Entstehungsdaten:
USA-Kanada 2022
Regie:
William Brent Bell
Darsteller:
Isabelle Fuhrman
Julia Stiles
Rossif Sutherland
Matthew Finlan
Trailer
There's always been something wrong with Esther.
2009 entpuppte sich Jaume Collet-Serra´s Horror-Thriller "Orphan" (aus dem Hause "Dark Castle Entertainment") als ein erfreulich kompetenter, unterhaltsamer Genre-Vertreter – wobei es zwei miteinander verknüpfte Faktoren waren, die markant dazu beitrugen: Isabelle Fuhrman´s feine Performance in der Titel-Rolle sowie der mit ihrem Part verbundene "Twist" – und zwar dass Esther in Wahrheit gar kein kultiviertes Waisenmädchen in der Präadoleszenz war, sondern eine über 30-jährige Psychopathin (namens Leena) mit einer seltenen, ihr ein kleinwüchsig-kindliches Äußeres verleihenden Hormon-Störung! Letzteres hob den Streifen positiv von der Schar anderer "creepy-evil-Killer-Kids-Flicks" ab – während der Ausklang eine direkte Fortsetzung nahezu ausschloss. Zum Glück kam im Folgenden auch niemand auf die Idee, eines dieser "in-Name-only-Sequels" zu produzieren – doch geschah es dann allerdings im Februar 2020, dass plötzlich (sowie nach all der Zeit: unerwartet) ein Prequel angekündigt wurde…
Die betreffende Handlung war von den beiden Autoren des ersten Teils (Alex Mace und David Leslie Johnson-McGoldrick) erdacht worden – worauf sich David Coggeshall (Frank Khalfoun´s "Prey") um die Ausgestaltung des eigentlichen Drehbuchs gekümmert hatte. Mit "Origin-Storys" generell gerade "in Mode“, vermochte das Ganze bei mir eingangs kaum Interesse heraufzubeschwören – jedenfalls bis zu einer unweigerlich Neugier erzeugenden Bekanntgabe: Fuhrman würde erneut Esther Schrägstrich Leena verkörpern! 2009 spielte die 1997 geborene Washingtonerin, welche man danach u.a. in Werken wie "the Hunger Games" und Stephen King´s "Cell" zu sehen bekam, eben jene Neunjährige, die in Wirklichkeit 33 war – und nun würde sie mit 23 dieselbe Figur noch einmal in einer 2007 angesiedelten Geschichte portraitieren; obendrein ohne dass die Macher im Zuge dessen groß auf "De-Aging-CGIs" zurückgreifen wollten. Hmmm, okay. Hinsichtlich des Ergebnisses durfte man wohl gleichermaßen gespannt wie skeptisch sein…
Mit der Umsetzung betreute man William Brent Bell – der zuvor im Grunde einzig mit "the Boy" (2016) mal halbwegs zusagend aufgefallen war; wogegen seine übrigen Regie-Arbeiten ("Stay Alive", "the Devil Inside", "Wer", "Brahms: the Boy 2" und "Separation") qualitativ ja allesamt irgendwo in der Spanne zwischen "mittelprächtig" und "schlecht" zu verorten sind. Dank einiger Covid-bedingter Verschiebungen dauerte es mit der Veröffentlichung von "Orphan: First Kill" schließlich bis in die zweite Jahreshälfte 2022 hinein: Unabhängig eines parallelen "VoD"- und "Paramount+"-Starts in den USA konnte die 10-Millionen-Dollar-Produktion weltweit (je nach gewählter Quelle) etwas mehr oder weniger als das Vierfache ihres Budgets in den Kinos erwirtschaften – die Kritiken fielen im Schnitt "solide" aus (aktuell steht der entsprechende "Rotten Tomatoes"-Score bei 72%). Und ja – auch ich kann an diesem Punkt ruhig schonmal vorab vermelden, mein örtliches Filmtheater durchaus zufrieden gestellt verlassen zu haben…
Eröffnet wird im "Saarne Institute" in Estland – am ersten Tag der neuen Kunsttherapie-Lehrerin Anna (Gwendolyn Collins), welche Leena prompt für ein Kind hält, bevor ihr Vorgesetzter (Dave Brown) sie warnend über die zwar "kleine", aber keineswegs junge Patientin aufklärt: Mit Trick-Betrügereien und Diebstählen hatte sie sich lange durchs Leben geschlagen – bis sie 2005 (sich als eine Ausreißerin ausgebend) bei einer fürsorglichen Familie untergekommen war, ohne dass sie diese (wie sonst üblich) postwendend beraubte sowie gleich wieder verschwand. Tatort-Fotos in ihrer Akte zeugen allerdings davon, wie "unschön" das am Ende ausging. Als sie gefasst sowie in jene geschlossene Einrichtung eingewiesen wurde, reagierte sie anfangs oft aggressiv und wehrte sich derart heftig gegen (wenn nötig) angelegte Fixierungen, dass sie davon permanente Narben an Hals und Handgelenken davontrug. Die Einstufung "sehr gefährlich" aufweisend, verwendet sie ihre Cleverness weiterhin gern dafür, andere zu provozieren und/oder zielgerichtet zu manipulieren…
Nach einer blutigen Flucht-Aktion aus dem Institut nimmt Leena stracks einen ambitionierten Plan in Angriff, um den estnischen Behörden zu entrinnen: In der Wohnung eines ihrer Opfer durchforstet sie etliche Webpages mit Steckbriefen vermisster Kinder – im Rahmen dessen sie schließlich auf den Fall der Amerikanerin Esther Albright stößt, welche vom Alter her passt, ihr relativ ähnlich sieht sowie nach der bereits seit rund vier Jahren vergebens gesucht wird. Also überquert sie die Grenze zu Russland – wo sie sich eines Nachts (allein auf einer Spielplatz-Schaukel sitzend) von einem Polizisten ansprechen lässt, jenen Namen als den ihren angibt und abwartet, wie sich die Dinge so entwickeln. Die US-Botschaft wird informiert – und über den in Connecticut zuständigen Detective Donnan (Hiro Kanagawa) erreicht die "frohe Kunde" dann auch Esther´s Angehörige, von denen ihre Mutter Tricia (Julia Stiles) sogleich nach Moskau aufbricht: Per Privat-Jet, wohlgemerkt – denn die Familie ist überaus wohlhabend…
Nach all der Sorge und Trauer kann Tricia ihr Glück kaum fassen, als sie "ihre Tochter" endlich wiedertrifft. Jene weigert sich, über das zu reden, was mit ihr geschehen ist – vermutlich Schreckliches, u.a. ihren Narben nach, welche sie stets mit Bändern überdeckt. Ihr Akzent wird mit der Umgebung erklärt, in der sie die Zeit verbracht hat – also mit der Sprache ihrer Entführer, die sie wohl anzunehmen begonnen hatte – während fehlende oder inkorrekte Erinnerungen durchaus Folgen traumatischer Erlebnisse sein können. Gemeinsam mit Tricia fliegt sie "zurück" in die Staaten – wo sie schon sehnlich von deren Sohn Gunnar (Matthew Finlan) und Ehemann Allan (Rossif Sutherland) erwartet werden. Erfreut, dass alles dermaßen gut klappt, ist Leena emsig darum bestrebt, dass ihr niemand auf die Schliche gelangt – was im Bereich bestimmter Details jedoch nicht immer optimal funktioniert. Sollte sie in die Lage geraten, schnell "weiterziehen" zu müssen, könnte sie aber zumindest diverse teure Wertgegenstände mitgehen lassen…
In dieser zweiten Phase seines Verlaufs entfaltet sich "Orphan: First Kill" wie eine Variation des Vorgänger-Streifens: Leena nistet sich bei den Albrights ein, welche sie willkommen heißen und sich Mühe geben, dass sie sich in ihrem Zuhause wohlfühlt – wobei aufgrund der Umstände erneut eine gegenseitige Eingewöhnung vonnöten sowie das Verhältnis zu ihrem "Bruder" auch hier ein Stück weit "unharmonisch" geartet ist. Mit Allen verbindet sie die Leidenschaft zur Malerei – und es ist von ihm, dass sie die Einbindung fluoreszierender Farben erlernt: 2009 wurde das hauptsächlich zum Zwecke eines "creepy-coolen Effekts" genutzt – im Vorliegenden bildet es ein zentrales Element ihres Bondings und veranschaulicht außerdem das Motiv verborgener "Ebenen" oder Gegebenheiten hinter oder unter augenfällig-gewähnter Sachverhalte. Die Erleichterung darüber, dass Esther doch noch am Leben ist, wirkt sich überdies positiv auf Tricia´s und Allen´s Sex-Life aus: Eine weitere Parallele zum ersten Teil…
Da wir Leena´s "Geheimnis" kennen, werden die Absichten und Methoden, mit denen sie ihre "Schein-Identität" aufrecht zu erhalten versucht, frei heraus präsentiert: Sie und ihre Handlungen stehen im Fokus – die einzige "Mystery-Komponente" ist im Prinzip bloß die, wie wohl der Übergang zwischen den Ereignissen in 2007 und 2009 hergeleitet werden wird. Tatsächlich hat man in dem Zusammenhang sogar eine damals vielerorts angemerkte Logik-Schwäche "abmindern", obgleich (angesichts des Ausgangs dieses Werks im Hinblick auf potentiell recherchierbare Informationen) nicht komplett ausmerzen können – nämlich wie sie eigentlich von Estland in jenes Waisenhaus in den USA gekommen war. Selbst mit gefälschten Papieren wäre ihr das allein ja nicht möglich gewesen. Die Gefahr, als Betrügerin enttarnt zu werden, geht in diesem Film indes primär von einer Psychologin (Samantha Walkes) sowie von Detective Donnan aus – aber ebenso von Tricia und Gunnar, die schon bald ihr Misstrauen zunehmend offener auszusprechen beginnen…
Gerade als man sich (trotz des an sich passablen Unterhaltungs-Levels) enttäuscht damit abfindet, es doch mit kaum mehr als einem "kaschierten Remake" von "Orphan“ zutun zu haben – bspw. mit Hiro Kanagawa (TV´s "Altered Carbon") in einer ähnlichen Rolle wie einst CCH Pounder als Sister Abigail, Stiles' Tricia wie Vera Farmiga´s Kate, Sutherland´s Allen wie Peter Sarsgaard´s John etc. – haut "First Kill" nach knapp 55 Minuten plötzlich einen "Twist" raus, der sowohl zu überraschen als auch zu überzeugen vermag sowie die Story fortan in eine interessante neue Richtung lenkt: Reizvolle Auswirkungen auf die grundlegende Dynamik – auf alles und nahezu jeden – inklusive! Bereits zuvor war ein gewisser "pulpy-B-Movie-hafter Vibe" registrierbar – welcher kurzerhand noch weiter intensiviert sowie bis zum Einsetzen des Abspanns hin unbeirrbar-selbstbewusst durchgezogen wird. Im Einklang mit dieser Herangehensweise nimmt sich Bell´s Streifen auch deutlich weniger tragisch-dramatisch-ernst als Collet-Serras…
Auf Basis des "eine Erwachsene im Kinderkörper"-Konzepts funktionieren die humoristischen Momente ordentlich – wie als Leena einen Wutausbruch auf einer Bordtoilette "auslebt" und dabei ein Fläschchen Wodka hinunterstürzt, nachdem sie bei einem Gespräch zuvor einen Fehler begangen hatte, oder als sie ein Auto stiehlt, sich am Steuer sitzend kräftig schminkt sowie genüsslich eine Zigarette rauchend davonbraust, während im Radio Michael Sembello´s Song "Maniac" zu hören ist, welcher ja von einem realen Serien-Mörder sowie dem gleichnamigen 1980er Horror-Thriller William Lustigs inspiriert wurde. Apropos: Die erzählte Geschichte erinnert eindeutig an den Fall des französischen Hochstaplers Frédéric Bourdin, der sich 1997 in Spanien als der vermisste Sohn einer Familie aus San Antonio, Texas ausgab. Unabhängig seines Akzents sowie brauner statt blauer Augen kam er drei Monate lang damit durch – bevor ihn ein DNA-Test überführte und er anschließend zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde…
Als Frau hat Leena natürlich auch Sehnsüchte und Verlangen – plus "Daddy Issues" (worauf eine Szene klar anspielt, in der sie sich einen alten Shirley Temple Film anschaut). Gern würde Leena Allen "näherkommen" – für den sie wiederum ja seine Tochter ist. Entsprechend unbehaglich wirken manche ihrer Interaktionen (Blicke und Berührungen) aufs Publikum. Zudem erkeimt bei Tricia der Eindruck, sie würde ihn "gegen sie" manipulieren – was u.a. ihren Argwohn weckt, sie zu Nachforschungen anregt sowie ein direktes "Duell" in Aussicht stellt (in verwandter Form wie bei Kate, 2009). Der Part steht Julia Stiles ("Jason Bourne") gut – die verschiedenen Emotionen Tricias werden glaubhaft vermittelt. Als Esther´s ihr nicht sonderlich zugeneigter Bruder Gunnar agiert Matthew Finlan ("My fake Boyfriend") Vorgaben-gemäß "snobby", qualitativ solide – als sein Vater, Tricia´s Ehemann sowie Schwarzlicht-Künstler Allen macht Rossif Sutherland ("Possessor") seine Sache auf fähige Weise prima…
Mit evidentem Vergnügen mimt der 1,60 Meter große Twen Isabelle Fuhrman in "Orphan: First Kill" eine kleinwüchsige Erwachsene in ihren Dreißigern, welche sich ihrerseits als ein Pre-Teen ausgibt. Jene, die sie täuschen will, zeigt sich Leena so, wie sie es sich aus Hollywood-Klassikern "vergangener Tage" abgeguckt hat – wogegen ihre Mimik und Körperhaltung immerzu eine andere, all ihre Abgeklärtheit und Erfahrung zum Vorschein bringende ist, wenn sich mal keiner in Sichtweite befindet. Mit ihr als Lead erfährt man dieses Mal mehr über sie als Person: Von Details wie ihre Zahnprothesen bis hin zu einzelne Ansätze von Mitleid erzeugende, ihre Charakter-Zeichnung ergiebig anreichernde Eigenschaften. Fuhrman meistert die Anforderungen und Facetten der Rolle bestens – und es freut mich, dass aus ihr eine solch charismatische, talentierte Aktrice geworden ist: Siehe dazu nur mal das starke 2021er Sport-Drama "the Novice"…
Kommen wir jetzt zu der Frage, wie Bell und seinem Team Fuhrman´s "De-Aging" denn nun gelungen ist. Angegangen wurde das Ganze via einer Reihe von "Kniffen" und Methoden: In Kombination mit "erzwungenen Perspektiven", hat sich Fuhrman für einige Einstellungen bspw. einfach nur hingekniet, während ihre Co-Stars mitunter Plateau-Schuhe trugen oder auf Erhöhungen standen. Ihr Antlitz wurde maßgeblich mit Hilfe von Make-up "verjüngt", Digital-Effekte kamen bloß punktuell-gezielt zum Einsatz und für "Wide Shots", bei denen Leena´s Gesicht nicht zu sehen ist, griff man auf Body-Doubles (sprich: echte Kinder) zurück. Also – mal "Butter bei die Fische": Ist den Verantwortlichen die angestrebte "Illusion" geglückt? Bedingt. Ab und an muten die arrangierten Übergänge etwas "holprig" sowie bestimmte Anblicke irgendwie "uncanny" an – was aber durchaus zum tendenziell "schrägen Drumherum" passt und mich (dank des generellen Entertainment-Faktors) so auch nicht ernsthaft gestört hat…
Gewünscht hätte ich mir allerdings, dass man auf den "trüben Schleier" verzichtet hätte, welchen man über die ansonsten wertige Bebilderung Karim Hussains ("Antiviral") gelegt hat – ebenso wie dass dieses Prequel mit besseren CGI-Flammen als sein Vorgänger hätte aufwarten können. In den Bereichen Ausstattung, Score, amüsante Ideen (wie dass Leena sich mit einer Ratte anfreundet, die in ihrer Zimmerwand haust), Spannung, Tempo und "Härte-Grad" gibt´s von meiner Seite aus indes keine Notwendigkeit zur Klage – worüber hinaus man getrost proklamieren kann, dass es sich bei dieser um die bislang kompetenteste Regie-Arbeit Bells handelt. Letzten Endes hätte die Film-Geschichte "Orphan: First Kill" wahrlich nicht gebraucht – schon gar nicht mit 13 Jahren Abstand zum ersten Teil. Unabhängig dessen (sowie gewisser Schwächen) weiß der angenehm kurzweilige, überraschend amüsante Streifen aber dennoch zu gefallen – zumal er erneut mit einer tollen Isabelle Fuhrman und einem unverhofft netten "Twist" aufzutrumpfen vermag…