Entstehungsdaten:
Mexiko-USA 2022
Regie:
Alfonso Pineda Ulloa
Darsteller:
José María Yazpik
Shannyn Sossamon
Paz Vega
Neal McDonough
Tim Roth
Keidrich Sellati
Ron Perlman
Es waren hauptsächlich zwei Gegebenheiten, die meine Neugier auf den gritty-gewalttätigen Crime-Flick "There are no Saints" (2022) geweckt hatten: Zum einen wollte Paul Schrader mit dem Streifen zu seinen "Exploitation-Wurzeln" (siehe "Rolling Thunder") zurückkehren – zum anderen fanden die Dreharbeiten bereits 2013 (!) statt, bevor das Werk in den folgenden neun Jahren zuerst in der sogenannten "Produktions-Hölle" sowie anschließend in irgendeinem "Studio-Giftschrank" landete. Aber der Reihe nach: Es war um 2009 herum, dass Schrader ein Skript mit dem Titel "the Jesuit" schrieb, welches er mit Oscar Isaac als Lead zu realisieren anstrebte. Bis zu dem Punkt in seinem Œuvre war er u.a. für die Vorlagen zu Peter Weir´s "Mosquito Coast" sowie zu Martin Scorsese´s "Taxi Driver", "the Last Temptation of Christ" und "Bringing out the Dead" verantwortlich gewesen und hatte zudem auch schon diverse Male selbst (häufig auf der Basis seines eigenen Materials) Regie geführt – bspw. bei "Hardcore", "American Gigolo" und "Light Sleeper". Düstere Geschichten mit gepeinigten Persönlichkeiten – so wie es im Vorliegenden ebenso der Fall ist – gelten gemeinhin als seine Spezialität…
Aufgrund eines unerwarteten Scheiterns der Finanzierung verzögerte sich die Umsetzung dann allerdings so lange, dass sich Schrader in der Zwischenzeit einem anderen Projekt zu widmen begann – und zwar der erotischen Low-Budget-Bret-Easton-Ellis-Soap-Opera-Thriller-Drama-Hollywood-Satire "the Canyons". Entsprechend verzichtete er auf eine "Wiederkehr", als 2012 "die nötigen Dinge" geregelt werden konnten – und schlug dafür vor, gemäß des Umfelds, in dem er die Story angesiedelt hatte, den Posten an einen Lateinamerikaner zu vergeben. Schnell fiel die Wahl auf den Mexikaner Alfonso Pineda Ulloa – wonach es 2013 endlich "vor die Kameras" ging. Schrader lehnte es derweil ab, ein neues, kostengünstigeres Finale zu verfassen, ans Set zu kommen sowie sich mit Ulloa auszutauschen: Für ihn war es nun "dessen Werk" – weshalb er sich da raushalten wollte. Über einen "Rough Cut" sagte er 2014: "If I´d directed “the Jesuit”, it would have been too tasteful, too restrained, too mature. Alfonso did a great job." sowie "Even though there were elements that didn’t make sense and things I would not have approved of, I was caught up in the film´s exploitation gusto"…
Trotz des Lobes schien einiges aber nicht gerade glatt zu laufen: So gab es etwa Re-Shoots, im Zuge derer alle Szenen, in denen Charakter-Mime Brian Cox aufgetreten war, mit Ron Perlman in der betreffenden Rolle neu gedreht wurden. Des Weiteren berichtete Ulloa in einem Interview, dass er selbst 2016/17 noch immer an der Post-Production beteiligt war – während er primär mit Episoden-Beiträgen zu verschiedenen TV-Serien (á la "El Chivo" oder "El Recluso") seine Karriere vorantrieb. Alles in allem ist es schon verwunderlich, dass es bis Mai 2022 gedauert hat, bis "There are no Saints" (so der irgendwann neu gewählte Titel) letztlich erschien. Vermutlich ist sogar das (zumindest ein wenig) damit in Verbindung zu bringen, dass Schrader dank "First Reformed" und "the Card Counter" inzwischen wieder "höher im Kurs steht". Obgleich man dem Ergebnis ab und an durchaus anmerkt, dass an ihm (per Editing oder Nachvertonung) "herumgewerkelt" wurde, werden B-Movies dieser Art ja regelmäßig auf den Markt gebracht – und das unabhängig ihrer jeweiligen Qualität sowie meist mit einer uninteressanteren Besetzung daherkommend…
Früher ein gefürchteter "Vollstrecker" eines brutalen Kartells, wird Neto Niente (José María Yazpik) nach fünf Jahren just vorzeitig aus einem texanischen Knast entlassen, da es sein findiger Anwalt (Tim Roth) geschafft hat, dass ein Gericht seine Verurteilung aufhob: Jene geschah damals nämlich auf der Basis manipulierter Beweise, wie es sich herausstellte. Etliche Leute sind keineswegs glücklich mit dieser Entwicklung – doch Neto gedenkt eh wohl wegzuziehen sowie nicht mehr in sein bisheriges "Umfeld" zurückzukehren. Eine Sache ist ihm aber wichtig: Vorher möchte er seinen Sohn Julio (Keidrich Sellati) noch wiedersehen – dessen Mutter Nadia (Paz Vega) das allerdings eher besorgt betrachtet; auch weil sie mittlerweile mit dem Gangster Vincent (Neal McDonough) zusammen ist. Nie hatte sie aufgehört, Gefühle für ihn zu hegen – nur war sie nicht davon ausgegangen, dass er jemals wieder freikommen würde. Als sie spontan miteinander schlafen und Vincent das erfährt, tötet jener Nadia umgehend, versagt in der Hinsicht bei Neto und entführt Julio kurzerhand nach Mexiko – worauf Neto unerbittliche Rache schwört und die Verfolgung aufnimmt…
"There are no Saints" ist ein weiterer dieser Filme, die mit einem Bibel-Zitat eröffnen, welches man in bestimmter Weise mit seinem Inhalt in Beziehung setzen kann – in diesem Fall The sins of the father shall be visited upon the sons (Exodus 20:5). Dass Schrader an sich kompetent dafür ist, eine in einem Verbrecher-Milieu-Kontext eingebettete "abgründig-reflexive", mit speziellen kulturellen und religiösen Aspekten versehene Geschichte zu erzählen, dürfte kaum jemand anzweifeln – allerdings kommt es einem hier leider so vor, als hätte er sich stattdessen stärker von Streifen á la "Taken" (welcher nur ein paar Monate vor seinem Schreiben des Skripts veröffentlicht worden war) "inspirieren" lassen. Was seine Variante der Story jedoch von der genannten Franchise (sowie der Überzahl ihrer "Epigonen") unterscheidet, ist die Charakter-Zeichnung des Haupt-Protagonisten: Neto ist ein unsympathischer Typ, der zig grausame Dinge getan hat und von seinen Mitmenschen daher entweder gehasst, respektiert und/oder gefürchtet wird. Seine "Sünden" sind extrem – der Aufbau einer "emotionalen Connection" somit im Prinzip ausgeschlossen…
Neto´s Spitzname the Jesuit geht (in Anspielung auf die Inquisition) auf seine berüchtigten Folter-Praktiken zurück – worüber hinaus er im Rahmen seiner "Kartell-Dienste" u.a. Feinde, Verräter und Zeugen getötet hat: Männer, Frauen sowie mindestens ein unschuldiges Kind. Per Flashback erhält das Publikum bspw. präsentiert, wie er eine verängstigte Dame in ihrer Küche zuerst verprügelt und sie dann mit durch ihre Handflächen gerammten Messern am Tisch "festpinnt". Im Gefängnis saß er beileibe nicht fälschlicherweise – bloß hatte ein Polizist ein Beweisstück an einem der Tatorte platziert, um ihn so endlich überführen zu können. Als jener schwer erkrankt und das vor seinem Tode noch "beichtet", wird die Verurteilung (dem Gesetz entsprechend) für ungültig erklärt und Neto freigelassen. Im Radio wettert man hitzig über diese Entscheidung – mit ihren Schlagstöcken heißen mehrere Cops ihn vor seinem Motel "willkommen". Selbst sein Anwalt kann (und will) seine Aversion gegen ihn und "seinesgleichen" nicht verbergen. Das also ist der "Anti-Held" dieses Werks. Da nützt es wenig, dass er nicht wieder ins "Business" einsteigen möchte, viel über alles nachdenkt und auch mal in die Kirche geht…
Seine alten Wegbegleiter wollen ihn gern erneut "in ihren Reihen" sehen – und so mancher hat mit ihm noch "eine Rechnung offen". Zudem stoßen seine Zukunftspläne nicht gerade bei allen auf Akzeptanz – denn Ihr wisst schon: Blood in, blood out. Seit Neto´s Inhaftierung hatte sich Nadia einen neuen Partner gesucht – wiederum einen gefährlichen, ihr Schutz und Geld bietenden Kriminellen. Dass jener sie des Öfteren wohl mies behandelt, ist jenen Faktoren scheinbar untergeordnet. Julio idealisiert seinen Vater indes, welchen er zwar nie richtig kennengelernt, aber dennoch sehr vermisst hat: Seine Empfindungen drückt er primär in Form von Zeichnungen aus, in denen er ihn als eine Kombination aus einem Gangster und Heiligen portraitiert. Freudig aufgeregt über diese unverhoffte "Chance", sucht er fortan Neto´s Nähe – Nadia´s Vorbehalte zum Trotz. Jene will nicht, dass ihr Sohn so wie sein Vater wird – was einem jedoch etwas merkwürdig vorkommt, da die Alternative ja Vincent ist. Egal. Überdies ist es fernab von clever von ihr, vor diesem "angespannten Hintergrund" eines Abends Sex mit ihm zu haben – und so wird sie prompt von Vincent erschossen, als jener das herausfindet…
Julio´s Verschleppung verleiht Neto Motivation und ein Ziel: Vincent hat sozusagen "einen Sturm der Gewalt entfesselt". Sowohl von den Cops als auch diversen "Gang-Schergen" gejagt, beschafft sich Neto u.a. Waffen bei einem illegalen Händler (Tommy Flannigan) und gerät in einem Strip-Club mit der Bediensten Inez (Shannyn Sossamon) ins Gespräch, welche er im Folgenden dafür bezahlt, dass sie sich als seine Freundin ausgibt, um so leichter die Grenze zu überqueren. Mit ihm überall zur Fahndung ausgeschrieben, hatte ich mich generell gefragt, wie er das wohl schaffen würde – und dann wird exakt das allen Ernstes nicht gezeigt, sondern unmittelbar vor dem Checkpoint abgeblendet; wonach es nahtlos direkt in Mexiko weitergeht! Unfassbar. Als ob die Macher selbst keine Ahnung hatten, wie sie einem das "verkaufen" sollten. Nunja, jedenfalls ist Vincent dort für ein Immobilien-Projekt verantwortlich und hilft Inez Neto daraufhin (für eine erhöhte Summe Cash) dabei, jenen auszukundschaften und "abzulenken", um dadurch die Befreiung Julios besser zu ermöglichen. Aber wie es nunmal mit Plänen so ist: Unvorhergesehenes kann rasch zu "Komplikationen" führen…
Wie bereits erwähnt: "There are no Saints" hat ein "Sympathie-Problem". Neto ist in erster Linie eine "eiskalte Killer-Maschine": Eine Person, die man am liebsten meiden möchte – selbst wenn er einem nicht "feindlich gesinnt" ist (siehe seinen Anwalt). "Physisch" wird er von José María Yazpik (TV´s "Narcos: Mexico") absolut passend verkörpert – einschüchternd glaubwürdig – wogegen er "mimisch" sowie im Bereich seiner Dialoge gewisse "Feinheiten" nicht optimal zu transportieren in der Lage ist. Um Nadia trauert Neto (und der Zuschauer) im Prinzip gar nicht – während Julio einfach "ein Kind in Gefahr" ist und daher die betreffende Reaktion beim Betrachter auslöst; nicht etwa, weil er einem irgendwie "ans Herz gewachsen" ist. Seltsamerweise taucht er im Geschehen zwischen seiner Entführung und dem Finale auch überhaupt nicht auf: Man sieht ihn in all der Zeit nie in Gefangenschaft – was das "Mitfiebern" nicht gerade fördert. Immerhin liefern Paz Vega ("Rambo: Last Blood") und Keidrich Sellati (TV´s "the Americans") solide Performances ab – ebenso wie Tim Roth ("the Misfits"), Karla Souza ("Day Shift") und Tommy Flannigan ("Sin City"), jeweils mit limitierter Screen-Time…
Neal McDonough ("Monsters of Man") macht seine Sache ordentlich – über reichlich Erfahrung im Darbieten von "Baddies" verfügt er ja. Wer derweil positiv auffällt, ist Shannyn Sossamon ("Kiss Kiss Bang Bang"), welche Inez mit einer angenehm zu registrierenden "Spielfreude" zum Besten gegeben hat – und das unabhängig dessen, dass ihrer Figur so einige dumme Entscheidungen zugeschrieben wurden (z.B. trotz all der illegalen und sonstwie unschönen Dinge, die sie mitbekommt, weiterhin bei Neto zu bleiben). Zugegeben, solche Frauen gibt es ja tatsächlich – doch hier mutet die gesamte "Verbindung" der beiden wie ein reines "Drehbuch-Konstrukt" an. Als Inez im späteren Verlauf gleich zweimal brutal misshandelt wird, ist es mit dem vorangegangenen Charme Sossamons zuzurechnen, dass man merkliches Mitleid mit ihr empfindet. Grundsätzlich wurde kein Unterschied dabei gemacht, welchem Geschlecht die Opfer von Gewalt im Vorliegenden angehören: Das mag auf der einen Seite "realistisch" für entsprechende Täter sein – ist auf der anderen allerdings umso unangenehmer mit anzusehen und hinterlässt unweigerlich einen "Beigeschmack"…
An sich ist "There are no Saints" handwerklich durchaus brauchbar geraten: Regisseur Ulloa – welchen man hierzulande bislang höchstens für seinen 2013er Horror-Streifen "Espectro" kennen könnte (bei dem Vega übrigens ebenfalls mit von der Partie ist) – zeigt mit seiner modernen, zügig-flotten Inszenierung ein passables Maß an Talent – hatte aber offenbar mit dem "Ton" des Ganzen zu ringen, so dass das Ergebnis bisweilen ähnlich "unhomogen" wirkt wie die letztlich veröffentlichte Fassung von Schrader´s "Dying of the Light". Bei der mitunter einen "choppy" Eindruck erweckenden Editing-Arbeit lässt sich indes nicht klar sagen, was davon nun das "nachträgliche Herumbasteln" verschuldet hat – allerdings gefiel mir die Farbgebung, ist am Score Heitor Pereiras ("Minions: The Rise of Gru") nichts auszusetzen und geht die Bebilderung Mateo Londons ("Kickboxer: Vengeance") in Ordnung. "Zweckdienlich" arrangierte Action-Momente stellen einen punktuell zufrieden – kurze, harte Shootouts und Fights, u.a. auf einem Parkplatz, im Toilettenraum eines Clubs sowie im Innern eines fahrenden Wagens – doch mangelt es jenen an "Gewicht"; auch weil man sich nie um Neto´s Wohl sorgt…
Schrader hat sein Skript augenfällig gezielt "edgy" gestaltet – leicht misogyn sowie inklusive rassistischer Äußerungen und mexikanischer Stereotypen. Und dann wären da noch die finalen 20 Minuten, in denen Neto "von seiner Vergangenheit einholt" wird sowie er auf einen weiteren Widerling trifft: Sans (Ron Perlman aus "the Big Ugly") – ein pädophiler Ex-DEA-Agent, der inzwischen ein berüchtigter Krimineller ist und mit seinen Männern "Colonel-Kurtz-artig" auf einem entlegenen Anwesen voller Waffen und Drogen sowie mit einem altertümlichen Verlies darunter lebt (eine immerhin echt stimmungsvolle Location). Es folgt eine erneute Runde Qualen für Julio und Inez – plus das direkte Duell der beiden Männer, ein konsequentes, düsteres Ende sowie zudem noch eine vollkommen unnötige, die Möglichkeit eines direkten Sequels offen haltende "Nachreichung": Der Ausklang eines belanglos-uninspirierten, "unebenen", bloß eingeschränkt unterhaltsamen gritty-nihilistisch-brutalen Exploitation-Flicks ohne Suspense oder Subtext, bei dem nichts von dem Gebotenen ernsthaft rechtfertigt, dass er so lange im "Giftschrank" lag…
gute