Entstehungsdaten:
USA 2020
Regie:
Veena Sud
Darsteller:
Maika Monroe
Dane DeHaan
Avan Jogia
Trailer
Bei "the Stranger" handelt es sich um ein für den (inzwischen eingestellten) Mobile-App-Video-on-Demand-Anbieter "Quibi" produziertes "Movie in Chapters" aus dem Jahr 2020: Sozusagen ein in Form einer Web-Serie präsentierter Spielfilm – in diesem Fall auf 13 in ihrer Lauflänge jeweils innerhalb der Spanne von fünfeinhalb bis neuneinhalb Minuten variierende Episoden verteilt. Nicht zu verwechseln mit diversen weiteren denselben Titel tragenden Projekten, wurde dieser sich in einer einzigen Nacht in Los Angeles entfaltende Thriller verfasst und in Szene gesetzt von Veena Sud – bestbekannt als "Showrunnerin" von "the Killing"; der US-Version der dänischen Krimi-Serie "Forbrydelsen" ("Kommissarin Lund"). Jede Folge kommt in einer anderen Stunde angesiedelt daher – chronologisch von 19 bis 07 Uhr am nächsten Morgen…
Neu in der "City of Angeles", hat die in Kansas aufgewachsene, eine Karriere als Drehbuch-Schreiberin anstrebende Clare (Maika Monroe) erst einmal einen Job als Rideshare-Fahrerin bei der (mit "Uber" und "Lyft" vergleichbaren) Firma "Orbit" angenommen, um ihren momentanen Lebensunterhalt zu bestreiten. Noch hat sie keinerlei Kontakte in der Stadt und ist auch kaum mit den Örtlichkeiten der geographisch weit verzweigten und ausgedehnten Metropol-Region vertraut – allerdings ist ihr die Arbeit dabei behilflich und hat sie obendrein durchaus Spaß daran. Ihr aktueller Auftrag Schrägstrich Kunde führt sie zu einer Villa in den Hollywood Hills, wo sie den zum Airport wollenden Carl (Dane DeHaan) abholt, der bloß mit einer Tasche reist und sich spontan danach erkundigt, ob es wohl okay wäre, vorne bei ihr zu sitzen. Nach kurzem Zögern willigt sie ein…
Im Rahmen des freundlichen Smalltalks erzählt Clare ihm ein paar Dinge von sich – worauf er u.a. via eines "Wizard of Oz"-Zitats sowie des Wegwischens eines Rests an Senf aus ihrem Mundwinkel (von einem etwas früher verspeisten Veggie Burger) schon bald mit ihr zu flirten beginnt. Als sie erwähnt, dass sie heute bislang "kaum 'was Richtiges" gegessen habe, schlägt er ihr vor, seinen Flug einfach umzubuchen sowie gemeinsam in ein Restaurant einzukehren. Unsicher, wie sie reagieren soll, registriert Carl das und erklärt umgehend, dass er beileibe nicht wie ein Stalker rüberkommen wollte: Im Gegenzug könnte sie ihn getrost "alles" fragen. Ob er denn ein Promi sei, würde sie gern wissen – wegen der Villa und so. Nonchalant verneint er das – außerdem würde er ohnehin weder dort wohnen noch den oder die Besitzer überhaupt kennen…
Seelenruhig berichtet er weiter, dass er der Frau, die ihm vor einer knappen Dreiviertel-Stunde die Tür geöffnet hatte, postwendend ins Gesicht geschossen hätte – gefolgt von deren Ehemann im Schlafzimmer. Die kleinen Töchter hätte er anschließend mit einem Jagdmesser in der Küche getötet – welches er parallel dazu zückt. Nicht nur aufgrund der blutigen Klinge glaubt sie ihm hinsichtlich seiner Ausführungen: Seine ganze Art vermittelt ihr, dass sie es mit einem gefährlichen Psychopathen oder Soziopathen zu tun hat. Es ist dann, dass er ihr einen "Deal" offeriert: Da sie ja eine Autorin zu sein gedenkt, würde er ihr nichts tun, wenn sie jetzt sogleich (ohne Vorlauf) eine gute, originelle Geschichte zum Besten zu geben in der Lage wäre. Es ist an dem Punkt, dass die erste Episode (nach neun Minuten) endet…
"the Stranger" vergeudet keine Zeit und kommt angenehm geschwind zur Sache – stellt dem Publikum seine zwei zentralen Charaktere vor und bringt das betreffende Katz&Maus-Spiel rasch auf Touren. Indem Clare ihren Wagen gegen eine Fahrbahn-Begrenzung lenkt, kann sie Carl wenig später verletzen – was es ihr wiederum ermöglicht, ihm zu entfliehen; ihn besinnungslos am Straßenrand zurückzulassen und eine belebtere Gegend anzusteuern, wo sie den verständigten Cops das Geschehene darlegt. Das Problem dabei: Carl hatte behauptet, in der Tasche wäre die Leiche eines der Kinder – doch ist es nur eine Sex-Puppe – worüber hinaus an der besagten Adresse kein Verbrechen zu verzeichnen ist und auf Clare´s Handy alle "Spuren" (Profil und Messages) von ihm verschwunden sind…
Zurück in ihrer Wohnung – nachdem ihr vorgeworfen wurde, sich das alles bloß ausgedacht zu haben, sowie sie von Carl eine bedrohliche Nachricht erhalten hatte, als sie erneut bereits unterwegs war – kontaktiert sie ihren Arbeitgeber, um das zu melden – welcher ihr allerdings mitteilt, dass eine ernste Kunden-Beschwerde gegen sie vorliegen würde und ihr "Driver Account" daher bis zur entsprechenden Klärung gesperrt worden sei. Plötzlich beschleicht sie das Gefühl, dass jemand in ihrem Apartment war – oder eventuell gar noch immer ist! Zudem fehlt ein großes Küchenmesser – was aber nur der Zuschauer, nicht sie (hinter ihr im Bild) wahrnimmt. Also schnappt sie sich ihr Hündchen und bricht wiederum auf – nur um von Carl prompt angegriffen zu werden, dem sie jedoch wehrhaft (aus dem Gebäude heraus) zu entwischen vermag…
Nach einer ziellosen Weile fährt sie in einer Nebenstraße rechts ran, um (von Menschen umgeben) die Polizei und ihre Mutter anzurufen – aber selbst dort kann Carl sie aufspüren sowie ihr das mitgenommene Messer "zuspielen", mit dem er kurz zuvor nahebei (wahllos und unbeobachtet) einen Unschuldigen erstochen hatte. Aus ihrer Not heraus wendet sich Clare daraufhin an den freundlichen Tankstellen-Bediensteten JJ (Avan Jogia), an dessen Arbeitsplatz sie nach dem ersten 911-Ruf mit den Cops im Gespräch war und der ihr in jenem Kontext Hilfe im Bereich der Sicherheits-Features ihres Handys angeboten hatte. Sie schildert ihm, was vorgefallen ist – und noch während er am Abwägen ist, ob er ihr da vertrauen soll oder nicht, macht sich Carl über das Kamera-System des Ladens bemerkbar. Fortan hat er sie beide "im Visier"…
Was wichtig ist, um sich von "the Stranger" brauchbar unterhalten zu lassen, ist Suspension of Disbelief: Über bestimmte Gegebenheiten sollte man definitiv nicht weiter nachdenken, da man sonst leicht auf verschiedene Unglaubwürdigkeiten und "Logik-Löcher" stößt. In der Beziehung ist hauptsächlich Carl´s Begabung anzuführen, sowohl geradezu jedes Netzwerk unkompliziert-zügig hacken als auch verblüffend schnell in der Stadt umhergelangen zu können (ja, er besitzt einen schicken, flotten Sportwagen – doch trotzdem). Unbemerkt hat er sich die Kontrolle über Clare´s Handy verschafft – kann sie somit u.a. per GPS orten sowie via ihres Mikros belauschen. Überdies dringt er in weitere (bspw. CCTV- oder online-gestützte) Services und Systeme ein, die er primär zum Zwecke der Informations-Gewinnung oder Manipulation nutzt…
Carl wird nie dabei gezeigt, wie er all das macht – denn bis auf flüchtige Ausnahmen begleitet man stets Clare durch diese ereignisreichen Stunden. Im Internet geben die Leute heutzutage oft deutlich zu viel über sich preis, es gibt Unmengen an Recherche-Möglichkeiten und die enorme Abhängigkeit von moderner Technik – welche obendrein mitunter sträflich unachtsam verwendet wird – birgt zig Gefahren seitens in jener Hinsicht Bewanderten. Clare gesteht JJ, keine Ahnung von solchen Dingen wie Firewalls oder Verschlüsselungen zu haben – und Carl konfrontiert sie im Verlauf u.a. damit, dass er herausfinden konnte, warum sie wirklich hergezogen war: In ihrem Heimat-Städtchen waren gewisse Behörden sowie "die Öffentlichkeit" nämlich zu der Ansicht gelangt, sie hätte fälschlich gravierende Anschuldigungen gegen jemanden vorgebracht…
Selbst Clare´s Mutter reagiert skeptisch auf das, was ihre Tochter ihr am Telefon berichtet – woran auch die Zusicherung, dass es jetzt nun "nicht so wie beim letzten Mal" sei, nichts ändert. Die Frage erkeimt, ob Carl überhaupt existiert – er nicht vielleicht bloß der Einbildung einer "mental angeschlagenen" jungen Frau entsprungen ist. Sein Profil-Name lautet Carl E. – ein Anagramm von Clare. Oder ist das genau sein Plan – sie zu terrorisieren und als "psychisch verwirrt“ sowie für etwaige von ihm begangene Taten verantwortlich dastehen zu lassen? Selbst JJ fängt an einer Stelle zu zweifeln an. Und dass die Cops jemandem in ihrer Situation keinen rechten Glauben schenken – so ohne handfeste Belege Schrägstrich Beweise für ihre Aussagen – ist bekanntlich ein gängiges Motiv bei Thrillern dieser Art, auf welches gern zurückgegriffen wird…
Des Weiteren sind in "the Stranger" (mehrheitlich jeweils kurz und unvertieft) zeitgemäß-brisante Themen wie Cyber-Stalking, Gas-Lighting, Rassismus und Polizei-Gewalt sowie Sexismus und "Toxic Male Entitlement" zu registrieren – ebenso wie diverse "Wizzard of Oz"-Referenzen: Clare stammt aus Kansas, mag Sonnenblumen, besitzt ein Hündchen (namens Pebbles, nicht Toto) und ist in Los Angeles fast so ein "Fish out of Water" wie Dorothy im Zauberland. Dadurch, dass sie niemanden außer JJ in der fast 4-Millionen-Einwohner-Metropole kennt und sich die Story nachts sowie meist in "beengten Umgebungen" (Fahrzeuge und Räumlichkeiten) entfaltet, wird eine solide ausgeprägte "klaustrophobisch-unbehagliche, isoliert-anonyme Atmosphäre" erzeugt, zu der Cinematographer Paul Yee ("the Fits") dienlich seinen Teil beigesteuert hat…
Sonderlich originell ist das Gebotene nicht gerade: Regelmäßig fühlt man sich an Filme wie "the Hitcher", "Collateral" oder "Ride" erinnert. Auch die Charakter-Zeichnungen weisen nichts auf, das wahrhaft "aus dem Üblichen" herausragt – allerdings profitiert das Werk merklich von seinen drei überzeugenden, gut miteinander harmonierenden Leads. Mit den Eigenschaften Clares aufwartende Parts beherrscht die von mir seit "It Follows" und "the Guest" stets willkommen gesehene Maika Monroe ("Watcher", "Bokeh", "TAU", "How to be alone" etc.) gemeinhin ja bestens: Im Vorliegenden ein den "Schatten der Vergangenheit" entfliehen wollender, leicht naiver, durchaus Fehler begehender Twen, der Ängstlichkeiten überwinden sowie "innere Stärken" mobilisieren muss, um diesen von Carl initiierten "Albtraum" zu überstehen…
Dane DeHaan ("Valerian and the City of a thousand Planets") als gefährlicher, smart agierender soziopathischer Killer? Treffendes Casting. Mit seiner markanten, aus Streifen wie z.B. "Chronicle", "the Amazing Spider-Man 2" und "A Cure for Wellness" gewohnten wie geschätzten creepy-charismatischen Ausstrahlung verkörpert er Carl ohne Veranlassung zur Klage, dessen "Antrieb" auf einer Verachtung spezieller Formen basiert, wie sich Frauen im Internet (in erster Linie im Social-Media-Bereich) präsentieren und gebaren. Dazu sucht er sich Opfer aus, welche er einer immensen Belastung aussetzt – und das mit der Absicht, sie entweder zu "zerbrechen" oder sein angestrebtes "Wissens-Ziel" zu erreichen: "Whoever figures out the mathematical Formula determining the Losers and the Winners in Life will rule the fucking World!"
Carl will den "Algorithmus" hinter all dem entschlüsseln: Unter Berücksichtigung von Prognosen und Statistiken ist das Ganze ein "Experiment" für ihn, bei dem er online Personen auserwählt, die "Tragödien" erlitten haben sowie sich aktuell nun eine "zweite Chance" erhoffen. Nunja – hier wiederhole ich mich einfach mal: Nicht allzu viel darüber nachdenken. JJ indes jobbt, während er eigentlich den Programmierer-Beruf erlernt: Freundlich und besorgt hilft er Clare – beschafft ihr u.a. ein "Burner Phone" und unterstützt sie mit seinen Kenntnissen auf dem betreffenden Gebiet. Natürlich wird er zu einem potentiellen "Love Interest" und gerät selbst in Gefahr – vgl. Jennifer Jason Leigh´s Nash in "the Hitcher" – doch Avan Jovia ("Resident Evil: Welcome to Raccoon City") ist derart sympathisch in der Rolle, dass das nicht weiter (der Rede wert) stört…
Eine nette Palette an Locations – unter ihnen das Beton-Flussbett des L.A. Rivers, unterirdische Tunnel-Anlagen, ein menschenleerer Nachtzug sowie ein stylisher Club hinter der Fassade eines Beauty-Shops – ergänzt um vereinzelte tendenziell surreale oder sonstwie "eigen" anmutende Momente – ich sag' nur: Coyoten – liefern Abwechslung sowie durchaus Suspense-haltige Setpieces im Rahmen der eskalierenden Geschehnisse, bei denen irgendwann dann auch die Cops verstärkter ins Spiel kommen: S.W.A.T.-Einsatz und Schüsse auf einem Polizei-Revier inklusive. Die eine oder andere Plot-Entwicklung hält einen solide bei der Stange, die Dichte der Ereignisse lässt keinen "Leerlauf" entstehen – und übers Ende kann man sich streiten, sofern man denn drauf aus ist: Das "B-Movie-hafte“ daran fand ich persönlich nicht unamüsant…
Trotz der eingeschränkten Mittel, die ihr für das Projekt bloß zur Verfügung standen – was bei den digitalen Effekten mit am auffälligsten ist – hat Regisseurin Sud ("the Lie") bei der Umsetzung ihrer Vorlage handwerklich ordentliche Arbeit abgeliefert. Wie der Begriff schon sagt, bietet sich die Quick-Bite-sized-Episoden-Struktur prima dafür an, "häppchenweise" (bspw. in der Bahn) konsumiert zu werden – wogegen bei der Variante "alle am Stück anschauen" die Unterbrechungen bei den Übergängen zwischen den Folgen immerzu den "Flow" stören sowie die jeweils unmittelbar zuvor aufgebaute Spannung unweigerlich abebben lassen. Eine "sauber zusammengeschnittene" Film-Version von "the Stranger" wäre mir am liebsten gewesen – aber das war halt nunmal nicht das von "Quibi" gefahrene Konzept…