Entstehungsdaten:
USA 2017
Regie:
Mike Flanagan
Darsteller:
Carla Gugino
Bruce Greenwood
Chiara Aurelia
Henry Thomas
Kate Siegel
Carel Struycken
Trailer
„Gerald´s Game“ (2017) ist ein Kammerspiel-artiger Psycho-Thriller, der auf dem gleichnamigen (hierzulande „das Spiel“ betitelten) Roman Stephen Kings aus dem Jahr 1992 basiert sowie seitens des geschätzten Genre-Regisseurs Mike Flanagan („Hush“) für die Streaming-Plattform „Netflix“ in Szene gesetzt wurde. Erzählt wird die Geschichte des gut situierten Ehepaars Jessie (Carla Gugino) und Gerald (Bruce Greenwood), deren Beziehung im Laufe des Verheiratetseins zuletzt zunehmend an Emotionalität (Leidenschaft, Liebe, Aufmerksamkeit etc.) verloren hat. Ein gemeinsames Wochenende in ihrem Ferienhaus wird von beiden als eine Chance erachtet, ihrer Beziehung erneut „etwas Würze“ zu verleihen sowie im Zuge dessen wieder besser zueinander zu finden. Abgeschieden in einem Wald am Ufer eines Sees gelegen, hat Gerald im Vorfeld alles schön herrichten lassen, so dass sie sich nun (u.a. mit leckeren Spezialitäten im Kühlschrank der edlen, frisch gereinigten Bleibe) ohne Ablenkungen und Unannehmlichkeiten ganz auf sich konzentrieren können…
Kurz nachdem sie einen in der Gegend herumstreunenden Hund mit teuren Steaks gefüttert hat, zieht sich Jessie um und erwartet Gerald in nichts außer ihrem neuen Seiden-Nachthemd im Schlafzimmer, wo sie sich von ihm (auf seinen Wunsch hin) mit Handschellen ans Bett fesseln lässt sowie er prompt mit einem entsprechenden „Rollenspiel“ beginnt – welches ihr allerdings nicht behagt und sie von daher relativ schnell abbricht. Enttäuscht und verärgert, kommt es zu einem Streit, bei dem er plötzlich einen Herzanfall erleidet und daran verstirbt – das aber noch bevor er sie wieder losgemacht hat! Mit Schrecken wird Jessie gewahr, dass sie sich offenbar nicht selbst befreien kann und ihr wahrscheinlich auch niemand in den nächsten Tagen zu Hilfe kommen wird – und so verbleiben ihre Schreie ungehört, während die Stunden vergehen, in denen ihre Verzweifelung (in Anbetracht des drohenden Todes) ebenso anwächst wie ihr Durst. Zu allem Überfluss findet überdies schon bald der hungrige Hund seinen Weg ins Haus – angelockt von dem Geruch des auf dem Fußboden liegenden Leichnams…
Unweigerlich erinnert einen „Gerald´s Game“ an Werke wie „127 Hours“, „Curve“ und/oder Rob Reiner´s „Misery“-Adaption – also an Filme, die sich überwiegend „auf stark begrenztem Raum“ (primär an einem einzigen zentralen Schauplatz) entfalten und dem Publikum eine unglückselige Person präsentieren, die sich dort (aus einem speziellen Vorfall bzw. Ereignis resultierend) „gefangen“ wiederfindet sowie sich fortan aktiv und beherzt um ihr Überleben bemühen muss. Physisch immer schwächer werdend, bildet sich bei Jessie als eine psychische Folge dieser beängstigenden Situation heraus, dass ihr (ein Stück weit anders als im Buch) „vor ihrem geistigen Auge“ auf einmal sowohl „ein fideler Gerald“ als auch „eine alternative Version ihrer selbst“ erscheinen: Quasi „Projektionen ihrer Gedanken und Seele“ – samt multipler Interaktionen untereinander, die sich eben daraus ergeben. Durch diese Gespräche erfährt der Zuschauer eine Menge über sie – über ihren Charakter, ihre Wünsche, Ansichten, Hoffnungen, Enttäuschungen und ihre prägend gewesene Vergangenheit…
Diese Art, mit der sich Jessie´s zu entgleiten drohender Verstand quasi „kontinuierlich in Bewegung hält“, erlaubt es ihr, unterschiedliche Perspektiven, Szenarien und Möglichkeiten „durchzusprechen“: Gerald gibt dabei (reflexiv) sein „wahres Wesen“ preis – fasst sozusagen das in Worte, was sie bereits länger gewusst, sich aber nie konkret eingestanden hat – zeigt ihr ihre Schwächen auf und vertritt (auf ihre Lage bezogen) eine weitestgehend entmutigend-pessimistische Einstellung – wohingegen ihr „anderes Ich“ kräftigere Selbstsicherheit als sie an den Tag legt und die zu bewältigenden Problematiken vorrangig rational evaluiert (was mehrfach nicht unbedingt motivierender Natur ist). Im Hinblick auf das, was es über Jessie´s Denken in der betreffenden Hinsicht aussagt, sind einzelne Momente indes interessant, in denen Gerald ihr tatsächlich hilfreiche Tipps gibt. Generell sucht Jessie nach einem Ausweg aus ihrer Not und arbeitet zugleich ihre Beziehung „therapeutisch“ auf, welche auch ein anregend-harmonisch verlaufender Ausflug (auf Dauer) nicht verbessert hätte…
Zu Lebzeiten war Gerald ein erfolgreicher Vertreter seines Berufsfelds, in welchem ihm sein Können Macht und Anerkennung einbrachte – sein Ego nährte – während „das Feuer seiner Ehe“ daheim immer weiter erlosch. Es ist nicht bloß eine Sex-Phantasie, die er an diesem Wochenende in die Realität umsetzen möchte – vielmehr steckt bei ihm der „innere Drang“ dahinter, sich Jessie gegenüber endlich mal so zu geben, wie er „auf der verborgenen Seite der nach außen hin gepflegten Fassade“ eigentlich wirklich ist. Als er sie ans Bett kettet, genießt er das Gefühl von Dominanz ebenso wie das Registrieren ihrer ansteigenden Verunsicherung: Beides erregt ihn. Regisseur Flanagan hat diese „Gradwanderung“ zwischen einem Spiel und einer echten Bedrohung sehr gut arrangiert – sowie in Gestalt von Bruce Greenwood („Spectral“) jemanden für die Rolle gewinnen können, der die zugehörigen Eigenschaften des Parts (von Maskulinität und Charme bis hin zu Herablassung und Boshaftigkeit) rundum zufrieden stellend darzubieten vermochte…
Jessie wird sich darüber im Klaren, dass Gerald und ihr eigener Vater ähnlich manipulative, jeweils bestimmte „düstere Begierden“ in sich tragende Personen waren: Eine bittere Erkenntnis, die mit einem traumatischen Erlebnis aus ihrer Jugend in Verbindung steht, welches der Film im Rahmen einer Reihe ordentlich und passend integrierter Rückblenden aufzeigt. Was an jenem Nachmittag geschah, an dem es in der Region zudem zu einer totalen Sonnenfinsternis kam, wurde zum Teil in ein intensives rotes Licht getaucht: Trotz dieser punktuell eingebundenen, gezielt gewählten „gekünstelt-surrealen Bildersprache“ bleibt die vermittelte Beklemmung des dort damals Vorgefallenen aber dennoch erhalten – u.a. ein Verdienst der überzeugenden Leistungen von Chiara Aurelia („Big Sky“) und Henry Thomas („Red Velvet“) als 12-jährige Jessie und ihr „Wolf im Schafspelz“-Vater Tom, dessen Gattin Sally übrigens Kate Siegel („Ouija: Origin of Evil“) mimt, welche ja seit 2016 mit Flanagan verheiratet ist…
Neben der Dehydrierung, Angst, den schmerzenden Gliedmaßen, ihrer schwindenden Kraft sowie all den geschilderten Dingen, die in ihrem Kopf so vor sich gehen – Erinnerungen, Bewusstwerdungen etc. – sieht sich Jessie obendrein mit noch zwei weiteren „beunruhigenden Faktoren“ konfrontiert: Zum einen wäre da der durch die offen gelassene Vordertür herein gelangte Hund, der kurzerhand Gerald´s Leiche anfrisst sowie zunehmendes Interesse an „gar frischerem Fleisch“ (sprich: Jessie selbst) zu zeigen beginnt – zum anderen eine „Moonlight Man“ genannte, von dem unter Akromegalie leidenden Niederländer Carel Struycken („the Addams Family“) verkörperte, sich nachts durch die Dunkelheit bewegende „gespenstische Figur“, welche Jessie als etwas in der Art des „lauernden Todes“ ansieht. Dass letzterer eine „Bag of Bones“ bei sich trägt, ist natürlich ein „Wink“ in Richtung eines weiteren Stephen King Werks – ebenso wie der Tiername „Cujo“ und die Beschreibung einer (hier in einem Traum) während einer Eklipse an einem Brunnen stehenden Frau (vgl. „Dolores Claiborne“)…
Als Jessie hat Carla Gugino („Sin City“) eine starke, verschiedene Emotionen, Geistes- und Seelen-Zustände umspannende, durchweg glaubwürdig anmutende Performance abgeliefert. Flanagan hat ihre „Tortur“ in chronologischer Folge abgedreht und sowohl ihre Entwicklung als auch Eskalation prima eingefangen – nicht unerheblich unterstützt seitens inspiriert gesetzter Schnitte und einer eben solchen Kamera-Führung Michael Fimognaris („Before I fall“) – worüber hinaus es neben einem soliden Maß an Suspense und Atmosphäre überdies noch einige „makabre Details“ (á la eine an Gerald´s Mund landende Fliege) sowie vereinzelte weitere „Ungemütlichkeiten“ (allen voran eine wirklich derbe selbst zugefügte Wunde) zu verzeichnen gibt. Woran sich die „Geister“ indes scheiden, sind die finalen Minuten: Jener (übrigens Vorlagen-nahe) Epilog weist zwar einen eigenwilligen „Ton“ auf, den viele nicht mögen – allerdings schließt er „Jessie´s Geschichte“ erst richtig ab (wobei sich bspw. die Dialogzeile
„You´re so much smaller than I remember“ auf ein früheres Gespräch mit ihrem Vater bezieht)…
Fazit: Mit „Gerald´s Game“ ist es Mike Flanagan und seinem Co-Autor Jeff Howard gelungen, Stephen King´s lange Zeit als „unverfilmbar“ geltenden Roman kongenial zu adaptieren sowie im Zuge dessen eine stimmige Kombination aus einem abgründigen Charakter-Drama und einem sich stetig zuspitzenden Horror-Thriller zu erschaffen…