
Entstehungsdaten:
Australien 1989
Regie:
Phillip Noyce
Darsteller:
Nicole Kidman
Sam Neill
Billy Zane
Trailer
Der australische Hochsee-Survival-Psychothriller „Dead Calm“ (1989) – welcher hierzulande seine Veröffentlichung unter dem Titel „Todesstille“ erfuhr – basiert auf dem gleichnamigen 1963er Roman Charles Williams', bei dessen Verfassen sich der Amerikaner ein Stück weit von einem wahren Fall inspirieren ließ, der sich 1961 vor der Küste Floridas ereignet hatte. Mitte der Sechziger erwarb Orson Wells („Citizen Kane“) die Genehmigung fürs Verfilmen der Materie, adaptierte das Buch in Form eines selbst geschriebenen Skripts und begab sich im Folgenden an entsprechende Dreharbeiten in der jugoslawischen Adria. Leider aber sah sich das Projekt schon bald mit verschiedenerlei Problemen (u.a. technischer und finanzieller Art) konfrontiert: Zirka drei Jahre lang wurde emsig „on Location“ daran herumgewerkelt – bis zu einem Abbruch des Ganzen Ende 1969; mit mehreren Schlüssel-Szenen zu jenem Zeitpunkt noch unrealisiert…
Final eingestellt wurde die Produktion schließlich, als Laurence Harvey (einer der Leads) 1973 verstarb. Während die Original-Negative bis heute als „verloren“ gelten, existieren von „the Deep“ (aka „Dead Reckoning“) allerdings noch zwei Work-Prints – eine in Schwarzweiß, die andere in Farbe. 1996 hatte Oja Kodar – Wells' Lebensgefährtin bis hin zu dessen Tod im Oktober 1985 – beide zur Konservation sowie ggf. Restaurierung dem Filmmuseum München übergeben. Sie war es dann auch, welche die Rechte an George Miller („Mad Max“) bzw. an seine „Kennedy Miller“-Schmiede verkaufte, nachdem sein australischer Landsmann Phillip Noyce ihn und seinen Screenwriter-Weggefährten Terry Hayes auf das Buch aufmerksam gemacht hatte. Zuvor war Noyce wiederum seitens seines Kollegen Tony Bill „angefixt“ worden, der mit diesem Wunsch bei Wells und Kodar bis dato schon häufiger gescheitert war…
In der daraus hervorgegangenen „Neuversion“ wird die Geschichte John und Rae Ingrams (Sam Neill und Nicole Kidman) erzählt, die nach dem Unfalltod ihres Sohnes jenes traumatische Ereignis auf einem Segeltörn inmitten der sonnigen Einsamkeit des Pazifiks zu überwinden gedenken. Allein unterwegs, soll das simultan außerdem ihre Beziehung stärken – sie erneut „zusammenschweißen“, statt dass der Kummer sie weiter „auseinanderdriften“ lässt. Eines Morgens erspähen sie einen sich augenfällig in keinem guten Zustand befindenden Schoner in einiger Entfernung, von dem her sich ihnen ein Beiboot mit einem jungen Mann darin nähert. An Bord geholfen, mit frischem Trinkwasser versorgt, physisch erschöpft sowie generell ziemlich mitgenommen, berichtet Hughie (Billy Zane) ihnen, der einzige Überlebende des aufgrund eines undichten Rumpfs dem Untergang geweihten Vessels zu sein…
Ursprünglich wären sie zu sechst gewesen: Hughie, vier Mädels sowie der für diesen als „Party-Fun-and-Fotoshooting-Cruise“ beworbene und durchgeführte Trip Verantwortliche. Nach einer Mahlzeit, die Hughie ausgelassen hatte, weil er die betreffende Fischsorte nicht essen wollte, seien die anderen schwer erkrankt – und anhand der geschilderten Symptome ist sich John relativ sicher, dass sich die Unglückseligen eine tödliche Nahrungsmittel-Vergiftung eingefangen hatten. Als sich Hughie zum Erholen schlafen legt, will sich John selbst mal einen Eindruck der Beschädigungen des anderen Schiffes verschaffen: Er schließt Hughie vorsichtshalber in der Kajüte ein und rudert los – wo er postwendend Schreckliches entdeckt. Noch vor seiner Rückkehr erwacht Hughie allerdings, registriert die Lage, bricht aus der Kabine aus, überwältigt Rae und fährt mit maximaler Motoren-Leistung von John's Position davon…
An diesem Punkt splittet sich „Dead Calm“ für den nahezu kompletten Rest seiner Lauflänge in zwei sich an unterschiedlichen Schauplätzen entfaltende Plot-Stränge auf: Rae und der sich als ein Psychopath entpuppende Hughie auf der Segelyacht Saracen – sowie John auf dem kaum noch seetüchtigen Schoner Orpheus, den er fortan sowohl mit seinen Kenntnissen als auch vollem Körpereinsatz in Bewegung zu bringen sowie über Wasser zu halten versucht. Jeweils in grässlicher Verfassung, hatte er bereits kurz nach dem anfänglichen Betreten die Leichen der restlichen Passagiere gefunden – ebenso wie ein Videotape, das Einblicke in die Tage vor den Morden gewährt. In der Version von Wells gab es auf der Orpheus übrigens noch zwei Survivor, denen John (Michael Bryant) begegnet – darunter Hughie's Gemahlin Ruth (Jeanne Moreau), welche es im Vorliegenden aber gar nicht erst von der Rolle her gibt…
Bei Noyce's Film haben wir es im Prinzip mit einem reinen 3-Personen-Stück zu tun – wenn man von dem Camcorder-Footage und dem Prolog mal absieht, der die Geschehnisse rund um den tragischen Unfall aufzeigt, bei dem John und Rae ihr Kind verloren: Ein effektiver Einstieg – obgleich man ein paar Momente in einem Krankenhaus durchaus hätte weglassen können. An jenem regnerischen Abend saß Rae am Steuer, als sie in den Gegenverkehr geriet – abgelenkt seitens ihres Sohnes, der sich auf einmal von der Rückbank losgeschnallt hatte, um ein hinunter in den Fußraum gerutschtes Stofftier aufzuheben. Der Segeltörn soll nun der „Heilung“ dienen – allerdings leidet sie weiterhin an Albträumen und heftigen Schuldgefühlen und scheint er ihr innerlich Vorwürfe hinsichtlich der Umstände des Crashs zu machen; was jedoch nie offen bzw. direkt thematisiert wird, wohl aber für sie (wie auch fürs Publikum) spürbar ist…
Die Ehe von Rae und John ist also in Gefahr: Er ein ruhiger, bewanderter Marine-Offizier – sie deutlich jünger und „lebhafter“ von ihrer ganzen Art her. Zu Zeiten des Drehs war Neill 39 – Kidman 19: Eine Altersdifferenz, die mir bei jedem Ansehen des Streifens (über all die Jahre hinweg) stets keinerlei „Problem“ bereitet hat; u.a. dank der zugehörigen Performances sowie der nicht etwa irgendwie „inhaltlich kommentierten“ Darreichung dieser Gegebenheit. Nichtsdestotrotz nährt das die Komplexität der psychologischen Komponenten des Figuren-Geflechts unterschwellig. Auf der Saracen ist Rae dem ihr kräftemäßig überlegenen Hughie weitestgehend ausgeliefert – und dennoch beileibe nicht hilflos, da clever und demgemäß handelnd; insbesondere nachdem sie herausbekommt, dass John doch nicht tot ist. Inzwischen etliche Seemeilen entfernt, bleiben für eine Rettung aber bloß nur noch wenige Stunden…
Bedacht bemüht sich Rae darum, Hughie zu überlisten – den Motor stillzulegen, ihn via ihre Medikamente zu betäuben sowie an Waffen an Bord (á la ein Gewehr, eine Harpune oder einige Messer in der Küchen-Nische) zu gelangen. Leicht ist das allerdings nicht, denn er ist meist misstrauisch auf der Hut. Vor diesem Hintergrund greift sie auf das Mittel der Verführung zurück. Oberflächlich betrachtet – strikt vom Äußeren und Temperament her; ohne dabei zu berücksichtigen, dass er ein mental gestörter Killer ist – passt er eigentlich besser zu ihr als John – und es ist schlichtweg exquisit, wie geschickt Noyce und Kidman eine subtile, exakt darauf abzielende Ambivalenz in diese Szenen injiziert haben. Im Anschluss an diese Augenblicke – als Hughie Rae's Absichten unmissverständlich klar werden – sind ihre um die Oberhand ringenden Konfrontationen dann von antreibender Aversion und Wut geprägt…
„Dead Calm“ profitiert ungemein von seinen drei Leads: Nicole Kidman („the Northman“) ist hervorragend als beherzte Rae, „non-Aussie“ Billy Zane („Demon Knight“) portraitiert Hughie (bei aller Bedrohlichkeit und irrer Manie) mit nicht zu leugnendem Charme sowie merklichem Spaß an der Sache und Sam Neill („In the Mouth of Madness“) nimmt man den erfahrenen, überlegt agierenden John ebenfalls vollumfänglich ab. Einen längeren Abschnitt des Verlaufs räumlich voneinander getrennt, müssen Rae und John sowohl fürs eigene Überleben als auch das des Partners diverse Widrigkeiten bewältigen – was zugleich spezielle Bewusstwerdungen bewirkt und somit zum Meistern ihrer „emotionalen Krise“ beiträgt. Skript-Autor Hayes' („Mad Max 2: The Road Warrior“) ist es gelungen, diesen Prozess glaubwürdig in das straffe Thriller-Konstrukt zu integrieren, ohne jenen im Zuge dessen vordergründig zu betonen…
Vorm Background der förmlich ewigen Weiten des Ozeans – mit Chancen auf „Hilfe von außen“ verschwindend gering; gerade wenn man kein funktionstüchtiges Funkgerät besitzt – entbrennt ein intensives Kammerspiel auf nicht allzu vielen Quadratmetern: Eine bedrohlich-beklemmende Atmosphäre wird erzeugt – welche sich vorzüglich mit der generierten Spannung u.a. mehrerer memorabler Setpieces zu einem packenden Ergebnis vereinigt, das von Regisseur Noyce und seinem Team erstklassig arrangiert wurde. Untermalt seitens stimmiger Musik des Neuseeländers Greamme Revell („Sin City“) – bei der er teilweise Ton-Material seiner 1988 aufgelösten Band SPK „wiederverwendete“ – sowie fein bebildert von Cinematographer Dean Semler („Razorback“), vermochten alle Mitwirkenden mit reichlich Engagement nahezu das Maximum aus dieser an sich recht „unverschnörkelt-schlichten“ Prämisse herauszuholen…
Durch das nicht unnötig hinausgezögerte Preisgeben des von Hughie Getanen startet der Film rasch durch und unterhält einen dabei (einer gewissen nicht zu leugnenden Vorhersehbarkeit zum Trotz) prächtig. Ja, an einer Stelle hätte Rae ihn definitiv besser über Bord schmeißen anstatt bloß fesseln sollen – allerdings ist das angesichts des überzeugenden Rests genauso zu verzeihen wie das „konventionell-eindeutige“ Finale, welches so auch nur auf Wunsch des Studios im Rahmen von Reshoots entstand. Der fast sechsmonatige Dreh vor der Küste Queenslands mag mitunter zehrend gewesen sein – so z.B. hatte Produzent Miller bei einigen Szenen (mit John auf der Orpheus) kurzerhand die Regie übernommen, um Noyce zu unterstützen, und hatte Kidman bei den Aufnahmen von Rae an Deck der Saracen im tosenden Sturm das Schiff gar selbst gesteuert – ausgezahlt haben sich die Strapazen letztendlich aber allemal…
starke
