Viele Jahre lang war es Jessica Janos' Wunsch und Bestreben, eine von ihr erdachte und ausgearbeitete Geschichte in Form eines Spielfilms zu realisieren, zu der ihr in ihrer Jugend die Idee bekommen war und welcher sie den Titel "Prettyface" gegeben hatte. Als Newcomerin in der Branche gestaltete sich das jedoch als schwierig. An einem Punkt bestand die Hoffnung, 2009 mit entsprechenden Dreharbeiten beginnen zu können – allerdings wurde daraus letzten Endes nichts. Um dennoch weiter auf sich und ihr Projekt aufmerksam zu machen, veröffentlichte sie Test-Footage sowie einen Teaser-Trailer mit Lorraine Nicholson in der Hauptrolle – worauf um 2011 herum erneut Bewegung in die Sache kam: Janos war dazu in der Lage, sich das Interesse und die Beteiligung des "Oscar"-prämierten Produzenten Fred Roos (u.a. "the Godfather Part II" und "Apocalypse Now") zu sichern – jedoch scheiterte die im Zuge dessen für "Frühling 2013" geplante Umsetzung schließlich ebenfalls…
Aufgeben kam für sie aber nicht in Frage – weshalb sie irgendwann den Entschluss traf, erst einmal einen "Proof-of-Concept-Short" zu erschaffen, um etwas Aktuelles und Konkretes vorweisen zu können. In zeitlicher Nähe zum Starten einer Crowdfunding-Kampagne, bei der Mitte 2015 rund 30.400,- Dollar zusammenkamen – und das seitens 182 Backer, von denen ich einer war – konnte sogar Red Hot Chili Peppers Bassist Flea fürs Verkörpern eines zentralen Parts gewonnen werden. Zwar zerschlug sich seine Partizipation im Folgenden doch noch leider – nichtsdestotrotz hatte Janos sowohl das nötige Geld beisammen als auch genügend Word-of-Mouth generiert, um im August jenes Jahres mit einer durchaus ansehnlichen Cast&Crew zu Werke zu gehen. Herausgekommen ist dabei ein (ohne Abspann) knapp 16-minütiger Kurzfilm, der einem inhaltlich und stilistisch einen Blick auf das gewährt, was sie uns am liebsten in einer umfangreicheren Version präsentieren würde…
Chatsworth, Kalifornien – Juni 1969: Nachdem die Mutter der aus einer zerrütteten Familie stammenden Jenna (Karsen Liotta) mal wieder abgehauen ist und sie allein daheim zurückließ, hat die Jugendliche genug von dieser frustrierend-belastenden Situation und fällt die Entscheidung, selbst Reißaus zu nehmen und woanders ein neues, besseres Leben zu suchen – also schnappt sie sich das (Prettyface heißende) Pferd des Bruders ihrer besten Freundin Marlena und reitet (nur mit einer Tasche und ihrer Gitarre umgeschnallt) davon. Unbemerkt heftet sich Marlena (Annalise Basso) jedoch an ihre Versen – welche ihrerseits wohlbehütet aufgewachsen ist und Jenna "nicht verlieren" möchte. Als Prettyface nahe eines Sees einige merkwürdige Laute hört, wild galoppiert und sich Jenna nicht länger auf seinem Rücken halten kann, beobachtet Marlena den Sturz, holt auf und erkundigt sich, ob sie sich verletzt habe. Dem ist zum Glück nicht so – doch ist Prettyface nirgends mehr zu erspähen…
Verärgert, bitte sie Marlena energisch darum, umzukehren, und schreitet los, um nach dem Pferd zu schauen. Während sich Jenna ein leicht bergiges Terrain vornimmt und dort auf eine Höhle stößt, in der sie u.a. Wandmalereien, Tierkadaver und "Knochen-Mobiles" entdeckt, trifft Marlena am Wasser auf ihren Mitschüler Paul (Patrick Schwarzenegger), dem sie von der Situation berichtet und der ihr den Tipp gibt, es doch mal bei einer alten Ranch am gegenüber liegenden Ufer zu probieren. Da sie jene nicht kennt und es der schnellste Weg ist, schwimmen sie gemeinsam rüber und begegnen wenig später an einem Bach einer Gruppe junger Frauen (unter ihnen Jamie Paiz Phillips und Taylor Treadwell), die Marlena sogleich sehr freundlich-zugewandt empfangen. Simultan kreuzen sich die Pfade von Jenna und einem Typen namens Bobby (Ryan Dorsey), welcher von der besagten Ranch stammt – wo kurz vor seinem Aufbruch ein reiterloses Pferd aufgetaucht war…
"Prettyface" eröffnet mit einer netten Drohnen-Aufnahme sowie dem aus der Ego-Perspektive gefilmten Sturz Jennas hinunter auf den sandig-steinigen Boden der Chaparral-Wildnis nur einige Meilen außerhalb von Los Angeles. Die Locations – besonders die der ersten Einstellungen – sind prima ausgewählt worden, in nur ein paar knappen Sätzen erhält man von den Mädels ein akzeptables Minimum an Background-Infos geliefert und anhand ihrer individuellen Art (Worte und Auftreten) lassen sich rasch bestimmte Ausprägungen ihrer Persönlichkeiten erkennen. Was Jenna in der Höhe sieht und empfindet – in Kombination damit, wie diese Sequenz (speziell im Bereich Editing und Sound-Design) arrangiert wurde – verdeutlicht einem stracks, dass sich innerhalb der Story etwas "Düster-Abgründiges" anbahnt – bloß was? U.a. wegen der Überreste und vielen Fliegen fühlte ich mich vom "Vibe" her unweigerlich an gritty-alte Horror-Flicks á la "the Hills have Eyes" erinnert…
Parallel dazu begleiten wir Marlena – welche offenkundig sittsamer und schüchterner als Jenna ist. Zudem wirkt sie ein Stück weit naive und ist in einer Umgebung aufgewachsen, in der Religion ein klarer Faktor ist. Demgemäß verunsichert und zögerlich reagiert sie beim Anblick der Frauen, zu denen Paul sie führt – von denen eine bspw. ein Baby stillt und eine andere sich splitternackt wäscht sowie ihre Intimzone streichelt. Innig willkommen geheißen, setzt man ihr einen Blümchen-Haarkranz auf und bringt sie nach einer Weile dann auch zum Mitmachen beim kollektiven Einnehmen psychedelischer Rauschmittel. Ahhhh, die Hippies der Sechziger. Natürlich darf die zugehörige Verbildlichung ihres "Trips" da nicht fehlen – surreale Visionen bzw. Halluzinationen inklusive, im Rahmen derer sie sich an einer Stelle Blut ins Gesicht schmiert; einige schwarze Federn in Händen haltend sowie mit Jenna ihr in einem weißen Kleid zu Füßen liegend…
Kudos an Janos, dass sie sich bei der Szene am Bach in Sachen Freizügigkeit keineswegs zurückgenommen hat: Nicht jeder potentielle Investor dürfte von dem gezeigten Brustgeben des Säuglings sowie der expliziten Full-Frontal-Nudity unbedingt angetan gewesen sein. Nunja, jedenfalls wandelt sich Jenna´s Besorgnis schon bald in Erleichterung, als sie und Bobby die Stallungen erreichen und Prettyface tatsächlich dort ist. Nicht auf seine Komplimente eingehend, schwingt sie sich stattdessen in den Sattel und erkundet ein wenig das Gelände – wobei ihr plötzlich Marlena entgegenkommt, welche noch immer "high" ist und sich über das Wiedersehen freut; sich allerdings weigert, mit ihr nun aufzubrechen. Wütend konfrontiert Jenna die Anwesenden hinsichtlich des Verabreichens von Drogen an eine Minderjährige: Ein hitziger Streit entbrennt – samt Geschubse und Gezerre – welcher jedoch schnell abklingt, als sich auf einmal ein Herr (Whit Hertford) zu ihnen gesellt…
Jener Mann ist Charles Manson, die Menschen um ihn herum sind seine "Family" und der Ort, an dem sie sich befinden, mit seinen teils schäbigen alten Holzhäusern, ist die Spahn Movie Ranch, auf der sie sich seit Anfang '68 nach und nach einquartiert hatten. Zeitlich mehrere Wochen vor den garstigen "Tate-LaBianca-Morden" angesiedelt, hat Jenna dennoch auf Anhieb ein ungutes Gefühl – wohingegen die beschirmt (und dadurch von so mancher Form von Spaß in einem erweiterten Bekanntenkreis ausgegrenzt) aufgewachsene Marlena all die Zuwendung und das Gerede von Love, Peace and Freedom als sehr behaglich erachtet. Aus anderen Verhältnissen stammend – mit unschönen Begegnungen und Erlebnissen in ihrer Vergangenheit – signalisiert Jenna´s Instinkt ihr indes eine Menge zugegenes Schlechtes. Für sie steht es außer Frage, Marlena zurückzulassen – doch wird sie es schaffen, auf sie aufzupassen und sie umzustimmen, bevor sie unumkehrbar zu einem "Manson Girl" wird?
Die Besetzung von "Prettyface" wartet mit einer Handvoll Promi-Nachkömmlinge auf – allen voran Ray´s Töchterchen Karsen Liotta ("Hubie Halloween") und Arnold´s Spross Patrick Schwarzenegger ("Midnight Sun") – welche beide übrigens besser aussehen als sie hier spielen – ebenso wie David´s Enkelin Mariah Carradine ("Money to Burn"), Val´s Tochter Mercedes Kilmer ("Paydirt") sowie Keith Carradine´s Sohn Cade ("63lbs"). Als Marlena hat die ausstrahlungskräftige Annalise Basso – deren Karriere von allen Beteiligten ja am prächtigsten läuft; siehe dazu nur mal "Oculus", "Captain Fantastic", "Ouija: Origin of Evil" und TV´s "Snowpiercer" – die memorabelste Performance abgeliefert – während mir Whit Hertford ("Rampage") als Manson zwar bei seinem zurückhaltend gestalteten Einstieg ins Geschehen, nicht aber in seinen "irrer-Blick-und-Blowjob-auf-offener-Straße-Momenten" zuzusagen vermochte – was ich allerdings stärker der Regie als ihm ankreide…
Unabhängig dessen, dass man in einer Viertelstunde per se vieles nunmal nicht optimal zu vertiefen oder graduell hinzuentwickeln in der Lage ist, kam mir der Wechsel von der charismatischen zur angsteinflößend-gestörten Seite Mansons zu unsubtil/jäh vor. Keine Ahnung, wie Flea an die Rolle herangegangen wäre – interessiert hätte mich seine Verkörperung jenes berühmt-berüchtigten Anti-Establishment-Sekten-Leaders aber schon. Ausgefüllt werden die Cast-Reihen schließlich u.a. noch von Ryan Dorsey (TV´s "Justified"), Jamie Paiz Phillips ("Twixt") und Courtney Gains ("Corbin Nash"). Die Kamera-Arbeit Zoran Popovics ("Brawler") ist ansprechend und aufgrund der Kleidung und Ausstattung sowie der stimmigen Musik-Untermalung Kirpatrick Thomas' ("Diablo") und Jesika von Rabbits ("Dust Up") kommt ein solides Maß an "Sixties-Atmosphäre" auf – wozu jedoch mehr "Graininess" im Bereich der Optik dienlich-ergiebiger beigetragen hätte…
Für diesen "Short" musste Janos ihre Geschichte mächtig heruntertrimmen – von der sie sogar eine auf ein Multi-Season-Serien-Format ausgelegte Version besitzt, die sich bis nach den Morden erstreckt und bei der bspw. noch der Coming-of-Age-Aspekt sowie die Bemühungen Jennas, Marlena dem Einfluss der "Family" zu entziehen, ungleich ausführlicher behandelt werden. Neben der Qualität einiger Dialogzeilen ist ihr die Reduzierung und Umpriorisierung des Inhalts speziell in den finalen fünf Minuten am schwächsten gelungen – welche zu überhastet wirken und deshalb auch nicht ihre maximale Wirkung entfalten können. Nicht falsch verstehen: Dank Elementen wie eines von Liotta emotional gesungenen Songs sowie einer zunehmenden Anzahl von Fliegen, die wohlmöglich eher metaphorischer als realer Natur sind, ist der Ausklang wunderbar beklemmend – doch konnte zuvor schlichtweg nicht genügend "Gewicht" aufgebaut werden, um die angestrebte Wucht zu erzielen…
Kurzum: Trotz seiner Mankos lässt "Prettyface" genügend Potential erkennen, um (in kompetenten Händen) als abgründiges Thriller-Drama (etwa in der Richtung von Marry Harron´s "Charlie Says") durchaus anständig funktionieren zu können – allerdings wird die Chance, dass das noch passieren wird, von Jahr zu Jahr geringer…
tendenziell eher knappe