Entstehungsdaten:
Australien-Kolumbien 2017
Regie:
Greg McLean
Darsteller:
Daniel Radcliffe
Alex Russell
Joel Jackson
Thomas Kretschmann
Trailer
Wie durch ein Wunder war es dem 1959 in Israel geborenen (heutigen Umweltaktivisten und Unternehmer) Yossi Ghinsberg im November 1981 gelungen, drei Wochen lang allein (ohne Ausrüstung und Vorräte) in einem abgelegenen Teil des Amazonas zu überleben – wovon er im Folgenden u.a. im Rahmen dreier selbst verfasster Bücher berichtete, nämlich „Back from Tuichi“, „Laws of the Jungle: Jaguars don't need Self-Help Books“ sowie „Jungle: A Harrowing True Story of Survival“. Auf letzterem Roman basiert der hier nun zur Rezension vorliegende, in der zweiten Jahreshälfte 2017 erschienene dramatische Abenteuer-Thriller Greg McLeans, in welchem Daniel Radcliffe eben jenen Backpacker mimt, dessen Lust und Drang, die Welt zu bereisen, ihn Anfang der Achtziger nach Bolivien führt, wo er sich schon bald mit dem aus der Schweiz stammenden Lehrer Marcus (Joel Jackson) und dem amerikanischen Fotographen Kevin (Alex Russell) anfreundet, die ebenfalls „weltenbummlerisch“ unterwegs sind. Yossi liebt es, Menschen kennenzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln – wie z.B. beim Campen zusammen mit einem charmant-hübschen Mädel (Lily Sullivan) ein Getränk zu sich zu nehmen, welches Extrakte einer „halluzinogenen Pflanze“ beinhaltet…
Kurz bevor sie aus La Paz weiterzuziehen gedenken, wird Yossi jedoch von dem Österreicher Karl (Thomas Kretschmann) angesprochen, der über gute regionale Kenntnisse verfügt und dem Trio eine allerlei „Einmaliges“ (á la prächtige Flora und Fauna, zurückgezogen lebende Eingeborene, ja sogar potentielle Goldvorkommen) offerierende Dschungel-Tour „abseits der gängige Pfade“ anbietet. Während Yossi angetan und Marcus skeptisch ist, reizt Kevin die Aussicht auf Fotos, die ihm einen Platz im „National Geographic“-Magazin einbringen könnten – also willigen sie schließlich ein und brechen gemeinsam tief ins Landesinnere auf. Die ersten Tage verlaufen prima – doch abweichende Ansichten (vor allem zwischen Karl und Kevin) sowie der immer schlimmer werdende Zustand von Marcus' Füßen (Blasen und offene Wunden) lässt die Stimmung zunehmend absinken. Verschiedene Optionen werden erörtert – bis man sich darauf einigt, dass Karl und Marcus das nächstgrößere Dorf anpeilen, wogegen Yossi und Kevin per Floß eine „aufregendere“ Route einschlagen bzw. wählen. In den Stromschnellen eines Canyons geschieht es dann allerdings, dass ihr hölzernes Gefährt an einem Felsen zerbricht und die beiden voneinander getrennt werden…
„Jungle“ (2017) wurde vom Australier Greg McLean in Szene gesetzt, der mit seinem 2005er Outback-Terror-Streifen „Wolf Creek“ (plus Sequel) internationale Bekanntheit erlangte und nach zwei enttäuschenden US-Produktionen („the Darkness“ und „the Belko Experiment“) für das vorliegende Werk in seine Heimat zurückgekehrt war – denn tatsächlich entstanden die meisten Urwald-Sequenzen in Queensland; also auf einem ganz anderen Kontinent. Hinzu kamen nur vereinzelte Studio-Aufnahmen sowie einige in Kolumbien und Bolivien gedrehte – was dem Endergebnis einen ansprechend „authentisch-realistischen Eindruck“ (quasi „direkt vor Ort in der Wildnis“) verleiht. Die Locations wurden treffend gewählt, die Landschaften sind beeindruckend, die zugegenen Tiere (Affen, Spinnen, seltene Vogelarten etc.) „exotisch“ und die von Stefan Duscio („Backtrack“) eingefangenen Bilder so wie seitens einer in einem solchen Setting angesiedelten Story erwartet: Eine Kombination aus „nahe am Geschehen“ positionierter „Handheld“-Kamera-Arbeit und einer Reihe schön anzusehender, regelmäßig dargereichter „Aerial Shots“. Zudem trägt die „Soundkulisse“ (mit diversen charakteristischen Lauten und Geräuschen) eine Menge zur vermittelten Atmosphäre bei…
Von klarem Vorteil wäre es indes gewesen, wenn sich das Skript aus der Feder Justin Monjos („Cement“) intensiver mit den drei zentralen Figuren beschäftigt hätte: Unabhängig einer registrierbaren „Chemie“ zwischen den jungen Männern verbringt man vor ihrem Aufbruch mit Karl schlichtweg zu wenig Zeit mit ihnen – lernt sie nicht ergiebig genug kennen, um das „Gewicht“ ihrer anwachsenden Konflikte untereinander in einem optimalen Maße nachempfinden zu können. Als sie aufgrund der Fußverletzungen von Marcus nur noch langsam vorankommen, sorgt das bei Yossi und Kevin für Frust und Unmut – was Marcus wiederum selbst kräftig bürdet, u.a. da er insbesondere ersteren als einen „engen Freund“ ansieht. Würde er das so nicht konkret aussprechen bzw. formulieren, hätte es der Zuschauer in jener Ausprägung allerdings kaum wahrgenommen. Das Gespräch, im Zuge dessen Yossi Marcus dann „auf sensible Weise manipulativ“ dazu bewegen kann, doch lieber mit Karl zu gehen, während er und Kevin „ihr eigenes Abenteuer“ fortführen (ohne dass ihnen jemand „den Spaß vermindert“), gefiel mir persönlich sehr gut – vorrangig in Anbetracht der damit verknüpften „Preisgaben“ (in Sachen Denken, Auftreten und Verhalten)…
Alex Russell („Chronicle“) und Joel Jackson (TV´s „Safe Harbour“) verkörpern Kevin und Marcus ordentlich – was ebenfalls für Thomas Kretschmann („Stratton“) als „zwielichtiger“ Karl gilt, der einige „harte“ Ansichten vertritt sowie variierend einen beunruhigenden, überheblichen oder charismatisch-kundigen Eindruck heraufbeschwört. Ich kann schonmal verraten, dass er kein Psychopath á la Mick Taylor ist – auch wenn der Trailer das anzudeuten scheint und seine Kontaktaufnahme mit Yossi (bei der er ihn stracks danach fragt, ob er denn Amerikaner sei) fast schon einem „Hostel“-Flick entnommen anmutet. Nachdem er und Marcus aus der Handlung „verschwinden“ – da man ab einem Punkt ausschließlich Yossi und Kevin begleitet – zeigt sich jedenfalls schnell, dass „Mutter Natur“ die größten Bedrohungen für unsere Protagonisten aufbietet: Bereits der kleinste Fehler kann tödlich sein – was prompt damit beginnt, dass es letzteren beiden (eindringlicher Hinweise und Warnungen Karls zum Trotz) nicht gelingt, ihr Floß rechtzeitig ans Ufer zu steuern, ehe sie seitens der Strömung in die reißenden Fluten eines engen Canyons gezogen werden. Zwar kommen sie knapp mit ihren Leben davon – sind fortan jedoch jeweils (mehrere Meilen auseinander) auf sich allein gestellt…
Mit dem Fluss, an dem er sich orientieren kann, und dem Wissen, dass er gar nicht erst auf baldige „Hilfe von außen“ zu hoffen braucht, bemüht sich Yossi im Folgenden darum, irgendwie wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Das zu bewältigende Terrain ist unwegsam – mit dichtem Gestrüpp, bergigem Gelände und anderen „Hindernissen“ – das Wetter wechselhaft (Hitze, eine bedrückend hohe Luftfeuchtigkeit, teils extreme Regengüsse) sowie das eine oder andere Tier „eine akute Gefahr für seine Gesundheit“: U.a. sieht er sich mit einer Giftschlange und einem Jaguar konfrontiert, isst an einer Stelle zwei kurz vorm Schlüpfen stehende Küken, deren Eier er entdeckt, erleidet ähnliche offene Wunden wie Marcus und muss sich obendrein (in der Ekel-erregendsten Szene des Films) einen lebendigen Wurm aus der Stirn schneiden bzw. ziehen, der zuvor dort (unter der Haut in einer zunehmend dicker werdenden Beule) herangewachsen war. Die physisch wie psychisch auf ihn einwirkenden Belastungen sind enorm. McLean ist inzwischen ja geübt darin, solche Momente (unterstützt durch garstig-feine Make-up-Kreationen und geschickt gewählte Perspektiven) überaus „effektiv“ zu präsentieren – zumal man genau weiß, dass das Gebotene keineswegs unrealistisch ist…
Obgleich stets unterhaltsam sowie handwerklich kompetent beschaffen, muss jedoch angeführt werden, dass im Grunde nur die gängigen „Genre-Bausteine“ aneinandergereiht wurden: Vom einleitenden Voiceover (Stichwort: „Backpacker-Romantik“) über die „Gruppenphase“ (Kameradschaft, aufkeimende Konflikte) bis hin zu einzelnen Set-Pieces und „Elementen“ der zu bewältigenden Notlage (Hunger, Erschöpfung, Verletzungen, schwindende Hoffnung etc.) sind es nicht bloß die Dialoge, die so einige Klischees aufweisen. Darüber hinaus dienen im finalen Drittel eingebundene, an sich nicht unbedingt notwendige Träume, Flashbacks (zurück in den Kreis seiner konservativen Familie in Tel Aviv) sowie „schräge“ Halluzinationen sowohl dazu, Yossi mehr „Backstory“ zu verleihen, als auch dem Publikum einen „Einblick in seinen Geisteszustand“ zu gewähren – und dennoch ist man insgesamt weniger „emotional involviert“ als bspw. bei „Into the Wild“ oder „the Revenant“. An der Performance Daniel Radcliffes („Horns“) liegt das allerdings nicht: Bärtig, mit vollem Engagement sowie einen passablen israelischen Akzent zum Besten gebend, meistert er die Rolle rundum überzeugend und beweist einmal mehr seine Vielseitigkeit nach Abschluss seiner Zeit als „Harry Potter“…
Fazit: Basierend auf wahren Begebenheiten, haben wir es bei Greg McLean´s „Jungle“ mit einem ebenso soliden wie konventionellen dramatischen Survival-Thriller zutun, dem in erster Linie ein inspirierter ausgearbeitetes Drehbuch zu wünschen gewesen wäre…