Entstehungsdaten:
Südafrika 2021
Regie:
Kelsey Egan
Darsteller:
Jessica Alexander
Anja Taljaard
Hilton Pelser
Adrienne Pearce
Trailer
Bei "Glasshouse" handelt es sich um ein südafrikanisches postapokalyptisches Thriller-Drama aus dem Jahr 2021, welches sich als eine Kombination aus "the Beguiled" (1971/2017), "Picnic at Hanging Rock" (1975/2018) und einer Reihe geläufiger "Endzeit-Kammerspiele" beschreiben lässt sowie nach einigen Werbeclips, Musikvideos und "Shorts" das Feature-Film-Regiedebüt Kelsey Egans markierte. 1983 in Wisconsin geboren, zog eben jene 2008 (u.a. New York, London und Beijing folgend) nach Johannisburg, wo sie ihre Karriere (nach vorangegangenen Jobs z.B. als Produktions-Assistentin bei "I am Legend", "Stop-Loss" und "Deception") fortan in verschiedenen anderen Bereichen der Branche weiterführte – etwa als Darstellerin in Werken wie "Zulu" und "Fried Barry" sowie als Stuntfrau bei "Death Race 3: Inferno" und "Max Max: Fury Road". Eine ganze Weile bemühte sie sich emsig darum, ihre gemeinsam mit Emma Lungiswa De Wet verfasste Skript-Vorlage in angestrebter Weise umsetzen zu können – bis sie schließlich ausgerechnet inmitten der Covid-19-Pandemie die Gelegenheit dazu erhielt…
In einer nicht allzu fernen, allerdings nicht genauer spezifizierten Zukunft angesiedelt, entfalten sich die Geschehnisse an einer einzigen Location vor dem Story-Hintergrund einer über die Luft übertragenen, bei Einatmen eine Art Demenz auslösenden Krankheit – genannt The Shred. Je mehr der Toxine man aufnimmt, desto stärker und schneller erodiert das Gedächtnis und verliert man seine kognitiven Fähigkeiten sowie komplette Persönlichkeit – worauf am Ende quasi bloß nur noch "eine leere Hülle" übrig bleibt, der es unmöglich ist, allein für sich zu sorgen. Auf diesem Wege brach die Zivilisation zusammen und verstarb ein Großteil der Bevölkerung. Trotz dieser düsteren Umstände ist es einer Familie jedoch gelungen, in einer von Meilen an Ödland umgebenen grünen Oase (samt Wasserquelle, Bäumen, Sträuchern etc.) zu überleben – und das in gar vergleichsweise guten Verhältnissen in einem großen versiegelten gläsernen Gebäude, das sie durch eine Schleuse verlassen können und in welchem sie unterschiedliche Obst-, Gemüse- und Blumen-Sorten anpflanzen…
In der Eastern Cape Provinz aufgewachsen, hatte De Wet als Schauplatz von Anfang an das 1882 eröffnete, mit einer Fläche von rund 287 Quadratmetern im markanten viktorianischen Stil in Gqeberha erbaute "Pearson Conservatory"-Gewächshaus im Kopf – und tatsächlich erhielten sie und Egan die Genehmigung, im Oktober 2020 beginnend sechs Wochen lang dort drehen zu dürfen. Auf den ersten Blick kommen einem Begriffe wie Eden oder Utopia in den Sinn, wenn man das Setting so sieht – allerdings ist "der Feind" ja omnipräsent und unsichtbar; weshalb das Tragen einer Atemschutzmaske im Freien immerzu nötig ist. Betrieben, gepflegt und behütet wird das Anwesen von 'Mother' (Adrienne Pearce) und ihren Kindern – ihres Zeichens Gabe (Brent Vermeulen), Evie (Anja Taljaard), Bee (Jessica Alexander) sowie die jüngere Daisy (Kitty Harris). The Shred mal ausgesetzt, leidet ersterer seither an körperlichen und geistigen Einschränkungen – was ihm ebenso zu schaffen macht wie heftige Albträume, die ihn wiederkehrend nachts heimsuchen…
Mother hat ihnen feste Regeln und Rituale beigebracht, welche der Ordnung und ihrer Sicherheit (vor Hunger, Erkrankung und anderweitigen Gefahren) dienen. In dieser isolierten Umgebung erzählen sie sich gern Geschichten, malen und lesen – verbringen die meiste Zeit jedoch mit "Garten-Arbeit": Kümmern sich um die Pflanzen, die sie u.a. selbst bestäuben müssen (da es keine Bienen mehr gibt) und welche ihnen sowohl Nahrung als auch unkontaminierten Sauerstoff liefern. Zum Schutz und Bewahren dieses "Paradieses" ist es parallel dazu vonnöten, es rigoros mit Waffengewalt zu verteidigen. Dazu wechseln sie sich mit Wacheschieben ab – und strecken prompt jeden nieder, der das Gelände betritt. Anschließend werden die Leichen von ihnen zum Teil (schmackhaft zubereitet) verspeist sowie als Dünger genutzt, werden die Knochen ausgekocht, um Glutinleim (primär zur Versiegelung des Hauses) herzustellen, sowie zudem einzelne Gliedmaße (neben entsprechenden Warnschildern) zur Abschreckung klar erkennbar zwischen den umringenden Bäumen aufgehängt…
Eines Tages erspäht Bee im Laufe ihrer Schicht draußen mal wieder einen Mann (Hilton Pelser) – doch anstatt ihn zu töten, verwundet sie ihn bloß und schleift seinen besinnungslosen Körper kurzerhand bis in die Schleuse hinein. Könnte er ihr geliebter Bruder Luca sein, der als Teen weggegangen war, um das zu erkunden, was aus der Welt geworden ist? Es gelingt ihr, Evie zu überzeugen, ihn zu verschonen – und gemeinsam ringen sie daraufhin Mother das Zugeständnis ab, seine Wunde versorgen und ihn bis zu deren Verheilung bei sich aufnehmen zu dürfen. Nach seinem Erwachen verhält er sich friedfertig, kooperativ sowie trotz des vorherigen Absetzens seiner Gasmaske scheinbar unbeeinträchtigt von The Shred. Fortan erfreut sich Daisy an seinen schildernden Berichten und fühlt sich Bee anwachsend zu ihm hingezogen – während Gabe ablehnend auf seine Zugegenheit reagiert sowie Mother und Evie das alles abwägend im Auge behalten. Führt der Mann – so dankbar er auch sein mag – wohlmöglich etwas im Schilde – und wird er wirklich einfach so wieder gehen, wenn er gänzlich genesen ist?
Frei konkreter Jahres- und Ortsangaben – einem flüchtig zu erspähenden Zeitschriften-Cover nach sich aber definitiv (mehr oder minder weit) in der Zukunft entfaltend – schwört die Heimat der Familie in "Glasshouse" eine tendenziell elysische Impression herauf – sofern man bestimmte Dinge und Faktoren (wie die zerstückelten Erschossen sowie die Notwendigkeit dahinter) bei der Betrachtung ausblendet. Von der Kleidung und den Frisuren über das Fehlen moderner Technik und Möbel bis hin zur Architektur und der üppigen Vegetation ihres Zuhauses erinnert vieles stärker ans Viktorianische als ans Postapokalyptische. Dazu noch Ausrüstung und Karabiner aus Militär-Beständen der zirka 1950er, ein Hauch von "Steampunk" sowie grobe, handgeschnitzte, jeweils die Anfangsbuchstaben ihrer Namen aufweisende Ketten-Anhänger: Kostüm-Bildnerin Catherine McIntosh ("Beast") und Produktions-Designer Kerry von Lillienfeld ("Monster Hunter") haben eine schön anzusehende Zusammenstellung geschaffen, ohne dass das auf Kosten der Glaubwürdigkeit (bspw. im Bereich der Funktionalität) geschah…
Das "World-Building" meistert der Film gut – ohne dabei auf Voiceover, Texttafeln, Flashbacks oder "Exposition-Dumps" zurückzugreifen. Regelmäßig sind Anhaltspunkte auf dies und jenes zu entdecken und erfährt man Gegebenheiten simultan mit dem Fremden, welcher sich nach und nach mit dem um sich herum vertraut macht. Diesen "Garten Eden in einer dahingerafften Welt" will er natürlich nicht wieder verlassen müssen – also gebart er sich ordentlich; allerdings samt gewisser Manipulationen (etwa um die Gunst der Mädels, damit sie sich bei Entscheidungen, die ihn betreffen, für ihn einsetzen). Hinzu kommen Empfindungen wie Neugier, Zuneigung und Lust. Geradezu unweigerlich resultiert das in Sex und damit verknüpfte Allianzen: So z.B. werden Bee und er schon bald ein Paar – was insbesondere Evie und Gabe (aus unterschiedlichen Gründen) eher kritisch beäugen; wogegen Mother darin eine spezielle "perspektivische Dienlichkeit" sieht. Mit ihm immer selbstsicherer agierend, erkeimen Spannungen und wirken verschiedene Entwicklungen zunehmend auf das bisherige Gefüge ein…
Die Darsteller liefern durch die Bank weg überzeugende Performances ab und vermitteln die individuellen Eigenheiten ihrer Figuren glaubwürdig. Beauty Jessica Alexander ("Into the Deep") portraitiert Bee als träumerische, sehnsüchtig auf Luca´s Rückkehr wartende junge Frau, welche sich auch mal bewusst über Vorgaben hinwegsetzt sowie Einzelnes auszublenden versucht, um die zugehörigen "seelischen Belastungen" zu verringern oder gar völlig zu vermeiden. Derweil beruht Evie´s Behutsamkeit auf ihrer Kenntnis nicht allein bloß nur um ihre Verantwortung innerhalb der Familie: Sie ist quasi das die Balance haltende "Gegengewicht" zu Bee´s Wesensart – und Anja Taljaard ("Hidden within") verkörpert sie stark. Küken Daisy ist wissbegierig, positiv sowie engagiert im Bereich ihrer Aufgaben und Pflichten: In Anbetracht Kitty Harris in der Rolle ist es beachtlich, dass es sich hierbei um ihr Schauspiel-Debüt handelt. Adrienne Pearce ("Tremors 6") indes kann bereits auf eine lange Karriere zurückblicken: Anstandslos nimmt man ihr die pragmatische, aufs Bewahren und Fortbestehen bedachte Matriarchin ab…
Ihn zu frustriert-emotionalen Ausbrüchen verleitend, vermag der physisch und psychisch unter den Symptomen von The Shred leidende Gabe – prima: Brent Vermeulen aus "the Harvesters" – das von ihm rund um den Fremden Registrierte den anderen gegenüber häufig nicht vernünftig zu kommunizieren: Eine Konfrontation zwischen ihnen (übers Verbale hinaus) erscheint unausweichlich. Einträglich hat Hilton Pelser (TV´s "Devil´s Peak") die Ambiguität des nur schwer kalkulierbaren Parts gemeistert: Man kann seine Motivation verstehen – unabhängig dessen, dass einige seiner Taten fraglos mies sind. Ihm ist klar, dass er vorsichtig sein muss – schließlich wird er u.a. Zeuge, wie routiniert und emotionsfrei alle (inklusive Daisy) darin sind, Unwillkommene zu erschießen, zu zerlegen und (zu mehrerlei Zwecken) weiterzuverwerten. Das kultivierte Ökosystem ist durchdacht und verfügt über Einschränkungen, die es zu beachten gilt – wie dass die Pflanzen im "Glasshouse" nur eine begrenze Menge an Sauerstoff produzieren können. Noch jemand (über den Neuzugang hinaus) wäre ein Problem…
Via Erzählungen und Rituale bemüht sich Mother darum, Erinnerungen und Wissen zu erhalten bzw. an die nächste Generation weiterzugeben: Sie sollen nicht verloren gehen. Unweigerlich ist das aber nur bei einem Bruchteil von allem möglich. Wird manches vorsätzlich weggelassen? Und würde das in Einzelfällen nicht "ein Segen" sein – bspw. bei Traumatischem? Was bedeutet ein "gelöschtes Gedächtnis" für die individuelle Identität der Person – oder (weiter gefasst) für eine spezifische Kultur oder Zivilisation? Das Bewahren der Vergangenheit ist nicht für jeden wichtig – für Mother allerdings schon. Faktoren wie Vertrauen, Kontrolle, Macht und Stabilität fließen dort genauso mit rein. Schrittweise offenbaren punktuelle Worte und Beobachtungen dem Publikum die vorhandene Komplexität – kehren Verborgenes zutage und regen eigene Gedanken (unter ihnen welche über Kannibalismus und Inzest) an. Die Aufnahme des Fremden in ihrer Gemeinschaft löst Veränderungen im Bereich der Dynamiken und Ordnung aus – das aber ja wiederum nur, weil Bee von sich aus eine Regel brach und ihn nicht sofort tötete…
Inhaltlich ebenso wie stilistisch hat Egan die wunderbare Location perfekt genutzt, um zusammen mit der Ausstattung, Patrick Cannell´s ("Casualties of the State") Score sowie Justus de Jager´s ("Hell Trip") Kamera-Arbeit ein optisch schickes, atmosphärisches Werk zu erschaffen, dessen ruhiges Tempo es einem erlaubt, sich an einer Vielzahl an Details zu erfreuen sowie in diesen fragilen Mikrokosmos Schrägstrich in diese "paradiesische Bubble" inmitten der Postapokalypse einzutauchen. Je weiter der Verlauf voranschreitet, desto deutlicher erkennt man das Abgründige zwischen oder hinter all dem Sinnlichen, Schönen und Funktionierenden – bevor im finalen Drittel dann diverse Geheimnisse aufgetan sowie gewichtige Entscheidungen getroffen werden, von denen einige gleichermaßen harter wie notwendiger Natur sind. Alles in allem ist Egan´s Film Freunden derartiger Veröffentlichungen (abseits des Mainstreams) herzlich zu empfehlen – und es freut mich, dass sie auf dieser Grundlage im Folgenden direkt zwei Companion Pieces realisieren durfte, nämlich "I carry you always" und "the Fix"…