
Entstehungsdaten:
USA-UK 2016
Regie:
Ilya Naishuller
Darsteller:
Abel Tesfaye
Kristine Froseth
Randy Irwin
Link zum Video
Im September 2016 markierte „False Alarm“ die zweite Single-Auskopplung aus dem dritten Studio-Album „Starboy“ des kanadischen Singer-Songwriters Abel Tesfaye aka The Weeknd: Ein pulsierender New-Wave-Dance-Punk-Electro-Rock-Track, in dem es um eine Frau geht, deren Leben von Materialismus (Drogen, Luxus-Güter etc.) sowie ihr gewidmeter Aufmerksamkeit geprägt ist – was sich so auch auf ihre Bekanntschaften und Beziehungen auswirkt, welche sie dem Bewahren dieses privilegierten Lifestyles entweder ausrichtet oder unterordnet. Im Folgenden soll hier nun aber nicht der Song an sich im Fokus stehen – sondern das zugehörige (rund fünfeinhalb-minütige) Musik-Video, das vierzehn Tage darauf erschien sowie im Grunde einem hochwertig produzierten gewalttätig-wüsten Action-Crime-Thriller-Shortfilm (einschließlich Credits und ein paar Dialog-Fetzen) entspricht…
Für die Regie verpflichtete Tesfaye den Russen Ilja Naishuller, dem es zuvor dank gewisser komplett aus der First-Person-Perspektive heraus gedrehter Werke gelungen war, so einiges an Lob und Neugier zu generieren: Ihres Zeichens die „the Stampede“- und „Bad Motherfucker“-Videoclips seiner Band Biting Elbows sowie der 2015er Kino-Flick „Hardcore Henry“. Ursprünglich wollte Naishuller nach letzterem erst einmal kein „POV-Projekt“ mehr in Angriff nehmen – allerdings änderte er nach Hören des Liedes sowie einer Reihe von Gedanken hinsichtlich damit verbundener Opportunities seine Meinung; zumal Tesfaye ihm reichlich kreative Freiheit zusagte und er selbst dabei einen professionellen Schritt voran schreiten konnte – bspw. anstatt „GoPro“-Kameras nun die bessere „Codex Action Cam” nutzen zu können, um dem Ganzen auf diesem Wege einen cineastischeren Look zu verleihen…
Als Zuschauer wird man direkt ins Geschehen geschmissen – und das aus der Sicht eines schwer bewaffneten Räubers, der (in morgendlicher Dunkelheit) gerade gemeinsam mit einigen maskierten Komplizen (Randy Irwin, Damion Poitier und Sam Hale) eine Bank überfällt und Taschen voller Cash aus dem Tresor herausschafft, während mehrere verängstigte sowie zum Teil auch verletzte Angestellte und Kunden im Schalterraum ausharren. Plötzlich fahren draußen Streifenwagen vor und die Situation eskaliert: Eine Rauch-Granate wird gezündet, ein Wachmann exekutiert sowie eine junge Frau (Kristine Froseth) als Geisel genommen. Durch den Hinterausgang fliehen wollend, geraten sie sogleich in ein wildes Feuergefecht mit der Polizei, das in Verlusten auf beiden Seiten resultiert – allerdings glückt es ihnen inmitten all dessen dennoch, ihren heranbrausenden Flucht-Lieferwagen zu boarden…
Bis zu diesem Punkt hin haben einen die Ego-Perspektive, die wie eine ununterbrochene One-Take-Sequenz arrangierte Inszenierung sowie das hektisch-zügige Tempo bereits hervorragend in die Entfaltung immersiert – doch befinden sich die aufwändigeren zwei Drittel von „False Alarm“ erst noch vor einem! Durch Gassen rasend, wird aus automatischen Waffen auf sie verfolgende Cop-Cars geschossen und diese zum Crashen oder Explodieren gebracht – bevor ein Beamter auf einem Motorrad sie ebenfalls aufzuhalten versucht sowie ein mit in ihr Vorhaben eingebundener Van rückwärts neben ihnen herzufahren beginnt, in den sie die Taschen dann (via geöffnete Schiebetüren) rüberzuwerfen sowie selbst hinüberzuhechten anfangen. Kurzerhand geht ein Viertel des Geldes verloren – ein weiteres wenig später – und ein Kampf zwischen den noch verbliebenen Kriminellen entbrennt…
Warum sich die Männer gegeneinander wenden, hängt im Vorliegenden weder primär mit einer auf Gier basierenden Absicht noch mit irgendwelcher Verärgerung wegen Inkompetenz oder Zurückhaltung beim Einsatz von Brutalitäten zusammen – sondern mit der hübschen Geisel, welche sie (in Handschellen gelegt) durch dieses brenzlige Chaos schubsen, zerren sowie als „menschliches Schutzschild“ gebrauchen. Angesichts unterschiedlichem Leid, das ihr droht, macht es sich der zentrale Protagonist nämlich prompt zur Absicht und Aufgabe, ihr kein zusätzliches zustoßen zu lassen – was man in Anbetracht der verschreckten Blicke des Mädels sowie ihrer grundsätzlichen Attraktivität durchaus nachvollziehen kann; zumal man ja alles sozusagen direkt durch seine Augen erlebt. Natürlich ist diese „Connection“ bloß strikt oberflächlicher, für den Verlauf rein zweckdienlicher Beschaffenheit…
Aus über 250 Bewerberinnen auserwählt, war dies das Filmdebüt Kristine Froseths – welche seit 2012 als Model tätig war sowie inzwischen als Schauspielerin festen Fuß gefasst hat (u.a. durch Parts in „Sierra Burgess is a Loser“, „Apostle“, „Prey“ und „Birds of Paradise“). Randy Irwin („Christmas Twister“), Damion Poitier („American Muscle“) und Sam Hale („Better Criminal“) verkörpern drei der Räuber – während Abel Tesfaye („Hurry up Tomorrow“) selbst bloß nur für ein paar Sekunden zu sehen ist. Das Skript von Naishuller und Lado Kvataniya („Kazn“) ist effektiv im Sinne des Angestrebten sowie gefüllt mit kreativen Ideen und durchdacht konzipierten Abfolgen, ohne dabei einen einzigen Moment „zu verschenken“. Unentwegt geschieht etwas, die Fixation verbleibt stets aufrechterhalten – und das alles nachdem eingangs mit einer Parental-Advisory-and-Viewer-Warning-Einblendung eröffnet wurde…
Insbesondere für ein Musik-Video eines solch prominenten Künstlers wie The Weeknd ist „False Alarm“ beileibe nicht zimperlich in Sachen Gewalt-Darstellung: Menschen sterben im Kugel-Hagel – zweien wird aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Gemäß Naishuller's Karriere bis dahin erhält man eigentlich ziemlich genau das geboten, was man erwarten durfte – das allerdings optisch ein kleines Stück weit schicker als bei seinen bisherigen Werken. Mit der Kamera/Perspektive ständig in Bewegung – für welche Starr Whitesides („Doors: Knockers“) verantwortlich war; ergänzt um einige additionale Aufnahmen von Vance Burberry und Naishuller himself – wird das anvisierte mitten-drin-statt-nur-nahebei-Feeling erzeugt – samt eines unweigerlichen Ego-Shooter-Vibes; wozu ja wiederum passt, dass Naishuller an dem (ebenfalls ein Bank-Heist-Szenario aufbietenden) 2013er Game „Payday 2“ beteiligt war…
Die Verwendung bspw. von Shaky-Cam und Reißschwenks hat es dem Team ermöglicht, die existenten Schnitte unauffällig zu verbergen – denn selbstredend wurde das Ganze nicht in Form eines Single-Takes gedreht. Generell ist das Präsentierte reich an CGIs, von denen neben den üblichen (á la Mündungsfeuer und Blood-Splatter) viele so überhaupt nicht erkennbar sind – darunter Handschuhe, die jemandem einfach mal nachträglich „angezogen“ wurden, eine korrigierte Arm-Position sowie mehrere eingefügte Backgrounds, Fahrzeuge und wegfliegende Dollar-Noten: Entsprechend Interessierten ist ein kurzes VFX-Breakdown-Video der dahinter steckenden Schmiede zu empfehlen. Handwerklich, technisch sowie von der Choreographie der verschiedenen Elemente her verfügt das Ergebnis über eine hohe Qualität – quasi im Einklang mit dem gleichwohl prima zufrieden stellenden Unterhaltungsgrad…
Parallel zu den treibenden Beats des Tracks – erweitert um eine „Pausierung“ jenes zur Hälfte hin sowie inklusive einer mit einer ruhigeren Passage abgestimmten Auseinandersetzung in Zeitlupe – ist es die „kinetische Energie“ der Ereignisse und Inszenierung, die einen packt und mitreißt. Wer auf Action, Guns und Fights steht, ist hier richtig – doch sind darüber hinaus auch noch einzelne echt coole Einfälle (wie die Nutzung einer Drohne oder das auf der Basis einer Bild-Übertragung visierte Schießen durch eine Lieferwagen-Wand auf ein Ziel draußen/daneben) zu verzeichnen. Bei Tagesanbruch mündet das alles letztendlich in einem dramatischen Finale – gedreht in einer dieser betonierten Kanäle in L.A. – mit der Einbindung eines Spiegels einen huldigend an Jonas Åkerlund's Videoclip-Klassiker zu The Prodigy's „Smack my Bitch up“ erinnernd, welcher den betreffenden Stil ja schon Jahre zuvor gerockt hatte…