Entstehungsdaten:
USA-UK 2018
Regie:
Alex Garland
Darsteller:
Natalie Portman
Jennifer Jason Leigh
Tessa Thompson
Gina Rodriguez
Tuva Novotny
Oscar Isaac
Trailer
Alex Garland´s „Annihilation“ (2018) basiert auf dem gleichnamigen Roman Jeff VanderMeers aus dem Jahr 2014, der seinerseits wiederum (vor „Authority“ und „Acceptance“) den ersten Teil der so genannten „Southern Reach“-Trilogie des u.a. mit dem „Nebula Award“ ausgezeichneten amerikanischen Schriftstellers bildet: Ein ungewöhnlicher, interessanter Sci-Fi-Horror-Thriller, der hinsichtlich einer „cineastischen Adaption“ von Anfang an prächtig zu Garland zu passen schien, der im Laufe seines Werdegangs ja selbst als Autor (u.a. von „the Beach“) erfolgreich war, bevor er sich in diesem Millennium vorrangig aufs Drehbuch-Schreiben zu konzentrieren begann sowie im Zuge dessen die Vorlagen zu „28 Days later“, „Sunshine“, „Never let me go“ und „Dredd“ ablieferte. Als es bei letzterem Projekt zu gewissen „Differenzen“ zwischen den Verantwortlichen und Regisseur Pete Travis kam, übernahm er kurzerhand den Editing-Prozess und trat „inoffiziell“ zudem als „Co-Director“ des Streifens auf. Generell gilt „Ex Machina“ (2014) jedoch als sein „Debüt hinter der Kamera“ – welches einige anregende „in die Tiefe strebende“ Ideen mit klassischen Genre-Elementen verwob sowie ihm und seinen Hauptdarstellen Alicia Vikander, Domhnall Gleeson und Oscar Isaac umgehend eine Menge Lob, Aufmerksamkeit und „Karriere-Chancen“ bescherte…
Im vorliegenden Fall begab sich Garland mit einem Budget von rund 40 Millionen Dollar an die Arbeit und legte am Ende ein Ergebnis vor, das bei einer Test-Vorführung nicht sonderlich gut abschnitt sowie Finanzier David Ellison in der Auffassung bestärkte, es müssten noch einige Veränderungen (bspw. an dem „ins Psychedelische tendierenden“ Schluss-Akt sowie im Hinblick auf eine sympathischere Gestaltung der zentralen Protagonistin) vorgenommen werden, um die „Kommerzialität“ zu erhöhen – was Garland und Produzent Scott Rudin allerdings strikt ablehnten. Im Dezember 2017 einigte man sich schließlich auf einen den Film zwar „unangetastet“ belassenden Deal – bloß würde ihn „Paramount“ nur noch in den USA, Kanada und China in die Kinos bringen, während das Streaming-Portal „Netflix“ ihn dann im Rest der Welt (17 Tage nach seinem Start in den Staaten) in sein Programm-Angebot mit aufnehmen würde: Ein für Garland ein „zweischneidiges Schwert“ markierender Ausgang – denn obgleich er so den „seiner Vision“ entsprechenden „Final Cut“ bewahren konnte und auf diesem Wege kein „Verlust-Geschäft“ mehr zu befürchten war, hätte er dem Publikum anderorts schon gern die Möglichkeit geboten, sich das mit durchaus eindrucksvollen Bildern aufwartende Werk „auf der großen Leinwand“ anzusehen…
Garland gibt an, „Annihilation“ bloß einmal gelesen sowie sein Skript im Folgenden auf eben jener Grundlage verfasst zu haben. Wir haben es hier also mit einer recht freien Adaption bzw. eigenen Interpretation der Materie zutun – einer deutlich „konventioneller“ gearteten, um genau zu sein. Eröffnet wird mit dem Anblick eines Meteors, wie dieser in die Erdatmosphäre eintritt sowie (unverglüht) einen Leuchtturm irgendwo an der US-Küste trifft: Von dort aus hat sich ein mysteriöses „Phänomen“ ausgebreitet, über das bis heute (drei Jahre später) noch immer kaum etwas bekannt ist. Abgeriegelt, bewacht, beobachtet und erforscht seitens der damit beauftragten Regierungs-Behörde „Southern Reach“, wurde der Öffentlichkeit dazu die Story einer „Umwelt-Katastrophe“ in dem fortan als „Area X“ bezeichneten Gebiet „aufgetischt“, in welches man mehrere „Expeditionen“ hineingeschickt hatte, die allesamt jedoch (gelinde ausgedrückt) „scheiterten“. Im Roman wird die Geschichte komplett aus der subjektiven Perspektive einer Biologin erzählt, die sich zusammen mit drei anderen auf einer solchen „Erkundungs-Mission“ befindet und sich zunehmend einer Reihe „merkwürdiger Geschehnisse“ (auf körperlicher wie auch psychischer Ebene) ausgesetzt sieht – wogegen sich Garland für eine „traditionellere Präsentations-Struktur“ entschieden hat…
Während der Leser erst in der Fortsetzung erfährt, dass es die (bei VanderMeer übrigens nie per Namen erwähnte) Biologin tatsächlich raus aus „Area X“ geschafft hat, verrät Garland das unmittelbar zu Beginn, indem er sie (Natalie Portman als Lena) prompt beim „Debriefing“ in einem Isolations-Raum der Einrichtung zeigt, von der aus sie aufgebrochen war. Auf Anhieb raubt das dem Film ein an sich nicht unwichtiges Spannungs-Element zugunsten einer klareren „Orientierung“ fürs Publikum. Ausgiebige Flashbacks und regelmäßig eingespielte Ausführungen Lenas geben preis, dass sie eine ehemalige Soldatin und jetzige Expertin im Fach-Bereich der genetischen Zell-Forschung ist, deren den „Special Forces“ angehörender Ehemann Kane (Oscar Isaac) vor knapp 12 Monaten bei einem geheimen Einsatz „verschwand“ und inzwischen für tot gehalten wird. Just als sie an dem Punkt angelangt, erneut aktiver „nach vorn zu blicken“, taucht er jedoch plötzlich wieder auf: Ohne Erinnerungen, wo er war, was geschah und wie er nach Hause gekommen ist. Er verhält sich eigenwillig – distanziert, nur spärliche Worte von sich gebend – bevor er auf einmal kollabiert sowie die gerufene Ambulanz auf der Fahrt ins Krankenhaus „auf offener Straße“ von einer Schar bewaffneter Staatsdiener abgefangen wird…
Lena und der mittlerweile komatöse Kane werden in die „Southern Reach“-Zentrale gebracht, wo die zuständige Projekt-Leiterin – die Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh) – sie sowohl über die Existenz von „Area X“ als auch darüber in Kenntnis setzt, dass ihr Mann der bisher einzige erfasste „Rückkehrer“ von jenem Ort ist – wobei es aber ein Rätsel sei, wie es ihm möglich war, unbemerkt die streng kontrollierte „Sperrzone“ zu passieren. Als Lena mitbekommt, dass ein weiteres Team in Kürze aufbrechen wird, sorgt sie dafür, dass sie sich ihnen anschließen darf – und so tritt sie einige Tage darauf gemeinsam mit Ventress, der Geodätin Cass (Tuva Novotny), der Physikerin Josie (Tessa Thompson) sowie der Sanitäterin Anya (Gina Rodriguez) diese „Reise ins Ungewisse“ an, von der sie sich Antworten auf zumindest einige der sie verdrießenden Fragen erhofft. Die Gegebenheit, dass die kleine Gruppe rein aus Frauen besteht, behandelt „Annihilation“ auf gefallende Weise „normal“: Sie sind jeweils kompetent in ihrer Profession – haben aus verschiedenen Gründen allerdings „nichts mehr wirklich zu verlieren“; sind „Damaged Goods“ infolge individueller Schicksals-Schläge, wie es an einer Stelle heißt – und somit geradezu ideale Kandidatinnen für ein potentielles „Selbstmord-Kommando“ wie dieses…
Um „Area X“ zu betreten, müssen sie zuerst eine Art „Grenz-Wand/-Kuppel“ durchschreiten, die aufgrund ihres verschwommenen, einen dank sich in ihr wellenförmig bewegender Farben an Seifenblasen oder Öl in Wasser denken lassenden Aussehens „the Shimmer“ genannt wird: Durch sie dringt keine Übertragung oder Kommunikation hindurch – und bis auf Kane ist noch nichts und niemand „von der anderen Seite her“ rausgelangt. Im Innern registrieren sie rasch „kollektive Gedächtnislücken“ – etwa wissen sie nicht mehr, wie sie ihr Camp errichtet haben oder wieviel Zeit bereits vergangen ist – was ich sofort als einen „Einfluss bei ihnen angewandter Hypnose“ angenommen habe: Im Buch spielt das nämlich eine wichtige Rolle – selbst der Roman-Titel ist ein „Trigger-Wort“ in jenem Kontext – doch musste ich irgendwann erkennen, dass Garland diesen (reizvollen) Teil der Vorlage in sein Werk überhaupt nicht mit eingebunden hat: Schade. In England statt im Norden Floridas gedreht, weist das umliegende Terrain eine dichte Bewaldung und einzelne Sumpf-Flächen auf, ist das „natürliche“ Licht (je nach Sonnen-Intensität) vom „Shimmer“ geprägt und sind allerlei Pflanzen vorzufinden, bei denen sich unterschiedliche Sorten „miteinander vereint“ zu haben scheinen: Ein simultan schön anzuschauendes wie subtil unheimlich anmutendes Setting…
Nicht nur auf die Vegetation, sondern auch auf Tiere bezogen, stellen sie schon bald diverse „genetische Veränderungen“ bzw. Mutationen fest – wie z.B. bei einem großen Krokodil, in dessen Maul abnorme Zahnreihen ähnlich derer bei Haien gewachsen sind. Nicht alle Kreaturen, denen sie begegnen, sind so friedlich wie zwei Reh-verwandte Wesen mit Blüten, die ihren Geweihen entsprießen: Weniger kitschig und minder „künstlich“ (sich synchron als Paar bewegend) animiert als jene beiden Geschöpfe, wurde der Angriff des besagten Reptils sowie die eines wahrlich „Albtraum-haften“ Bärs rundum „Puls-steigernd effektiv“ arrangiert. Als die Gruppe einen vormaligen „Southern Reach“-Außenposten erreicht, in welchen sich die vorherige Expedition einquartiert hatte, entdecken sie u.a. eine Video-Aufnahme, die einen Einblick in das Grauen gewährt, dem die Männer zum Opfer fielen: Entweder wurden sie getötet – oder sie haben „den Verstand verloren“ und sich letztlich gegenseitig umgebracht. Unsicherheit vermengt sich mit aufsteigender Paranoia – Misstrauen und Furcht erkeimt. Zunehmend wirkt „Area X“ stärker auf sie ein – und das mental sowie gar physisch. Es ist per Mikroskop, dass sich Lena´s Verdacht schließlich bestätigt, dass ihre eigene DNA inzwischen einem „Wandlungs-Prozess“ unterliegt – mit unbekanntem Ausgang…
Je näher die Frauen der Küste kommen, desto „abstrakter“ beginnt „Annihilation“ zu werden – inklusive solcher Dinge wie ein Haus in einer überwucherten kleinen Siedlung, welches dem Lenas und Kanes gleicht, Sträucher in der Form von Menschen sowie „Kristall-Bäume“ rings um den ja quasi „Ground Zero“ sowie ihr angestrebtes Ziel markierenden Leuchtturm. Dem Publikum wird das frei ausgiebiger Erläuterungen dargeboten – was zum Interpretieren einlädt und eine gewisse „Geistesgegenwart“ erfordert. Aber keine Bange: Rückblenden und die über das Geschehene berichtende Lena sorgen dafür, dass man (einzelner „Irritationen“ zum Trotz) nie ernsthaft „überfordert“ wird. Zugegeben: Leute, denen Werke von Auteuren á la Cronenberg, Lynch oder Aronofsky schon immer „zu hoch“ waren, dürften vor allem mit dem „halluzinogen-esoterischen“ finalen Akt so ihre Probleme haben – aber die können alternativ ja einfach (bspw.) zu gängigen „Marvel“-Adaptionen greifen, von denen es bekanntlich mehr als genug gibt. Einen mysteriösen Turm bzw. Tunnel mit „lebendigen“ auf die Wände geschriebenen Sätzen – seines Zeichens der zentrale Schauplatz bei VanderMeer – gibt es im Vorliegenden übrigens ebenfalls nicht: Stattdessen hat sich Garland auch da so manche „Freiheit“ genommen, von denen nicht jede unbedingt positiv zu werten ist…
Die vom Umfang (nicht vom Können) her „limitierte“ Besetzung kann sich sehen lassen: In der Hauptrolle überzeugt Natalie Portman („Knight of Cups“) mit einer weitestgehend reservierten, die Entschlossenheit und emotionale Motivation Lenas glaubhaft vermittelnden Performance. Lena ergänzt das Team mit ihrem Fachwissen und ihren während der Zeit beim Militär erworbenen Fertigkeiten im Umgang mit Waffen. Als toughe Anya präsentiert sich Gina Rodriguez („Deepwater Horizon“) hier komplett anders als in ihrer Hit-Serie „Jane the Virgin“, Tessa Thompson („Thor: Ragnarok“) verkörpert Josie auf sympathische Weise prima, Tuva Novotny („Borg McEnroe“) bleibt als Cass ein Stück weit „blass“ und Jennifer Jason Leigh („Amityville: the Awakening“) portraitiert die meist „distanziert“ auftretende Team-Leaderin Dr. Ventress eher so, als hätte sie sich kräftiger an der komplexeren Beschaffenheit der Figur im Roman als an der „oberflächlicher gestrickten“ Variante Garlands orientiert. Männer sind unterdessen „auf Nebenparts begrenzt“ – wobei u.a. Oscar Isaac („the Promise“) als traumatisierter (?) „Rückkehrer“ Kane, David Gyasi („Interstellar“) als Lena´s Freund und Kollege Daniel sowie Benedict Wong („Doctor Strange“) als „Debriefer“ Lomax jeweils „soliden Support“ abliefern…
Garland wirft verschiedene interessante Fragen und Gedanken-Ansätze auf – primär existenz-philosophische, sich mit Themenfelder wie Zerstörung, Zerfall und Neu-Entstehung, Identität, Selbst-Wahrnehmung, Evolution und Sterblichkeit beschäftigende. Was bedeutet es wirklich, „menschlich“ zu sein? Bei „Ex Machina“ war das ähnlich – und das samt der nun erneuten Feststellung, dass das Endergebnis (alles in allem) nicht ganz so intelligent und „tiefgründig“ ist, wie es vorgibt (oder selbst zu glauben scheint). Metapher sind vorhanden – werden zum Teil jedoch (etwa durch Aussagen über Tumore oder anderweitige „invasive Einwirkungen“) unnötig oft und unsubtil „unterstrichen“; wohl damit möglichst viele darauf aufmerksam werden. Zudem hätten vereinzelte „vertraute“ Charakter-Entwicklungen ruhig „umgangen“ werden können – man nehme da nur mal die Gegebenheit, dass die psychischen Belastungen bei einer des Quintetts irgendwann einfach zu gravierend werden sowie im Folgenden zu paranoid-aggressivem Verhalten führen – ebenso wie punktuell registrierbare „Logik-Schwächen“ (á la warum die Expeditions-Mitglieder beim Betreten von „Area X“ eigentlich keine Schutz-Anzüge tragen). Und ich bin jetzt wahrlich keiner, dem „alles vorgekaut und beantwortet“ werden muss – aber wo Lena´s Tattoo auf einmal herkommt, hätte ich schon gern gewusst…
An eine Reihe „cineastischer Vorbilder“ erinnernd, zu denen u.a. Tarkovsky´s „Stalker“ und die „Body Snatchers“ zählen, hat Garland unterschiedliche Sub-Genres (wie z.B. „Körper-Horror“, Science-Fiction, transzendentes Drama, „Creature Feature“, Öko- und Survival-Thriller) zu einer handwerklich feinen Veröffentlichung vereint, die sein Talent als Regisseur ein weiteres Mal veranschaulicht. Eine Menge Lob gebührt dabei seiner tollen Crew: Das Produktions-Design, die „Visual Effects“ sowie gebotenen Prosthetics- und Make-up-Kreationen sind kreativ und ansprechend anzusehen, die Kamera-Arbeit Rob Hardys („Shadow Dancer“) ist durchweg kompetent und der Score von Ben Salisbury („Free Fire“) und Portishead´s Geoff Barrow („Exit through the Gift Shop“) untermalt die Geschehnisse wunderbar unheilschwanger-atmosphärisch. Generell ist der kreierte bzw. abgemischte Sound klasse – insbesondere im Rahmen des (auch in optischer Hinsicht) famosen Finales. Schade nur, dass Garland den Film kurz darauf in Gestalt einer arg Klischee-haften Schluss-Einstellung ausklingen lässt. Insgesamt ist „Annihilation“ also weder so clever noch herausragend unkonventionell, wie man vielerorts liest oder hört – wohl aber (ähnlich wie Villeneuve´s „Arrival“) ein erfreulich ambitioniertes, sehenswertes „Alien-Invasion-Movie“ der etwas anderen Art…
zu verorten sehr nahe an der Grenze zur