
Entstehungsdaten:
USA 2023
Regie:
Eddie Alcazar
Darsteller:
Stephen Dorff
Moises Arias
Jason Genao
Karrueche Tran
Bella Thorne
Scott Bacula
Trailer
Bei „Divinity“ (2023) handelt es sich um den zweiten Spielfilm Eddie Alcazars: Eine in etwa als eine ambitioniert-unkonventionelle Kreuzung aus einem eigenwilligen '50er-Jahre-B-Movie und einer sexy-stylishen Hochglanz-Werbung beschreibbarer retro-futuristisch-trippy-mysteriöser Arthouse-Science-Fiction-Horrortrip, der sich in so mancherlei Hinsicht Gemeinsamkeiten mit Alcazar's 2018er Erstlingswerk „Perfect“ teilt – und das weit über die Gegebenheiten hinaus, dass beide von Steven Soderbergh mitproduziert wurden sowie sich vorrangig in und um architektonisch beeindruckenden Villen entfalten (nach der von John Lautner designten Sheats-Goldstein Residence in Los Angeles im Vorliegenden nun ein von Kendrick Bangs Kellogg entworfenes und erbautes Luxus-Domizil in der Joshua Tree Region). Einen markanten Unterschied gibt's jedoch: Fast ausschließlich mit einer Arri-SR3-Kamera auf Kodak-16mm-Reversal-Stock gedreht, kommt das Gebotene dieses Mal (bis auf eine einzelne Sekunde) komplett in Schwarzweiß daher…
Lange hatte der Forscher Sterling Pierce (Scott Bakula) an einem Elixier gearbeitet, mit dem er den natürlichen Alterungsprozess aufhalten wollte. Während ihm das bei zentralen „physischen Komponenten“ des Vorhabens tatsächlich schon weitestgehend gelungen war, stellte ihm damit verbundener kognitiver Verfall allerdings noch vor Probleme: U.a. schien das Gehirn nicht mit der Regeneration der Körperzellen in der so künstlich ausgelösten Form zurechtzukommen. Bevor er den Punkt erreichte, mit gutem Gewissen von Tierversuchen hin zu welchen am Menschen überzugehen, verstarb er (ironischerweise) jedoch. Im Folgenden führte sein Sohn Jaxxon (Stephen Dorff) jene Bestrebungen fort – bloß nicht mehr gerade mit den hehren Zielen seines Vaters (bspw. im Hinblick auf das Heilen von Infektionen oder Krebs) im Sinn. Das Entdecken der entscheidenden noch fehlenden Ingredienz bescherte ihm letztlich den großen Durchbruch – worauf das kommerzielle Vertreiben des Wundermittels nicht nur ihm rasch ein Multi-Millionen-Vermögen einbrachte, sondern auch die Welt an sich veränderte…
Divinity genannt sowie in kleinen Flakons erhältlich – wobei Jaxxon allein die „Ur-Essenz“ besitzt, die er noch immer weiter optimiert und welche er im Rahmen der Abfüllungs-Prozedur stets stark verdünnt – hat die Gesellschaft inzwischen eine dystopische Ausprägung angenommen, in der sich förmlich alles um Schönheit und Unsterblichkeit rankt. Zusätzlich dazu, dass einen der regelmäßige Konsum vor Krankheiten und dem Altern schützt, wirkt er zugleich solchen Sachen wie Übergewicht und unreiner Haut entgegen und kann den Muskel-Aufbau fördern – weshalb die meisten nun (speziell die, mit denen sich Jaxxon umgibt) wie Bodybuilder oder Models aussehen. Ein gravierender Nebeneffekt ist allerdings, dass die Einnahme in einer unumkehrbaren Unfruchtbarkeit resultiert: Global beträgt die entsprechende Rate derzeit bereits 97% – was zwar die Gefahr der Überpopulation gebannt hat; simultan mit dem progressiven „Verschwinden“ künftiger Generationen aber ebenso die Diversität und Erweiterung des genetischen und intellektuellen Pools verhindert…
Von Ziva (Bella Thorne) vorgestanden, hat sich in Anbetracht dieser (stark von Selbstsucht getriebenen) Entwicklung eine Art Kult der Aufgabe verschrieben, so viele noch gebärfähige Frauen wie möglich bei sich aufzunehmen. Doch auch eine „höhere Macht“ tritt eines Tages in Erscheinung: Zwei extraterrestrische Geschöpfe (Engel?) landen auf der Erde, werden zu humanoiden Gestalten (Moises Arias und Jason Genao), dringen in Jaxxon's Wüsten-Villa ein, überwältigen ihn und beginnen damit, ihm Divinity intravenös einzuflößen – und das pur sowie von daher voranschreitend schlimmer werdende groteske Mutationen bei ihm verursachend. Unverhofft trifft dabei auf einmal das Escort-Girl Nikita (Karrueche Tran) vor Ort ein. Da sie nicht weiß, wer sie angeheuert hat, nimmt sie einfach an, jene seien die Eigentümer des Hauses: Die drei vergnügen sich miteinander – bis das Mädel am nächsten Morgen ein wenig die Räumlichkeiten erkundet und dabei auf den gefesselten, leidenden Jaxxon stößt. An dieser Stelle befinden wir uns in Minute 38 des Verlaufs…

„Divinity“ ist aus keinem konkreten Skript hervorgegangen und wurde über die Spanne eines Jahres hinweg an einer geringen Zahl an Locations gedreht. Zwischen den insgesamt sieben Shoots in diesem Zeitraum begab sich Alcazar immerzu direkt ans Editing des vorhandenen Materials und passte seine als Grundlage des Ganzen dienenden Aufzeichnungen und Storyboards im Zuge dessen jeweils etwaigen neuen Ideen oder nötigen Veränderungen an. Die mitunter abstrakt und assoziativ erzählte Geschichte ist dem kreierten Vibe untergeordnet – der wiederum seitens des Eye-Candys, der erklingenden Musik und der sich von betörend und mysteriös bis hin zu beklemmend und bizarr erstreckenden Inhalte erzeugt wird. Einer eigenen Logik folgend – welche durchaus nachvollziehbar ist, sofern man sich auf sie einlässt – ist obendrein erkennbar, wie „verspielt“ Alcazar so einiges konzipiert und arrangiert hat – und dennoch mag die artsy Natur von allem bei dem einen oder anderen einen gewissen prätentiösen Eindruck erwecken…
Im TV laufende Clips bewerben Divinity mit muskelbepackten Männern – während kleine Sample-Fläschchen sogar bestimmten Cereal-Packungen beigelegt sind (und somit klar auch schon an Kinder vermarktet werden). Konsum-Satire, die Oberflächlichkeit der Menschen – inklusive ihres Begehrens ewiger Jugend, Schönheit und Existenz; wofür (egoistisch und wohlbewusst) darauf verzichtet wird, sich fortpflanzen zu können – vermengt mit üppiger Sexualität sowie der gewählten Konzentration auf einen abgegrenzten Kreis von Personen – hier quasi eine „High Society Bubble“, in der mit Divinity ungefähr so wie mit Koks umgegangen wird: Ein hedonistischer Lebensstil – zumindest wenn (oder so lange wie) man sich Jaxxon's Produkt leisten kann. Einen solchen (leicht ans antike Rom oder Griechenland erinnernden) frönt bspw. Jaxxon's Bodybuilder-Bruder Rip (Michael O'Hearn) – ebenso wie die Schar an Party-Gästen, die zu Jaxxon's Geburtstagsfeier bei ihm aufkreuzt und sich auf allerlei Weise amüsiert; seine Nichtanwesenheit dabei aber überhaupt nicht registriert…
Eitelkeit und Hochmut kommt bekanntlich oft vor dem Fall – welcher Jaxxon sozusagen via einer „göttlichen Intervention“ ereilt. In den Credits übrigens beide bloß nur als Star aufgeführt, bestrafen ihn die zwei Geschöpfe aus dem Himmel für seine den Tod überlistende sakrilegische Erfindung, indem sie ihm (über etliche Stunden hinweg) eine Überdosis seines eigenen Elixiers verabreichen. Dessen Herstellung erfordert eine spezielle, von Jaxxon's Vater damals stets abgelehnte „Komponente“ – was die Basis dafür liefert, dass neben moralischen Aspekten und Talking-Points überdies noch ethische (hinsichtlich der Nutzung embryonaler Stammzellen bzw. fötalem Gewebe) angerissen werden. Zu dieser Thematik hatte sich Alcazar im Vorfeld u.a. mit dem bekannten Genetik-Professor David Andrew Sinclair ausgetauscht. Im Film ist das aber nur ein (unvertieftes) Element von mehreren – zu denen (in Addition zu den bereits erwähnten) außerdem noch biblische Symbolik und Allegorien zählen; plus diverse weitere aus den vordergründig vertretenen Genres…
Fürs Bewahren der Fruchtbarkeit muss man der mächtigen Verlockung standhalten – darf sich dieser Künstlichkeit nicht hingeben; sich seiner Sterblichkeit nicht entziehen. Da sich Nikita irgendwann mal Kinder wünscht, hat sie diese Entscheidung für sich getroffen. Sie und einer der Überirdischen verlieben sich kurzerhand ineinander – wobei ich mir vorstellen kann, dass Alcazar da Wim Wender's „der Himmel über Berlin“ im Hinterkopf präsent hatte. Für jene sind leckere Speisen, Sex sowie Gefühle der Zuneigung neu – Zorn und eine Tendenz zu Sadismus hin (Jaxxon gegenüber) indes aber scheinbar nicht unbedingt. Moises Arias („Samaritan“) und Jason Genao („Logan“) portraitieren sie sonderbar – also genau so, wie beabsichtigt – im Unterschied zu Karrueche Tran („3-Headed Shark Attack“) als Nikita, welche von der Art ihrer Rolle her (als eine der wenigen) vergleichsweise normal auftritt. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass alle Beteiligten unmissverständlich wussten, in was für einem Werk sie da (von dessen Ausrichtung und anvisierten Ton her) mitspielen…
Mit bloß eingeschränkter Screen-Time überwiegend im Rahmen von Flashbacks und Video-Aufzeichnungen mit von der Partie, war der von mir seit seiner „Quantum Leap“-Serienzeit Anfang der '90er jedes Mal gern wiedergesehene Scott Bakula („Lord of Illusions“) eine prima Wahl für den mit seiner Forschung noch löbliche Absichten verfolgenden Vater Jaxxons – als welcher Stephen Dorff („City of Industry“) wiederum eine energische, gut aufgelegte Performance zum Besten gibt. Sein Narzissmus verhindert das Erkeimen von Mitleid mit ihm – so übel das ihm zugefügte Schicksal auch sein mag. Selbiges gilt für seinen Bruder Rip (Michael O'Hearn aus „Magazine Dreams“), den das Wissenschaftliche innerhalb seiner Familie offenbar nie wirklich interessiert hat. Und dann wäre da noch Bella Thorne („Infamous“) als Ziva – die Leaderin eines Zirkels noch gebärfähiger junger Frauen, die nach und nach gerettet wurden und nun andere wie sie zu schützen anstreben; vor Gefahren und Versuchungen á la Divinity…

Neben Chris Santos („the Girlfriend Experience“), Thomas Hildreth („Islander“) und Moses Jackson („Hellhounds“) bestehen die übrigen Cast-Reihen im Prinzip komplett aus attraktiven U-30ern – darunter Caylee Cowan („Willy's Wonderland“), Nemi Brooks („June“), Pablo Kaestli („RyDe&DiE“), Clara Carlo („Lethally Blonde“) und Porn-Star Emily Willis („Lucy's Bedtime“). Ausgenommen einzelne – vorrangig die allesamt in dünnen weißen Leotards gehüllten Mädels Zivas – genießen die meisten von ihnen reichlich Alkohol, Drogen und sonstige „Extravaganzen“; tanzen, knutschen und/oder haben Sex. Ähnlich wie bei „Perfect“ sind diese Passagen aber nicht so empfindbar stimulierend wie man es eigentlich annehmen würde – doch eventuell wollte Alcazar diese Distanz zu dem selbstbezogen-ausgelassenen Treiben exakt so ja haben bzw. dem Publikum vermitteln. Generell ist sein Film ziemlich kühl – nicht nur wegen der Abwesenheit von Farben – und punktuell schleicht sich eine gewisse „Monotonie“ ein – auch durch die ab und an gestelzt klingenden (zum Teil improvisierten) Dialoge…
Der Score von DJ Muggs und Dean Hurley (featuring Kool Keith) hat seinen Reiz – ist über den Abspann hinaus allerdings nicht gerade memorabel. Das Sound-Design trägt ebenso wie der tolle Schwarzweiß-Look ergiebig mit zur Atmosphäre bei – die Bilder Schrägstrich Shots, welche Alcazar und sein Cinematographer Danny Hiele („Kuso“) inspiriert komponiert und eingefangen haben (mit etwas additional Photography von Matthias Koenigswieser, Moritz Uthe und Marc Bertel) sind nicht selten vorzüglich-schick zu beäugen. Die Villa und ihre edle Inneneinrichtung, die imposanten Gesteins-Formationen der umliegenden Wüste, das wie aus alten B-Movies stammende Labor (inklusive Specimens in mit Flüssigkeit gefüllten gläsernen Gefäßen) sowie die Verwendung von Retro-Technologien wie Röhren-TV-Geräte, VHS-Tapes und Computer-Animationen früherer Tage: All das (und noch mehr) bietet dem Betrachter einen wilden, expressionistisch-avantgardistischen Mix, der sich wohltuend von der Masse abhebt und allein schon deshalb einen Blick wert ist…
An Kreativität mangelt es Alcazar weiß Gott nicht. Momente, wie wenn sich Ziva's Gefolge „sichtbar“ macht – zuerst die Knochen, dann erst Haut und Kleidung – bleiben positiv-cool in Erinnerung – mit zwei Setpieces im finalen Akt in der Beziehung vorneweg: Nachdem die Divinity-Überdosis Jaxxon sich im Delirium mit seinem Vater auseinandersetzen sowie zu einem monströsen Golem mutieren lässt, entbrennt ein brutaler Kampf zwischen ihm und den Stars – welcher in einer eigenwilligen, aber feinen Kombination aus Live-Action und Stopmotion mündet: Von Alcazar und Animator Misha Klein Meta-Scope genannt sowie zuvor bereits bei ihrem 2021er Short „the Vandal“ genutzt, wurden sorgsam geformte Miniaturen (Figuren und Umgebung) auf traditionelle Weise (in kleinen Bewegungs-Schritten) abfotografiert – woraufhin man diese Aufnahmen später auf große LED-Wände eines virtuellen Studios projizierte, vor denen die betreffenden Darsteller schließlich ihre Closeups drehten. Quasi like Ray Harryhausen – by Ways of the Innovations and Possibilities of the 21st Century…
Das Artifizielle ist gewollt – mit Einflüssen von Animes und Video-Fight-Games (á la „Tekken“) evident erkennbar – und besitzt im Zuge dessen ungleich mehr Charakter als die gängigen seelenlosen CGI-Showdowns. Obendrein beschert einem eine Geburts-Szene am Ende stracks noch eine weitere What-the-Fuck?!?-Reaktion, welche ich hier mal gänzlich unbeschrieben belasse. Alles in allem hat „Divinity“ viel mit „Perfect“ gemein: Beide sind originell, audiovisuell betörend und warten mit einigen anregenden (u.a. esoterisch-philosophischen) Ansätzen auf – fallen allerdings jeweils in die Kategorie Style over Substance, ohne einen wahrhaft „packen“ zu können. Mit zurückzuführen ist das auf Faktoren wie das Fehlen von Suspense oder einer emotionalen Connection zu den Protagonisten. Alcazar ist ein Künstler auf seinem Gebiet, der nicht etwa auf solche Dinge wie tiefschürfende Diskussionen aus ist. Entsprechend ist auch dieses Werk von ihm zwar fern von umfänglich befriedigend – nichtsdestotrotz aber faszinierend sowie die Filmwelt abseits von Hollywood bereichernd…
