Entstehungsdaten:
USA 2007
Regie:
John Erick Dowdle
Darsteller:
Stacy Chbosky
Ben Messmer
Samantha Robson
Ivar Brogger
Trailer
Bei dem 2006 gedrehten Horror-Crime-Streifen "the Poughkeepsie Tapes" handelt es sich um das Genre-Debüt John Erick Dowdles ("No Escape"), welcher gemeinsam mit seinem Bruder Drew zudem auch das zugehörige Drehbuch verfasste. Nach seiner Festival-Premiere im April 2007 sicherte sich "MGM" kurzerhand die Rechte und gab einen Kino-Start für Februar 2008 bekannt – samt eines entsprechenden Trailers vor der Stephen King Adaption "the Mist" sowie einigen weiteren Veröffentlichungen jener Art – bevor der Release dann aber plötzlich ohne einer offiziellen Begründung gecancelt wurde sowie das Werk im Folgenden für mehrere Jahre sozusagen "von der Bildfläche verschwand"…
Mit der Zeit entwickelte der Film in "einschlägigen Kreisen" einen "gewissen Ruf" – und das auf der Basis einzelner vorhandener Reviews und Screener-DVDs, des creepy Promo-Materials sowie der Tatsache, dass die "Brothers Dowdle" in Gestalt des US-"[Rec]"-Remakes "Quarantine" (2008) und der M. Night Shyamalan Produktion "Devil" (2010) inzwischen schon ordentlich auf sich aufmerksam machen konnten. Erst im Juli 2014 tauchte er (gleichermaßen überraschend wie "klammheimlich") als "Video on Demand" bei "DirecTV" auf – nur um genauso flugs wieder aus dem betreffenden Programm zu verschwinden, nachdem Websites wie "Dread Central" dies mitbekamen und darüber berichteten…
Hintergrund letzterer Aktion war es, dass "MGM" angeblich erneut eine Kino-Auswertung in Betracht zog – doch auch daraus wurde am Ende nichts. Stattdessen kam er im Oktober 2017 (via "Scream Factory") in den USA auf DVD und BluRay heraus. Tja, und wiederum rund vier Jahre später habe ich mir nun einen eigenen Eindruck davon verschafft, ob der Streifen tatsächlich so "beklemmend-ungemütlich" ist, wie vielerorts zu vernehmen. Eine nicht unwichtige Info vorab: "the Poughkeepsie Tapes" wurde im Stil einer True-Crime-Doku arrangiert – komplett u.a. mit Interviews und TV-Nachrichten-Clips – ist also kein reiner "Found Footage Flick", sondern wartet bloß mit diversen Auszügen "gefundener" Video-Aufnahmen auf…
In den knapp 80 Minuten geht es um die Taten eines bestialischen Serien-Killers, der im Staate New York über eine Dekade lang (beginnend in den frühen '90ern) sein Unwesen trieb – und das ohne dabei eine spezifische Vorgehensweise einzuhalten: Männer, Frauen und Kinder fielen ihm zum Opfer – mal spontan, mal geplant – mal am helllichten Tage, mal in dunkelster Nacht – mal Pärchen, mal (z.B.) Prostituierte – mal umgehend ermordet, mal eine Weile am Leben erhalten sowie währenddessen unsäglichen Qualen ausgesetzt. Seitens der Medien wurde er, der auch vor bestimmten "Spielchen" den Ermittlern oder gar den Angehörigen gegenüber nicht zurückschreckte, irgendwann "the Waterstreet Butcher" genannt…
2001 führte der Killer die Cops dann mit einem Hinweis zu einem Haus, in welchem Umzugskartons mit Videokassetten gefunden wurden: Mehrere hundert Stück – mit tausenden Stunden an Camcorder-Footage, das der Psychopath selbst aufgenommen hatte sowie die meisten seiner Verbrechen (von der Vorbereitung bis hin zum Begehen eben jener) aufzeigt. Den Behörden oblag es daraufhin, all das zu sichten – nach Anhaltspunkten, Details und ihnen bisher unbekannten Fällen. Es stellte sich heraus, dass bei den meisten Bändern das Martyrium Cheryl Dempseys (Stacy Chbosky) im Zentrum steht – einer jungen Frau, die 1994 (im Alter von 19) verschleppt sowie von ihm fortan als "Sklavin" gehalten wurde…
Dass "the Poughkeepsie Tapes" wie eine typische TV-Kriminal-Doku (so wie sich solche bis heute ja reger Beliebtheit erfreuen) konzipiert wurde Schrägstrich dargereicht wird, verleiht dem Ganzen eine zusätzliche Facette eines "Eindrucks von Authentizität". Eine Fülle von Leuten kommt zu Wort – á la Polizisten, FBI-Agenten, Profiler, Pathologen, Reporter, Freunde, Verwandte und Zeugen – wodurch Spekulationen, Erkenntnisse und sonstige Zusatz-Informationen gleich mitgeliefert werden. Nicht jeder der gecasteten "Talking Heads" ist unbedingt glaubwürdig in der jeweiligen Rolle – was aber keine Seltenheit bei Low-Budget-Produktionen ist sowie hier per se auch nicht überbewertet werden muss…
Die Interviews füllen einen Großteil der Laufzeit aus – und nicht nur via Strukturierung, Editing und Musik-Untermalung haben sich die Macher wahrlich Mühe gegeben, die "Illusion" einer True-Crime-Sendung heraufzubeschwören. Dass die Video-Bänder alle mal auf dem Boden aufreiht werden, um dem Publikum so den schieren Umfang des Materials zu veranschaulichen, ist ein effektiv-ergiebiger Einfall – wohingegen "natürlich" keiner in seinem Werdegang "je zuvor etwas Schrecklicheres" gesehen hat als das, worauf sie bei dieser Sache stießen. Trotz des "klischeehaften Klangs" letzterer Aussage dauert es jedoch nicht lange, bis der Zuschauer daran in keiner Sekunde mehr zweifelt – dafür hat Dowdle gesorgt...
Die eingespielten Clips umfassen eine sich von unbehaglich bis hin zu verstörend und grausam erstreckende Bandbreite an Situationen und Geschehnisse – oft "wackelig" gefilmt sowie in nicht allzu guter Bildqualität daherkommend (sprich: Verunreinigungen und Verzerrungen der Images und Farben aufweisend). Es fängt mit einer im Vorgarten spielenden Achtjährigen an, welche der Killer selbstsicher, aber vorsichtig anspricht sowie wenig später dann besinnungslos auf dem Rücksitz seines Wagens ablegt. "Details" zu sehen – das wird einem (in diesem Fall zumindest) erspart. Die erzeugte "Wirkung" resultiert sowohl aus der Tat an sich, der Vorstellung des Nichtgezeigten als auch aus dem vermittelten "Realismus" des Gebotenen…
Das Unheilschwangere ist "bedrückend" – etwa wenn er zwei Pfadfinderinnen in sein Haus lockt, er bei einer Teenagerin einbricht, sie und ihren Freund heimlich über den Abend hinweg beobachtet, oder ihn ein junges Pärchen als Anhalter mitnimmt (ihr Schicksal ist besonders bösartig-grotesk). Befürchtungen – kombiniert mit der Art, wie man das alles präsentiert erhält – rufen beim Betrachter unweigerlich Anspannung hervor. Einiges an seinem Schrecken ist "psychologischer Natur": Bspw. spricht er die Mutter eines von ihm entführten Mädels freundlich darauf an, ob er ihr irgendwie behilflich sein könnte – das aber so, dass ihr kurz darauf bewusst wird, mit wem sie da eigentlich gerade gesprochen hat…
Bei allen Garstigkeiten und in verschiedener Hinsicht leidenden Opfern ist "the Poughkeepsie Tapes" jedoch kein Vertreter des "Torture Porn"-Subgenres: Der Horror hier ist eher suggestiv als explizit. Ohne dabei die generierte "Atmosphäre" abzuschwächen, sorgt der "Doku-Ansatz" dafür, dass wir es nicht mit einer bloßen Aneinanderreihung von abstoßendem "Snuff-Footage" zutun haben. Die Möglichkeit, auf diesem Wege gesellschafts- oder medienkritische Elemente in ihr Werk mit einzubinden, haben die Dowdles allerdings nicht genutzt: Stattdessen waren sie primär darauf aus, "Genre-Kost" in diesem speziellen, bis auf Ausnahmen (á la "Lake Mungo") nur selten gewählten "Gewand" zu erschaffen…
Da er nie gefasst wurde und sein "Background" (Kindheit etc.) somit unbekannt ist, erfährt man über die Persönlichkeit des Killers nur, was man sieht, daraus ableiten kann oder einem die Interviewten berichten. Was waren seine Motive? Wie hat er sich im Alltag verhalten? Klar ist, dass er geschickt, erbarmungslos und sadistisch agiert, einen Hang zum "Theatralischen" hat (in einigen der Aufnahmen tritt er in einem Pestdoktor-Kostüm auf) sowie zudem ein Fetisch dafür besitzt, Frauen gewisse Handlungen mit Ballons ausführen zu lassen. Sein inkonstantes Vorgehen verhindert ein erfolgreiches Profiling – weshalb sich Ermittler an einer Stelle sogar Ted Bundy´s Meinung Schrägstrich Input (im Gefängnis) dazu einholen…
Obgleich es ein Stück weit unbefriedigend ist, da ohne einer Rationalisierung auskommen zu müssen, hatte man das bei Leuten wie Michael Myers oder dem realen "Zodiac" Serienmörder aus den '60ern (von dem man erst seit Ende 2021 annimmt, dass es der Ex-Soldat Gary Francis Poste war) ja ebenfalls nicht. Eine leichte Anlehnung der Figur an Kendall Francois gibt es zwar, welcher aus Poughkeepsie stammte und in den '90ern acht Frauen umgebracht hat, doch ist das "menschliche Monster" im Vorliegenden ansonsten eine rein fiktive Kreation der Dowdles – inklusive einzelner interessanter Ausprägungen, wie z.B. das manipulierte Erzielen der Verurteilung eines Unschuldigen als "Waterstreet Butcher"…
Ursprünglich war Stacy Chbosky ("the Perks of being a Wallflower") nur eine Assistentin beim Casting – im Zuge dessen man sie jedoch für den Part der Cheryl Dempsey "entdeckte": Eine einträgliche Wahl, denn sie verkörpert das arme Mädel überzeugend, welches von einem unsägliche Qualen über sich ergehen lassen müssenden Opfer irgendwann in einen "Stockholm Syndrom"-verwandten Zustand übergeht; vom Killer all die Zeit am Leben gehalten wird und sich auch nie davon erholt. Das Gespräch eines Journalisten mit ihr (samt des entsprechenden Kontexts) ist wahrhaft "erschütternd". Sympathisch wird sie einem aber nicht – man hat bloß Mitleid mit ihr in diesem durchweg "emotional kalten" Film…
Mit "the Poughkeepsie Tapes" hat John Erick Dowdle ein ungemütliches Werk abgeliefert, das mit einigen "albtraumhaften Momenten" aufwartet und einem mehrfach einen unangenehmen "Schauer über den Rücken laufen" lässt: Eine oberflächliche fiktive True-Crime-Doku mit effektiven "Found Footage"-Sequenzen wie auch mit gewissen Schwächen (á la wie man wohl an das Video einer Grabschändung gekommen ist) – weder spannend noch unterhaltsam im klassischen Sinne sowie unglücklicherweise nicht so "immersiv" wie etwa "the Blair Witch Project", für Horror-Fans aufgrund der "schonungslos-düsteren" Materie und ihrer "ungeschliffen-roh" anmutenden Darreichung aber dennoch ein Blick wert…