Entstehungsdaten:
Kanada 2001
Regie:
Bruce McDonald
Darsteller:
Juliette Lewis
Gina Gershon
Callum Keith Rennie
Mickey Rourke
Trailer
Hierzulande sowohl unter seinem Originaltitel als auch als "Lost in Toronto" veröffentlicht, hat Regisseur Bruce McDonald ("Pontypool") mit "Picture Claire" (2001) ein letzten Endes zwar bloß eingeschränkt zufrieden stellendes, wohl aber zumindest ansprechend in Szene gesetztes Crime-Movie abgeliefert, bei dem der Schein gegenüber dem von Drehbuchautor Semi Chellas ("the Life before this") verfassten Sein klar die Oberhand besitzt. Dank spezieller stilistischer Mittel – womit vor allem eine "exzessiv-kunstvolle" Split-Screen-Nutzung gemeint ist – wurde diesem kanadischen Neo-Noir bspw. ein "reizvoller Touch" verliehen, welchen er mit einer klassisch-gängigen Bebilderungsweise so nicht besessen hätte…
Nachdem man in Montreal ihr Apartment angezündet hat, flieht Claire (Juliette Lewis) nach Toronto, wo sie bei einem ehemaligen Liebhaber unterkommen möchte. Das Problem ist nur, dass Ontario eine dominant Englisch-sprachige Region ist – und sie (aus Québec stammend) ausschließlich Französisch spricht. Dennoch gelingt es ihr, seine Wohnung ausfindig zu machen – allerdings ist Fotograph Billy (Kelly Harms) nicht zuhause, sondern bereitet sich woanders in der Stadt gerade auf seine erste große (am Abend anstehende) Vernissage vor. Zu ihrem Glück entdeckt Claire die Adresse der betreffenden Räumlichkeiten auf einem Flyer – worauf sie sich in einem kleinen Restaurant nahebei nach einer Wegbeschreibung erkundigt…
Es ist dort, dass sie und der Gauner Eddie (Mickey Rourke) sich unabsichtlich anrempeln und sie dabei etwas Kaffee auf ihre Kleidung verschüttet. Um die Flecken auszuwaschen, sucht sie das Bad auf, während er vorne eine Dame (Gina Gershon) empfängt, mit der er just in der finalen Phase eines stattlichen illegalen Deals steckt – jedenfalls bis Lily seine Absicht durchschaut, sie hintergehen zu wollen, sie ihn postwendend (gleich auf der Stelle in der kleinen Sitznische) tötet sowie schnellstens dann den Laden verlässt. Als Claire in den Kundenbereich zurückkehrt, kann sie Eddie´s Leiche zwar nicht sehen, da jene unter den Tisch gerutscht war – erhascht aber noch einen Blick auf Lily, bevor sie selbst erneut wieder aufbricht...
Wie schrittweise bekannt wird, lebt Billy inzwischen in einer festen Beziehung und hat für eines seiner Werke ein Foto von Claire verwendet – wofür sie ihm niemals ihre Einwilligung gegeben hätte – wohnt Lily ausgerechnet im selben Gebäude wie er, ging es beim angestrebten Geschäft um Diamanten, die von ihr in die Stadt geschmuggelt worden waren, und fahndet die Polizei schon bald nach Claire, da eine Zeugin nur sie in Eddie´s Nähe vor dessen Tod wahrgenommen hatte. Im Zuge einer Reihe von Verwicklungen finden die Edelsteine irgendwann ihren Weg in Claire´s Besitz: Eine gefährliche Lage für sie – denn zwei dafür zu morden bereite Partner Eddies sind ebenfalls hinter der wertvollen Ware her…
Die Entfaltung von "Picture Claire" ist von Zufällen und parallelen Geschehnissen geprägt, die sich erst mit der Zeit immer konkreter miteinander verflechten sowie schlussendlich zu einer befriedigenden Auflösung führen. Lange hat Claire z.B. überhaupt keine Ahnung davon, dass die Cops und Killer auf der Suche nach ihr sind. An die Diamanten gelangt sie auch nur, weil sie Lily´s Tasche klaut – und selbst beim Durchkramen jener übersieht sie sie eingangs (in einer Filmdose versteckt). Es entbrennt ein gewisses "Duell" zwischen den beiden Frauen und kommt zu Verwechslungen, alle sind auf den eigenen Vorteil aus, die Verfolger nähern sich allmählich und die Gesetzeshüter bemühen sich emsig darum, aus den Spuren schlau zu werden…
Eine zentrale Besonderheit des Streifens ist es, dass Claire kein Englisch spricht: Nicht allzu unrealistisch im bilingualen Kanada. Dass aber jeder, mit dem sie es in Toronto zu tun erhält, wiederum kein Französisch beherrscht, ist nur bedingt glaubwürdig. Demgemäß wurden ihre Dialog-Zeilen in der Original-Version untertitelt, ist die Kommunikations-Barriere arg erschwerend und lässt diese sie sich noch mehr auf sich allein gestellt fühlen. Leider ist Juliette Lewis ("Kalifornia") kein "Native Speaker" – was man auf Anhieb hört und merkt sowie dem Film schadet. McDonald dazu über die diesbezügliche Publikums-Reaktion bei der "TIFF"-Uraufführung damals: "They were like: 'We don´t buy it.' It was all over in the first five minutes…"
Eine weitere Sache: Claire Beaucage ist nicht gerade eine sympathische Person. Eine "griffige", recht egoistische, bedenkenlos stehlende Kleinkriminelle, die sich nicht einmal um ein ihr nachlaufendes Hündchen kümmert, dessen Herrchen ermordet wurde. Ja, man bedauert sie und ihre Situation punktuell – doch wirklich "warm" wird man mit ihr nicht. Unabhängig dessen portraitiert Lewis sie aber ordentlich. Selbiges gilt für Gina Gershon ("Bound") als Lily, welche (aus zunehmender Verzweiflung in Anbetracht der Entwicklungen heraus) "mit vollem Einsatz" die Diamanten wiederzubeschaffen versucht, um in jenem Rahmen ihr Leben retten, ihre Zukunft sichern sowie das Land so rasch wie möglich verlassen zu können…
Der Auftritt Mickey Rourkes ("Wild Orchid") dauert nur wenige Minuten und hätte gern länger (über die eine Szene hinaus) gehen dürfen – denn von seiner "markanten Präsenz" hätte "Picture Claire" (innerhalb der weiterführenden Ereignisse) durchaus profitieren können. Derweil hat Callum Keith Rennie ("Jigsaw") unverkennbaren Spaß daran, einen zu Sadismus neigenden Killer zum Besten zu geben, verkörpern Raoul Bhaneja ("Possessor") und Tracy Wright ("Trigger") die ermittelnden Detectives, mutet Kelly Harms ("Jewel") als Billy eher "blass" an und bleibt einem Camilla Rutherford ("Gosford Park") als seine Freundin Cynthia u.a. wegen ihres britischen Akzents und einem Full-Frontal-Nudity-Moment in Erinnerung…
Bei den Charakter-Zeichnungen der Parts abseits von Claire wäre (über vorhandene Einzel-Eigenschaften hinaus) mehr Originalität wünschenswert gewesen – während bei ihr außerdem Voiceover, Schwarzweiß-Flashbacks (zurück in die Zeit, als sie Billy kennengelernt hat) sowie surreale Traum-Sequenzen genutzt wurden, um einem einen umfassenderen "Einblick" in die Figur zu gewähren: So z.B. findet sich Claire ab und an allein auf dem Mond stehend wieder – eine Versinnbildlichung ihrer Einsamkeit und Isolation. Aber auch bei ihr werden bestimmte Dinge (unter ihnen welche im Bereich der Umstände ihrer Flucht aus Montreal) bloß beiläufig thematisiert – weshalb am Ende die eine oder andere Frage noch immer unbeantwortet-offen ist…
Positiv ins Auge sticht der von McDonald zusammen mit Cinematographer Miroslaw Baszak ("Land of the Dead") und Editor Michael Pacek ("Highway 61") kreierte Look – primär dank der regelmäßigen Einbildung einer coolen, mitunter Mosaik-artigen Form von Split-Screen, welche man in Spielfilmen gemeinhin nur selten zu sehen bekommt: Die sogenannte Multi-Dynamic-Image-Technik. Unterdessen wird das relativ ruhige Tempo des Voranschreitenden von einem soliden Score Paul Haslingers ("Monster Hunter") sowie einer Reihe nett anzuhörender Songs untermalt: Zu dem Soundtrack haben u.a. St. Germain, David Usher, die Gorillaz, Manu Chao sowie Juliette Lewis höchstpersönlich Stücke beigetragen…
Ein rasanterer Erzählstil sowie zumindest etwas mehr Spannung und Action hätten "Picture Claire" gutgetan – denn für ein "facettenreiches Neo-Noir-Krimi-Drama" fehlt es dem Streifen wiederum an einer "tiefergehenden Reichhaltigkeit". Dabei hatte man große Hoffnungen in das Projekt investiert – siehe dazu das vergleichsweise hohe Budget von zehn Millionen Dollar. Doch fand die Premiere ausgerechnet am Abend vor 9/11 statt, enttäuschten die Kritiken und konnte länger kein Vertriebs-Deal abgeschlossen werden – woraufhin McDonald die Schuld auf sich nahm ("I fucked up my own movie.") und später sogar eine selbstreflexiv-bissige Doku mit dem Titel "Claire´s Hat: The Unmaking of a Film" über das Ganze schuf…