Entstehungsdaten:
GB-Deutschland-Estland 2023
Regie:
Tanel Toom
Darsteller:
Kate Bosworth
Lucien Laviscount
Thomas Kretschmann
Martin McCann
Trailer
Human activity has caused a massive rise in sea level.
Most of the planet is flooded.
Survival is a constant fight for land and resources.
Two continents remain.
At war.
Bei "Last Sentinel" (2023), der hierzulande uninspirierterweise in "Last Contact" umbenannt wurde, handelt es sich um einen u.a. mit deutschen Geldern finanzierten, in Estland gedrehten dramatischen Thriller von Regisseur Tanel Toom ("Truth and Justice"). Im Jahr 2063 angesiedelt, haben kontinuierliche Klima-Veränderungen zu gravierenden globalen Auswirkungen geführt – allen voran zu einem rapide-starken Anstieg des Meeres-Spiegels, der mit der Zeit so weit fortschritt, bis nur noch zwei kleinere Landmassen aus dem Wasser herausragten: Dort, wo früher mal Teile Grönlands und Südostasiens waren. Nach und nach starben hunderte Millionen Menschen – auch aufgrund von Kriegen, die ausbrachen sowie Dekaden lang andauerten. Zwar gibt es aktuell offenbar keine aktiven Kämpfe mehr – erbittert verfeindet sind die beiden verbliebenen "Kontinente" nichtsdestotrotz weiterhin…
Die im Vorliegenden präsentierte Zukunfts-Vision ist nicht von modernen Errungenschaften geprägt – im Gegenteil: Die meisten Bedien-Systeme, Waffen etc. sind eher "low-tech" – ungefähr auf dem Stand der 1940er. Infolge des Mangels an Ressourcen und Rohstoffen gehören Dinge wie U-Boote, Langstrecken-Flugzeuge, Satelliten-Telefon-Verbindungen sowie das Internet der Vergangenheit an. Irgendwann hatte eine der Konflikt-Parteien eine Reihe militärischer Außenposten weit draußen in den Gewässern vor ihren Küsten errichtet, von denen mittlerweile aber nur noch einer in Betrieb ist: Genau auf halber Strecke zwischen den Widersachern – mit vier Personen Besatzung sowie bloß einer Haubitze zur Verteidigung. Allerdings befindet sich noch etwas mit an Bord: Eine Atom-Bombe – eine der letzten überhaupt…
Getreu der beschriebenen "retro-haften" Ausstattung bzw. des speziellen gewählten Stils haben die Macher des Films den einzigen Schauplatz des Werks – nämlich die hohe, stählern-massive Turm-Plattform, auf und um der sich die kompletten Geschehnisse entfalten – nach dem realen Vorbild der "Army-Variante" der "Maunsell Sea Forts" gestaltet, welche von den Briten während des zweiten Weltkriegs in die Mündungen der Themse und Mersey hineingebaut wurden, u.a. um jene Flüsse vor Minen-Legern der Nazis zu schützen. Obgleich seit den '50ern außer Dienst gestellt, stehen einige dieser Kolosse bis heute noch und sind sogar besuchbar – ebenso unheimlich wie faszinierend verlassen vor sich hinrostend. Für ein ungewöhnliches, reiz- und stimmungsvolles Setting wurde also schonmal gesorgt…
"Last Sentinel" verzichtet darauf, Informationen "geballt" darzureichen: Am Anfang gibt es bspw. nur einen kurzen einleitenden Text – siehe oben – wonach man sich so manches Inhaltliche schrittweise aus einzelnen Situationen und Dialogen selbst zusammenfügen muss. Unabhängig dessen wird im Verlauf trotzdem keineswegs alles er- und aufgeklärt – erst recht nicht im Detail. Andere Verantwortliche hätten den Streifen gewiss mit einem ausführlichen Voiceover eröffnet – und das vermutlich dann (wie so häufig in diesem Genre) in Kombination mit einer Montage aus Krisen- und Katastrophen-"Stock Footage". Jenen gängigen Pfad hat man hier jedoch bewusst nicht beschritten und sich für Vagheit in der Hinsicht entschieden – was mitunter ein wenig unbefriedigend ist, an sich (im Ganzen) aber dennoch brauchbar funktioniert…
Unaufhörlich zieht ein massiver Sturm in einem einmonatigen Zyklus um die Erde – mit starken Winden und riesigen Wellen – welcher zudem eine Menge Fische vor sich hertreibt. Es ist immerzu bloß direkt bevor diese wuchtige Front sie trifft, dass es der Crew möglich ist, ihre Netze zu füllen und etwas Frisches auf ihre Speiseteller zu bekommen. Leider misslingt ihnen das dieses Mal: Der Fang kann nicht gesichert werden – geht verloren – und nur mit Glück kommt es weder zu schwerwiegenden Verletzungen noch stürzt einer hinab in den sicheren Tod. Auch losgelöst dieses Rückschlags war die Laune ohnehin schon getrübt – primär da ihre Ablösung inzwischen bereits mehrere Wochen überfällig ist; worüber sie das Hauptquartier (gemäß einer entsprechenden Vorgabe) bislang nicht einmal unterrichtet haben…
Die beidseitige tägliche Lagebericht-Übermittlung erfolgt per Morsecode und soll nur in Not- oder Alarm-Situationen von dem Wortlaut "keine Vorkommnisse" abweichen. Um ihre Heimat ggf. zu warnen und zu schützen – sowie sich per Zünden der Bombe wenn nötig gar selbst zu opfern, um den Feind aufzuhalten – hatte sich die Belegschaft für einen zweijährigen Einsatz dort verpflichtet – jeder aus einem individuellen (persönlichen, monetären, Karriere-bezogenen etc.) Grund. Ihr aufs Wahren der Ordnung achtender Chef ist Hendrichs (Thomas Kretschmann), seine Stellvertreterin Cassidy (Kate Bosworth), welche heimlich eine Affäre mit Sullivan (Lucien Laviscount) führt – seines Zeichens der ebenfalls für die Kommunikation zuständige Koch der Gruppe, zu der auch noch der Ingenieur und Mechaniker Baines (Martin McCann) gehört…
Als sich die See wieder beruhigt hat, kehrt erneut "Alltag" ein – nicht gerade schmackhaftes Essen, Instandhaltungs-Arbeiten, reges Schmieden von Vorhaben, für wenn man wieder auf´m Festland ist, und so weiter – bis plötzlich ein Boot auf dem Radar sowie am Horizont erscheint. Sofort werden Gefechts-Positionen eingenommen – doch es erfolgt keine Reaktion auf die Kontakt-Versuche, worauf Sullivan entsandt wird, um sich die Sache näher anzusehen. Zwar stellt er im Rahmen des Enterns fest, dass es sich dabei um das Vessel ihrer Ablösung handelt – allerdings ist niemand an Bord. Keine Spuren einer Auseinandersetzung – Vorräte und Gepäck eines neuen Teams am jeweils vorgesehenen Platz. Was ist passiert – und wie soll in Anbetracht dessen nun vorgegangen werden? Unterschiedliche Meinungen dazu bilden sich heraus…
"Last Sentinel" bietet einem ein Quartett an Charakteren mit etablierten Beziehungen "mitten im Nirgendwo" eines die Welt nahezu völlig bedeckenden Ozeans. Von allem und jedem isoliert, besteht die Bedrohung einer feindlichen Macht, müssen regelmäßig Jod-Bäder gegen radioaktive Strahlung genommen werden und sollten sie nach ihrem befristeten, nunmehr fertig abgeleisteten Dienst eigentlich bereits wieder zuhause sein. Der Wunsch und Drang, die Chance zu nutzen, das Boot zu nehmen und damit die Heimreise anzutreten, ist nachvollziehbar. Hendrichs lehnt das jedoch strikt ab: Schließlich könnte ein Verlassen ihres Postens den Krieg zu ihrem Ungunsten beeinflussen – selbst wenn der schon lange ein "kalter" ist. Im Zuge einer Operation mit eben dem Ziel könnte das "Verschwinden" der Mannschaft ja durchaus initiiert worden sein…
Während Sullivan´s und Baines' Plan hinter Hendrichs' Rücken zunehmend konkreter wird, steht Cassidy da so ziemlich "zwischen den Stühlen" und bemüht sich ums Finden einer hoffentlich gewaltfreien, für alle annehmbaren Lösung. Im Laufe der (hier nicht zu detailliert zu verratenden) Entfaltung stoßen sie wenig später dann aber noch auf eine weitere seltsame, unweigerlich Besorgnis erregende Gegebenheit: Sich über Hendrichs' Anweisung hinwegsetzend, sendet Sullivan eine Morse-Nachricht über das Vorgefallene raus – meldet also das in der betreffenden Form aufgetauchte Boot – nur um zum üblichen "Gegencheck-Zeitpunkt" ein vom Wortlaut her exaktes Tonsignal zurück zu erhalten. Augenscheinlich besitzen sie überhaupt keine Verbindung mehr zum Festland – sondern haben stattdessen stets nur eine Art "Echo" von sich selbst empfangen…
Seit wann ist das so? Was hat das alles zu bedeuten? Angesichts des sich verändernden Wetters: Könnte es sein, dass sich die Katastrophe noch gravierender verschlimmert hat? Ist dem Feind militärisch etwas Signifikantes gelungen? Was sollen sie jetzt tun? Das Drehbuch aus der Feder Malachi Smyths ("Ghost Machine") nutzt die Unkenntnis der Protagonisten über die komplette Lage außerhalb ihrer Station – welche ja sogar so weit geht, dass die Kriegs-Parteien nach all den Dekaden ohne Internet, Verhandlungen, Auskundschaftungen etc. beinahe nichts mehr wirklich übereinander wissen – um daraus Anspannung sowie emotionale, ideologische und interpersonelle Konflikte zu erzeugen. Allianzen werden geschmiedet und Entscheidungen gefällt – doch wer liegt bei so vielen "Unklarheiten" tatsächlich richtig?
Mystery-Elemente, eine ungewisse Zukunft, die Furcht vor dem Unbekannten, Gehorsam oder Auflehnung, psychische Belastungen, erkeimende Paranoia, die Plattform wohlmöglich versenken könnende schwere Stürme sowie eine Atom-Bombe: "Last Sentinel" wartet mit so einigem auf. Kammerspiel-esk nehmen Interaktionen, Blicke und vor anderen verborgene Bestrebungen einen gewichtigen Stellenwert ein. Als toughe, mitunter zynische, die Situation unter Kontrolle zu bewahren versuchende Soldatin Cassidy liefert Kate Bosworth ("House of Darkness") eine glaubwürdige Performance ab. Ihr Part ist der mehrschichtigste der vier Leads – und das keineswegs bloß deshalb, weil sie trotz einer Familie daheim eine Affäre mit Sullivan eingegangen war, der ihr vom Rang her überdies untergeordnet ist…
Auch Hendrichs ist nicht nur der generisch-eindimensionale, durch seine Vergangenheit geprägte schroffe Kommandant, der "die Mission" über alles stellt und aus diesem Pflicht-Bewusstsein heraus seine Waffe schonmal wider die eigenen Leute richtet. Er ist es, der u.a. durch Nachforschungen allmählich dahinter kommt, was mit der anderen Crew geschehen ist. Rollen wie diese beherrscht Thomas Kretschmann ("Infinity Pool") bekanntlich mit Bravour – wogegen Lucien Laviscount (TV´s "Emily in Paris") als Sullivan kein allzu komplexes Charakter-Profil darzubieten bekommen hat, seine Sache aber dennoch ordentlich macht. Vierter im Bunde ist Martin McCann ("the Survivalist") als Baines, dessen steigende Ungeduld und Frustration ihm eine anwachsende Unberechenbarkeit im Bereich seiner "mentalen Stabilität" Schrägstrich Handlungen verleiht…
Baines ist außerdem ein Sammler von "Relikten der alten Welt". Da jeder Sturm auf der Wasser-Oberfläche eine Menge Treibgut vor sich her schiebt, rudert er in den Stunden vor jedem Unwetter stets zu der Masse hinaus, um aus ihr Nützliches oder Interessantes zu bergen. Es sind Ideen wie diese, die mir gut zuzusagen vermochten – plus vereinzelte Spannungs-Sequenzen, bspw. rund um eingeleitete Zündungs-Vorgänge der Bombe oder Abwägungen, ob man das Boot unter Beschuss nehmen sollte. Die Offenbarungen und "Twists" der Story gefielen mir ebenfalls, das Produktions-Design, der Look und die Bebilderung Mart Ratassepps ("Nong Hak") überzeugen und die gebotenen Special-Effects rufen keinerlei erwähnenswerten Grund zur Klage hervor: Das nicht gerade hohe Budget hat man ergiebig einzusetzen bzw. auszuschöpfen gewusst…
Handwerklich hat Regisseur Toom – dessen 2011er Kurzfilm "the Confession" übrigens ein "Oscar"-nominierter war – kompetente Arbeit vorgelegt. Das Haupt-Problem des finalen Produkts markiert das zu ruhige Tempo: Die fast zweistündige Laufdauer hätte man locker um 20 bis 30 Minuten kürzen können, um auf jenem Wege die Intensität der Ereignisse zu akzentuieren. Statt eines "europäisch-dramatischen", quasi prima ins "ZDF Montagskino"-Programm passenden "Slow Burns" wäre mir der Stil eines straffen amerikanischen B-Movies hier lieber gewesen. Gelangweilt habe ich mich zwar nie – allerdings hätte der Unterhaltungs-Grad von einer anderen Schnitt-Fassung meiner Meinung nach klar profitiert. Somit krankt "Last Sentinel" im Ganzen leider merklich an seinem Pacing, obgleich er eigentlich viel Ansprechendes vorzuweisen hat…