Entstehungsdaten:
USA 2020
Regie:
Joshua Caldwell
Darsteller:
Bella Thorne
Jake Manley
Amber Riley
Michael Sirow
Trailer
"Infamous" – ein amerikanischer "Indie" aus dem Jahr 2020, der ursprünglich mal "Southland" heißen sollte – lässt sich ohne weiteres als eine zeitgemäße Version von "Bonnie & Clyde" beschreiben: Eine moderne Crime-Drama-Romanze mit einer Menge "Social (Media) Commentary" – quasi eine Kreuzung aus "Natural Born Killers" (jedoch weit minder gewalttätig-überzogen-wüst), "Queen & Slim" (ohne dessen Rassismus-Komponente) und "Like Me", dem wiederum weitaus surreal-avantgardistischeren Debütwerk Robert Mocklers. Wie bereits des Öfteren gewählt bzw. gesehen – man nehme da nur mal den Einstieg von "Double Indemnity", "Pulp Fiction" oder "the Usual Suspects" – eröffnet dieser von Joshua Caldwell ("Be Somebody") verfasster und in Szene gesetzter Streifen mit einem Ausblick auf sein Finale: Im Innern einer Bank wirbeln blutige Geldscheine umher, liegen mehrere Leichen (ebenso wie Waffen und Patronenhülsen) auf dem Boden herum und hockt eine junge Frau (Bella Thorne) an einer Wand – mit ihrem Handy ein Video erstellend, in welchem sie sich Gedanken darüber macht, ob
das nun ihr Schicksal sei. Während hinter ihr daraufhin eine Polizei-Einheit ins Gebäude stürmt, richtet sie ihr Blick direkt in die Kamera – an uns, das Publikum – und beginnt:
"Hi, my name is Arielle – and for as long as I can remember, I knew I was going to be famous…"
Der folgende Verlauf besteht nun aus der zu diesem Moment hinführenden "Vorgeschichte": In einer kleinen Stadt in Florida – noch daheim bei ihrer nicht gerade liebevoll-fürsorglichen Mutter wohnend – träumt Arielle von Bewunderung und Ruhm, ärgert sich über die belanglosen Gesprächsthemen ihrer Clique, arbeitet als Kellnerin und flirtet gern mit dem ein wenig älteren, kürzlich erst aus dem Gefängnis entlassenen Mechaniker Dean (Jake Manley). Online verfügt sie über 49 Follower. Sie ist hübsch – aber ihr Leben nunmal nicht allzu "ereignisreich". Einen Anstieg an Aufmerksamkeit an ihrer Person registriert sie, als jemand sie dabei filmt, wie sie sich mit einem anderen Mädel prügelt sowie der Clip im Abschluss daran (unter dem Titel
"She F**ked The B*tch Up") seinen Weg ins "Netz" findet. Sich u.a. eine Zukunft an der Westküste erträumend, werden sie und Dean ein Paar – doch stiehlt der neue Freund ihrer Mutter Arielle´s Erspartes und geschieht es eines Abends, dass Dean in einen handgreiflichen Streit mit seinem gewalttätigen Vater gerät, im Zuge dessen letzterer die Treppe hinunterfällt und jenen Sturz nicht überlebt. Obgleich ein Unfall, ist Dean der Auffassung, man würde ihm angesichts seiner Vorstrafe das nicht glauben – also lässt er sich auf Arielle´s "energischen Vorschlag" ein, stracks gemeinsam in Richtung Kalifornien aufzubrechen…
Ohne Geld, kommen sie kurzerhand auf die Idee, eine Tankstelle auszurauben: Eine ihnen "ein nettes Sümmchen" einbringende Aktion, die Arielle spontan per Handy aufnimmt und postet. Am nächsten Tag bemerkt sie erfreut, dass der Upload zig Likes erhalten sowie ihre Abonnenten-Zahl an die 3000 emporgepusht hat. Als Dean davon erfährt, reagiert er wütend – vermag seine Freundin in dieser Hinsicht allerdings nicht umzustimmen. Sie hat sprichwörtlich "Blut geleckt" – lädt fortan immer mehr Content (getreu ihres neuen "Outlaw-Images") hoch. Auf ihr Drängen hin besorgt Dean ihr eine eigene Pistole – was sich nicht sonderlich schwierig gestaltet –
"Gotta love America!" – worauf sie u.a. einen Marihuana-Laden überfallen und sich an der ganzen Situation "berauschen" (sie deutlich stärker als er). Arielle ist der festen Überzeugung, dass je höhere Bekanntheit sie erlangen, desto leichter sie mit allem "davonkommen" werden – also dass man sie kaum ernsthaft zur Verantwortung ziehen würde: Exempel für eine "Bevorzugung von Prominenten" gäbe es schließlich so einige. Eine "Grenze" wird jedoch überschritten, als sie von einer Streife gestoppt werden und Arielle dabei einen Polizisten erschießt. Erwartungsgemäß fahnden die Cops nun umso intensiver nach ihnen – einhergehend mit einem noch größeren "multi-medialen Interesse" sowie inzwischen rund 3,4 Millionen Followern; Tendenz steigend…
Wie eingangs schon impliziert, entfaltet sich "Infamous" im Rahmen eines "vertrauten Musters" – nämlich dem von Werken á la "Badlands" oder "Gun Crazy" – das allerdings samt der inhaltlichen und stilistischen Einbindung aktueller Online-Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram – vorrangig auf deren User und Nutzung sowie der zugehörigen "Reichweite" und Möglichkeiten bezogen. Viele suchen (und finden) im Internet "Zuflucht" – können sich dort (virtuell) "ausleben" und/oder Zuspruch erhaschen; sozusagen "dem kargen Dasein entfliehen". Man sehnt sich nach Anerkennung – bspw. zur Steigerung des Selbstwertgefühls – und benötigt keinen Schulabschluss, um "Influencer" oder "YouTuber" zu werden. Speziell junge Leute locken diese Aussichten – manche verzweifeln geradezu daran. Arielle ist solch eine Person. Sie ist nicht dumm – bloß glaubt sie diesem verbreiteten "Zeitgeist-Bild" unreflektiert stark. Kriminelle, die ihre Taten live streamen, oder Personen, die von sich Illegales aufzeigende Selfies anfertigen und posten, existieren in der Realität – das ist kein Geheimnis. Caldwell meistert die "Social Media Aspekte" der Story ordentlich sowie sogar mit einer gewissen "bodenständigen Zurückhaltung" – also ohne fortwährend irgendwelche Clips, Pics, Chats und Text-Infos einzublenden (kein Vergleich etwa zur betreffenden Präsentation in "Assassination Nation", in welchem Miss Thorne ja ebenfalls mit von der Partie ist)…
Arielle und Dean sind keine allzu sympathischen Protagonisten. An sich sind sie "okay" – vom ersten Raub an aber Verbrecher. Speziell zu ihr, deren Mutter sie übrigens nach "the Little Mermaid" benannt hat, ist es schwer, eine "Connection“ aufzubauen: Im Denken dieses Millennials sind Ruhm und "Social Media Reach" die zentralen Komponenten des "individuellen Werts" – ihr "Drang nach Aufmerksamkeit" entwickelt sich förmlich hin zu einer "wahnhaften Verkennung der Wirklichkeit", welche sie und andere zunehmend gefährdet. Bella Thorne ("Ride") für diesen Part zu gewinnen, markiert natürlich perfektes Casting: Die 1997 geborene Schönheit ist nicht nur charismatisch, talentiert und "edgy" – ihr selbst folgen mehr als 24,3 Millionen Menschen bei Instragram, wo sie an einzelnen Postings (nicht selten) über $60.000 verdient. Sie mutet absolut "authentisch" an – verkörpert Arielle energisch und überzeugend. Als Dean agiert Jake Manley ("Midway") zufrieden stellend solide: Er kann das Verhalten seiner Freundin nicht nachvollziehen – ist in jener Hinsicht relativ "old school" – was häufiger zu Streit zwischen ihnen führt. Überdies ist er sensibler und vernünftiger als sie – und erkennt die "Abwärts-Spirale", auf welche sie (vorwiegend dank ihr) geraten sind. Unabhängig dessen bleibt er an ihrer Seite und bemüht sich darum, einen "Ausweg" für sie beide aufzutun…
"Infamous" ist weder eine subtile noch "tiefschürfende" Angelegenheit. Caldwell´s Skript ist im Grunde durchweg so oberflächlich wie seine Charakter-Zeichnungen. Um einem einen Blick auf die Perspektive der Fans des Pärchens zu gewähren, hat er (bspw.) eine Figur mit eingebunden, der sie im Verlauf begegnen: Elle – prima gespielt von Amber Riley (TV´s "Glee") – ist eine Telemarketerin, welche Arielle und Dean in ihrem Auto mitnimmt, sie erkennt und sich ihnen als Followerin offenbart. Sie ist gelangweilt von ihrem Alltag, verbringt eine Menge Zeit im "Netz" und macht sich Sorgen darüber, dass sie ihren Job verlieren könnte, da in ihrer Branche Call-Center im Ausland günstiger arbeiten. Schon jetzt schafft sie es kaum, ihre hohen Studien-Kredite abzubezahlen. Elle bewundert sie – wäre gern wie sie; bietet ihnen ihre Hilfe an und würde sie am liebsten begleiten. Dean wird klar, dass sie ähnliche "Illusionen" hegt wie Arielle – will nicht, dass sie wegen ihnen verletzt oder getötet wird. Nachdem Elle ihnen ihren Wagen überlässt, fahren sie damit schließlich zu einem Typen, den Dean damals im Knast kennengelernt hat: Kyle (Michael Sirow aus "Disturbing the Peace") offeriert ihnen, zusammen mit zwei anderen eine Bank zu überfallen. Jeder der Beteiligten könnte mit einer sechs-stelligen Summe aus der Aktion hervorgehen, heißt es…
Handwerklich ist der Film von kompetent-ansprechender Qualität: Kamera-Frau Eve M. Cohen ("the Prometheus Project") hat den Geschehnissen einen schicken, punktuell an den Terrence Malicks erinnernden Look verliehen – in Anlehnung an dessen ja bereits erwähnten Klassiker "Badlands". Unabhängig diverser ruhigerer Momente ist das Tempo angenehm hoch, die Song-Auswahl passt und der Score Bill Browns (TV´s "CSI: NY") kann sich hören lassen. Punktuell hat sich Caldwell für auffallend längere Takes entschieden – etwa bei einem Raubzug oder einer Verfolgungsjagd – wie auch für blutige Gewalt sowie einer gezielten Verwendung von Montage-Sequenzen und Zeitlupe. Der Grad an Nihilismus ist nicht zu verkennen, Ruhm meist flüchtig sowie der Einfluss von Facebook, Twitter und Co. auf das Denken und Handeln mancher einfach nur zum Kopfschütteln. Viele wollen reich und berühmt werden – möglichst schnell und bequem.
"Doin' it for the Gram" heißt es ja – wobei Kara Weisenstein dazu mal geschrieben hat:
"As everything becomes a reality show, we forget that reality shows are actually staged, and we think that daily life is a reality show when it’s not." Arielle ist naive in ihrem Glauben, der am Ende (in durchaus ironischer Weise) zerbricht. Oder doch nicht? Das kommt wohl darauf an, ob die finalen Sekunden Wunsch oder Wirklichkeit sind…
Fazit: Nicht gerade originell oder anspruchsvoll – wohl aber zeitgemäß, nett anzusehen und kurzweilig – ist "Infamous" quasi "Bonnie & Clyde" für die "Social-Media-Generation"…