
Entstehungsdaten:
Frankreich 2024
Regie:
Jacques Kluger
Darsteller:
Adèle Galloy
Marie Zabukovec
Marilyn Lima
Vaimiti Teiefitu
Trailer
Willkommen im Paradies der Hölle
„Maraé“ ist ein französischer Horror-Survival-Thriller von Regisseur, Produzent und Co-Autor Jacques Kluger aus dem Jahr 2024, der international als „Pacific Fear“ veröffentlicht wurde und sich in etwa als eine Kombination aus John Stockwell's „Blue Crush“, Eli Roth's „the Green Inferno“ und Alexandre Aja's „the Hills have Eyes“ (bzw. der entsprechenden Streifen aus den späten '70ern und frühen Achtzigern, die letzteren als Inspiration und Grundlage dienten) beschreiben lässt – ergänzt um eine Prise Francis Ford Coppola's „Apocalypse Now“. Zusammen mit einigen simultan bedrückenden wie imposanten Archiv-Aufnahmen wird mit ein paar Textzeilen eröffnet, welche das Publikum darüber informieren, dass in Französisch-Polynesien zwischen 1966 und 1996 rund 200 (seitens der Regierung in Paris angeordnete) über-, unterirdische sowie unterseeische Atomwaffen-Tests durchgeführt wurden, deren Strahlung die Umwelt des Archipels schwer verseuchte und die Gesundheit der Bewohner nachweislich schädigte. Obendrein deponierte man dort große Mengen radioaktiven Abfalls und erklärte bestimmte Gebiete (darunter das Mururoa-Atoll) zu militärischen Sperrzonen…
In jener Südsee-Region treffen sich Jennifer (Marie Zabukovec), Hazel (Vaimiti Teiefitu) und Alicia (Marilyn Lima) mit der Sport-Fotografin Sarah (Adèle Galloy) zu einem von ihr vorbereiteten Shooting: Alle vier kennen sich schon, sind bewanderte Surferinnen und freuen sich über diesen sie an diesen traumhaften Ort bringenden Trip. Gleich nach der Ankunft des Trios überrascht Sarah sie prompt mit der Ankündigung, dass sie, anstatt die üblichen Beaches der Gegend anzusteuern, zu einer Insel hin aufbrechen werden, die in der Hinsicht so noch nicht „erschlossen“ wurde – unabhängig dessen aber mit einer fantastischen Brandung aufwarten soll. Erfahren hatte sie davon durch den „brummigen“ Skipper Sam (Laurent Maurel) – welcher sie nun (gehörig dafür entlohnt) auf seinem Boot mitnimmt und sie schließlich mit ihrem Gepäck an einem netten, von den Wellen her ruhigeren Ufer-Abschnitt absetzt. Ihnen zur Sicherheit noch ein Walkie-Talkie mitgebend, lautet der Plan, dass er sie in 48 Stunden wieder abholt – sie sich bis dato um ihre Aufnahmen kümmern sowie am Strand schlafen – während er irgendwo in den umliegenden Gewässern (in Funk-Distanz) vor Anker geht…
Abends quatschen, tanzen und trinken die Mädels ausgelassen am Lagerfeuer – bevor sie am nächsten Morgen quer über das bergige und dicht bewachsene Terrain in Richtung einer Küstenlinie aufbrechen, an der die erhofften Gegebenheiten vorherrschen sollen. Unterwegs kommen sie im Dschungel an einzelnen alten Totem-Statuen vorbei und entdecken zudem eine in früheren Zeiten für Opfer-Riten genutzte heilige Stätte – wie ihnen Hazel berichtet, welche aus diesem Kultur-Kreis stammt und vor allem Jennifer dazu ermahnt, doch bitte nichts anzufassen. Ein Metall-Schächtelchen scheint darauf hinzudeuten, dass in den vergangenen Jahren durchaus Personen das Eiland betreten hatten – und als Jennifer einen Schwung Pillen darin entdeckt, die sie für Drogen hält, steckt sie diese kurzerhand „für später“ ein. Nach mehreren weiteren hundert Metern erreichen sie dann endlich ihr Ziel und stellen begeistert fest, dass Sam ihnen wahrlich nicht zu viel versprochen hatte: Die Umgebung sieht wie aus einem Hochglanz-Katalog aus und die Surf-Bedingungen sind fantastisch! Also schnappen sie sich ihre Bretter und legen los – bis verströmtes Blut das glasklare Wasser urplötzlich rot verfärbt…
„Maraé“ ist ein absolut Kino-tauglich bebildertes Werk: Die Dreh-Locations (Tahiti und Moorea) sind atemberaubend schön, die natürlichen Farben (u.a. des weißen Sands, türkisblauen Meers sowie dichten grünen Urwalds) leuchten kraftvoll in der warm vom Himmel herab strahlenden Sonne, die Wellenreiten-Sequenzen (samt Tauch-Momente) wurden toll gefilmt – und auch sonst hat Cinematographer Antony Diaz („Carbone“) echt prima Arbeit abgeliefert, bspw. via punktueller Nutzung von Unschärfen sowie niedriger und/oder schräger Perspektiven. Zügig bewegt sich das Geschehen voran: Direkt nach der Ankunft der Girls geht's im Prinzip nahtlos an Bord Sam's Boot – beschwingter Laune (sowie mit einer abgestimmten Musik-Untermalung) raus zu der Insel, über die er in einer Bar (nach einigen Drinks) in Sarah's Beisein geplaudert hatte. Er selbst hält das für keine gute Idee – doch ist das Geld halt verlockend und wiegelt Sarah beim Kenntniserlangen seiner Vorbehalte (bzw. gar Warnungen) diese herunterspielend ab: Gerade dass der Bereich für die Öffentlichkeit gesperrt ist – also nicht schon zigfach abgelichtet wurde – markiert ja einen Teil „des Besonderen“ daran…
Grundsätzlich sind die Figuren-Zeichnungen recht oberflächlicher Beschaffenheit. Seit einem Unfall, bei dem sie gegen scharfe Riffsteine gedrückt worden war, leidet Sarah (nun mit großer Narbe) an jenen Erinnerungen – was sie im Wasser bisweilen „hemmt“ und so ihrer Karriere geschadet hat. Deshalb ist es ihr ziemlich wichtig, dass das Shooting ein Erfolg wird – weswegen sie dafür gewisse Risiken in Kauf zu nehmen bereit ist. Hazel ist in der Region aufgewachsen und verfügt daher über Wissen hinsichtlich lokaler Glauben und Riten – womit Jennifer und Alicia wiederum nichts am Hut haben: Sie sind typisch-moderne Fun-liebende (das Jetzt genießende) Mädels. Klassische, nur eingeschränkt sympathische Genre-Charaktere also. Auch wenn letztere beiden Hazel im Zuge ihres Hinweisens auf „potentielles Unheil“ einen Zacken verspotten, nimmt man ihnen ab, dass die vier Freunde sind – z.B. indem Jennifer beim Posieren für ein Foto eines Fans jenen auf die etwas entfernt stehende Sarah und deren Errungenschaften hinweist sowie sie postwendend mit zu sich heran holt. Überdies vermitteln sie ihren Enthusiasmus fürs Surfen einhundert-prozentig nachempfindbar…
Das erste Drittel der rund 80-minütigen Laufdauer gebührt der Einführung und Etablierung der Protagonisten sowie des Settings – einzelne eine unklare Bedrohung andeutende Einstellungen inklusive. Und dann – mit einem Mal – geraten die unbeschwert draußen in der Brandung aktiven Frauen konkret in Gefahr: Sarah erspäht einen Hai. Trotz ihres sofortigen Rufens und Winkens ist es für Hazel allerdings zu spät: Gegen das maritime Raubtier hat sie keine Chance. Verzweifelt schwimmen die anderen ans schützende Ufer – wobei es passiert, dass eine kalkweiße Hand einer von ihnen unter Wasser (für den Zuschauer überraschend) am Knöchel packt; sie sich allerdings loszureißen vermag. Mit Sicherheit hätten die meisten Filme Hazel's Tod vor der nächsten „Eskalationsstufe“ mehrere Augenblicke lang „einwirken“ lassen – doch im Vorliegenden ist dem nicht so: Stracks erscheinen einige Gestalten mit Waffen (wie Speere und Macheten) – ohne Frage in feindseliger Absicht – und setzt eine Hetzjagd durch den Wald ein, bei der Sarah beinahe von einer Stolperfalle „erwischt“ wird, bevor sie schließlich gefangen genommen und in ein von einer ganzen Gemeinschaft bewohntes Dorf gebracht werden…
Dass einen „Maraé“ (neben weiteren) an Werke wie Ken Wiederhorn's „Shock Waves“ sowie ein paar italienische Kannibalen-Streifen aus der „Video Nasty“-Ära denken lässt, hilft schonmal dabei, nicht zu viel in Sachen Originalität (sowie Story-Qualität an sich) zu erwarten – worüber hinaus man jedoch ebenso wenig auf Zombies oder Menschenfresser sowie Szenen mit Animal-Cruelty oder Rape aus sein sollte. Ja, eine versuchte Vergewaltigung kommt vor, wie auch verschiedene Brutalitäten – allerdings stets im Rahmen der erhaltenen „FSK-16“-Freigabe. Tatsächlich leben auf der Insel – auf der vor Jahren gar französische Soldaten stationiert waren – Menschen: Hauptsächlich die Angehörigen eines indigenen Stammes, welche durch die Bomben-Tests verstrahlt wurden und nun jeden „Eindringling in ihre Heimat“ dafür bestrafen – u.a. weil sie genau wissen, dass es eigentlich illegal ist, für jemanden dorthin zu kommen. Angeführt werden sie von einem ehemaligen Offizier – Le Général (Aurélien Recoing) – der aus Scham, Wut, Schuld-Empfinden und Verbitterung über das, was die Armee der Umwelt und den Ansässigen angetan hat, nach deren Abzug bei ihnen geblieben war…
Rituale praktizierend und Fremde tötend – darunter zwei Kumpane Sams; wodurch jener von diesem Fleckchen Erde wusste – wollen sie die Frauen indes nun „zur Fortpflanzung nutzen“ – belehren sie vorher allerdings noch über ihre „Vergehen“, wie z.B. das Entwenden des Schächtelchens. Zwar gesteht Jennifer reumütig, dass sie das war – doch ahndet Le Général das damit, indem er Alicia Leid zufügt, um sie auf diesem Wege zusätzlich (seelisch) zu peinigen. Unabhängig ihrer Tat wäre diese komplette Lage generell vermeidbar gewesen – hätte Sarah Sam's Warnungen nicht ihren eigenen Motiven Schrägstrich Ambitionen untergeordnet und hätte Sam den „Deal“ mit ihr per se einfach nicht akzeptiert. Dennoch wünscht man keinem von ihnen ein „möglichst garstiges Ende“ – was den Performances zuzurechnen ist. In der Rolle Sarahs verkörpert Adèle Galloy („Le Recrutement“) eine imperfekte Person – wohl jedoch ein kompetent-zähes „Final Girl“ – Marie Zabukovec (TV's „Notre-Dame“), Marilyn Lima („Sentinelle“) und „Miss Tahiti 2015“ Vaimiti Teiefitu („Meherio“) agieren jeweils ordentlich und als Haupt-Baddie würde ich Aurélien Recoing („La vie d'Adèle“) als „zweckdienlich“ einstufen…
Selbstredend kommt Sam (solide: Laurent Maurel aus „On the Edge“) im finalen Akt ebenfalls noch eingreifend mit ins Spiel – von „schlechtem Gewissen“ geplagt nach Wiedergutmachung strebend. Bis dahin hat sich Sarah u.a. durch den Dschungel gekämpft, ist einen Wasserfall hinunter gesprungen (übrigens der einzige Moment im Film mit einem handwerklich suboptimalen Effekt) und war sie auf einen alten Bunker gestoßen, in dem (nicht gerade glaubwürdiger Weise) sowohl die Beleuchtung noch funktioniert als auch die Franzosen diverserlei Zeugs (á la medizinische Dokumente und einen kleinen Restbestand an Waffen) zurückgelassen hatten. Auf einen damit verbundenen „Exposition Dump“ hätte ich getrost verzichten können – obgleich so noch einmal der Punkt unterstrichen wird, dass die Machenschaften der Armee schlimm für die Region und deren Einwohner waren; Anfang und Verantwortung also bei jener verwurzelt liegen. Prinzipiell hat diese Imperialismus- und Kolonialismus-Kritik ihre Berechtigung – welche zum Schluss hin überdies um Faktoren wie Geheimhaltung und Vertuschung ergänzt wird – bloß ist sie hier nunmal nicht sehr bedeutungsvoll geartet…
Trotz des realen Backgrounds ist „Maraé“ ein reinrassig-traditionelles B-Movie – so wie die „Hügel der blutigen Augen“ Wes Cravens und Monsieur Ajas, nur halt in der paradiesischen Südsee statt in der Wüste New Mexikos angesiedelt. Daher sollte man sich auch nicht zu heftig darüber aufregen, dass die isolierten Polynesier auf der Insel als „barbarisch-grausame Wilde“ dargestellt werden: In solchen Genre-Flicks kommen bestimmte „Antagonisten-Ethnien“ (siehe Hillbillies oder Rednecks) eher selten positiv weg. Gern hätte ich einen etwas ausgedehnteren Showdown gehabt – und dass ausgerechnet die Ozeanierin Hazel als erstes stirbt, fand ich ungünstig und schade – doch hat Jacques Kluger („Play or die“) alles in allem einen optisch schicken Horror-Thriller geschaffen, der (neben anderen Dingen) ein ansprechendes Pacing, einige feine Einfälle und Shots (wie Hazel's Surfboard in den Wellen, mit ihrem abgetrennten Bein noch an der Leash befestigt) sowie ein passables Maß an Spannung und Atmosphäre zu bieten hat. Kurzum: Ein schlicht gestrickter Streifen voller altbekannter Tropes und Einzel-Elemente, der mich insgesamt aber nichtsdestotrotz brauchbar zu unterhalten vermochte…
