Entstehungsdaten:
Spanien 2019
Regie:
Alice Waddington
Darsteller:
Emma Roberts
Danielle Macdonald
Eiza González
Awkwafina
Milla Jovovich
Jeremy Irvine
Arnaud Valois
Trailer
Bei "Paradise Hills" handelt es sich um einen dramatischen Science-Fiction-Fantasy-Thriller, der im Januar 2019 seine Weltpremiere auf dem "Sundance"-Festival feierte sowie das Spielfilm-Regiedebüt Alice Waddingtons markiert: Eine farbenprächtige, ansprechend besetzte, visuell opulente, atmosphärisch häufig surreale Dystopie fürs "Young-Adult-Publikum", von deren Realisierung die 1990 in Bilbao geborene Spanierin schon seit ihrer Teenager-Zeit "träumte". Letzten Endes waren es zwei Männer, die ihre Frauen-zentrierte Story zu einer konkreten Drehbuch-Vorlage hin ausgestalteten – nämlich Brian DeLeeuw ("Some Kind of Hate") und Nacho Vigalondo ("Colossal") – worauf sie aber immerhin die Gelegenheit erhielt, diese ambitionierte europäische Produktion mit einem genügend hohen Budget in Szene zu setzen. Hilfreich dabei waren u.a. ihre bis dato erworbenen Erfahrungen in der Mode- und Werbeclip-Branche – ebenso wie die Gegebenheit, dass sie mit ihrem preisgekrönten 2015er Kurzfilm "Disco Inferno“ bereits eine gehörige Menge an Style und Talent bewiesen hatte…
In einer nicht näher spezifizierten Zukunft ist die Kluft zwischen der Ober- und Unterschicht eine überaus stark ausgeprägte. Ursprünglich gehörte die Familie Umas (Emma Roberts) zu ersterer, bis der Betrieb ihres Vaters "in Schwierigkeiten geriet" und jener sich im Folgenden das Leben nahm. Als ein Sohn des für den betreffenden "wirtschaftlichen Ruin" verantwortlichen wohlhabend-einflussreich-geachteten Hauses jedoch Interesse daran bekundet, Uma heiraten zu wollen, bietet das ihrer Mutter (Nancy Jack) die ersehnte Chance, der drohenden Armut und "Ausgegrenztheit" zu entgehen. Die Sache ist bloß: Der junge Mann (Arnaud Valois) ist ein Unsympath und Uma verabscheut ihn für das Geschehene: Also weigert sie sich – auch entgegen allem damit verbundenen "Druck". Plötzlich erwacht sie eines Tages an einem ihr unbekannten Ort, ohne sich erinnern zu können, wie sie an jenen gekommen ist: Einer "paradiesisch schön" anmutenden Insel, auf der sich eine exklusive "Erziehungsanstalt" bzw. ein edles "Therapiezentrum für emotionale Heilung" befindet. Wie man ihr mitteilt, soll ihr Aufenthalt zwei Monate lang dauern…
Verständlicherweise ist Uma aufgebracht darüber, dass man sie aufgrund ihrer Ansichten und Haltung dort "eingewiesen" hat, wo den allesamt weiblichen Teens und Twens "geholfen" werden soll, zu "besseren Menschen" zu werden, indem sie lernen, ihr jeweiliges "Potential" auszuschöpfen (kurzum: ihre angedachten "gesellschaftlichen Rollen" auszufüllen). Leiterin der Institution ist eine nur "the Duchess" genannte Dame (Milla Jovovich), die sonderbare Behandlungsmethoden einsetzt, um das Gewollte zu erzielen. Zwischen Yoga-, Makeover- und Gesprächs-Sessions festigt sich zunehmend die Überzeugung Umas, dass unterhalb der "hübschen Fassade" der Einrichtung "finstere Dinge" vor sich gehen – und so beginnt sie schon bald mit dem Schmieden eines Fluchtplans, an dem auch drei "Mitpatientinnen" beteiligt sind: Die mit gewissen Ängsten ringende Yu (Awkwafina), die zum Abnehmen gedrängte, eigentlich aber mit sich selbst zufriedene "Frohnatur" Chloe (Danielle Macdonald) sowie Pop-Star Amarna (Eiza González), welche wider der Auffassung ihres Managements künftig einen "individuelleren Stil" (Image und Songs) zur Schau stellen möchte…
"Paradise Hills" ist ein "optischer Leckerbissen": Ein wunderbar anzusehender Streifen, der mit einer beeindruckend kreativen, geradezu detailversessenen Ausstattung aufwartet und auf diesem Wege – im ergiebigen Zusammenspiel mit der geschmeidigen Kamera-Arbeit Josu Inchausteguis ("Gun City") sowie dem ordentlich komponierten Score Lucas Vidals ("the Cold Light of Day") – eine "märchenhaft-verwunschene Stimmung" erzeugt, die einen über die komplette Dauer hinweg (zumindest in der Hinsicht) zu verzücken vermag. Inspiriert von japanischen "Cosplay-Faibles" sowie dem Schaffen exzentrischer Designer á la Iris van Herpen, Vivienne Westwood und Alexander McQueen lassen sich beim Betrachten der Sets, Kostüme und Frisuren allerlei miteinander verquickte Einflüsse verschiedener Mode-Trends und Regionen ausmachen – bspw. moderne Interpretationen von Kleidungsstücken aus den Elisabethanischen und Viktorianischen Epochen vor klassischer mediterraner Architektur oder inmitten prächtiger, kräftig grüner Gärten mit zig blühenden Blumen, ergänzt um eine Reihe "Alice in Wonderland"-esker Möbel und Kulissen-Arrangements…
Die hier präsentierte, weder geographisch noch zeitlich je klar verortete "Welt" weist einen Mix aus diversen traditionellen und futuristisch-modernen Elementen auf, welche rauschende Feste in einem prunkvollen Ballsaal ebenso mit einschließen wie fliegende Fahrzeuge und per Halsketten abspielbare Hologramme. Über die "Uppers" und die "Lowers" erfährt man kaum etwas Konkretes: Während man letztere nicht einmal wirklich zu sehen bekommt, rufen einem erstere (nicht nur angesichts ihres Auftretens und Gebarens) die Bewohner des Capitols von Panem in der "the Hunger Games"-Franchise in den Sinn. Neben den genannten technischen Errungenschaften und der "ökonomischen Kluft" zwischen Arm und Reich bzw. den Mächtigen und der in ihren Möglichkeiten stark limitierten Unterschicht scheinen sich spezielle gesellschaftliche Anschauungen und Denkweisen jedoch "zurückentwickelt" zu haben: Es ist verbreitet, dass Frauen den Vorstellungen ihrer Männer-dominierten Umgebung nach "geformt" werden – sie sich fügen sollen, sich nur bedingt frei entscheiden dürfen und mitunter auch (meist zum Zwecke des "Aufstiegs") von ihren Eltern verheiratet werden…
Nicht nur Uma ahnt recht zügig, dass hinter den Vorgängen in "Paradise Hills" vermutlich "düstere Abgründe" lauern. Die fast schon "aufdringliche" Schönheit von allem lässt ein unterschwelliges Gefühl von Unbehagen erkeimen – siehe einfach mal die schneeweiße Kleidung, welche man den jungen Frauen zum Tragen gibt: Schick anzusehen, erinnert sie einen (dank ihrer verzierenden Leder-Riemen) unweigerlich an mittelalterliche Uniformen – ja sogar an Zwangsjacken, wenn man noch weiter darüber nachdenkt. Zudem die vielen Rosen: Herrlich – aber mit spitzen Dornen abseits der Blüten. Den "Patientinnen" wird ein (je nach Fall: mal minder, mal kräftiger) veränderter Look verpasst, sie werden auf Diät gesetzt, erhalten abends ein Schlafmittel verabreicht und müssen obendrein bizarre "Therapie-Praktiken" über sich ergehen lassen: U.a. schnallt man Uma mehrfach an einem Karussell-Pferd fest, welches daraufhin etliche Meter in die Höhe emporgefahren wird, wo man ihr dann manipulatives Bildmaterial (vorrangig ihres für sie angedachten Gatten) vorspielt. "Girly-psychedelisches Brainwashing" sozusagen…
Im Einstiegs-Drittel geht es maßgeblich ums Vertrautwerden mit Uma, der Einrichtung sowie der "Verschwisterung" des im Zentrum stehenden Quartetts. Amarna weiß, wie sie sich "nach außen hin" zu geben hat, kennt sich auf der Insel aus und entwickelt Zuneigung für Uma, deren Freund Markus (Jeremy Irvine) wiederum irgendwann auftaucht, nachdem er sie zuvor gesucht, gefunden sowie einen Job als Gärtner übergenommen hatte, um sie auf jenem Wege "mit sich zu nehmen" – was bei ersterer eine Kombination aus Eifersucht und Enttäuschung heraufbeschwört. Anhand der Eigenschaften von Uma, Amarna, Chloe und Yu werden unterschiedliche zeitgemäß-aktuelle Themenpunkte (á la Homosexualität und "Body-Positivity") aufgegriffen und zu einer umfassenden "Botschaft" verwoben, die sich für weibliche Selbstbestimmung stark macht. Die eigene Identität sollte nicht den Ansichten und Wünschen anderer untergeordnet, sondern geschätzt und akzentuiert werden. Uma´s (legitime) Rebellion ist Teil ihrer Emanzipation. Schade, dass das Skript ihr und ihren drei Kameradinnen da nur relativ oberflächliche Charakterzeichnungen zugestanden hat…
Hauptdarstellerin Emma Roberts ("February") agiert rundum solide – kann aber auch nicht davon ablenken, dass Uma alles in allem nunmal keine herausragend interessante Persönlichkeit besitzt. Um nur ein Exempel anzuführen, hätten etwa ihre Empfindungen gegenüber Markus und Amarna besser ausgearbeitet werden können. An sich hat keiner der Akteure eine beklagenswerte Performance abgeliefert: Dem, was ihnen die Vorlage bot, sind sie durchweg gerecht geworden. Eiza González ("Baby Driver") portraitiert Amarna mit vereinzelten nett zu registrierenden Nuancen, Danielle Macdonald ("the East") nimmt man in vollem Umfang ab, dass die übergewichtige Chloe "mit sich im Reinen ist" sowie gar nicht in einen "schlanken Schwan" verwandelt werden möchte – während Awkwafina ("Crazy Rich Asians") eine prima passende "Attitüde" an den Tag legt, von den Mädels allerdings den "schlichtesten" Part abbekommen hat. Bei den "Herren der Schöpfung" verbleibt Jeremy Irvine ("Beyond the Reach") indes komplett "blass" und lässt einen Arnaud Valois ("120 BPM") gut nachvollziehen können, warum Uma seine Figur auf keinen Fall heiraten will…
In seiner ersten Stunde hat "Paradise Hills" in Sachen Suspense nur wenig zu bieten – ist eher darauf aus, eine "traumhaft-unwirkliche Atmosphäre" zu generieren. Geruhsam vermag sich der Betrachter in diese "Eye Candy"-reiche "Welt" (mit all ihren "skurrilen Eigenwilligkeiten") einzufinden. Obgleich der vermittelte "Ton" ein ernster ist, ist ein gewisses "Augenzwinkern" auf Seiten der Filmemacher nichtsdestotrotz erkennbar – was allein schon die Gestaltung der Rolle Milla Jovovichs ("Future World") veranschaulicht, deren zwielichtige, zwischen streng und zugewandt-freundlich schwankende "Herzogin" u.a. bestimmten Damen in Werken der Gebrüder Grimm ähnelt. Hintergrund-Infos zu ihr werden einem ebenso keine offeriert wie zu der Institution, die sie leitet (Vergangenheit, Entstehungshistorie etc.). Generell wurde ja bereits erwähnt, dass so manches (ohne einer weiteren "Auslotung") bloß "angerissen" wird – darunter noch das Gerücht eines "Zufluchtsorts" irgendwo in der Ferne; frei derartiger sexistisch-hierarchischer Strukturen – weshalb ich mich auch in dieser Hinsicht (leider) an diverse Comic- und Roman-Adaptionen erinnert fühlte…
Mit der Zeit wird der Verlauf immer unheilvoller, beklemmender und "dynamischer" – mehr zu einem düsteren Thriller mit einigen reizvollen Offenbarungen und Spannungs-Momenten. Nichts davon ist allzu originell – wohl aber unterhaltsam (und natürlich weiterhin anregend zu beäugen). Zum Ende hin wartet diese mitunter geradezu "blendend farbenkräftige" Variante Schrägstrich Kombination aus verschiedenen "Young Adult"-Stoffen, Michael Bay´s "the Island", Patrick McGoohan´s 1967er-Serie "the Prisoner" sowie Martin Scocese´s "Shutter Island" außerdem gar noch mit einer "Fantasy-Komponente" auf, die zwar bestens mit der "Märchenhaftigkeit" des Ganzen harmoniert, mir selbst aber nur bedingt zuzusagen wusste. Auf traurige Weise ist es ironisch, dass sich ausgerechnet ein Projekt mit einer relevanten feministischen "Empowerment Message" wie der vorliegenden als eins der Sparte "Style over Substance" entpuppt. Ansehbar ist "Paradise Hills" dennoch: Ein Aufmerksamkeit erweckendes, fabelhaft ausgestattetes, optisch betörendes Kino-Debüt Alice Waddingtons, dem es unglücklicherweise aber (jeweils ein wünschenswertes Stück weit) an "Seele" und "Tiefe" mangelt…
gute