Entstehungsdaten:
USA 2016
Regie:
Ana Lily Amirpour
Darsteller:
Suki Waterhouse
Jason Momoa
Jayda Fink
Keanu Reeves
Jim Carrey
Giovanni Ribisi
Trailer
„Beyond this fence is no longer the territory of Texas. Hereafter no person within the territory beyond this fence is a resident of the United States of America or shall be acknowledged, recognized or governed by the laws and governing bodies therein.
Good luck.“
Diese Zeilen sind auf einem Schild zu lesen, an dem Arlen (Suki Waterhouse) vorbeischreitet, nachdem sie unmittelbar zu Beginn von „the Bad Batch“ (2016) – dem zweiten Spielfilm der gefeierten iranisch-stämmigen Regisseurin Ana Lily Amirpour – seitens einiger Grenz-Beamte durch einen Zugang in einem mehrere Meter hohen Zaun in eine entlegene Wüstenregion im Süden der Vereinigen Staaten „hinausgeschickt“ wurde. Zuvor war sie (aus nie klar benannten Gründen) u.a. in Gewahrsam genommen sowie offiziell als so etwas wie eine „Aussätzige der Gesellschaft“ eingestuft worden: Eine Strafe bzw. ein auferlegtes Schicksal, welches sie sich mit zahlreichen anderen (gemäß ihrer frisch hinterm Ohr eintätowierten Häftlingsnummer: 5039, um genau zu sein) teilt, die auf diesem umschlossenen, zig Quadratmeilen großen Gebiet sozusagen „sich selbst überlassen“ wurden. Da sie im Vorfeld bereits von den dort herrschenden „Zuständen“ gehört hat, tritt sie sogleich die Flucht an, als sie nach einiger vergangener Zeit (während einer eingelegten Pause inmitten des kargen Ödlands) ein Gestalten-Duo bemerkt, das sich ihrer Position (in einem Golf-Cart fahrend) annähert – leider jedoch vergebens…
Unterlegt mit dem '90er-Jahre-Pop-Song „All that she wants“ der schwedischen Band Ace of Base – das erste so einiger wunderbar gewählter Musik-Stücke – kommt Arlen (gefesselt am Boden liegend) in einer als „the Bridge“ bekannten, primär aus alten Flugzeug-Komponenten bestehenden sowie von diversen „Bodybuilder-Typen“ bewohnten kleinen Siedlung wieder zu sich. Hilflos und entsetzt – aber immerhin betäubt – muss sie daraufhin mitansehen, wie ihr eine Frau sowohl ein Arm als auch ein Bein absägt, die Gliedmaßen anschließend auf einen Grill legt sowie ihr ihre offenen Amputations-Wunden mit einer erhitzten Pfanne kauterisiert. Sie wird zu einer Gefangenen der Kannibalen – bis ihr eines späteren Tages (per Nutzen eigener Fäkalien, einer Eisenstange und eines Skateboards) die Flucht gelingt, welche sie (ohne Wasser unter der gnadenlos vom Himmel herab brennenden Sonne) allerdings bloß deshalb überlebt, weil sie irgendwann ein stummer umherziehender „Einsiedler“ (Jim Carrey) entdeckt und in seinem Einkaufswagen nach „Comfort“ karrt – einer von allerlei „schrägen Persönlichkeiten“ bevölkerten (bewachten, weitestgehend friedlichen) Gemeinschaft…
Es ist ein starker, packender, ohne Worte auskommender Einstiegsakt, den Amipour dem geneigten Betrachter da präsentiert. Wie schon in „A Girl walks Home alone at Night“ steht bei ihr erneut eine von ihrer Umgebung „isolierte“ Frau im Fokus – doch statt eine düstere, in Schwarzweiß gehaltene „Bildersprache“ aufzuweisen sowie ans Schaffen von Auteuren á la Jim Jarmusch zu erinnern, ist hier alles in Farbe, meist (gelegentlich geradezu blendend) hell und werden einem eher Werke in der Art von Wes Craven´s bzw. Alexandre Aja´s „the Hills have Eyes“ in den Sinn gerufen. Nach einem mehrmonatigen, mit einer „Entschleunigung“ einhergehenden Zeitsprung wird dem Zuschauer aufgezeigt, dass Arlen inzwischen eine Bein-Prothese trägt und sich weiterhin in „Comfort“ aufhält – dabei aber möglichst „für sich allein“ bleibt. Im Gegensatz zu den „Menschen-Fressern“, denen sie entflohen ist – welche töten und ihre Körper (einen unweigerlich an „Muscle Beach“ denken lassend) u.a. durchs Stemmen von Gewichten „kräftigen“ – hat sich an dem Ort ihrer Zuflucht sozusagen eine „unaggressiv-tolerante Ansammlung alternativer Charaktere“ zusammengefunden…
Für die Sicherheit und Unterhaltung der teils an physischen und/oder mentalen „Gebrechen“ leidenden Leute in „Comfort“ sorgt ein sich „the Dream“ nennender, quasi wie eine Kreuzung aus einem Bürgermeister, Kult-Vorsteher und südamerikanischen Drogen-Baron anmutender Herr (Keanu Reeves), der in einem Villa-ähnlichen, luxuriös eingerichteten Gebäude residiert, in welchem er verschiedene Pflanzen-Sorten anbaut sowie mit Stolz davon berichtet, wie gut und wichtig es (nicht nur „in politischer Hinsicht“) von ihm war, ein funktionierendes Toiletten- Schrägstrich Abwasser-System für die Anwohner zu installieren. Flankiert wird er seitens einer Reihe hochschwangerer, Waffen wie Uzis sowie Shirts mit dem Aufdruck
„the dream is inside me“ tragender Frauen – worüber hinaus er auf veranstalteten Partys (inklusive einer großen, mobilen, als '80er-Boombox gestalteten DJ-Kabine) LSD an die ihm zujubelnde Menge ausgeben lässt. Mit längeren schwarzen Haaren und „Pablo-Escobar-Schnurrbart“ portraitiert Reeves („the Neon Demon“) ihn gewollt eigenwillig sowie „hart an Grenze“ zur Parodie. Erfreulich, ihm er zuletzt häufiger in reizvollen Projekten fernab des Mainstreams zu begegnen…
Trotz ihrer Freiheit sowie keiner akuten Gefahr findet Arlen einfach keine „innere Ruhe“ – weshalb sie sich kurzerhand eine Pistole schnappt, die umliegende Wüste erkundet und dabei zufällig auf eine mit ihrer Tochter Honey (Jayda Fink) eine Müllhalde nach Verwertbarem durchforstende Frau (Yolanda Ross) stößt, welche sie als eine ihrer Peinigerinnen aus „the Bridge“ wiedererkennt. Nach ausgeübter Rache bringt sie es allerdings nicht fertig, das Mädchen dort zurück (und somit sterben) zu lassen – also nimmt sie es mit nach „Comfort“ und kümmert sich fortan um sie (kauft ihr sogar ein flauschiges Häschen). Im Laufe eines abendlichen „Acid-Trips“ geschieht es dann jedoch, dass sie das Kind aus den Augen verliert und abermals hinaus in die Einöde wandert – wo sie schließlich Honey´s hünenhaften, aus Kuba stammenden, nach ihr suchenden Vater „Miami Man“ (Jason Momoa) trifft. Ohne ihm mit seiner Lage verknüpfte Infos preiszugeben, geraten sie im Folgenden gemeinsam in einzelne Konfrontationen mit gewissen „Widerlingen“ (unter ihnen Cory Roberts), überleben einen Sandsturm und entwickeln im Zuge dessen so etwas wie eine „Bindung“ zueinander…
Mimisch wird Hauptdarstellerin Suki Waterhouse („Pride and Prejudice and Zombies“) zwar nicht allzu viel abverlangt – doch die hübsche Britin meistert die Eigenheiten ihres Parts (bspw. „unter ihrer äußeren Toughness durchschimmernde Verletzlichkeit“) prima. Anders als man glauben mag, wurde das „Resultat“ ihrer amputierten Gliedmaße übrigens vorwiegend per Make-up-Arbeit (und nur selten „auf digitalem Wege“) erzielt. Die „Chemie“ zwischen Arlen und dem mit Jason Momoa („Road to Paloma“) passend gecasteten „Miami Man“ entwickelt bzw. festigt sich gedeihlich: Der muskulöse Hawaiianer verfügt über die richtige „Ausstrahlung“ und wird von Amirpour zudem (in Kontrast zu seinem brutalen Handeln) als sorgender Vater und talentierter Maler in Szene gesetzt. Seine wortlosen Interaktionen mit dem hier nahezu „inkognito“ auftretenden Jim Carrey („the Truman Show“) gehören indes zu den Highlights des Films – Carrey selbst überzeugt mit einer tragisch-komischen Performance in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle. Jeweils mit eingeschränkter Screen-Time sind überdies u.a. noch Giovanni Ribisi („Ted“) und Diego Luna („Rogue One“) mit von der Partie…
Gedreht an Locations rund um Los Angeles, entfaltet sich der Streifen fast vollständig (mit prominenter Ausnahme einer annähernd surrealen Phase im Innern des Wohnsitzes „the Dreams“) in arger Hitze unter freiem Himmel. Cinematographer Lyle Vincent („Urge“) ist es gelungen, sowohl die raue Schönheit der Natur einzufangen als auch diverse schicke Bild-Kompositionen zu arrangieren – und das mehrfach samt des Einbeziehens der Attraktivität von Miss Waterhouse (siehe dazu so einige sich auf ihre Beine konzentrierende Aufnahmen oder die sich über ihre Gesichtszüge bewegenden Neon-Lichter bei einem Rave). Ergänzt um etliche „Sight-Gags“ – wie Schilder mit Aufschriften á la
„You can´t enter the dream unless the dream enters you“, der Anblick eines „FEAR“-Tattoos auf Arlen´s Hand, unmittelbar bevor ihr der Arm abgesägt wird, oder (mein persönlicher Favorit) der „Zwinker-Smiley“ auf einer Po-Backe ihrer gelben Shorts – sowie einer tollen, sich von Künstlern wie Darkside und Die Antwoord bis hin zu Tracks wie Culture Club’s „Karma Chameleon“ erstreckenden Musik-Untermalung, generiert das Gebotene eine ansprechende, alles mit einschließende Stimmung…
Ähnlich der zusammengestückelten Materialen, mit denen die Bewohner die zwei Siedlungen aufgebaut und eingerichtet haben, hat sich auch Amirpour unterschiedlicher (inhaltlicher und stilistischer) Elemente und Einflüsse bedient, die von Alejandro Jodorowsky´s mystischem Western „El Topo“ bis hin zur post-apokalyptischen „Mad Max“-Franchise George Millers reichen – in der vorliegenden Form kombiniert allerdings zu einem „individuellen Ergebnis“ verschmelzen. Ihr gewähltes Tempo ist wechselnd, aber meist ruhig – die zwischen Gewalt, Kitsch und Dramatik schwankende Story mündet schlussendlich in einem ebenso naiven wie ironischen Ausklang. Was sich Amirpour vorwerfen lassen muss, ist dass sie im Hinblick auf das evident vorhandene satirische sozio-ideologische Potential nicht genügend in die „Tiefe“ der Materie vorgedrungen ist. Wäre das Projekt erst 2017 realisiert worden – also nach der Wahl Donald John Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten – hätte das eventuell anders ausgesehen. Unabhängig dessen ist Ana Lily Amirpour´s „the Bad Batch“ aber dennoch ein eigensinnig-lässiger, interessanter wie atmosphärischer Genre-Mix geworden…