Entstehungsdaten:
USA-UAE 2022
Regie:
Chloe Okuno
Darsteller:
Maika Monroe
Karl Glusman
Burn Gorman
Mădălina Anea
Trailer
Bei "Watcher" haben wir es mit einem Psycho-Thriller aus dem Jahr 2022 zutun, der auf einem Drehbuch Zack Fords basiert, welches es 2016 auf Hollywood´s "Black List" geschafft hatte, bevor es von Chloe Okuno noch umgeschrieben sowie schließlich in Gestalt ihres Spielfilm-Regiedebüts "on Location" in Bukarest realisiert wurde. Ursprünglich sollte Brooklyn als Schauplatz der erzählten Geschichte dienen – was Okuno jedoch zu der rumänischen Hauptstadt hin abänderte sowie zu einem zentralen Faktor ihres Werks machte. Von New York her siedelt das amerikanische Ehepaar Julia (Maika Monroe) und Francis (Karl Glusmann) nämlich genau dorthin über, nachdem er befördert wurde und die ihm angebotene Stelle angenommen hatte, da er "Wurzeln" in eben jenem südost-europäischen Land hat und die Sprache von daher schon perfekt beherrscht – wogegen sie diese gerade erst zu erlernen begonnen hat, da das Ganze letzten Endes relativ rasch von statten ging…
Sie beziehen ein schickes möbliertes Apartment in der City und Francis legt sogleich mit seiner Arbeit los, während Julia überwiegend allein zu Hause bleibt. Sich in der Fremde einzuleben, scheint für sie nicht so einfach zu sein – zumal er häufig bis spät abends beruflich eingebunden ist. Eines Tages fällt ihr beim Schauen aus ihrem großen Wohnzimmer-Fenster jemand in dem gegenüberliegenden Gebäude auf, der offenbar selbst direkt in ihre Richtung blickt. Anfangs denkt sie sich nichts weiter dabei – doch als sich das im Folgenden wiederholt, verstärkt sich ihr unbehagliches Gefühl zunehmend. Nach zwei sie verängstigenden Erlebnissen (in einem Kino und einem Laden) erlangt sie zudem die Überzeugung, der besagte Mann (Burn Gorman) würde sie stalken. Meldungen, dass ein Frauen-Mörder in der Gegend aktiv ist, sind für sie in der Hinsicht ebenfalls fernab von förderlich. Die entscheidende Frage lautet natürlich: Leidet sie an unbegründeter Paranoia – oder schwebt sie tatsächlich in Gefahr?
"Watcher" nutzt ein an sich simples Mittel überaus ersprießlich-effektiv – nämlich auf die Verwendung von Untertiteln zu verzichten. Oft reden die Leute um Julia herum Rumänisch – weshalb sich die meisten Zuschauer mit derselben "Barriere" wie sie konfrontiert sehen dürften. So wie in einer solchen Situation nicht unüblich, betreibt Francis bereits im Taxi nach ihrer Landung Smalltalk mit dem Fahrer – welchen Julia allerdings nicht zu verstehen in der Lage ist. Dafür reichen ihre Kenntnisse noch nicht aus. Als Francis etwas erbost auf eine (vermutlich leicht anzügliche) Bemerkung reagiert, erkundigt sie sich bei ihm, was denn gesagt worden sei – worauf er ihr augenfällig bloß nur eine "abgeschwächte" Übersetzung liefert. So lange die Gespräche in ihrer Gegenwart nicht auf Englisch geführt werden, bekommt sie maximal Bruchstücke der Inhalte mit. Via Audio-Training sowie bspw. dem Aufgeben von Bestellungen in Cafés ist sie aber fleißig am üben…
Rumänien weist eine andere Kultur als die Vereinigten Staaten auf – und Bukarest lässt sich in vielerlei Aspekten kaum mehr als nur bedingt mit NYC vergleichen. Da Francis meist unterwegs ist, muss sich Julia im "alten Europa" im Prinzip eigenständig-allein "akklimatisieren". Sein Avancieren im Job markierte den Grund ihres Umzugs, welchem sie ihre eigene Karriere (als Schauspielerin) unterordnete – doch hat sie das gern getan, denn sie liebt ihn und ist auf die damit verbundenen neuen Erfahrungen gespannt. Unabhängig dessen ist es generell nicht ungewöhnlich, dass es den Partnern von "Expats" vor Ort mitunter (ernüchternd) schwer fällt. Auch bei einem Dinner mit einem Paar, das er von der Arbeit her kennt, kommt sie sich wie eine "Außenseiterin" vor. Einzig mit ihrer Nachbarin Irina (Mădălina Anea) – einer selbstbewussten Stripperin – vermag sie sich anzufreunden. Jene ist zwar eher selten daheim – allerdings genießt es Julia merklich, mit jemandem zwischendurch "nur mal so" quatschen zu können…
Die Empfindungen Julias werden in "Watcher" zusätzlich seitens weiterer Faktoren verstärkt – sei es die Architektur der Gebäude (eine Menge Stein und Beton), das Wetter (wenig Sonne; dafür bewölkt, regnerisch oder gar schneiend) sowie die kühle, triste Farbgebung, welche man für den Film auserwählt hat. Dank bestimmter Kamera-Platzierungen wirken die Räumlichkeiten, in denen sich Julia aufhält, zudem bisweilen (auf subtile Weise) "bedrückend" – ihre Einsamkeit ist nachspürbar. Bei einem Spaziergang laufen sie und Francis zufällig mal abends an einem Tatort vorbei, an dem die Einsatzkräfte noch zugange sind. Es stellt sich heraus, dass ein Serienkiller (mit bislang allesamt weiblichen Opfern) in der Stadt sein Unwesen treibt, der von den Medien "the Spider" genannt wird. Irina besitzt zu ihrem Schutz eine Pistole: Ein Geschenk ihres immernoch ab und an bei ihr vorbeischauenden Ex-Freunds Cristian (Daniel Nuta). Angesichts der Geschehnisse versprechen sich die Frauen kurzerhand, aufeinander aufzupassen…
Was damit beginnt, dass Julia glaubt, von gegenüber aus beobachtet zu werden, nimmt eine unmittelbarere Form an, als sie eine Nachmittags-Vorführung des Klassikers "Charade" besucht – und sich jemand in dem fast leeren Saal plötzlich genau hinter sie setzt. Mit aufsteigender Panik verlässt sie zügig das Kino und betritt einen Einkaufsladen in der Nähe – allerdings scheint der Mann ihr auch dorthin nachzugehen. Ohne einen eindeutigen Blick auf die Person werfen zu können (bzw. der Auffälligkeit wegen wagen zu wollen), ist sie sich aber dennoch sicher, sich das nicht einzubilden. Wie sie, erhält das Publikum dahingehend ebenso keine Klarheit geboten: Mit Cinematographer Benjamin Kirk Nielsen´s "Arri Alexa Mini LF" stets auf sie konzentriert, ist derjenige (wie in ihrem peripheren Sichtfeld) entweder außer Fokus oder nur flüchtig-unkonkret wahrnehmbar. In Sachen "Mise en Scène" haben Okuno und er das Arrangieren jener Momente auf jeden Fall lobenswert hinbekommen…
Geschickt präsentiert "Watcher" so einiges ergiebig ambivalent. Als Julia Francis von dem Widerfahrenen berichtet, können sie einen Angestellten des Ladens dazu überreden, sich mal die Überwachungs-Videos ansehen zu dürfen – und tatsächlich ist auf ihnen (Julia´s Schilderungen entsprechend) ein Herr zu erkennen; inklusive dass sich beide an einem Punkt direkt angeschaut hatten, bevor sie zur Hintertür hinaus geflohen war. Sich dadurch bestätigt fühlend, merkt Francis indes aber an, dass es ja durchaus sein könnte, dass jener bloß das erwidert hätte, was sie getan hat – zumal Julia nicht mit Gewissheit sagen kann, ob es der aus dem Kino und/oder von der anderen Straßenseite her ist. Letzteren sieht sie ja auch nur, weil sie im Prinzip immerzu dasselbe wie er macht: So hatte er ihr eines Abends bspw. mal zurückgewunken, nachdem sie via der Geste testen wollte, ob es sich bei der Silhouette im Fenster wirklich um einen Menschen (und nicht nur um irgendein Objekt) handelt…
Trotz seiner Zaghaftigkeit im Umgang mit Julia´s Behauptungen und Befürchtungen unterstützt Francis seine Frau – u.a. indem er die Behörden informiert und den entsandten Beamten zur Wohnung des "Verdächtigen" begleitet, dessen Name übrigens Daniel Weber lautet. Damit ist "das Offizielle" aber erst einmal ausgeschöpft – schließlich liegt gegen ihn nichts Stichhaltiges vor und ist "ein Missverständnis" ja weiterhin im Bereich des Möglichen. Erwartungsgemäß besänftigt Julia das fernab von umfänglich – und so geht sie Weber wenig später spontan einfach mal nach, als sie ihn zufällig in der Stadt erspäht: Bis hin zu seinem Arbeitsplatz – was er im Zuge dessen mitbekommt und der Polizei meldet, mit welcher er prompt bei ihr und Francis erscheint. Sich um Klärung bemühend, wird an alle Beteiligten appelliert, doch bitte "Ruhe" einkehren zu lassen – worauf Julia und Weber per Handschlag die Hoffnung bekräftigen, dass sich die ganze Angelegenheit nun endlich erledigt hat…
Da "Watcher" aus Julia´s Perspektive erzählt wird, kann man als Betrachter nicht sicher sein, ob man es bei dem Film mit einem traditionellen Stalker-Thriller oder dem Portrait einer "psychisch ungefestigten" Protagonistin zutun hat – im übertragenen Sinne ähnlich der Zweifel ihres Gatten. Wie bereits in David Robert Mitchell´s "It Follows" beherrscht Maika Monroe ihre sich (beklemmend) verfolgt und beobachtet glaubende, sowohl verletzbare als auch eigenständig-gewillte Figur rundum überzeugend – wodurch sich die wichtige "Connection" zu ihr rasch stabil aufbaut und man über die komplette Verlaufsdauer hinweg "so oder so" zu ihr steht. Ist Julia ein Stück weit paranoid – oder in positiver Weise aufmerksam; mit guten Instinkten gesegnet? "Übertreibt" sie eventuell – oder ist die Gefahr, welche sie vermutet bzw. empfindet, real? In einem fremden Land, meist für sich allein – ohne Gesellschaft, einem Job oder einem ablenkenden Hobby: Ggf. depressive Tendenzen? Dazu noch der bislang ungefasste Killer…
Francis liebt Julia – das steht außer Frage – doch er hat eine Art an sich, die ihrer Beziehung nicht gerade förderlich ist: U.a. verschweigt er ihr spezielle Details, um ihr "Belastungen" (wie im Taxi am Anfang oder dass der Mörder seine Opfer obendrein enthauptet) zu ersparen, und schwindet seine Empathie ihren Besorgtheiten gegenüber zunehmend. Damit verknüpft sind eine Reihe an Themen und "Untertöne" – á la Abhängigkeit, Vertrauen, Respekt, Mündigkeit, Victim-Blaming, Gaslighting und Voyeurismus – von denen die "vergleichende Mitberücksichtigung" einiger auch dabei behilflich ist, zu registrieren, dass die Irina-Rolle zumindest etwas relevanter als auf den ersten Blick vielleicht gewähnt daherkommt (insgesamt ist jene aber schon recht "stereotyp" geraten). Die Performances Karl Glusmanns ("the Neon Demon") und Mădălina Aneas ("Exodus to Shanghai") rufen keine Notwendigkeit zur Klage hervor – während die kleineren Nebenparts (wie Francis' Kollegen oder die anderen Bewohner des Gebäudes) nicht weiter der Rede wert sind…
Als Daniel Weber ist der generell irgendwie "creepy" anmutende Burn Gorman ("Pacific Rim") zu sehen: Ein eigenbrötlerischer, stiller, Tauben fütternder, einsamer Mann, der als Hausmeister in einem Club arbeitet und seinen Vater pflegt – und zwischendurch halt öfters (aus Langeweile und/oder Mangel an Alternativen) aus dem Fenster schaut, wie er selbst sagt. Verdient er eher Mitleid? Hat er wohlmöglich eine "Obsession" in Bezug auf Julia entwickelt? Und selbst wenn letzteres zutreffen sollte, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass es zwischen ihm und den Taten von "the Spider" einen Zusammenhang gibt. In einem Rahmen aus Umständen, Geschehnissen und Auslegungen entfaltet sich so manche Suspense-Sequenz – wobei eine in einem U-Bahn-Zug von herausragender Eindringlichkeit ist – und verbinden sich die Optik (Kamera-Führung und Farbgebung), das Produktions-Design, die gewählten Locations und der Score Nathan Halperns ("Swallow") zu einer der Materie angepassten "düster-kühlen Atmosphäre"…
Erfolgreich werden Gefühle wie Unsicherheit, Klaustrophobie, Bedrohung und Paranoia effektiv vermittelt. Inhaltlich wie stilistisch relativ "minimalistischer Natur", ist das Tempo durchweg ruhig – nahezu ohne Action, Jump-Scares und Gewalt. Stattdessen setzte Okuno hier (anders als bei ihrem feinen "V/H/S/94"-Segment "Storm Drain") auf Realismus und Ambiguität. Nachdem der Film über weite Strecken hinweg sozusagen "voranschreitend köchelt", wird er abschließend dann allerdings doch noch einmal in Gestalt eines intensiven blutig-bündigen Finales kräftig "zum Sieden gebracht": Nicht unbedingt unkonventionell – einen nichtsdestotrotz aber ordentlich zufrieden stellend. Summa summarum – anbei mein Fazit: In "Dracula´s Heimatland" angesiedelt sowie von einer talentierten Cast&Crew geschaffen, ist "Watcher" ein kompetent-solider Genre-Beitrag – ein unüberhasteter, stimmungsvoller, an gewisse Werke Polanskis und Hitchcocks erinnernder Psycho-Thriller…
starke