Entstehungsdaten:
Kanada-Frankreich 2023
Regie:
RKSS
(François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell)
Darsteller:
Turlough Convery
Benny O. Arthur
Jacqueline Moré
Aidan O'Hare
Trailer
Bei dem Action-reichen kanadisch-französischen Horror-Thriller "Wake Up" (2023) handelt es sich um den vierten Spielfilm des in Quebec ansässigen, 2004 gegründeten Regie-Kollektivs RKSS – welches aus den drei Roadkill Superstars Anouk Whissell, François Simard und Yoann-Karl Whissell besteht und uns zuvor den postapokalyptischen Retro-Fun-Flick "Turbo Kid" (2015), den nostalgischen Coming-of-Age-Mystery-Streifen "Summer of 84" (2018) sowie die blutig-humorvolle Comic-Adaption "We are Zombies" (ebenfalls 2023) beschert hatte. Auf einem Drehbuch des Italieners Alberto Marini (u.a. "Romasanta", "Sleep Tight" und "Feedback") basierend, beschert einem das Trio dieses Mal einen nahezu komplett ernst daherkommenden Slasher, dessen von diversen klassischen Elementen jenes Subgenres geprägte Entfaltung seitens einer Tat eingeleitet wird, die einen an solche gewisser kontroverser realer Gruppierungen wie "Extinction Rebellion", "Just Stop Oil" sowie die hierzulande regelmäßig in den Schlagzeilen auftauchende "Letzte Generation" denken lässt…
Eröffnet wird vor einer Filiale der fiktiven, aber "Ikea" recht ähnlichen Einrichtungs-Ladenkette "House Idea", welche sich im Rahmen ihrer Werbung als nachhaltig-umweltfreundlich präsentiert – in Wahrheit aber noch Möbel im Sortiment führt, die aus Regenwald-Holz gefertigt werden. Genau daran haben sechs junge Erwachsene Anstoß genommen und sich nun (nach mehrwöchiger Planung) vor Ort zusammengefunden, um eine Protest-Aktion durchzuziehen sowie diese in Form von Handy-Videos zu dokumentieren. Dem Ganzen folgend, soll das ins Internet Geuploadete dann viral gehen – in Wechselwirkung mit einer entsprechenden Berichterstattung darüber in einer möglichst breiten Palette an Medien. Und so betreten Ethan (Benny O. Arthur), Emily (Charlotte Stoiber), Karim (Tom Gould), Tyler (Kyle Scudder) und Grace (Alessia Yoko Fontana) – ihres Zeichens aus teils unterschiedlichen sozialen Kreisen stammend sowie nicht immer derselben Ansicht – mit eben diesem gemeinsamen Ziel in Aussicht das sich am Abend allmählich zu leeren beginnende Gebäude…
Parallel dazu lernen wir die Sicherheitsmänner Kevin (Turlough Convery) und Jack (Aidan O’Hare) kennen, die zugleich auch Brüder sind. Da er ein nerviges, ihn provozierendes Kind eines Kunden etwas grob angepackt hatte, befindet sich ersterer gerade unmittelbar vor der Kündigung – allerdings setzt sich Jack für ihn ein und vermag ihren Chef (Gary Anthony Stennette) dazu zu überreden, ihm doch noch eine Chance zuzuwilligen. Im Gegenzug müssen sie dafür aber die nächsten Nacht- und Wochenend-Schichten übernehmen – was Kevin dennoch mit Wut erfüllt, denn eigentlich hatte er schon vor Monaten eine besondere Veranstaltung gebucht, an der er so nicht partizipieren können würde. Nur mit Mühe kann ihn Jack beruhigen. Das ist er gewohnt. Die Aggressions-Probleme des impulsiven schwergewichtigen Hünen sind evident – welcher mit verbissener Passion das Hobby Primitive Hunting betreibt. Darunter versteht man das eigenhändige Bauen archaischer Waffen und Fallen – primär aus natürlichen Materialen – sowie das anschließende Jagen von Wild mit eben jenen…
Bevor die Türen und Tore verriegelt werden und die Verkäufer heimgehen, verstecken sich die Aktivisten unter Betten, in Schränken, auf einem Hochregal (etc.) – bis die Reinigungskräfte (abermals ein wenig später) durch sind und die Luft sozusagen rein ist. Stracks fangen sie damit an, mit Farbe Gekritzel und Parolen auf so ziemlich alles um sich herum (u.a. Ausstellungs-Stücke, Bildschirme und Fußböden) zu sprayen: Je massiver der Schaden, desto besser. Zudem haben sie noch Tierblut und Schlachtabfälle einer Fleischerei dabei. Über die Security Guards machen sie sich indes keine konkreten Gedanken – gerüchteweise würden die sich nämlich bloß mit irgendwelchen Dingen die Zeit vertreiben oder gar im Dienst schlafen. Und tatsächlich schenken Kevin und Jack ihren Monitoren keine Aufmerksamkeit – stattdessen werkelt der eine an einer DIY-Armbrust herum, während der andere sich einem Sixpack Bier zugewandt hat. Weitestgehend ungeniert können die Intruder also bspw. Hackbällchen im Cafeteria-Bereich verspeisen oder ein Paintball-Match im Markt austragen…
"Wake Up" etabliert das Szenario und seine Charaktere mit einem angenehmen Maß an Ruhe. Zwar verbleiben die Figuren durch die Bank weg oberflächlich in ihrer Beschaffenheit – doch offeriert einem diese Phase nichtsdestotrotz diverse "Informations-Häppchen" zu einzelnen Motiven, Backgrounds und Wesenszügen, die sich im Verlauf positiv auf das Nachvollziehen gewisser Entscheidungen auswirken. Unabhängig ihrer festen Zusammengehörigkeiten gibt es sowohl unter den Brüdern als auch innerhalb der Gruppe Spannungen – á la Jack´s Sorge im Hinblick auf das aufbrausend-aggressive Temperament Kevins, Ethan's Zweifel an Karim's Bereitschaft, sich mit vollem couragierten Glauben für ihr Anliegen zu engagieren, sowie Yasmin's Meinung, dass rich Kids wie Grace das eher als ein aufregend-trendy-cooles Abenteuer anstelle einer für die Zukunft des Planeten bedeutsamen Berufung ansehen würden. Anhand des Gebotenen kann man sich derweil leicht und lebhaft Kevin's voraussichtliche Reaktion bei einem Kreuzen seines "Pfades" mit dem der Vandalen ausmalen…
Umso überraschter ist man, als Kevin prompt vorschriftsgemäß zum Telefon greift, um seinen Chef zu briefen, als er in der Nacht dann doch mal auf den Live-Feed der Kameras schaut und sogleich Karim erspäht – allerdings hält ihn Jack (geradezu flehend) davon ab, jenem das zu melden, da er inzwischen ja angetrunken ist und man ihnen beiden diesen Regel-Verstoß garantiert nicht einfach durchgehen lässt (speziell nicht nach dem letzten Vorfall jüngst). Somit beschließen sie, den gewähnten Dieb aufzuspüren und ihm dermaßen viel Angst einzuflößen, dass er den Laden fortan nie wieder freiwillig betreten wollen würde. Relativ fix gelingt es ihnen, sich Karim zu schnappen – bloß hatten sie nicht damit gerechnet, dass er nicht allein ist, und reagieren die Ertappten wiederum genauso überrascht und hektisch-verunsichert darüber, was sie denn jetzt tun sollen. Zum Entsetzen aller mündet diese Konfrontation auf einmal in einer schweren Verletzung und einem Ableben – jeweils unbeabsichtigt herbeigeführt – wonach Kevin seine nun rasende Wut wider die verbliebenen Unglückseigen richtet…
Wer wann stirbt, wird von mir selbstverständlich nicht verraten – u.a. da die meisten mit ihren Tipps mehrheitlich falsch liegen dürften; was vorteilhaft der Suspense zuträglich ist, welche trotz der Gegebenheit aufkommt, dass einem absolut keiner hier wahrhaft sympathisch wird. Einige im Publikum mag dieser bewusste Kniff Marinis verärgern – doch umging man dadurch das gängige "Schwarz/Weiß-Schema", indem bei allen die betreffende Trennlinie bzw. Abgrenzung verwischt wurde. Wie aus der Realität bekannt, wollen die Sechs auf grundsätzlich fraglos Wichtiges hinweisen – das aber per Verüben von Straftaten (oder sonst z.B. auch: dem Praktizieren zivilen Ungehorsams), worunter meist andere als die eigentlich Verantwortlichen leiden. Vorrangig muten sie eher selbstgerecht, naive und Spaß-orientiert als mit Herz, Kopf und Seele idealistisch an. Unterdessen ist Jack ein einigermaßen typischer Vertreter der Arbeiterschicht – und Kevin jemand, der definitiv schon länger eine intensive Therapie nötig gehabt hätte. Selbst seinem Bruder ist er mitunter nicht geheuer…
Gedreht auf Gran Canaria, weist "Wake Up" eine nahezu europäische Besetzung auf: Benny O. Arthur (TV´s "Django") und Charlotte Stoiber ("der Untergang") sind Deutsche, Turlough Convery ("Saint Maud") und Aidan O’Hare ("Maze") Iren, Jacqueline Moré ("the Anarchist's Dream") ist Tschechin, Alessia Yoko Fontana Italienerin, Tom Gould Engländer sowie Kyle Scudder ("Pandemias") Amerikaner. Für Fontana und Gould markierte das ihr Screen-Debüt – der in Panama geborene Gary Anthony Stennette ("the Covenant") hat indes nur einen Kurzauftritt. Die Performances gehen ausnahmslos in Ordnung: Convery kommt allein bereits von seiner Statur her sehr bedrohlich-einschüchternd rüber – lässt punktuell aber auch Verunsicherung, Gram und Überforderung durchschimmern – wohingegen die seine Opfer spielenden Mimen die empfundene Angst und Schmerzen ihrer Parts überzeugend transportieren. Was ihnen in diesen Stunden ereilt, haben sie so beileibe nicht verdient – unabhängig dessen, dass das alles ohne ihre gesetzeswidrig-dumme Aktion nicht passiert wäre…
Das Schlimmste, was sich die Kids im Vorfeld in Sachen Ausgang des Ganzen ausgemalt hatten, war eine potentielle Verhaftung. Sobald der Fun-Faktor dann aber Terror und Gewalt weicht, brauchen sie (begreiflicherweise) erst einmal eine kleine Weile, um die Situation zu erfassen sowie per Trial&Error ein Entkommen aus dem Gebäude anzustreben. Was ist mit der am wenigsten gesicherten Hintertür – oder dem Feuer-Alarm? Können die Fenster eingeschlagen werden? (etc.) Zur Verteidigung gegen Kevin sind ihre Paintball-Gewehre nur bedingt nützlich – welcher sich wiederum postwendend Waffen (wie Speere und Wurfsterne) aus Küchen-Messern und weiteren im Markt zu findenden Materialien baut; ebenso wie fiese Feder-Fallen, u.a. mit Stolperdrähten und spitzen Hocker-Beinen. Resultierend aus der Bauart, ist man bspw. bei "Ikea" ja auch ohne einem gezielt zerstörten Funk-Masten schlechten Netz-Empfang gewohnt – und da sich überwiegend nicht allzu dumm angestellt wird, bleibt einem häufiges "Augenrollen" erspart. Makellose Logik sollte man aber dennoch nicht erwarten…
Unweigerlich fühlt man sich ein Stück weit an Eli Roth's "the Green Inferno" erinnert. Im Vorliegenden geraten die Öko-Aktivisten an einen Mann, der eine naturverbundene Form des Jagens (nach Vorbild unserer Vorfahren) schätzt und praktiziert: Der Laden ist sein Revier – mit ihm der Apex-Predator darin – die Eindringlinge sind seine Beute. Obendrein tragen letztere bunte geometrische Tier-Masken, die mit bestimmten ihrer Charakter-Eigenschaften in Verbindung stehen – und malt sich Kevin in seinem Kopf aus, wie er in der Wildnis (so wie in der Vergangenheit bei den von ihm besuchten Veranstaltungen) entfesselt aus sich rauskommt. Diese zwei- oder dreimal bloß für ein paar Sekunden aufblitzenden Images liefern einen zusätzlichen flüchtigen Einblick in seine Psyche – hätten imo aber durchaus weggelassen werden können. Nachdem er getriggert wird, ist er nur noch ein erbarmungsloser, hin zu Sadistischem neigender Killer. Tiefgründig-pointierte Gesellschafts-, Konsum- oder Business-kritische Aussagen gibt´s keine – dafür aber kompromisslose Katz&Maus-Genre-Kost…
Weitere Streifen, die einem in den Sinn kommen, sind Stephen Hopkins' "Dangerous Game", "Hunt her, kill her" sowie diverse "Graf Zaroff"-Varianten – worüber hinaus es kein Zufall sein dürfte, dass sich Kevin seinen Namen mit einem gewissen Burschen aus "Home Alone" teilt. Seitens eines energischen Scores Arnau Batallers ("[Rec] 4: Apocalypse") untermalt, entfaltet sich der schnörkellose Plot in nur knapp 80 Minuten mit genügend Drive und einem soliden Spannungsgrad – während das dem Zuschauer so ja aus dem Alltag vertraute Setting (u.a. Abwechslung bietend) ansprechend was hermacht, die Gewalt brutal dargereicht wird sowie die Kamera-Arbeit Léo Hinstins ("As above, so below") gleichermaßen gelungen ist wie Inszenierung des prächtig aufeinander eingespielten Regie-Trios. Die zu verzeichnenden Tropes und Klischees wirken sich nicht negativ auf den Unterhaltungswert aus – vereinzelte herausragend kreativ-coole Momente, wie als Kevin die finalen Vier mit phosphoreszierenden Farben übergießt und daraufhin mal eben die komplette Beleuchtung ausschaltet, sowieso nicht…
Fazit: "Wake Up" ist ein harter, angrenzend humorfreier Warenhaus-Invasion-Slasher von RKSS – kurzweilig, düster sowie bis direkt zum Einsetzen des Abspanns hin ziemlich boshaft-nihilistisch…
gute