Entstehungsdaten:
USA 2020
Regie:
Chad Faust
Darsteller:
Bella Thorne
Chad Faust
Mickey Rourke
Trailer
Bei "Girl", dem Spielfilm-Regiedebüt des kanadischen Schauspielers Chad Faust, handelt es sich um einen düsteren kleinen "Indie" aus dem Jahr 2020, der zudem von Faust verfasst wurde sowie tief im amerikanischen Hinterland angesiedelt daherkommt. Eröffnet wird mit einem namentlich nie benannten Mädel (Bella Thorne), das in einem Fernbus sitzend dem Städtchen entgegen fährt, in welchem sie als Kind mit ihrer Mutter (Elizabeth Saunders) gewohnt hatte, bis letztere es bei ihrem gewalttätigen Ehegatten C.W. (John Clifford Talbot) nicht mehr aushielt und mit ihrem Töchterchen weit weg abgehauen war. Kürzlich berichtete ihre Mutter ihr, einen Brief von ihm erhalten zu haben, in dem er sie beschimpft und bedroht hätte, nachdem sie zuvor ein erneutes Mal nie gezahlte Alimente von ihm eingefordert hatte. Voller Wut war die junge Dame daraufhin (heimlich) aufgebrochen – ein Beil bei sich tragend sowie fest vom Bestreben geleitet, ihrem Daddy all des vermittelten Leides wegen das Leben zu nehmen…
Angekommen, bringt sie seine Adresse in Erfahrung – auf dessen abgelegenen Grundstück sie ihn dann aber bereits verstorben vorfindet: Gefoltert und ermordet, um genau zu sein. Eine Kombination aus Erschütterung (im Angesicht des Anblicks), Trauer und Zorn durchströmt sie – wobei drittgenannte schon bald (wieder) zur dominanten Emotion wird und sie den Entschluss treffen lässt, den oder die Mörder ihres Vaters aufzuspüren und ebenfalls zu töten, da man sie mit der Tat "ihrer Rache beraubt" hätte. Ein um sie besorgt zu sein scheinender Barkeeper (Glen Gould) empfiehlt ihr, besser so rasch wie möglich nach Hause zu fahren – und äußert überdies eine Warnung vor zwei Brüdern, vor denen man sich in der Gegend generell vorsehen sollte: "Charmer" (Faust) – wie sich jener selbst nennt – sowie (ausgerechnet) der örtliche Sheriff (Mickey Rourke). Tatsächlich sind beide in die Sache involviert, denn gerüchteweise soll C.W. "ein kleines Vermögen" irgendwo auf seinem Anwesen versteckt haben…
"Girl" ist ein Genre-Mix aus Familien- und Sozial-Drama und einem klassischen Krimi Schrägstrich Thriller, bei dem es u.a. es um Verbitterung, Missbrauch, Lügen, Armut, Gier, Geld, Verlangen und Vergeltung geht. Faust dazu:
"I wanted to make a film that questions the story that each of us has built our lives on. What if that story isn't true? What if a young woman walked into a forgotten town with the blood of a false story pounding in her heart?" Der Schauplatz des Streifens ist ein arg trostloser: Ein ländliches Städtchen mit seinen "besten Zeiten" lange hinter sich – vermutlich bis ein größeres Werk oder Unternehmen eines Tages schließen musste, welches den Ansässigen bis dato Jobs und einen gewissen Wohlstand beschert hatte. Inzwischen stehen diverse Häuser, Geschäfte und sonstige Gebäude leer, werden Straßen und öffentliche Flächen nicht mehr gepflegt, kämpfen viele mit Armut und Alkoholproblemen und verstricken sich einige (teils notgedrungen) in "illegale Aktivitäten". Man kennt sich – sowie so manches "dunkles Geheimnis" der Mitbürger…
Faust präsentiert ein feines Gespür für die Atmosphäre des Settings: Wohnen möchte man dort jedenfalls nicht. Es mangelt den Leuten an Perspektiven, Möglichkeiten und/oder an Mut zur Veränderung. Den weder sympathischen noch sonderlich rechtstreuen Sheriff meidet man lieber – sein Bruder "Charmer" ist keineswegs ungebildet und hat ein paar "nette Worte" parat, vermag im Grunde aber als ein "klassischer Redneck" bezeichnet zu werden. Doch nicht jeder der Einheimischen hat es auf C.W.´s Töchterchen "abgesehen": Bspw. versucht ein Barkeeper sie mit Ratschlägen vor "potentiellem Schaden" zu bewahren und hilft ihr einer seiner Stamm-Gäste (Lanette Ware) im Verlauf sowohl mit Infos als auch einem Plätzchen zum Verbergen. Und dann wäre da noch der "Town Fuckup" (Michael Lipka), dem unsere Haupt-Protagonistin den entscheidenden Anstoß verleiht, endlich seine Sachen zu packen und mit seinem Kind in den nächsten Bus zu steigen – hoffentlich in Richtung einer positiveren Zukunft...
Letzterer (Mini-)Plot-Strang ist der einzige in "Girl", der einem "unnötig" erscheint – wohingegen der Rest ziemlich "kompakt" geartet ist. Obgleich nicht frei von Klischees, bewusst "unkonkret" gehalten (siehe den Verzicht auf bestimmte Namens-Nennungen) sowie seitens ihrer Persönlichkeiten nicht allzu "vielschichtiger Natur", geht die Ausgestaltung der zentralen Charaktere hier insgesamt dennoch in Ordnung. Dem Publikum wird ein Mädel vorgestellt, das ihren Daddy zu töten gedenkt – für all das, was er ihrer Mutter (und somit auch ihr) angetan hat. Wut ist ihr "Antrieb" – doch beraubt man sie der ersehnten bzw. angestrebten "Katharsis", weshalb sie all die aufgestauten Gefühle und Gemütsregungen kurzerhand wider den oder die für den Mord Verantwortlichen richtet. Sie erkundigt sich und lässt nicht locker – und das unabhängig der zunehmenden Gefahr. Warum hat man das getan? Was verheimlicht man ihr? Warum wird sie plötzlich gejagt? Je mehr sie erfährt, desto mehr muss sie "verarbeiten"…
Als Lead überzeugt Bella Thorne ("Infamous") mit einer zurückhaltenden, nichtsdestotrotz toughen und emotionalen Performance. Faust hat die Figur selbstbewusst und realistisch angelegt – nicht etwa irgendwie "sexualisiert" oder mit unglaubwürdigen "Skills" gesegnet. In keinerlei Weise "gepampert" aufgewachsen, weiß sie sich zur Wehr zu setzen – ist den Männern jedoch physisch unterlegen und muss sich von daher anderweitig behaupten. Wie gut, dass ihr Vater ihr im frühen Alter schon den Umgang mit einem Beil beigebracht hat. Ebenso einschmeichelnd wie unbehaglich, ist "Charmer" indes ein eigenwilliger Typ, welchen Faust (TV´s "The 4400") prima zum Besten gibt. Obendrein teilen sich Thorne und er eine ergiebige "Chemie" bei ihren gemeinsamen (überwiegend konfrontativen) Auftritten und liefern Glen Gould ("Cold Pursuit"), Lanette Ware ("Bad Company"), Michael Lipka ("X-Men: Dark Phoenix") sowie Elizabeth Saunders (Stephen King´s "It") in ihren Nebenrollen soliden "Support" ab…
Mit seiner rauen Stimme und inzwischen "ledrigen Haut" ist Mickey Rourke ("Wild Orchid") geradezu prädestiniert dafür, einen "Baddie" zu verkörpern – was er im Vorliegenden dann auch absolut ordentlich meistert. In einer Umgebung wie der gezeigten ist die "Macht-Position" des Sheriffs (mit kaum bis keinem Widerstand aus der Bevölkerung) durchaus nicht abwegig. Angenehm "unaufdringlich" gespielt, strahlt er "kontrollierte Ruhe" und Bedrohlichkeit aus. Es ist erfreulich, Rourke in einem wertigeren Werk und Part als in den vergangenen Jahren nahezu üblich zu sehen – siehe dazu einfach nur mal "Weaponized" oder "Skin Traffik". Den Inhalten angepasst, hat Cinematographer Kristofer Bonnell (TV´s "Inhuman Condition") die Geschehnisse in düstere, farbkühle Bilder gekleidet – während man neben dem Score Dillon Baldasseros ("American Hangman") zudem noch einige nette Songs zu hören erhält; allen voran die Cover-Versionen "Cut you down" und "the Pines" von Joshua Stephen Huot…
Mit "Girl" beweist Faust, dass er über Talent als Regisseur verfügt. Den Film hatte er rundum "im Griff" – samt der stilleren wie brutaleren Momente. Die Fights wurden treffend "gritty" arrangiert – einer in einem Waschsalon gefiel mir von der kompletten Szenen-Entfaltung her besonders – worüber hinaus mir der "atmosphärische Einsatz" von Dunkelheit und Feuer im finalen Akt sehr zugesagt hat. Leider ist seine Drehbuch-Vorlage reich an mittelprächtigen Dialogen sowie im Ganzen eher "oberflächlicher Beschaffenheit" – unabhängig einer reizvollen Familien-bezogenen Offenbarung sowie der damit verbundenen seelischen und perspektivischen Auswirkungen auf das vieles auf einmal überdenken müssende Mädel. "Unterm Strich" ist ihm ein brauchbarer, nie langweiliger kleiner "Slow-Burn-Indie" gelungen, der zwar keine Hochspannung oder "Langzeit-Wirkung" zu generieren vermag, wohl aber von Interessierten getrost mal gesichtet werden kann…