punkt etwa selbst. Bisher hat sie sich nicht einmal getraut, mehr als neun Seiten eines der Bücher zu lesen, die Iris im Laufe ihrer Karriere veröffentlicht hat. Angelehnt an die 1965 verstorbene Autorin Shirley Jackson („the Haunting of Hell House“), war jene mit trivialen Murder-Mystery-Romanen – solche, wie man sie häufig an Tankstellen oder Flughäfen kauft – zu Bekanntheit und Vermögen gelangt. Am ersten Abend ruft Lily (nach Sonnenuntergang) eine Freundin an, um sich von der neuen Situation und Umgebung ein wenig abzulenken: Es ist einzig in diesem Gespräch, dass man überhaupt irgendwelche „Hintergründe“ über sie erfährt – z.B. dass sie mal verlobt war – bis das Telefonat dadurch endet, dass ihr der Hörer „auf unerklärliche Weise“ förmlich aus der Hand gerissen wird. Nahezu unmittelbar darauf vollzieht sich dann es ein rund elf-monatiger Zeitsprung…
Fast ein Jahr schon kümmert sich Lily nun bereits um Iris – lebt mit ihr weitestgehend isoliert von der Außenwelt unter dem Dach jenes Gebäudes, dessen Erbauer damals (zusammen mit seiner frisch angetrauten Braut) in den Tagen zwischen der Fertigstellung und dem geplanten Einzug spurlos verschwunden war. Die gesundheitliche Verfassung der jetzigen Besitzerin ist unverändert – und Lily kümmert sich gewissenhaft um sie, getreu ihrer Prinzipien.
„I am very seldom required to wear white by my employers. But, anyway, I always do. It has always been that wearing white reassures the sick that I can never be touched – even as darkness folds in on them from every side; closing, like a claw.“ Über die Monate hinweg war Lily ein Bereich der Tapete in einem Flur gewahr geworden, an dem sich ein dunkler Schimmelbefall auszubreiten begonnen hatte. Um sich das mal anzusehen, kommt Mr. Waxcap aktuell vorbei: Als er sich nach den beiden Frauen erkundigt, versichert ihm Lily, dass alles in Ordnung sei – fragt allerdings nach, ob er eventuell wüsste, warum Iris sie ständig nur
Polly nennen würde. Ihm fällt dabei ein, dass die zentrale Protagonistin ihres erfolgreichsten Buchs (mit dem Titel „the Lady in the Walls“) so hieß – was Lily dazu veranlasst, sich trotz ihrer Furchtsamkeit mit dem Werk zu beschäftigen. Im zugehörigen Vorwort hatte Iris geschrieben, dass der sich um das tragische Schicksal einer jungen Dame namens Polly Parsons rankende Inhalt „auf wahren Begebnissen“ beruhen würde: Sie habe alles exakt so wiedergegeben, wie jene es ihr berichtet habe. Die Sache ist bloß, dass Polly lebte und starb, als Iris noch gar nicht geboren war…
Hat sich Iris das wohlmöglich ausgedacht, um Neugier zu erwecken – oder gibt es wahrhaftig einen mit diesem Ort verbundenen Geist? Könnte letzteres den Ursprung der seltsamen Geräusche sowie der schemenhaft auszumachenden Gestalt bilden, welche sie sporadisch zu sehen glaubt – oder sind das alles nur Auswüchse ihrer seitens der Umstände angeregten Phantasie? Und was genau ist mit Polly passiert?
„I have written down all that she cared to reveal“, heißt es in der zu Papier gebrachten Einleitung,
„All but the very ending, which she was either unwilling or unable to tell me herself. Or maybe she just couldn´t see it anymore.” Im selben Zeilenfluss offenbart sie, dass Polly tatsächlich tot sei – fügt aber noch hinzu:
„Quite dead – but not quite buried: Carelessly concealed in a grave too shallow to be rightly called a grave at all. Better to call it a hiding place.“ Mit der ersten Verlaufshälfte nicht einmal vorüber, hat Perkins inzwischen (neben Lily´s Ausführungen und der Gegenwart) zusätzlich sowohl einzelne Voiceover-Einspielungen von Iris und Polly als auch kurze Flashbacks zurück in die 1960er sowie ins frühe 19. Jahrhundert in die Handlung bzw. ins Geschehen mit eingeflochten. Die zu hörenden Schilderungen und Erläuterungen klingen Prosa-esk und reichern das Erkennbare sowie die damit verknüpften Empfindungen ergiebig an. Ähnliches gilt für die spärlichen, manch einen für die Zeit eher ungewöhnlichen Begriff (à la
silly-billy) aufweisenden Dialoge. Mit geschlossenen Augen käme einem das Gebotene annähernd wie ein „Audiobook“ (mit etlichen wortlosen Passagen) vor…
In der Hauptrolle überzeugt die Britin Ruth Wilson („the Lone Ranger“) – welche vor allem für ihre Serien-Parts in „Luther“ und „the Affair“ breitere Bekanntheit genießt – mit einem makellos antrainierten amerikanischen Akzent und einer ausdruckskräftigen, unterschiedliche Manierismen und charakterliche Eigenschaften (u.a. Unsicherheit und Naivität) umfassenden Performance. All die Monate ist Lily mit Iris allein. Um der Einsamkeit entgegen zu wirken, führt sie gelegentlich Selbstgespräche oder redet mit Objekten wie Blumen in dem ansonsten meist stillen Haus. Es gibt nur eine Handvoll Außenaufnahmen – die Fenster sind vorwiegend geschlossen. Bei ihr beginnen sich Anzeichen von Paranoia (vielleicht sogar Agoraphobie) zu zeigen – was in einer Kombination aus Sympathie, Mitleid und Sorge um sie und ihren Seelenzustand mündet. Derweil verkörpert Alt-Star Paula Prentiss (eine der ursprünglichen „Stepford Wives“) Iris im Rahmen einer ihrer nunmehr seltenen Auftritte bestens – obgleich sie in der Rolle nicht sonderlich viel zutun erhält – während einem Bob Balaban („Moonrise Kingdom“) als Vermögensverwalter ein leichtes Schmunzeln entlockt sowie Lucy Boynton („Sing Street“) und Erin Boyes („Pay the Ghost“) Polly und Iris innerhalb der Rückblenden achtbar portraitieren. Perkins hat den Film seinem Vater gewidmet sowie eines dessen Lieder („You keep coming back like a Song“) plus einen Clip des 1956er Westerns „Friendly Persuasion“ mit eingebunden. Erwähnenswert ist zudem, dass Anthony, Prentiss und Balaban allesamt in Mike Nichols' Klassiker „Catch-22“ (1970) mitgespielt haben…
Seine minimalistisch geartete Story hat Perkins in eine „zum Schneiden dichte“ Atmosphäre eingebettet: Mit Ruhe präsentiert er die Erlebnisse Lilys – lässt einen sozusagen an ihrer subjektiven Beklemmung und Furcht teilhaben. Genre-typische „Zutaten“ (wie knatschende Dielen oder eine plötzlich zu erspähende Reflektion) sind zwar vorhanden – wurden aber stets bedacht und effektiv eingesetzt (siehe die zwei einzigen „Jump Scares“). Cinematographer Julie Kirkwood („the Monster“) gebührt eine Menge Lob für ihre inspiriert gewählten Perspektiven und Kamera-Bewegungen, die Ausleuchtung der nächtlichen Szenen ist düster – wobei im Hintergrund oft geöffnete, in noch intensivere Dunkelheit führende Türen auffallen – und das arrangierte Sound-Design erfüllt seinen beabsichtigten Zweck ebenso prächtig wie der unbehagliche Score von Osgood´s Bruder Elvis („Salvation Boulevard“). Dadurch, dass man die wortlos umher wandelnde weibliche Geistergestalt immerzu bloß verblasst und verschwommen zu sehen bekommt, kann man sich nie völlig sicher darüber sein, ob sie wirklich „echt“ ist oder nicht eventuell doch nur der Einbildung Lilys entstammt – bevor das Ende dann noch einmal die zyklische Struktur des Ganzen herausstellt. „Unterm Strich“ möchte ich „I Am the Pretty Thing That Lives in the House“ nun also (abschließend) insbesondere all jenen empfehlen, die ambitionierte, stimmungsvolle, weder vorrangig auf „Blut“ noch „Shocks“ ausgerichtete Veröffentlichungen abseits des Mainstreams (wie bspw. auch „the VVitch: A New-England Folktale“) generell erfreuend-herzlich zu schätzen wissen…
sehr starke