
Entstehungsdaten:
UK 2023
Regie:
Stuart Gatt
Darsteller:
Erin Moriarty
Jai Courtney
Dina Shihabi
Ryan Corr
Trailer
Bei „Catching Dust“ handelt es sich um ein britisches Thriller-Drama von Regisseur und Drehbuch-Autor Stuart Gatt („My beautiful white Skin“) aus dem Jahr 2023, welches sich in einer einsamen texanischen Wüsten-Gegend entfaltet sowie mit einem Ausblick aufs Ende eröffnet: Vorm Hintergrund einer den Himmel in schöne Farbtöne tauchenden Abend-Dämmerung betritt ein bewaffneter Mann ein Mobile-Home – worauf der Schrei einer Frau erklingt und ein Schuss fällt. Losgelöst dessen, dass über die Person mit dem Gewehr, den Ort des Geschehens sowie dass es im Verlauf zu dieser Situation kommen wird hinaus natürlich noch keine konkreteren Details preisgegeben werden sowie man im Folgenden relativ zügig registriert, dass bei dieser erzählten Geschichte keine „Mystery-Komponente“ (oder etwas in der Richtung) im zentralen Fokus der Ausrichtung steht, ist es an sich sowohl unnötig als auch schade, ein solch gewiss wichtiges späteres Ereignis derart postwendend vorwegzunehmen…
Inmitten einer staubigen, von der umgebenden Natur her jedoch nicht reizlosen Einöde off the Grid in einem Trailer lebend, sind das Ehepaar Clyde (Jai Courtney) und Geena (Erin Moriarty) die einzigen verbliebenen Bewohner einer Gemeinde etliche Meilen abseits der nächstgelegenen „Zivilisation“. Elektrizität und Wasser ist vorhanden, sie kümmert sich um einen kleinen Garten und er geht nahezu täglich jagen (vorrangig Hasen). Als Kind war Clyde in der Region aufgewachsen – in welche er vor einiger Zeit nun mit Geena zurückgekehrt ist, nachdem ein Vorfall ihn dazu veranlasst hatte, sich vor der Polizei zu verbergen. Wenn er unterwegs ist, vertreibt sie sich die Tage gern mit Zeichnen und Malen – was er aber nicht allzu gern sieht, da er es als Unsinn erachtet. Sie träumt davon, wieder in eine Stadt zu ziehen und was aus sich zu machen – zumal er ihr versprochen hat, dass ihr Aufenthalt dort bloß temporär sein würde. Kontakt zu anderen haben sie so gut wie nie – höchstens, wenn dringende Einkäufe notwendig sind…
Auf einmal wird ein anderes Mobil-Heim von einem Truck rund dreißig Meter von ihnen entfernt abgeladen: Ein modernes, luxuriöses Glamping-Modell, in dem Amaya (Dina Shihabi) und Andy (Ryan Corr) angedacht haben, knapp drei Wochen lang ohne Handy-Netz (und so) einen „Tapetenwechsel-Break“ vom Job und einem erlittenen Schicksalsschlag zu vollziehen. Verheiratet und in New York City zuhause, hatte er diese Location dafür ausgesucht – das jedoch anhand eines älteren, bevor es mit der Kommune bergab gegangen war verfassten Artikels. Angesichts des Ganzen ist Amaya recht entsetzt und will am liebsten sofort wieder weg – u.a. da Clyde bei ihrer ersten Begegnung stracks eine Waffe auf sie richtet – doch heißt Geena sie freundlich willkommen und gedenkt Andy das Vorhaben nicht so rasch aufzugeben. Fortan strebt es Clyde an, jegliche „Annäherungen“ durch passiv-aggressives, abweisendes oder gar offen konfrontatives Verhalten zu unterbinden – während Geena von ihrer Sehnsucht nach Kontakt geleitet agiert…
„Catching Dust“ beschäftigt sich mit vier Individuen in zwei unheilsamen Beziehungen – maßgeblich mit Geena und Clyde. Letzterer hat eine kriminelle Vergangenheit, wegen derer sie in diese Isolation gezogen waren. So einige seiner Entscheidungen sind nicht die besten – und in Kombination mit Wut hat seine impulsive Ader auch schon dazu geführt, dass er ihr gegenüber gewalttätig wurde. Ein blutbeflecktes weißes Kleid, das sie aufbewahrt hat, dient beiden als „Erinnerung“ daran. Trotz seines Gelobens, dass das nie wieder passieren wird, scheint es aber nur eine Frage von wann zu sein, bis er sein Wort bricht – was Geena ebenfalls ahnt Schrägstrich befürchtet. Er ist dominant und hält sie auf dem Gelände förmlich (sie so quasi zunehmend „zu ersticken drohend“) von der Außenwelt abgeschottet. Also malt sie. Seine Verärgerung darüber entstammt hauptsächlich daher, dass er erkennt, was dahinter steckt. Aktuell mögen sie zwar a simple Life führen – doch sie sind keineswegs „einfältig“…
Clyde ist ein schroffer, muskulöser Mann, der seine Frau liebt – allerdings in mancherlei (etwa emotional-kommunikativer) Hinsicht merklich überfordert ist. Er klammert, ist misstrauisch in Bezug auf andere sowie mitunter über sich selbst erschrocken, wenn er von ihm Angerichtetes (nachträglich) begreift. Der Anblick des Kleides sowie ihre Vorwürfe dahingehend lösen beißenden Schmerz in ihm aus – und als er bspw. mal einige ihrer Zeichnungen wegwirft und sie ihn deshalb expressiv zur Rede stellt, kauft er ihr anschließend sogleich ein schönes Farben-Set, damit sie damit „ihr Meisterstück“ erschaffen kann. Die Sache dabei: Das macht er nicht, um sie bloß manipulativ zu besänftigen – nein, er will ernsthaft, dass sie zufrieden und nach Möglichkeit zudem glücklich ist. Derzeit kann er ihr das nicht bieten – doch werkelt er an einem Plan, mit welchem er das (zumindest seiner zuversichtlichen Hoffnung nach) eventuell hinbekommen könnte. Ihm Widerfahrenes hat ihn so werden lassen…
Selbstverständlich ist Clyde's Gebaren an sich nicht zu entschuldigen – allerdings kann ihn das Publikum (auf der Grundlage seiner Darbietung im Film) verstehen. Die Angst, sie verlieren zu können, nagt an ihm – und ihm ist wohlbewusst, dass Geena besseres gebührt sowie er sie bei ihrer „persönlichen Entfaltung“ zurückhält. Jene wünscht sich, dass sie wieder in eine Stadt ziehen – mit Läden, Lokalen und Perspektiven – kann sich aber nicht durchsetzen; zumal ihr nicht einmal die genaueren Umstände des zwischen Clyde, den Cops und einem Gangster namens Copperhead Vorgefallenen bekannt sind. Sie empfindet definitiv noch Gefühle für ihn, will ihm beistehen, ihn in Momenten beruhigen, die ihn aufregen, und hat all das in Erinnerung, wie er früher so war – u.a. bevor sie „fliehen“ mussten. Innerlich ist ihr klar, dass sie sich von ihm trennen muss – nur verfügt sie weder über Geld noch sonst jemanden, der ihr nach jenem Schritt helfen könnte, und sorgt sie sich außerdem um seine Reaktion, sollte sie das aktiv versuchen…
Diesen Spannungen aufweisenden Zustand des Paares reichert „Catching Dust“ in Gestalt der Ankunft Amayas und Andys postwendend mit einer Reihe weiterer an: Während Clyde sie prompt als Bedrohung ihres „Untergetauchtseins“ sowie der vorherrschenden „Ordnung“ ansieht, erfreut sich Geena an dem ihr so gebotenen Kontakt. Dass Amaya angefressen davon ist, dass Andy sie an diesen trostlosen Ort gebracht hat – unabhängig dessen, dass das in dieser Form ja unbeabsichtigt war – ist absolut nachvollziehbar. Er indes bemüht sich darum, das alles dennoch positiv zu betrachten – schließlich markiert eine zentrale Intention dieses Trips, eine Distanz zu ihrem Alltag zu erzielen. Wie die meisten Ehen, ist auch ihre nicht frei von Problemen – worüber hinaus sie kürzlich eine Fehlgeburt erlitten hatte, welche es zu verarbeiten gilt. An Vermögen mangelt es ihnen nicht – dafür aber an anderen Dingen, um ihnen wahrhaftig Glück und Behagen zu bescheren. Und nun treffen eben diese Menschen dort draußen aufeinander…
Dass Amaya und Andy Geena und Clyde zur Begrüßung Matcha-Getränke und Gebäck aus New York anbieten, stößt nur bei ihr auf Interesse und Zugewandtheit: Fortan meidet Clyde Begegnungen mit ihnen und will am liebsten, dass Geena das genauso handhabt. Angesichts seines Verhaltens und wie er mit ihr umgeht, wägen Amaya und Andy in einer Szene diskutierend ab, ob sie sich in deren Angelegenheiten tatsächlich einmischen sollen oder nicht. Erfreulich ist, dass es Gatt vermieden hat, daraus einen oberflächlich-klischeehaften City-Slickers-vs-Trailer-Yokels-Konflikt zu stricken – denn obwohl man die „Touristen“ im gängigen Sinne schon als kultivierter bezeichnen kann, legt Geena ihrerseits nichtsdestotrotz z.B. unübersehbaren Wert auf Sauberkeit, ihr Äußeres sowie stilvolle Kleidung. Vielmehr wurde sich auf die verschiedenen Charakter-Eigenschaften sowie die jeweils entstehenden und bestimmte Folgen auslösenden Einflüsse ihrer Meinungen, Unterhaltungen und Taten konzentriert…
Sich nicht von ihm einschüchtern lassend, nimmt Amaya sogar eine direkte Konfrontation mit Clyde in kauf, als jener es ihr untersagt, ein paar mitgebrachte Zier-Pflanzen in der wenigen fruchtbaren Erde des „Kommunen-Gemeinschafts-Gartens“ einzugraben, den er zum Anbau von Nahrungsmittel nutzt. Mit der Zeit macht sie es zu ihrem Bestreben, Geena zu einer Annahme eben dieser Eigenschaft zu animieren – sich via Beherztheit und Toughness gegen Unterdrückung oder Gewalt jeglicher Art zur Wehr zu setzen; kein hinnehmendes Opfer zu sein. Und Andy? Neben seinem lukrativen Job im Finanz-Sektor ist er zum inneren Ausgleich überdies als Kunst-Dozent tätig – und so zeigt ihm Geena ihre Werke, erhält Feedback sowie die Bestärkung, doch mal die Stilrichtung abstrakter Expressionismus auszuprobieren. Seine Aufmerksamkeit, Sensibilität und Leidenschaft für Kreatives spricht sie an – was schrittweise immer deutlicher flirty wird und bei ihr gewisse verführerische Gedanken hinsichtlich ihrer Zukunft heraufbeschwört…
„Catching Dust“ ist in erster Linie Geena's Geschichte – die ihrer Empfindungen und Entscheidungen und wie jene andere beeinflussen. Andy scheint geradezu das Gegenteil von Clyde zu sein: Charmant statt rau – hochgebildet sowie in einem sozialen Gefüge eingebettet. Die Sache ist jedoch: Auch er ist fern von perfekt – verbirgt Dinge vor Amaya, agiert nicht unwesentlich Ego-geleitet und würde am liebsten vor speziellen „Unannehmlichkeiten“ in seinem Leben davonrennen. Nach und nach werden Details preisgegeben sowie tiefer liegende „Schichten“ im Bereich der Persönlichkeiten und Beziehungen freigelegt – bisweilen bloß durch Blicke, Gesten oder im Rahmen von Reaktionen auf Gelegenheiten und Entwicklungen, die ihrerseits bei den Figuren wie auch beim Zuschauer Anpassungen erfordern und bewirken. Emotionen aufwühlend, resultieren zutage kommende Geheimnisse, Lügen, Manipulationen und Motive in Zweifel und Misstrauen sowie in Veränderungen von Aussichten und Anklängen…
In ihrer gegenwärtigen Situation sehnen sich alle vier nach Zufriedenheit und Trost. Nur einmal – als sich Geena, Andy und Amaya beim Reparieren eines Hahns plötzlich spontan vergnügt mit Wasser zu bespritzen beginnen – scheinen sie für einige Augenblicke die auf sie niederpressenden Belastungen ausblenden sowie ungetrübte Freude verspüren zu können. Ihrer Mehrdimensionalität zuzuschreiben, handeln alle mitunter widersprüchlich: Niemand hier ist umfassend sympathisch oder verabscheuungswürdig – und die sie portraitierende Darstellern verdienen der Reihe um Lob. Schweigsam und physisch einschüchternd, vermittelt Jai Courtney („Jack Reacher“) das Dominante, Abweisende und Aggressive Clydes ebenso überzeugend wie dessen punktuell hervorkehrende Unsicherheiten, Ängste und Liebe für Geena. Durchaus zu Introspektion und Mitgefühl fähig, ringt er mit sich selbst sowie damit, wie er richtig auf dies und jenes reagieren soll, das er nicht sogleich eindeutig einzuschätzen vermag…
Geena ist sensibel, freundlich und keineswegs unintelligent – allerdings in dieser Partnerschaft gefangen; selbst wenn sie das noch nicht umfänglich wahrhaben will. Der Glaube daran, dass es irgendwann schon wieder gut werden wird, ist im Prinzip nur noch vorgeschoben. Mit Andy erhofft sie sich eine Chance, dieser Existenz zu entkommen: Opportunistisch versucht sie ihn deshalb dazu zu bewegen, dass er sie mitnimmt – weg von diesem Ort – nicht ohne erkeimender Verzweiflung dahinter. Erin Moriarty (TV's „the Boys“) portraitiert sie prima – verletzbar und eigenständig; aber hilfebedürftig – doch haben ihre Schönheits-OPs ihre Mimik ein registrierbares Stück weit eingeschränkt – was einfach schade ist. Dina Shihabi (TV's „Archive 81“) agiert derweil kraftvoll und hat eine Menge aus ihrem Part herausgeholt – während es an der Darbietung Ryan Corrs („Sting“) zwar ebenfalls nichts zu beklagen gibt, er insgesamt jedoch (u.a. von der generellen Ausgestaltung seiner Figur her) klar im Schatten der anderen steht…
Entstanden aus den regulären Anstrengungen des Ehelebens, Schicksalsschlägen, unvorteilhaften Entschlüssen, unerfüllten Wünschen und Erwartungen sowie dem Unvermögen, Bedrückendes vernünftig-effektiv miteinander zu kommunizieren, gelingt es „Catching Dust“ ordentlich, das Toxische der beiden Paare zu beleuchten. Aus unterschiedlichen Gründen ließ die einst innige Liebe nach und litt auch das Vertrauen darunter – so dass aktuell reichlich Unmut herrscht und die Bindungen obendrein (bspw. Sorgen, Verantwortung und Loyalitäten aufgreifend) mit kleineren und größeren Machtspielen durchsetzt daherkommen. Die Charaktere bestimmen und prägen die Story und ihre Subplots – ihre Interaktionen und Dynamiken (Bekräftigungen, Besänftigungen, Vorwürfe, potentielle Auswirkungen etc.) generieren Anspannung. Mit dieser Konstellation als „Katalysator“, befinden sich diese Personen jeweils an einem Scheideweg: Alles hat Konsequenzen – und manche davon sind nunmal gravierender, unumkehrbarer Beschaffenheit…
Durch und durch ein Slow Burn, gibt es nur wenige „klassische Thriller-Momente“. In einem jener geht Clyde etwa gar so weit, Amaya's und Andy's Drinks zu vergiften – allerdings endet diese Sequenz (auf vielsagende Weise) anders als gedacht. Der finale Ausklang entpuppt sich derweil als recht abrupt hergeleitet – im Grunde wie eine spontane Tat. Das hätte Gatt nuancierter konzipieren können. Einzelner Klischees und Vorhersehbarkeiten zum Trotz, ist ihm im Ganzen dennoch ein kompetenter Film gelungen – welcher jedoch ein Faible für Werke dieser dramatischen und Suspense-haltigen, dabei aber stets ruhigen Art erfordert. Positiv zu erwähnen ist auf jeden Fall noch die feine 35mm-Bebilderung: Cinematographer Aurélien Marras („Les Météorites“) hat die simultan staubig-karge und schöne Natur zu einem wichtigen Bestandteil der von der zehrenden Hitze und Isoliertheit des Schauplatzes genährten Atmosphäre werden lassen – wobei die Dreharbeiten statt on Location in Texas allerdings auf Fuerteventura stattfanden…
gute
