Entstehungsdaten:
USA 2018
Regie:
Darren Lynn Bousman
Darsteller:
Sabrina Kern
Carolyn Hennesy
Courtney Halverson
Hannah Fierman
Trin Miller
Bei „St. Agatha“ (2018) haben wir es mit einem sogenannten „Nunsploitation“-Horror-Streifen von Darren Lynn Bousman zutun, welcher Genre-Freunden u.a. für seine Umsetzung der drei ersten „Saw“-Sequels, für seine düsteren Musicals „Repo! The Genetic Opera“, „the Devil´s Carnival“ und dessen Fortsetzung „Alleluia!“, für seine coolen immersiven Shows „the Tension Experience“, „the Lust Experience“ und „Theatre Macabre“ sowie für die eine oder andere weitere nicht uninteressante Produktion (unter ihnen das „Mother´s Day“-Remake und die „Graphic Novel“-Adaption „Abattoir“) bekannt ist. Im selben Jahr wie Colin Hardy´s (übrigens ebenfalls in den 1950ern angesiedeltes) „the Conjuring“-Spinoff „the Nun“ veröffentlicht, kommt Bousman´s Werk sowohl weniger „Mainstream-kompatibel“ als auch minder CGI- und „Jump Scare“-lastig daher als jener zudem deutlich teurere Kino-Erfolg…
Es ist 1957, als sich Mary (Sabina Kern) in einer schwierigen, belastenden Lage wiederfindet: Seit ihre Mutter verstorben war, lebten sie und ihr Bruder William (Maximus Murrah) weiterhin im Hause ihres Vaters (Jayson Warner Smith) – seines Zeichens ein gewalttätiger Alkoholiker sowie grundsätzlicher Widerling – bis Will bei einem tragischen Unfall im Bad zu Tode kam und sie nach dessen Beerdigung umgehend auszog. Gemeinsam mit ihrem Boyfriend Jimmy (Justin Miles), mit welchem sie länger bereits heimlich zusammen war, hält sie sich fortan mit kleineren Gaunereien „über Wasser“ – doch erwischt sie ein Geprellter (Joe Pascolla) eines Abends bei einer Kartenspiel-Schummelei, verprügelt Jimmy und stiehlt ihnen all ihre Ersparnisse. Zu allem Überfluss stellt sich heraus, dass sie schwanger ist – und als sie sich dann gar noch mit Jimmy zerstreitet, steht sie plötzlich „ganz allein“ dar…
In einer Suppenküche wird Mary schließlich von einer Nonne angesprochen: Jene bietet ihr an, in dem „Sisters of Divinity Convent“ unterzukommen, wo man sich um sie kümmern würde. Frei einer Alternative, nimmt sie das Angebot an und zieht in das in einem Waldstück gelegene Gebäude ein, welches von der Mutter Oberin (Carolyn Hennesy) geleitet wird und wo sie auf einige andere junge Frauen in sehr ähnlichen Situationen trifft (Courtney Halverson, Lindsay Seim und Hannah Fierman). Die Regeln sind streng, die zugegenen Nonnen (allen voran Trin Miller) wirken nicht sonderlich empathisch – allerdings wird ihr eine Unterkunft, Essen sowie eine Versorgung im Rahmen der Schwangerschaft geboten, wofür sie dankbar ist. Schon bald bemerkt sie jedoch, dass etwas an diesem Ort „nicht stimmt“, und geht diesem Gefühl im Folgenden weiter nach – eindringlicher Warnungen ihrer Zimmergenossinnen zum Trotz…
„St. Agatha“ ist ein atmosphärischer Film, bei dem Bousman sein nicht gerade hohes Budget ergiebig einzusetzen wusste. Gedreht in Georgia, besteht dieses von Bäumen (und einzelnen Schnapp-Fallen) umgebene Kloster aus einer überschaubaren Gruppe an Personen in einer alten Südstaaten-Villa, die ihre „besten Tage“ bereits eine Weile hinter sich hat. Die Mutter Oberin berichtet Mary, der Vatikan habe ihnen vor einiger Zeit „die Unterstützung entzogen“ – weshalb die Einrichtung nun allein noch durch das Geld privater Spender geöffnet sei; sie sich größere Renovierungen momentan also nicht leisten könnten. Soweit körperlich zumutbar, helfen die Schwangeren im Haushalt sowie im Garten aus. Ihren „weltlichen Besitz“, welchen sie in einem Koffer mitgebracht hatte, muss Mary postwendend abgeben. Sollte sie sich dazu entschließen, die „Schwesternschaft“ zu verlassen, würde sie ihn wieder zurück erhalten…
Da einige der Nonnen ein Schweige-Gelübde abgelegt haben, wird generell erwartet, dass möglichst wenig geredet wird. Verstöße gegen Anordnungen werden sogleich geahndet bzw. bestraft. Die Mädels sind vorsichtig und ängstlich – und dennoch froh darüber, in ihrer Not überhaupt irgendwo Zuflucht gefunden zu haben. Lindsay Seim („Insidious: Chapter 2“) und Courtney Halverson („Unfriended“) sind gut in ihren Rollen – allerdings ist Hannah Fierman („SiREN“) noch einen Zacken besser als bemitleidenswerte Sarah, die eine kürzlich erlittene Totgeburt noch nicht richtig verarbeitet hat. Dass einem ihre Schicksale nicht „egal“ sind oder werden, ist als ein klarer „Pluspunkt“ einzustufen. Sie sehen sich einer Vielzahl an physischen wie auch psychischen Einwirkungen ausgesetzt – sorgen sich (oder trauern) um ihre Babys und sehen aktuell keine Wahl oder Perspektive als dieses Leben bei den „Sisters of Divinity“…
Nach Auftritten in einer Reihe von „Shorts“ markierte dieses Werk das Spielfilm-Debüt der Schweizerin Sabrina Kern, welcher Bousman prompt die Hauptrolle zugestand, nachdem er sie zuvor für sein „Tension Experience“-Projekt engagiert hatte. In Gestalt einer kraftvollen, überzeugenden Performance entpuppt sie sich als eine feine Neu-Entdeckung, die man künftig gern häufiger erspähen darf. Mary ist beileibe keine „Heilige“, gibt sich eine Mitschuld daran, wie ihr Bruder gestorben ist, besitzt eine starke Persönlichkeit, setzt sich für andere ein und ist sich nicht zu schade, Hilfe anzunehmen (mit Jimmy gerät sie bspw. in einen Streit, als er sie „aus Stolz“ nicht in die Suppenküche begleiten will). Regelmäßig eingebundene Rückblenden präsentieren einem ihre „Backstory“ – was ihrer Figur zugutekommt, simultan allerdings dazu führt, dass der grundlegende „Verlaufs-Fluss“ immer wieder leicht „ins Stocken gerät“…
An sich entfaltet sich „St. Agatha“ relativ ruhigen Tempos – wobei der „Horror-Gehalt“ stetig weiter zunimmt, sich in der Hinsicht aber strikt auf die Gegenwart der Handlung beschränkt, während die Flashbacks eher Drama-orientierte Elemente umfassen: Entsprechend werden die inhaltlichen Entwicklungen durch die zugehörigen Wechsel (zumindest in der ersten Hälfte) jedes Mal ein kleines Stück weit „ausgebremst“. Mary wagt es, bestimmte Fragen zu stellen und spezielle Gegebenheiten anzuprangern – á la „Spenden-Veranstaltungen“ mit den „Wohltätern“ des Klosters in Anwesenheit, für welche sie sich möglichst „aufhübschen“ sollen. Was es mit jenen Leuten (Männern und Frauen) auf sich hat – also was genau in dieser auf ihr Geld angewiesenen Einrichtung eigentlich vor sich geht – mag fürs Publikum nicht allzu schwer herauszufinden sein, ist aber auch kein gravierender Faktor im Gesamtbild…
Die Konsequenzen, welche Fehlverhalten und Ungehorsam mit sich bringen, sind vorwiegend abschreckend garstig und werden nicht selten mit einer registrierbaren „sadistischen Ader“ auserwählt und verfügt – wie etwa ein Mädel ihr (am Tisch im Rahmen einer Mahlzeit) frisch Erbrochenes „noch einmal“ essen zu lassen, da „keine Lebensmittel verschwendet“ werden sollen. Als Mary angesichts solcher Geschehnisse beschließt, von ihrem „Recht zu gehen“ Gebrauch zu machen, wird das (natürlich) gewaltsam unterbunden: Sie wird unter Drogen gesetzt, in einen metallischen Sarg gesperrt, „wie ein Vogelküken“ gefüttert (ziemlich ekelig) sowie über Tage hinweg dazu gezwungen, sich „ihrer bisherigen Identität zu entsagen“. Fortan soll sie Agatha heißen – doch Mary hat einen ausgeprägten Willen; lässt sich bloß darauf ein, um wieder zu den anderen zu dürfen und ihre Chancen auf ein Entkommen zu erhöhen…
Mit evidenter Spielfreude, jedoch ohne dabei „over the Top“ zu kippen, portraitiert Carolyn Hennesy (TV´s „General Hospital“) die Mutter Oberin mit einer vortrefflichen Kombination aus „glaubwürdig-realistischer Strenge“ und „purer Bösartigkeit“: Eine kaltherzige Psychopathin – verborgen unter einem vertrauenswürdig anmutenden Äußeren. Ihr zur Seite steht die ähnlich lobenswert agierende, in einer für sie ungewohnten Rolle besetzte Trin Miller („Captain Fantastic“) als loyale Schwester Paula – während die drei älteren, durchaus an einer „materiellen Entlohnung“ interessierten Nonnen von Marilyn Light („Bleed“), Candy Rachor („3X“) und Marsha Fee Berger („Close Call“) verkörpert werden. Darüber hinaus sind u.a. noch Justin Miles („the Crazies“) als Jimmy, Jayson Warner Smith (TV´s „Rectify“) als Mary´s Dad sowie Seth Michaels („Eden“) als Priester mit von der Partie…
„St. Agatha“ wurde von vier Skript-Autoren verfasst – was so allerdings nicht negativ (z.B. im Sinne einer erkennbaren „Uneinheitlichkeit“) auffällt. Die Charakter-Zeichnungen sind ebenso annehmbar wie die gebotenen Dialoge und Genre-typischen Klischees, die erdachten „fieseren Momente“ sind nicht unkreativer Beschaffenheit und der gewählte Ausklang kommt in einem ordentlichen Maße zufrieden stellend daher. Eine „Straffung“ der Lauflänge um rund 10 Minuten wäre meines Erachtens jedoch „effektiver“ gewesen – eventuell im Bereich der Flucht-Bestrebungen und damit verbundenen Bestrafungen Marys (auch um ihren Peinen nicht den ansatzweisen Eindruck von „Gewohnheit“ zu verleihen). Permanent scheint die Mutter Oberin ihr „einen Schritt voraus“ zu sein – bis ausgerechnet eine Preisgabe ihrerseits Mary die entscheidende Idee zum „Wenden des Blattes“ liefert…
Der oft nicht gerade subtile Score Mark Sayfritzs („Until Death“) erinnert punktuell an den von „the Omen“ – wobei zwischendurch aber immer wieder ergiebig auf Stille sowie auf unbehagliche Geräusche á la knarrende Treppen, Türen und Dielen zurückgegriffen wurde. Farbliche Kontraste (warme Orange-Töne vs. kühle blau-grünliche) erzeugen gelegentlich einen zum „Comic-haften“ hin tendierenden, von Bousman bekanntlich ja ganz gern nutzten Look, die Kamera-Arbeit Joseph Whites („Fear Clinic“) ruft keinen notwendigen Anlass zur Klage hervor und in Sachen Editing hat sich Brian J. Smith („Tales of Halloween: The Night Billy raised Hell“) deutlicher an „klassischer Grusel-Kost“ als an der schnellen Schnitt-Gestaltung zahlreicher heutiger Veröffentlichungen orientiert. Generell ist anzumerken, dass einem so einiges gewisse europäische Produktionen aus den '70ern ins Gedächtnis ruft…
Bousman bietet dem Zuschauer verschiedene vertraute Set-Pieces, Details und Impressionen – unter ihnen von Schuldgefühlen durchsetzte Gedanken an ein verstorbenes Familien-Mitglied, mysteriöse Laute vom Dachboden her sowie das „creepy-betagte“ Gebäude inmitten eines manchmal Nebel-verhangenen Waldes – deutet Übernatürliches an, ohne diesen „Pfad“ jemals wirklich einzuschlagen, hat CGIs gemieden und sich statt auf banale „Jump Scares“ stärker auf seine kompetenten Akteure sowie das Generieren einer unheilschwanger-unheimlichen Atmosphäre konzentriert. Die Liste der Grausamkeiten umfasst u.a. einen zugenähten Mund, eine per Schere abgetrennte Zunge und eine Strangulation mit einer Nabelschnur – doch insgesamt ist „St. Agatha“ eher ein psychologisch-orientiertes Horror-Drama, das zwar fern von perfekt, nichtsdestotrotz aber rundum solide sowie angenehm „altmodisch“ geraten ist…