Entstehungsdaten:
USA 2017
Regie:
Jameson Brooks
Darsteller:
Dave Davis
Luke Shelton
Dominic Ryan Gabriel
Glenn Morshower
Maemae Renfrow
Trailer
Obgleich Jameson Brooks' 2017er Spielfilm-Debüt „Bomb City“ auf wahren Begebenheiten beruht, die sich exakt 20 Jahre zuvor ereignet hatten, ist die Botschaft des kraftvollen Dramas auch heute noch immer genauso aktuell und bedeutsam wie sie damals um den 12. Dezember 1997 herum war, als der 17-jährige „Jock“ Dustin Camp auf einem Parkplatz in Amarillo, Texas den 19-jährigen Punk Brian Theodore Deneke absichtlich mit seinem Wagen überfuhr und im Zuge dessen tötete: Eine Tat, welche die tragische „Spitze“ einer im Vorfeld länger schon bestehenden, mehrfach in verschiedenen „Konfrontationen“ mündenden Rivalität zwischen einigen High-School-Kids und der örtlichen „alternativen Szene“ markierte. Da sich dieser Vorfall inmitten einer wüsten Schlägerei beider Parteien zutrug, argumentierte der Verteidiger Camps während des anknüpfenden Gerichts-Prozesses u.a., sein Mandant hätte seine Freunde auf diese Weise „vor jenem hochgradig aggressiven Angreifer beschützen“ wollen: Eine Schilderung, die Zeugen jedoch klar widerlegten. Nichtsdestotrotz fiel das gefällte Urteil bestürzend milde aus und sorgte für einen landesweit Menschen und Medien beschäftigenden Skandal, auf welchen Marilyn Manson im Rahmen einer hörenswerten, am Anfang und am Ende des Films auszugsweise eingespielten Rede bei der Disinfo.Con 2000 (als Parallele zu bestimmten Reaktionen nach dem Columbine-Amoklauf) auch noch einmal einging…
Bislang hatten Regisseur Brooks und sein Co-Autor Sheldon Chick bloß an der Entstehung einiger „Shorts“ mitgewirkt – zeigen mit diesem auf einer Reihe kleinerer Festivals ausgezeichneten „Indie“ allerdings anschaulich auf, dass man sie künftig „auf dem Schirm behalten“ sollte. Ihrerseits einst selbst in und um Amarillo aufgewachsen, sprachen sie mit zahlreichen der damals Betroffenen, recherchierten ausgiebig und bemühten sich, ihr Drehbuch möglichst „ausgewogen“ zu gestalten. Ihr gewählter Titel bezieht sich zum einen auf den „Spitznamen“ der Stadt, der wiederum auf die unweit entfernt gelegene „Pantex“-Werksanlage zurückgeht, in der amerikanische Kernwaffen gefertigt, modernisiert und demontiert werden, sowie zum anderen auf die „angespannte Explosivität“ der im Fokus stehenden „kulturellen Gespaltenheit“ in den dortigen späten '90ern. In diese streng konservative Umgebung kehrt Brian Deneke (Dave Davis) eingangs (nach einem Trip an die Ostküste) zurück – zu seinen Eltern, seinem Bruder Jason (Dominic Ryan Gabriel) und seiner „gleichgesinnten Clique“ (unter ihnen Eddie Hassell und Lorelei Linklater). Mit zerschlissenen Klamotten, grünen Haaren, einer Irokesenschnitt-Frisur sowie „anarchischen Attitüde“ ist er „mit Leib und Seele“ ein Punk. Im Kreise der Letztgenannten fühlt er sich wohl. Gemeinsam „hängen sie ab“ – vertreiben sich die Stunden mit solchen Dingen wie Feiern und Musik hören…
„Bomb City“ verzichtet auf „Schwarz-Weiß-Malerei“ – erweckt insgesamt jedoch mehr Sympathien für die Seite der Punks (u.a. aufgrund des größeren Zeit-Umfangs, den das Publikum mit ihnen verbringt). Ersprießlich wird Brian „vermenschlicht“ – nicht aber wie ein „Märtyrer“ portraitiert. In ruhigen Minuten schreibt er an Gedichten und Songs, arbeitet mit Jason an einem Kunst-Projekt, kommt ordentlich mit seiner Mutter (Sharon Garrison) und seinem Vater (Darryl Cox) aus und pflegt einen liebevollen Umgang mit seiner Freundin Jade (Maemae Renfrow). Dass das Pärchen irgendwann einen süßen Welpen aus dem Tierheim zu sich nimmt – darauf hätten die Macher allerdings getrost verzichten können, da unnotwendig klischeehaft. Die Kameradschaft untereinander wirkt absolut glaubwürdig, ihr Auftreten und Erscheinungsbild ebenfalls – was sie natürlich „augenfällig“ von den High-School-Schülern abhebt, die meist „gepflegtere“ Kleidung tragen, aus Familien mit höherem Einkommen stammen und sich nicht selten für „'was Besseres“ halten. Wenn man sich denn mal begegnet – z.B. in einem Fastfood-Restaurant oder auf der Straße – werden oft umgehend abschätzend-ablehnende Blicke ausgetauscht; häufig gefolgt von Beleidigungen und Gewalt-Androhungen. Es gibt keinen konkreten, rationalen Anlass für diese Feindschaft – und so trifft Intoleranz auf die Bereitschaft, vehement für die eigene anti-autoritäre Einstellung einzustehen…
Das Team der sportlich aktiven „Jocks“ hat gerade eine miese Saison hinter sich: Es herrscht Frust. Man hält zusammen – ärgert und beschimpft aber auch regelmäßig. Wohl aus gewissen rechtlichen Gründen heißt Dustin Camp im Vorliegenden Cody Cates (Luke Shelton) – seines Zeichens ein nicht ganz so muskulöser, cooler, „trinkfester“, auf Mädels anziehend wirkender junger Mann wie manch anderer in seinem direkten Umfeld. Gern wäre er mehr ein „Badass“, dem man mit entsprechend kräftigerem Ernst und Respekt begegnet – so wie sein Buddy Ricky (Logan Huffman aus „Final Girl“) etwa: Einem deutlich selbstsicherer und dominanter auftretenden „Hitzkopf“. In der Hinsicht kann man sich als Zuschauer durchaus in seine Lage hineinversetzen – unabhängig dessen, dass man sich speziell seine Figur reichhaltiger verfasst gewünscht hätte, um zumindest einen grob ähnlichen „drei-dimensionalen Eindruck“ wie bei Deneke heraufzubeschwören. Nachdem er zuvor Alkohol getrunken hatte, nutzt Cody an jenem schicksalhaften Abend ein Fahrzeug „als Waffe“ – während die Leute ringsherum mit Fäusten, Schlägern und Ketten aufeinander einprügeln. Da er nicht allein im Wagen saß, wissen wir, dass Camp unmittelbar vor der Tat
„I´m a Ninja in my Caddy!“ gemeint haben soll – ebenso wie
„I bet he liked that one!“, als er anschließend davonfuhr. An sich spielt Newcomer Luke Shelton („47 Hours“) den Part ordentlich – nur ist der halt leider relativ „stereotyp“ geraten…
Keine der Parteien in „Bomb City“ ist von Anfang an auf Gewalt aus: Vieles ist „Gehabe“ – wobei provoziert, herausgefordert und einzuschüchtern versucht wird. Auf beiden Seiten sind einzelne vertreten, die eine „kürzere Zündschnur“ aufweisen: Eine kontinuierliche Eskalation nimmt ihren Lauf. Sich von gängigen täglichen Situationen bis hin zu den Entwicklungen vor Gericht erstreckend, bildet die Auffassung Schrägstrich Ansicht der umgebenden Gesellschaft bei der „Kategorisierung und Wertung“ einen entscheidenden Faktor: Im individuellen Kontext betrachtet, sind sich die „Widersacher“ nämlich gar nicht mal so unähnlich. Gleich zu Beginn gibt es eine exzellente „Gegenüberstellung“ des wilden Treibens in der Mosh-Pit bei einem Punk-Konzert mit jenem auf dem Feld bei einem Football-Match: Jeweils eine Kombination aus Spaß und dem Abbau von Aggressionen. Als Polizisten die minderjährigen Schüler beim Trinken am Lagerfeuer erwischen, wird die Zusammenkunft „gesittet“ sowie ohne Konsequenzen beendet – wogegen die Cops Brian und seine Freunde knallhart angehen, als jene ihn und seinen Kumpel King (Henry Knotts) beim illegalen Graffiti-Sprayen entdecken und daraufhin bis zu ihrer Unterkunft verfolgen. Zugegeben, der Einsatz der Beamten erreicht erst jenes „Level“, als sich die Ertappten herauszukommen weigern – aber dennoch wird klar, dass im Alltag (generell) des Öfteren „mit zweierlei Maß gemessen“ wird…
Einen weiteren „Kontrast“ erzeugen die Ausführungen von Cody´s Anwalt (Glenn Morshower aus „Aftermath“) im Prozess, zu dem wiederkehrend gewechselt wird: Den Geschworenen und sonstigen Anwesenden berichtet der Straf-Verteidiger vorrangig von den „Lebensumständen“ und „Verfehlungen“ der Punks, präsentiert deren getragene Waffen, Kampfstiefel und Jacken (Brian bspw. hatte eine „Kutte“ mit dem „Destroy Everything“-Logo von Filth an) und vermittelt so die Vorstellung, es handele sich bei ihnen um „gewaltbereite Schläger“, von denen „eine Gefahr für die Öffentlichkeit“ ausgeht. Sein Mandant dagegen gehöre zu den „guten Christen“ und „anständigen Bürgern“ Amarillos: Einer, der seine Mitmenschen auf diesem Wege bloß „beschützt“ habe. Brian – das Opfer – wird quasi „dämonisiert“. Daran können auch die Aussagen von King, Jade und Co. nichts ändern. Das macht wütend – das daraus resultierende Urteil zudem fassungslos. Dahingehend erfüllen diese Szenen ihren beabsichtigten Zweck – allerdings wirken sie schon sehr „betonend“, was in der Form bzw. dem Umfang eigentlich nicht wirklich nötig gewesen wäre, da die übrigen „frei eines erhobenen moralischen Zeigefingers“ dargebotenen Geschehnisse durchaus „für sich selbst sprechen“. Positiv zu erwähnen sind unterdessen im Rahmen des Abspanns eingebundene Original-Aufnahmen, Fotos und zusätzliche Informationen zu dem Fall…
„Bomb City“ ist ein unheilschwangeres, atmosphärisches Werk – u.a. dank des klangvollen, um einige Tracks von Bands wie Subhumans, Total Chaos und Blanks 77 ergänzten Scores Cody und Sheldon Chicks, einer stimmungsvollen Bebilderung, bei der neben „trostlosen“ urbanen Locations auch einige richtig schöne Impressionen (á la ein Sonnenuntergang vor der berühmten „Cadillac Ranch“ Kunst-Installation) eingefangen wurden, sowie einer Besetzung, die ihre Rollen (vom Aussehen übers Gebaren bis hin zu den verschiedenartigen Emotionen) rundum überzeugend zum Besten gibt. Dave Davis („the Domestics“) ist einfach klasse als Brian – verkörpert ihn mit viel Charisma und evidentem Respekt – Henry Knotts („Final“) vermittelt King´s Frustration und Wut in Anbetracht der Schikanen und Übergriffe spürbar glaubhaft und als Jade tritt die süße Maemae Renfrow („Sickhouse“) wahrhaft „liebenswert“ in Erscheinung. Während sich der Konflikt immer weiter „aufschaukelt“ wird ein unterschwellig-bedrückendes „Grund-Gefühl“ konstant aufrecht erhalten, Brooks' Regie kommt ruhig, selbstsicher und ergiebig daher und die kreierte Optik (samt satter Farben, Lens-Flares sowie der inspirierten Kamera-Arbeit Jake Wilganowskis) weiß zu gefallen, ohne den Ereignissen in irgendeiner Weise ihrer „gritty-realistischen Wucht“ zu berauben. Kurzum: Ein kraftvolles, sehenswertes, geradezu perfekt in die heutige Zeit passendes „Plädoyer für Toleranz“…
starke